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hinsehen! - was wir von bombenentschärfungen lernen können für's leben



Ausschnitte aus einem "bento"-Artikel von Susan Barth
(Original: click here)



Als wir in den Bunker kommen, scheint mir Kunstlicht ins Gesicht. Es regnet schon den ganzen Tag
hier in Berlin. Drinnen ist die Luft kühl und trocken, zwei Mitarbeiterinnen unterhalten sich leise hinter der Kasse. Eine Freundin und ich besuchen heute eine Dauerausstellung im Story-Bunker Berlin. Alles, was wir heute sehen werden, steht unter einer einzigen Frage: Wie konnte das geschehen? "Das" ist Hitler. Der Nationalsozialismus. Der zweite Weltkrieg. Der Holocaust. Zerstörte Städte. Zerstörte Familien. 55 Millionen Tote.

Wir zahlen 13,50 Euro für ein Kombiticket inklusive Audioguide und schließen unsere feuchten Rucksäcke in einem Schließfach ein.

Ich weiß, dass ich in dieser Ausstellung keinen Spaß haben werde.

Stattdessen wird sie mich aufwühlen. Ich werde gleich immer stummer werden. Ich werde fassungslos sein. Ich werde auf einer der Bänke sitzen und nicht bemerken, dass ich weine.

Warum besuche ich die Ausstellung trotzdem?

Weil ich das Gefühl habe, dass ich es muss. Weil ich glaube, dass Museen, Dokumentationszentren und Ausstellungen nicht nur für Schulklassen gemacht sind. Und dass jeder von uns sie regelmäßig besuchen sollte.

Weil man sich regelmäßig daran erinnern sollte, was vor achtzig Jahren passiert ist. Überall in Deutschland, in Europa, auf der Welt. Auch nach der Schule. Auch, wenn es niemand mehr für einen organisiert.

Nach der Schule war da niemand mehr, der darauf Wert legte, dass ich Dokumentationszentren oder Lesungen Holocaust-Überlebender besuchte. Niemand zwingt mich heute dazu, mich weiter mit diesem Kapitel deutscher Geschichte zu beschäftigen.

Dennoch versuche ich, mir das Grauen regelmäßig vor Augen zu rufen. 

Ich sehe den Film "Das Leben ist schön" oder lese Paul Celans "Todesfuge". Ich besuche Ausstellungen wie die im Story-Bunker, Mahnmale, Denkmäler und jüdische Friedhöfe in deutschen Städten. Alles, was in mir ein Gefühl zu all dem auslöst, was geschehen ist.

Ich mache das nicht, weil ich es spannend finde oder meine eigenen Grenzen austesten will. Sondern weil ich glaube, dass uns nichts anderes dieses Kapitel der Geschichte irgendwie näherbringen kann. Dass nur, wer fühlt, auch verstehen kann, dass so etwas nie wieder passieren darf. Dass das viel mehr bildet und berührt als alle Fakten.

Ich kann hunderte Male hören, dass sechs Millionen Jüdinnen und Juden in Deutschland ermordet wurden. Diese Zahl sagt mir wenig, sie ist zu abstrakt.

Aber in der Ausstellung sehe ich, was mit den Menschen passiert ist, die diese Zahl sind.

Das kann kein Geschichtsbuch. Gefühle lassen sich nicht erzwingen, aber man kann bereit dazu sein, sie zuzulassen. 

Manchmal frage ich mich, ob es moralisch in Ordnung ist, diese Menschen, ihre Bilder und ihre Schicksale zu betrachten, um zu versuchen, das, was passiert ist zu verstehen. Aber so funktioniert die menschliche Psyche. Das, was wir fühlen und erleben, hinterlässt einen intensiveren Eindruck als das, was wir uns einfach nur rational erfahren.

"Haben wir nicht langsam mal genug darüber gesprochen?", höre ich manchmal Menschen genervt sagen, wenn es um den Holocaust geht. Nein, das haben wir nicht. Seht es euch noch einmal an. Alles. Und dann muss es doch offensichtlich sein, dass wir über Unaussprechliches niemals aufhören können zu sprechen. 

Was vergangenen Mittwoch in Halle passiert ist, zeigt das auf eine furchtbare Weise ganz deutlich.

Wie können Ermittlungsbehörden nach so einem antisemitischen, antimuslimischen, einem rassistischen Gewaltakt noch von Einzeltätern sprechen, wenn Rechtsextremismus überall in Deutschland und im Internet immer präsenter wird? Wie kann man so tun, als würde es den ganzen Rest nichts angehen?

Was in Halle passiert ist, ist schwer in Worte zu fassen. Ich bin traurig. Ich bin sprachlos. Ich bin wütend.

Es geht uns alle an. Deswegen wünsche ich mir, dass wir uns immer wieder dem Grauen stellen. 
Der Bildungsauftrag an uns selbst darf nach der Schule nicht vorbei sein. 
_____________________________

ich bin susan barth für ihren bento-aufruf außerordentlich dankbar - gerade auch, weil in ihm eine echte betroffenheit und ein angerührtsein erkennbar mitschwingt - und so vielleicht unseren zunächst ohnmächtigen gefühlen bei solchen ereignissen wie dort in halle aktive möglichkeiten eröffnet werden, damit im hier & jetzt auch angemessen umzugehen.

wir müssen nicht den ganzen tag in sack & asche gehen und vor selbstvorwürfen und dauertrauer eine depressive krise heraufbeschwören. wir sollten die vergangenheit dennoch an uns persönlich heranlassen und sie integrieren in unser heutiges sosein - und wir müssen mit anderen das "unsagbare" miteinander besprechen lernen. 

das geht eben nicht nur mit gesten des bedauerns an den großen gedenktagen und feierstunden - so wichtig auch die für die seelenhygiene unserer gesellschaft regelmäßig sind. aber das darf nicht zum "pflicht"ritual veröden: wir müssen unsere eigene persönliche gedenk- und erinnerungskultur ausbilden, ein(e) jede(r) nach ihrer/seiner facon - und in den familien und im lebensumfeld sind die spuren und hinterlassenschaften von damals auch tatsächlich aufzuspüren. und erst mit dem "erspüren" wird das geschehen "fassbar" und "begreifbar" für unsere ganz individuelle wahrnehmung und ein"fühl"samkeit.

allerorten liest und hört und sieht man ja zur zeit von den späten bergungen und "entschärfungen" der bomben-blindgänger, 80 jahre nach kriegsende, die tief verschüttet mancherorts im erdreich geschlummert haben - und zu deren entschärfung oft ganze stadtteile mit tausenden von menschen in sammelunterkünften oft für stunden ausharren müssen.



die bombenentschärfung als passende metapher für die persönliche aufarbeitung der nazi-zeit bis in die 3. und 4. generation danach


ein solches aufspüren, bergen und entschärfen ist geradezu symbolhafte gestaltwerdung und metapher dessen, was eine angemessene aufarbeitung mit dieser zeit ganz individuell meint: denn da sind in dieser gesellschaft, in den orten und familien überall noch "blindgänger" von früher zu entdecken und zu bergen - oder man sagt ja auch: "da liegen noch leichen im keller" - und die gilt es, in der aufrichtigen auseinandersetzung damit endlich schritt für schritt zu "entschärfen". 

