ich mach das gerne: es entspannt mich - ein bild aus der taz (23.02.2021) s.15 kultur, habe ich mit meinem ölmalfilter verfremdet und gerahmt und beschattet: tja - wer klopfet an? - und wird ihm aufgetan? - und wer oder was steht auf der jeweiligen seite der tür? draußen & drinnen ...
und dann die entscheidung: sesam - öffne dich - oder bleib zu ... komm rein oder bleib draußen ...
aber bei all diesen firlefanz-gedanken drum rum: mich erinnert das bild auch an die synagogen-tür von halle mit den gesplitterten schusslöchern: peng - peng
und an das glückliche scheitern des mörders und standhalten der tür gegen diese selbstgebaute waffe ...
"broken light" soll der beginn eines neuen projektes sein - endlich dieses blog wieder regelmäßig er zu bespielen.
ich las neulich in der new york times im "style magazine" von der arbeit der künsterin roni horn, deren neueste arbeit "LOG" in der chelsea-gallery von hauser & wirth ein 14-monatiges projekt: wo sie fast jeden tag eine kurze zackige arbeit auf DIN A-4 bewerkstelligte.
"LOG" ist für sie auch der ausdruck für "tagebuch" - und "BLOG" ist ja eigentlich abgeleitet von "LOG".
kurz & gut: ich will von nun an auch für unabsehbare zeit jeden tag ein kurzes prägnantes etwas hier im blog veröffentlichen: eine kteative, photographisch/textliche geschichte - tag für tag - mal sehen ...
denn diese "Z | ze.tt" spoken-word-performance über das erinnern allgemein & zu den morden in hanau & anderswo - erschließt fast zeile für zeile das geschehen um erna kronshage mit: diese morde in hanau am 19. februar [2020] - & die ermordung erna kronshages am 20. februar [1944] - also - es passt schon:
"du musst in einem februar frieren..."
... und deshalb ist diese Performance auch Teil meines Website-Titels
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Tanasgol Sabbagh hat ein Gedicht über Hanau geschrieben. Eine Spoken-Words-Performance, begleitet von Drummerin Linda-Philomène Tsoungui.
Neun Menschen starben in der Nacht vom 19. Februar 2020 in Hanau:
Ferhat Unvar
Gökhan Gültekin
Hamza Kurtović
Said Nesar Hashemi
Mercedes Kierpacz
Sedat Gürbüz
Kaloyan Velkov
Vili Viorel Păun und
Fatih Saraçoğlu.
Der rechtsextreme Täter erschoss sie in und vor Bars, auf einem Parkplatz und in einem Kiosk. Später tötete er seine Mutter und anschließend sich selbst.
Dieser Anschlag reiht sich ein in die Geschichte rechtsextremer und rassistischer Gewalt in der Bundesrepublik. Der Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke, der rechtsextreme, antisemitische Anschlag in Halle, die Mordserie des NSU oder die Morddrohungen des sogenannten NSU 2.0 sind Beispiele der jüngeren deutschen Geschichte.
Ein Jahr nach dem Anschlag von Hanau hat die Lyrikerin Tanasgol Sabbagh ein Gedicht geschrieben. Für ZEIT ONLINE performt sie den Text im Video mit Linda-Philomène Tsoungui.
Hier gibt es den gesamten Text zum Nachlesen:
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Du musst in einem Februar frieren
Die Nacht, die Namen
Du sprichst es Erinnern aus
als würdest du Entrinnen meinen
ist mir aufgefallen.
Du sagst: Erinnern und schon fließt es aus dem Kopf und durch die Finger
Stimmt es: Ein Jahr muss vergangen sein
Was lag in der Nacht
was nahm sich die Nacht heraus
Stimmt es: Du musst in einem Februar frieren
Lange sagten sie: Integration, wenn sie an den Tüchern zerrten und an der Sprache
lange sagten sie: Multikulti, wenn wir für sie singen durften und tanzen
lange sagten sie: Allen Menschen steht alles offen – wenn sie denn nur wollen –
Doch wir kennen die Grenzen, die sich durch Viertel, durch Schul- und Arbeitswege,
durch die Architektur der Wohnsiedlungen ziehen
wir kennen die Statistik
vielleicht nicht ihre genaue Zahl, aber wir kennen ihre Wahrheit
Wir zählen die Städte seit den Neunzigern
in den neuen Bundesländern und den alten
zählen Einzelfall nach Einzelfall nach Einzelfall
Du sprichst Erinnern aus.
Du sagst: Errrinern und schon fließt es aus dem (Kopf)
Du kannst es kaum fassen:
Die Nacht die Schüsse die Namen
Die Nacht die Schüsse die Namen
Die Nacht die Schüsse die Namen
Die Nacht
Wir sagen: Das Problem liegt im System
wir buchstabieren i n s t i t u t i o n e l l
und warten geduldig, bis unser Antrag bearbeitet wird
Uns überraschen keine Talkshows
wir kennen sie alle
wir wissen, wie sie konzipiert sind,
worauf sie abzielen
wir kennen den Preis der Einschaltquoten
wir wissen, wer ihn bezahlt
wir kleben an unseren Handys und sprechen seit einem Jahr von einer Nacht und neun Namen –
wir kennen auch die anderen
wir kennen die davor. Und die danach
wir vergessen nicht
wir erkennen uns an dem Maß, das voll ist
an dem Gras, das nicht mehr wachsen wird
über diese Vergangenheit,
die uns noch immer in die Augen starrt in der Bahn
oder im Park
dort, wo wir durch Haut und Haar auffallen,
erkennen wir sie an ihrem Atem
wir müssen nicht erst nach der Farbe der Schnürsenkel suchen
Wir kennen alle Namen.
Die, die sie uns geben,
so gut
wie die, die sie uns nehmen
Neun Namen,
wir denken an sie und ihre Familien
wir stellen ihre ungelösten Fragen
hier: Wo die Geschichte schon zu vielen Nächten einen Namen gab
hier: Kein Errrrinnern, kein Entrinnen mehr.