sich das damalige grauen immer wieder vor augen zu führen ist dazu eben auch eine der adäquaten möglichkeiten, diese phase unserer (familien)geschichte nicht einfach abzuspalten und/oder zu verschweigen und beiseite zu wischen - oder wie der afd-vorsitzende gauland, diese zeit einfach als "vogelschiss" der geschichte zu bezeichnen und damit ins lächerliche zu ziehen.

mit solchen inneren gesellschaftlichen verflüchtigungen und verleugnungen macht man sich auch an den millionenfachen opfern insgesamt von holocaust und ns-euthanasie mitschuldig - und diese unentschärften "blindgänger" mit den angerosteten "zündmechanismen" können im laufe der zeit in jedem konflikt mit uns "hochgehen" - davor müssen wir uns schützen.

derartige verdrängungen zeitigen dann ereignisse wie jetzt in halle und anderswo, wo verirrte und maßlos verrohte menschen versuchen, mit vorsätzlichen und durchgeplanten mörderischen nachahmungs-taten aus verqueren motivationen heraus in diesen wahnsinn von vor 80 jahren einzutauchen, um ihn mit den heutigen mitteln fortzusetzen, anscheinend auch aus einer völlig verkorksten geltungssucht heraus - oder aus einer gewissen todessehnsucht - aus einer abstrusen form von "erweitertem suizid", denn die meisten attentäter warten sicherlich indirekt geradezu auf den "finalen" schuss der sicherheitskräfte - und verbuchen das dann vermeintlich "heldenhaft" und verblendet für sich als letzte buchung: "im kampf gefallen" ... 

nur wenn wir alle uns dieser realen vergangenen epoche in unserer region, bei den eltern, groß- und urgroßeltern, nachbarn und verwandten ganz bewusst immer wieder neu stellen, können wir sie vielleicht im laufe der zeit angemessen verarbeiten und damit "gesund" und angemessen umzugehen lernen, sie "entschärfen" - denn nachschwingen und herumspuken werden diese dunklen seiten und "blindgänger" in den familienbiografien und in den winkeln des (un)bewussten ja tatsächlich wohl "bis in die dritte und vierte generation", wie es schon in der bibel steht - und wie es die wissenschaftlichen erforschungen zur "transgenerationalen traumata-weitergabe" zweifelsfrei bestätigen - natürlich in ganz individuellen auswirkungen - jede(r) auf ihre/seine art.

ich habe zu diesem gesamt-komplex ja das ns-euthanasie-mordprotokoll meiner tante erna kronshage ganz kosten- und barrierefrei hier im netz veröffentlicht mit verschieden umfangreichen zugangsmedien, wo man sich dann ganz direkt mit diesem einzelschicksal - vielleicht dann eben auch in der eigenen familie, gemeinde, verwandtschaft - beschäftigen kann.

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inge deutschkron: auschwitz-prozess 1963-1965

Ihre ganze Sympathie gilt den Zeuginnen und Zeugen des Holocaust

Inge Deutschkron ist eine leidenschaftliche Aufklärerin. Ihre Artikel über den Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963–1965 sind nun in sorgsam editierter Buchform erschienen

VON WILFRIED WEINKE | taz

Inge Deutschkron -
Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Sie trug den gelben Stern und auch den Zwangsnamen Sara. Sie überlebte die Judenverfolgung in Berlin, mehr als zwei Jahre versteckt in der Illegalität, ständig von Denunziation und Deportation bedroht: Die Rede ist von der 96-jährigen Journalistin und Autorin Inge Deutschkron.

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus, ab 1946 in England lebend, nach Reisen auf dem indischen Subkontinent und Asien entschloss sie sich Mitte der fünfziger Jahre, nach Westdeutschland zurückzukehren und als Journalistin über und aus der Bonner Republik zu berichten. Jenem verstockten deutschen Obrigkeitsstaat, in dem die Forderung nach einem „Schlussstrich“ bereits als Fanfare einer breiten Öffentlichkeit erscholl, die sich ihrer verbrecherischen NS-Vergangenheit nicht zu stellen bereit war und wo Nazis erneut in führenden Positionen saßen.

Kann es erstaunen, dass Inge Deutschkron [click = wikipedia], die ausgegrenzte und verfolgte Jüdin, Hans Globke, den Mitverfasser und Kommentator der „Nürnberger Rassengesetze“, späteres CDU-Mitglied und damaligen Staatssekretär von Bundeskanzler Konrad Adenauer, öffentlich einen „Schweinehund“ nannte? Deutschkrons Rückkehr nach Bonn war, wie sie es selbst ausdrückte, eine „Reise zu meinem Beruf“. Zuerst als freie Journalistin arbeitend, schrieb sie bald auch als Korrespondentin der israelischen Zeitung Ma’ariv.

Für diese Tageszeitung berichtete sie von Oktober 1963 bis zum August 1965 vom Frankfurter Auschwitz-Prozess. Kontinuierlich nahm sie als Prozessbeobachterin an dem „Strafverfahren gegen Mulka u. a.“ teil, benannt nach dem Hamburger Export-Kaufmann Robert Mulka, Adjutant des Lager­kommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß.Gebannt folgte sie den Verhandlungen, stenografierte ihre Beobachtungen, tippte ihre Texte in englischer Sprache in die Schreibmaschine, um sie nach Tel Aviv zu telegrafieren, wo sie ins Hebräische übersetzt wurden. Diese belastenden, unter enormem Zeitdruck verfassten Berichte erscheinen nun erstmals, aus dem Englischen übertragen und herausgegeben von der Historikerin Beate Kosmala, in Buchform.

Präzise Reportagen

Präzise und fast emotionslos versuchte Inge Deutschkron durch ihre Gerichtsreportagen einer israelischen Leserschaft die Geschehnisse in Auschwitz zu schildern. Erfüllt von der Hoffnung, dass der Frankfurter Prozess der juristischen Aufarbeitung der Verbrechen in Auschwitz und der Bestrafung der Täter dienen werde, beschrieb sie detailliert das Verhalten der Verteidiger, allen voran deren Hauptprotagonisten Hans Laternser, den sie wegen seines Verhaltens gegenüber den Zeugen wiederholt und unverhohlen als „Nazi-Anwalt“ oder „Nazi-Juristen“ bezeichnete. Auch wenn ihre Aufzeichnungen kein Wortprotokoll darstellen, versuchte Inge Deutschkron, den Verlauf der Verhandlungstage durch dialogische Sequenzen wie szenische Skizzierung wiederzugeben. Mit den wissenschaftlichen Gutachten der Historiker vom Institut für Zeitgeschichte in München war sie ebenso unzufrieden wie der Korrespondent des Norddeutschen Rundfunks, Axel Eggebrecht; beide bemängelten, dass nur unzureichend die Bedeutung der IG Farben, die Rolle anderer deutscher Firmen und Profiteure bei der Ausbeutung der Auschwitz-Häftlinge aufgedeckt wurde.

Deutschkrons ganze Sympathie gilt den Hunderten Zeugen, die aus verschiedenen europäischen Ländern wie auch aus Israel ins Land ihrer Mörder und Peiniger gereist waren, um trotz aller Traumata und psychischen Belastungen vor Gericht auszusagen. Auch mit dem zeitlichen Abstand von mehr als 50 Jahren erschüttern diese Zeugenaussagen, versagt die Vorstellungskraft angesichts der immer und immer wieder geschilderten unmenschlichen Grausamkeiten im Lageralltag.



„Keiner von uns 
dürfte am Ende des Prozesses 
der gleiche Mensch gewesen sein“

Eine besondere Würdigung in ihren Berichten erfuhr der Vertreter der Nebenkläger, der aus Kassel stammende Henry Ormond, dessen Initiative es zu verdanken war, dass das Gericht im Dezember 1964 in Auschwitz eine Ortsbesichtigung vornahm, an der dann auch Inge Deutschkron teilnahm. Das Urteil des Frankfurter Gerichts vom August 1965 kommentierte sie mit Enttäuschung und kritisierte „die Unzulänglichkeit des deutschen Strafrechts, um Verbrechen, wie sie in Auschwitz verübt worden waren, adäquat zu bestrafen.“

Noch im selben Jahr veröffentlichte Inge Deutschkron ihr Buch „… denn ihrer war die Hölle“ über Kinder in Gettos und Lagern. Im Vorwort schrieb sie: „Keiner von uns Journalisten, der über einen längeren Zeitraum hinweg im Gerichtssaal von Frankfurt zugegen war, dürfte am Ende des Prozesses der gleiche Mensch geblieben … sein.“

Ihre jetzt von Beate Kosmala sorgsam edierten Prozessberichte stellen wichtige Zeitdokumente dar, geschrieben von einer couragierten Frau und leidenschaftlichen Aufklärerin.
  • Inge Deutschkron: „Auschwitz war nur ein Wort. Berichte über den Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963–1965“. Metropol Verlag, Berlin 2019, 328 S., 24 Euro
text: taz, donnerstag, 16. mai 2019, kultur, s. 17



gerade in dieser zeit ist es so wichtig, eine gut editierte buchausgabe der exakten reportagen des auchwitz-prozesses neu aufzulegen - ehe vielleicht mit den "zeitzeugen" auch noch die dünngesäte juristische aufarbeitung der nazi-zeit überhaupt in vergessenheit gerät und aus den gedächtnissen gänzlich getilgt wird.

der lyriker erich fried (1921-1988), ein jüdischer emigrant, der als 17-jähriger junger mann nach der ermordung seines vaters durch die gestapo aus österreich nach london floh, schrieb folgendes gedicht - dessen zeilen und aufforderungen zeitlos weiterleben:

Wegzeichen

Wo noch Lügen liegen
wie unbegrabene Leichen
dort ist der Weg der Wahrheit
nicht leicht zu erkennen
und einige sträuben sich noch 
oder finden ihn zu gefährlich
Die Wahrheit dringt vor
und schickt zugleich ihre Sucher
in die Geschichte zurück
und beginnt aufzuräumen
mit den Verleumdungen
und mit dem Totschweigen der Toten

Vieles wird wehtun
manches verlegen machen
aber die Wahrheit ist
der Weg der Notwendigkeit
wenn das Reich der Freiheit nicht wieder
nur ein leeres Wort bleiben soll
und nur ein Gespött
für Feinde und für Enttäuschte 

Erich Fried


holocaust-gedenken auf instagram: "eva stories" . upgrade



Ihre Geschichte ist echt. Ihr Profil ist es nicht. Der Account auf Instagram im Namen von Éva Heyman will die Erlebnisse der 13‐jährigen Jüdin aus Ungarn nacherzählen, die von den Nazis ermordet wurde – von dem, was das Mädchen vor dem Einmarsch der Deutschen 1944 beschäftigte, über den Zwangsumzug ins Ghetto bis zum Abtransport nach Auschwitz, wo sie vergast wurde. Ihr Leben von damals in den Medien von heute. So wird es als »Story« mit kurzen Videos, Bildern und Textausschnitten dargestellt, die nach und nach eingestellt werden sollen. Die erste ging am Jom Haschoa online.

»In Erinnerung an die sechs Millionen Juden, die im Holocaust ermordet wurden«, steht unter dem Foto von »eva.stories«, das ein junges Mädchen mit blauem Mantel und Mütze im Stil der 40er‐Jahre zeigt. Es ist eine Schauspielerin. Hinter der Aktion stehen der israelische Hightech‐Unternehmer Mati Kochavi und seine Tochter Maya, die das private Projekt ins Leben gerufen haben. Sie wollen den Holocaust für die jüngere Generation zugänglich machen – in ihrer Sprache, auf ihren Medien. Laut der Wirtschaftszeitung »Globes« ist Kochavi mit dem Medienunternehmen »Taya Media Group« verbunden. Der von ihnen gegründete Fonds für »neue israelische Inhalte« steht hinter »eva.stories«.

TAGEBUCH Das Tagebuch von Éva gibt es tatsächlich. The Diary of Éva Heyman ist als Buch veröffentlicht worden und erzählt die Gefühle und Gedanken des Mädchens in dieser schweren Zeit, doch auch ihren unbeschwerten Alltag mit der Familie und Freunden, erste Gefühle von Verliebtheit. Ihre Mutter, die die Schoa überlebt hatte, fand das Tagebuch nach Kriegsende in dem einstigen Wohnhaus. Kochavi will es durch das Projekt lebendig machen und »eine Möglichkeit schaffen, die wahre Geschichte eines jüdischen Mädchens, das den Holocaust durchlitt, durch Storys nachzuerzählen. Millionen in aller Welt können Éva folgen und ihr Leben miterleben«. Das tun auch berühmte Israelis, unter anderem Fernsehmoderator Guy Pines, Model Agam Rodberg und Musiker Ran Dankner.

Kochavi drehte 
in der Ukraine 
mit Hunderten 
von Schauspielern und Statisten.

Tage, bevor der erste Eintrag hochgeladen wurde, hatte »eva.stories« bereits mehr als 134.000 Follower. Stündlich kamen Tausende hinzu. Für eine Seite ohne Inhalte ein massiver Erfolg. Eine Hand, die hinter Stacheldraht hervorragt und ein Mobiltelefon hält, ist das Logo des Projekts. Die Frage »Was wäre, wenn ein Mädchen im Holocaust Instagram gehabt hätte?« prangt an großen Kreuzungen im ganzen Land auf Plakaten. In den knalligen Farben Lila, Rot und Gelb sind sie nicht zu übersehen und fordern dazu auf: »Follow @eva.stories«.

Kosten und Mühen hat Kochavi für die Produktion keine gescheut. Er drehte monatelang in Lwiw in der Ukraine mit Hunderten von Schauspielern, Statisten und Filmleuten, organisierte Panzer, Fahrzeuge, Kleidung, Uniformen, Möbel, Kunstwerke, Dekorationen und vieles andere aus vergangener Zeit. Gefilmt wurde aus dem Blickwinkel des Selfies, die Videos passen ins Handy‐Format, wo Instagram fast ausschließlich aufgerufen wird.

LIKES Doch nicht alle nehmen Kochavi die ausschließlich hehren Absichten ab. Zuf Fatissi aus Tel Aviv, der durch die Plakate an der Stadtautobahn Ayalon von »eva.stories« erfahren hat, schrieb auf seiner Facebook‐Seite: »Es ist ein schreckliches Vorhaben, auf die Schoa aufmerksam zu machen, nur um Likes zu bekommen.« Auch der Passantin Hadas Suzan gefällt die Aktion nicht: »Ich musste zweimal lesen, um es zu verstehen. Den Schrecken und diese Erlebnisse so oberflächlich darzustellen, passt einfach nicht. Auch das schöne Wort ›Zugänglichkeit‹ gibt nicht das Recht, die schweren Erinnerungen und Tränen eines Mädchens im Holocaust in einer Story zu verpacken. Es gibt Dinge, die authentisch und schockierend bleiben sollten, wie sie waren. Ohne Hashtag, Gif und Location.«

Schockieren wollen die Macher offenbar nicht. Sie verzichteten gänzlich auf Gewaltszenen und hielten sich rein an das Tagebuch des Mädchens. Dennoch polarisiert die Aktion. Und hat damit immerhin bereits erreicht, dass die Schoa wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geholt wurde. Denn die Menschen diskutieren darüber – und sei es bislang nur, ob die Schoa auf Instagram und ähnlichen Plattformen thematisiert werden sollte oder nicht.

Grundlage ist die 
reale Lebensgeschichte 
von Éva Heyman.

Die Holocaust‐Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hat zwar lediglich Informationen zu »eva.stories«, die von der Kampagne veröffentlicht wurden, meint jedoch: »Das Nutzen von sozialen Medienplattformen, um an den Holocaust zu erinnern, ist legitim und effektiv.« Die Gedenkstätte selbst nutze eine Vielzahl sozialer Medienkanäle, darunter auch Instagram, »allerdings in einer anderen Art und Weise«. Nicht nur würden die Beiträge von Yad Vashem authentisches Material und historisch belegte Fakten enthalten, »sondern wir stellen auch sicher, dass der Inhalt sowohl relevant für die Öffentlichkeit als auch respektvoll ist«.

GENERATIONEN Ein Vater, der mit seinem Sohn im Auto saß, als er das Plakat sah, findet die Aktion gut, denn »auf diese Weise haben wir eine Unterhaltung begonnen, die wir sonst so sicher nie gehabt hätten«. Und so ist »Zugänglichkeit« das Motto, das über allem steht. »Nur 2,7 Prozent der Debatten um den Holocaust in Europa und in den USA gehen von jungen Leuten aus; ein bedeutender Rückgang im Vergleich zu vorherigen Generationen«, erläutert Kochavi. Er meint, dass man in der digitalen Zeit, in der die Aufmerksamkeitsspanne kürzer wird und die Inhalte immer aufregender werden müssen, neue Modelle für Zeugnisse und Erinnerungen finden muss – auch im Hinblick auf die schwindende Zahl von Schoa‐Überlebenden und den Anstieg des Antisemitismus.

Seiner Meinung nach ist Instagram eine Erzählplattform wie andere auch. »Es ist möglich, eine Geschichte zu erzählen, die gleichzeitig tiefgründig und oberflächlich ist. Es ist die Idee des Projekts, soziale Netzwerke zu nutzen, um ein neues Genre der Erinnerungsliteratur zu kreieren. Und wir hoffen, dass wir auf diese Weise den Zuschauern Évas Leben und die Tiefen ihrer Seele näherbringen können.«

JÜDISCHE ALLGEMEINE

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tja - so ein projekt muss ja auch anecken: da trägt man den holocaust mit den smartphone-sehgewohnheiten der jungen zu ihnen direkt hinterher auf instagram - in der hoffnung, dass möglichst viele weltweit diese neu inszenierten tagebucheintragungen eines damaligen 13-jährigen auschwitz-holocaust-opfers namens eva heyman auch schauen - und vielleicht auch ein wenig innehalten - ehe sie denn zu ihrem nächsten und übernächsten highlight weiterclicken und weiterhecheln.

innehalten - und das was sie da sehen und entdecken, vielleicht nachvollziehen und nachrecherchieren - miterleben und an sich herankommen lassen - oder für die nächste einschlägige geschichtsstunde als link mit in die klasse mitbringen.

das ist inzwischen ja wie ein tanz auf dem drahtseil: viele jugendliche stöhnen mittlerweile: kommt uns bloß nicht mehr mit "juden und nazis und krankenmorden" und lasst die alten weißen männer und frauen dazu vor der tür - lasst uns in ruhe mit all diesem gedöns - und die eltern meinen auch inzwischen, nun müsse das aber auch mal abgehakt bleiben, und es müsse endlich "für's jetzige leben gelernt werden" - obwohl vielfach die eigene verstricktheit der familie in all dem damaligen geschehen noch nie aufgearbeitet und abgeklärt wurde - und unverarbeitete traumata ja - wie die bibel schon sagt - bis in die 3. und 4. generation oft psychosomatische nachwirkungen zeitigen können - und da man als zeitspanne für eine generation ca. 30 - 40 jahre rechnet: muss man wohl bis zu 160 jahre zu 1945 hinzurechnen, wo wir ca. bei anno 2105 wären - also ca. noch 86 jahre - mindestens...

ob nun aber gerade die sozialen netzwerke mit all den "influencern"  und ihren angeboten und den katzenbildchen die richtigen foren für solche nachgedrehten und zeitgemäß aufgemachten geschichtsstunden sind - das sei mal dahingestellt.

auf alle fälle hat diese filmschnipsel für die "eva stories"-serie im aufrechten 5,7"-handy-format ein israelischer millionär drehen lassen und ins instagram-netz gestellt, was aber auch in israel nicht unumstritten ist - aber eine ("anti"-)jüdische diskussion um ein angemessenes erinnern wie bei den münchener stolpersteinen z.b. hat sich damit wohl erledigt.

im hinblick auf mein schwerpunktthema zum ns-euthanasie-opferporträt meiner tante erna kronshage ist dieser weg des gedenkens und der aufklärung mit den digitalen medien ja sooo neu nicht: schon vor 10 jahren habe ich eine youtube-playlist dazu eingestellt, deren beiträge je nach einstellzeitpunkt unterschiedlich wahr- und angenommen werden - inzwischen mit insgesamt einmal über 38.000 bis hinunter zu ca. 1.500 einzel-clicks - und ich habe konsequent memorialblogs und yumpu-bildmagazine dazu "barrierefrei" zugänglich für unterschiedliche bedürfnisse und ansprüche ins netz gestellt... (siehe dazu in einer übersicht auch hier ...)


bis in die dritte und vierte generation ... - update

Erinnerungskultur

Das Gedenken an den Holocaust muss lebendig bleiben


Auschwitz-Zaun (foto: reuters)

Der Erfolg des Kitschromans "Stella" ist nur das jüngste Indiz: Die fiktionale Vernutzung des Holocausts wird zunehmen. Dem muss die Gesellschaft mit kritischem Geschichtsbewusstsein entgegentreten.

Von Norbert Frei | Kolumne in der sueddeutschen

Es war eine bewegende Rede, die Saul Friedländer am Donnerstag im voll besetzten Bundestag gehalten hat. Doch jenseits des dort versammelten Publikums: Wie viele Menschen in unserem Land haben dem großen Historiker des Holocaust am Ende zugehört? Wie viele hat er mit seiner Gabe erreicht, die Stimmen, das Leid, die Ängste der Opfer - darunter auch die eigenen Eltern - zu vergegenwärtigen? Und wie viele haben den Zeitungsbericht überblättert, weggeklickt, in ihrer digitalen Blase ohnehin nichts mitbekommen oder sich gar belästigt gefühlt?

Vor einer Woche diskutierte ich in Frankfurt am Main mit Studierenden darüber, wie die Deutschen seit 1945 mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit umgegangen sind. In der Erörterung der vielen Etappen dieser komplizierten Geschichte waren wir einig, an einem Punkt jedoch erntete ich Widerspruch. Mehrere aus der Gruppe hielten eine Passage meines Textes, den sie zur Vorbereitung gelesen hatten, für zu optimistisch. Darin spreche ich davon, "wie lang, wie steinig und mit welchen Schlaglöchern durchsetzt die Strecke bis zu der Einsicht war, die heute wohl immer noch die meisten Deutschen teilen: dass gesellschaftliche Zukunft nicht durch Verleugnung und Verdrängung des Gewesenen gewonnen wird, sondern durch einen kritisch-aufklärerischen Umgang damit".

Mein von den klugen jungen Leuten bezweifeltes "wohl immer noch" ist durch Umfragen gedeckt. Zugleich verweist es auf eine Tendenz, die in den vergangenen Tagen zu Recht beklagt worden ist. Auch Spitzenpolitiker konstatieren, dass der gesellschaftliche Rückhalt für die - gerade auch von ihnen - gern herausgestellte Erinnerungskultur abnimmt. Es sei deshalb wichtig, das "Gedenken neu zu gestalten", meint die Kanzlerin, und der Außenminister präzisiert: "Geschichte muss von einem Erinnerungs- noch stärker zu einem Erkenntnisprojekt werden."

Dem kann man nur beipflichten. Ein Erinnern, das ohne fundiertes historisch-kritisches Wissen auszukommen glaubt, wird den Herausforderungen von rechts nicht standhalten. Es vermag auch der fiktionalen Vernutzung des Holocaust wenig entgegenzusetzen, die zunehmen wird, wenn die letzten Zeitgenossen der NS-Zeit verschwunden sind. Der Erfolg von "Stella" ist dafür nur das jüngste Indiz: Die Literaturkritik senkt fast unisono den Daumen - trotzdem rangiert die altbekannte Geschichte einer Berliner Jüdin, die sich als Gestapo-Agentin vor der Verfolgung rettet, indem sie andere ins Verderben stürzt, in den Bestsellerlisten weit oben.

Biografien, die Sperriges nicht einfach glätten, verdienen unsere Aufmerksamkeit

"Teile der Geschichte sind wahr", heißt es auf der ersten Seite des Kitschromans. Wer nicht bloß leichtes Lesefutter sucht, sondern dem Unerhörten des Judenmords und seinem Ozean unfasslicher Geschichten näherkommen will, dem böten sich andere Möglichkeiten. Nur Wochen vor der Sensationsstory, die keine ist, erschien der Lebensbericht einer Frau, die keiner mehr kennt und deren Geschichte, geht es nach den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie, vermutlich auch kaum jemand mehr kennenlernen wird.

"Ich war ein besonderer Fall", zitiert der Titel dieses Buches die Essener Bergmannstochter Helene Mantwill, die 1926 einen gut aussehenden jungen Polen heiratet, der auf der Suche nach einer besseren Zukunft als "Ostjude" ins Ruhrgebiet gekommen war. Helene entstammt einem nicht übertrieben frommen preußisch-protestantischen Elternhaus - und findet nichts dabei, ihrem David zuliebe zum Judentum zu konvertieren. Dass sie mit der Eheschließung die deutsche gegen die polnische Staatsangehörigkeit eintauscht, ist der Mutter zweier Töchter auch nach 1933 kaum ein Problem; sie weiß, wie man sich sogar auf Ämtern um den Hitler-Gruß drückt. Doch Ende Oktober 1938 schiebt das Deutsche Reich alle "Ostjuden" ab; fast zehn Monate verbringen die Zytnickis ohne Hab und Gut in einem polnischen Grenzort, ehe sie nach Warschau dürfen - wo bald die Besatzer herrschen und die Einwohner der Stadt auseinandersortieren: in Deutsche, Polen, Juden.

Als gelernter Buchhalter leistet David Zwangsarbeit im Ghetto, während Leni als "patente Reichsdeutsche" zwischen dem jüdischen und dem deutschen Viertel pendelt, den Unterhalt der Familie mit illegalen Geschäften sichert und mit dem alten Pass ihrer Schwester zweimal nach Essen fährt. Während des Warschauer Aufstands im August 1944 verliert sich Davids Spur, aber Leni schafft es mit den Kindern zurück in die Stadt ihrer Geburt. Dort kämpft sie um Entschädigung und Wiedereinbürgerung - und beschließt im Alter von 96 Jahren, ihre Geschichte zu erzählen. Zwei pensionierte Pädagogen haben diese "Oral History" vorbildlich rekonstruiert: ohne Sperriges zu glätten und Lücken fantasievoll zu füllen.

Solche Biografien verdienen unsere Aufmerksamkeit. Sie zeigen auch, wie viel mehr wir heute wissen (können) als zu Zeiten von "Holocaust", jener zu Unrecht viel geschmähten und gerade noch einmal ausgestrahlten Serie, die den Mord an den Juden Europas einer breiten Öffentlichkeit vor Augen führte - vor 40 Jahren erst.

SZ-Kolumne von Norbert Frei
🔴 Norbert Frei, geboren 1955 in Frankfurt am Main, ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Jena. Er leitet das Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts.

es sei deshalb wichtig, das "gedenken neu zu gestalten", meint die kanzlerin.

aha. ich meine, kennen wir von ihr irgendeine initiative in diese richtung, an die wir uns spontan erinnern? so etwas wie brandts kniefall in warschau oder den kolportierten satz: "jetzt wächst zusammen was zusammengehört" - am gedenktag für den holocaust habe ich sie eigentlich noch nie fundamental dazu sprechen hören - das machen bundestagspräsident und zeitzeugen oder - wie vor 2 jahren, als man endlich auch mal die 300.000 nazi-"euthanasie"-opfer in den mittelpunkt rückte - da hat beispielsweise ein schauspieler mit down-syndrom tagebuch-texte eines betroffenen opfers vorgelesen - nach der berührenden und lebendigen rede des damaligen total erkälteten bundestagspräsidenten norbert lammert, dem die nase und die tränen liefen -  das war es dann aber auch schon mit der neugestaltung - danach war wieder tragende musik am anfang und am ende und zwischendurch professorensprech und die zeitzeugen- und lebensweg-resümees von inzwischen über 90-jährigen menschen

man spricht auch immer gern von "erinnerungskultur" - aber was der mensch nicht selbsterlebt hat, kann er auch nicht ohne weiteres erinnern. der parallelbegriff einer "gedenkkultur" ist hierzu also vielleicht angebrachter - aber gedenken kann immer auch so erfolgen, wie es eben vor 2 jahren bei der feierstunde mit dem schwerpunktthema "euthanasie"-opfer begonnen wurde: etwas mehr "gedenken" durch das erzeugen einer art "konfrontations-meditation": so will ich das mal zunächst ganz holperig als "arbeitstitel" hier stehenlassen - natürlich auch mit musik, ja - aber auch durch film, bild, literatur, theater, schauspiel, graphic novel u.a.: und durch das nachzeichnen von beispielhaften einzel-opferporträts - die genannten gesamtopfer-zahlen im holocaust sind einfach zu abstrakt, um anhaltend zu beeindrucken ... 

und wenn man wegen seinem sitzungsfreien wochenendfrei kurzerhand den jeweiligen gedenktag vom 27.januar mal gerade aus praktischen gründen um ein paar tage verschiebt, wie schon 2018 nun auch 2019 geschehen, zeigt man ja der öffentlichkeit, wie wichtig dem "hohen haus" dieser termin tatsächlich ist ... - 

nein - es "bröckelt" wirklich an allen ecken und enden - und wie das kaninchen auf die schlange starrt man auf die letzten zeitzeugen der grausamkeiten: wie lange halten sie noch durch - und kann man sie über ihre agenturen noch einmal für einen "gedenk-akt" gewinnen und motivieren ... und ist ihre stimme und ihre aussprache so, dass sie sich gehör verschaffen können - und wie lange noch ??? 

inzwischen berichten aber auch menschen, wie sie einzelbiografien ihrer familien oder aus dem heimatort entdeckt haben und ihnen gefolgt sind - menschen berichten, wie die archive und die historiker sich ihnen gegenüber verhalten bei fragen zu "shoah" und "euthanasie" - und all den anderen opfern: sinti, roma, homosexuelle, zwangsarbeiter usw.

dann wäre gedenken wieder inmitten der jetzt lebenden generation verankert - und die forschung würde zum erlebnis - und die berichte dazu zum mit-erleben.

das obengenannte buch zur biografie der essener bergmannstochter helene mantwill wäre sicherlich so ein beispiel - und die beiden pädagogen berichten konkret über ihre forschungsarbeit zu dieser authentischen "oral history" - oder die kinder der beiden pädagogen berichten, wie sie ihre väter erlebt haben während der recherche und was die dazu beim gemeinsamen abendessen berichtet haben ...

in der bibel steht ja bereits seit 2000 jahren etwas von der "heimsuchung bis in die dritte und vierte generation" - und die forschung nimmt an, dass traumatisch erlebte ereignisse sich unbewusst im individuellen verhalten und empfinden weiter "vererben", wenn sie einfach verdrängt und abgespalten und nicht aufgearbeitet werden ...

hier hat die nation eines täter- und auch opfervolkes immer noch sein "lebtag" mit zu tun - ob das der afd nun passt oder nicht - und wahrscheinlich auch über den jeweiligen 27. januar hinaus ...

denn wer es so treibt wie herr gauland von der afd, den "vogelschiss" nämlich am liebsten einfach abzuwischen, herunterzuspülen und zu verleugnen, müsste eigentlich angezeigt werden, wegen fahrlässiger körperverletzung, denn eine allgemein-therapeutisch notwendige aufarbeitung jener zeit wird so ja einfach negiert und ausgeklammert.

es gab für mich mein lebtag schon den leitspruch: "der weg dorthin - ist der weg dadurch" - will in diesem fall sagen: wenn ich mein leben und jeweilige situationen möglichst ohne auch unbewusste einschränkungen von irgendwoher leben will und mich von "ererbten" belastungen aus meinen familien befreien will - muss ich mich durch all den schlamassel dieser dazuzählenden beteiligten menschen begeben - ich muss hinhören und lesen und mich interessieren, und vieles davon wird nicht im world-wide-web von vornherein verzeichnet sein und ist nicht mit dem smartphone abrufbar - und ich muss festhalten, was da bei "uns" oder in der nachbarschaft oder auch bei entfernten verwandten los war - und  mich auch an- und berühren lassen: ab und zu wird die stimme brechen und werden die augen feucht werden - das sind aber keine zeichen der schwäche oder von zu viel emotionalität - das ist "mitgehen" und "erleben": es geht nicht um die kurzfristige "nachbarschafts-sensation" - es geht um langfristige emotionale bewältigung und ein "damit leben lernen"... - die "vierte generation" nach 1945 reicht noch mindestens bis 2050/2060 ...

nix für ungut - und chuat choan



Grünen-Chefin Baerbock über Emotionen in der Politik

"Jetzt heult die da im Bundestag"

Ein Holocaust-Überlebender hat mit seiner Rede im Bundestag viele Menschen gerührt - Annalena Baerbock sogar zu Tränen. Für die Grünen-Chefin nach eigenen Angaben eine Gratwanderung: Wie viel Emotion ist zu viel?


annalena baerbock - S!|graphic



Wie viele, welche Gefühle darf man in der Berufspolitik zeigen? Ohne, dass einem nicht nur in sozialen Netzwerken Hohn und Spott entgegenschlagen? Mit solchen Fragen beschäftigt sich Grünen-Chefin Annalena Baerbock nach eigenen Angaben. So auch mit der Frage, ob sie hart genug für den Job der Parteivorsitzenden ist.

Sie sei in die Politik gegangen, um Dinge zu verändern und mit vielen Menschen im Gespräch zu sein, sagte die 38-Jährige im SWR-Interview. Diese Nahbarkeit bedeute auch immer eine gewisse Emotionalität.

Als Beispiel nannte Baerbock die Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag. Dabei waren ihr am Donnerstag die Tränen gekommen, als der Holocaust-Überlebende Saul Friedländer geschildert hatte, wie er als Kind von seinen Eltern getrennt worden war.

"In diesen Momenten kommt man gar nicht drum rum, an seine eigenen Kinder zu denken, sich genau das vorzustellen, was natürlich Emotionen auslöst", sagte Baebock, selbst Mutter von zwei Töchtern. "Wenn einem da die Tränen kommen und (man) weiß genau, da halten jetzt zig Kameras drauf, dann ist das immer so: Soll man sich verstellen oder nicht?"

Auf der einen Seite gehe es darum, empathisch und offen zu bleiben, auf der anderen Seite könne einem dann gerade in den Sozialen Medien vorgeworfen werden: "Jetzt heult die da im Bundestag." Das sei eine Gratwanderung. Aber: "Ich glaube, ein Abstumpfen ist das Gefährlichste, was man in der Gesellschaft derzeit tun kann."

text aus: spiegel-online

störmeldungen aus dem musterland der nazi-aufarbeitung

HOLOCAUST-GEDENKTAG - WIE ERINNERN SICH DIE NACHGEBORENEN GENERATIONEN?

Das unheimliche Wissen

Soldaten der Roten Armee befreiten am 27. Januar 1945 das Vernichtungslager Auschwitz. Der Tag gilt dem Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus. Wie vermittelbar ist das Wissen darüber heute?

Von Caroline Fetscher | Tagesspiegel

Wir Kinder wurden hellhörig, wenn Erwachsene in den sechziger Jahren seltsame Wörter sagten, die wie Andeutungen klangen. Vermutlich kam das häufiger vor, als Zeitungen und Radiosender von den Auschwitz-Prozessen berichteten, die 1963 am Landgericht in Frankfurt am Main begonnen hatten, initiiert von Hessens Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Keiner entkam diesen Nachrichten. Mitten im habituellen Beschweigen wurden die Deutschen heimgesucht von der Erinnerung an die unmittelbare Vergangenheit, der Wiederaufbau und Wirtschaftswunder wirksam die Tür verriegelt hatten. Schuld und Beklommenheit schwangen mit in den seltsamen Wörtern der Erwachsenen. Eins davon war „die Zone“. Verwirrend stand das für ein irgendwie verbotenes Gebiet, das von unserem Land abgeschnitten worden war, weil es „den Krieg“ gegeben hatte. In dem Krieg war Unaussprechliches geschehen, und dafür war das Abspalten „der Zone“ offenbar die Strafe.

Nach und nach kamen weitere geheimnishafte Begriffe dazu, wie „die Juden“, „die Nazis“ oder „der Transport“. Von einer Nachbarin sagten Leute, sie hätte „den Transport überlebt“, was „schier unglaublich“ war. Das sagten sie so gehemmt wie bewundernd. Über einen Mann am Ende der Straße hieß es hinter vorgehaltener Hand: „Der war ein dicker Nazi“. Ein Lehrer ging an Krücken. Wenn er in Wut geriet, drohte er der Klasse mit der rechten Krücke. „Der war eben im Krieg“, beschwichtigten uns jüngere Lehrer. Verstohlen deutete ein Bekannter der Eltern auf eine Dame, die in der Grünanlage ihren Hund ausführte: „Die hat damals welche verraten und ins KZ gebracht.“ Der stärkste der schwer lastenden Begriffe war „das KZ“. Das war ein anderes Wort für Grauen, soweit hatten wir verstanden. Aber die Frau dort lief frei herum. Warum?

Wie war das damals eigentlich? Jugendliche besuchen die Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen, ein ehemaliges Konzentrationslager. Foto: imago/Jürgen Ritter


Was sich in der Vergangenheit ereignet hatte, erhielt später festere Umrisse und dichteren Gehalt. Je mehr die Nachkriegskinder vom Nationalsozialismus erfuhren, desto unheimlicher konnten ihnen die Erwachsenen werden, dieselben Menschen, auf die sie angewiesen waren, zu denen sie Vertrauen brauchten. Spätestens am Ende der Adoleszenz war den meisten von uns klar: Auf der Generation der Eltern und Großeltern lastet die Beteiligung an einem maßlosen Verbrechen - oder jedenfalls das Wissen darüber. Millionen Kinder, Frauen, Männer, die genauso wie wir und genau da gelebt hatten, wo wir heute lebten, waren grundlos diffamiert und systematisch ermordet worden, da sie zu „den Juden“ gehörten. Oder zu denen, die das Ermorden der Juden nicht dulden wollten.

Viele Nachkriegskinder lasen das Tagebuch von Anne Frank, Aufzeichnungen eines jüdischen Mädchens, das in Amsterdam im Versteck lebte, ehe es ins Todeslager deportiert wurde. Wir lasen mit Entsetzen, weinend und zornig. Wie war derart monströses Unrecht möglich geworden? Gespräche darüber mit den Eltern, den Älteren waren rar. Wir wuchsen unter Zeitzeugen auf, als bei diesen der zeitverzerrende Begriff „Schlussstrich“ Karriere machte.

Laut geworden war die Forderung schon im Gründungsjahr der Republik, als die Wahlwerbung der Freien Demokraten, die damals sehr nationalistisch gesinnt waren, „Schlussstrich drunter!“ verlangte, und das Abschaffen von „Entnazifizierung, Entrechtung, Entmündigung“. Bei Umfragen ab Ende 1945 bis Ende 1946 bejahte rund die Hälfte der Befragten die Aussage, der Nationalsozialismus sei „eine gute Idee“ gewesen, die nur „schlecht ausgeführt“ wurde.

Es folgte, in mehreren Schüben, die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit: Prozesse gegen Kriegsverbrecher, Theaterstücke wie „Die Ermittlung“ von Peter Weiss, Kino- und Fernsehfilme zur Shoah, die Aufnahme des Stoffs in die Curricula der Schulen, das Einrichten von Gedenkstätten, das Verlegen von Stolpersteinen zur Erinnerung an individuelle Opfer - und immer wieder öffentliche Skandale, etwa Martin Walsers Aufbegehren wider „Auschwitz“ als „Moralkeule“. Walser führte,
zwanzig Jahre vor dem „Vogelschiss“ der AfD, exemplarisch vor, dass Wissen (über welches er verfügte) noch lange nicht Bewusstsein bedeutet (über welches er nicht verfügte).

Indes sinkt die Zahl der Zeitzeugen stetig. Jugendliche begegnen ihnen inzwischen nur selten. Einige Schulen laden die letzten, betagten Überlebenden ein, und Lehrerinnen und Lehrer haben Mühe, die in die Ferne rückende Vergangenheit zu vermitteln, während parallel alte und neue antisemitische, antiisraelische Stereotypen Raum greifen, gerade auch bei muslimischen Kindern und Jugendlichen. „Nicht schon wieder Juden und Nazis!“ meutern Schüler häufig. Sind das Echos der Walserianer oder Palästinastreiter aus ihrem Zuhause? Erzeugt allzu drängendes oder zu flaches Vermitteln den Überdruss? Keine Umfrage könnte darauf eine Antwort liefern. „Zeigen Sie uns mal Ihr Tattoo?“, fragten Kinder einer ostdeutschen Schulklasse vor einer Handvoll Jahren einen KZ-Überlebenden, der darüber milde lächelte, während der Lehrer in Scham versank. Eine Deutschlehrerin im Rhein-Main-Gebiet erlebt, dass Lektüre wie „Damals war es Friedrich“ von 1961 oder „Adressat unbekannt“ von 1983 immer noch packen kann, „allerdings zieht das nicht bei allen.“ Anne Franks Tagebuch erweise sich, berichtet sie, meist als „zu zähe Lektüre“. In die Lage der Teenagerin, die sich vor uniformierten Mördern in Sicherheit bringen musste, können oder wollen sich nur noch wenige versetzen.

Erzählte Schicksale von Tierwaisen berührten sie stärker als Anne Franks Briefe an die imaginäre Freundin Kitty, bekennt eine vierzehnjährige Berlinerin. Beim Besuch einer Ausstellung zur Entrechtung der Juden erfuhren Zehntklässler, dass jüdische Familien ihre Haustiere, ihre Hunde abgeben mussten. „Die armen Hunde! Wohin kamen die dann?“ erkundigte sich die Gruppe bei der konsternierten Museumsführerin. „Juden zahlen keine Steuern, und denen gehört Aldi, Lidl, Mediamarkt - alles!“ Solchen Vorstellungen begegnet der Psychologe Ahmad Mansour regelmäßig in seiner Arbeit gegen den Antisemitismus muslimischer Jugendlicher in Deutschland.

Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung wollten 2014 etwa acht von zehn Deutschen die Geschichte der Judenverfolgung „hinter sich lassen“; gerade die Jüngeren stachen hier besonders hervor. Ein paar Wochen alt ist der „Eurobarometer 484“, eine Umfrage der Europäischen Kommission zur Wahrnehmung des Antisemitismus in jenen Mitgliedsstaaten, in denen 96 Prozent der jüdischen EU-Bevölkerung leben. Danach halten fünfzig Prozent Antisemitismus für ein Problem in ihrem Land, eines, das in den vergangenen fünf Jahren zugenommen hat.

Weit, weit weg wirkt der Holocaust auf viele heutige Jugendliche. Früher waren Kinder und Jugendliche fasziniert von den Verliesen und Folterkammern in Ritterburgen am Rhein. Jetzt werden vereinzelt Tendenzen deutlich, den Zivilisationsbruch der Shoah einzureihen in die Serien der Horrorvideos und Gruselthriller, die junge Leute im Internet konsumieren. Einige, vor allem Jungen, sind erpicht auf einen Ausflug zum „total echten“, „voll krassen“ Ort Auschwitz, bar jeder politischen oder empathischen Absicht. Und Entsetzen allein wird dagegen gar nichts ausrichten.

Freilich gibt es auch engagierte Jugendliche, die etwa Biographien von NS-Opfern nachspüren, wie die Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Geschichte am Albert-Einstein-Gymnasium. Mit der sozialistischen Falken-Jugend sorgten sie dafür, dass im November 2018 in der Britzer Hufeisensiedlung in Berlin ein Stolperstein für den jüdischen Sozialdemokraten und Autor Bruno Altmann gesetzt wurde. Die Gedenkfeier für ihn hatten die Jugendlichen selber gestaltet.

Monika Grütters, die amtierende Kulturstaatsministerin, will jetzt das Geschichtsbewusstsein der jungen Generationen stärken. Für ihr Programm „Jugend erinnert“ haben Historiker und Bildungsexperten praxisnahe Konzepte entwickelt, die Begegnungen und Besuche in Gedenkstätten fördern sollen. Vorgestellt wird das Programm am 29. Januar am Ort der Information des Berliner Mahnmals für die ermordeten Juden Europas.

So notwendig das Erinnern an Massenmord, Menschheitsverbrechen und die Schuld der Tätergesellschaft ist, so wichtig scheint das Auffalten einer lebendigen Sphäre jüdischen Lebens. Rund siebzig Prozent der EU-Bürger meinen derzeit laut der Eurobarometer-Studie, dass die Mehrheit in ihrem Land mangelhaft informiert ist über jüdische Geschichte und Kultur - sprechender Beleg für Forderungen wie die von Nicola Galliner, Leiterin des Jüdischen Filmfestivals Berlin und Brandenburg. Historische wie aktuelle Vermittlung müsse endlich über „tote Juden“ hinausreichen, sagt Galliner, und erwähnt den verblüffenden Effekt etwa von Eyal Halfons Filmkomödie „90 Minuten - bei Abpfiff Frieden“, worin ein Fußballmatch zwischen Israelis und Palästinensern zum Mikrokosmos des Friedensprozesses im Nahen Osten wird. Jugend kann de facto nicht „erinnern“, was sie nicht erlebt hat. Jugendliche können Wissen erlangen - und nur durch Empathie wird Wissen zu Bewusstsein.

TAGESSPIEGEL, Sonntag 27.01.2019 | KULTUR S. 25

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tja - so isses - genauso - und schlimmer - so wie es ganz ungeschminkt in diesem artikel dargestellt wird. und dahintersteckt ein konglomerat aus verschiedenen be- und ge-wusstheitsstufen, die da alle oft ziemlich verquer eher zufällig als geplant aufeinandertreffen: und trotzdem - das ausland bewundert deutschland ja für seine emsige gedenk- und erinnerungskultur und für die "unumwundene übernahme" von "verantwortlichkeit" für das geschehen in nazi-deutschland und im weltkrieg. aber wir "betroffenen" hier im innern des landes sind damit längst nicht zufrieden - und wollen tiefergehende auseinandersetzungen mit jener epoche und der eigenen betroffenheit.

die authentischen zeitzeugen des "holocausts" etc. werden immer weniger - und haben immer weniger lust vor jungen, oft kaum vorbereiteten und irgendwie emotional "satten" und mit den gedanken ganz woanders spazierengehenden 13-18jährigen schülern immer wieder ihr "holocaust"-programm des "ganz anderen" mit der obligatorischen powerpoint-präsentation abzuspulen und vorzuführen - oder die wenigen unmotivierten oder völlig indisponierten pflichtfragen der schülerschaft zu beantworten (das verschlägt einem oft die sprache) - denn dazu kommt noch: oftmals steht in unserem digitalen zeitalter ein laptop oder eine vernünftige ungefilterte internet-verbindung oder ein router und ein beamer gar nicht zur verfügung. aber jeder schüler hat sein smartphone in der tasche - und es sind extra "smartphone-regeln" für die benutzung im unterricht vereinbart worden ... 

für eine entsprechende störungsfreie präsentation durch die oft jeweils 70- bis über 80-jährigen referent*innen, die experten oder gar zeitzeugen, die ja auch nur in mühevoller kleinarbeit oft mit ungenügendem knowhow ihre datenträger-sticks aufgeladen haben mit dem entsprechenden dokumentationsmaterial, ist da "seriös" kaum noch raum gegeben - aber die offiziellen unterrichtsmaterialien geben da ja auch wenig her oder dürfen nicht (mehr) verwandt werden.

und neulich sagte ein ach so flott daherkommender geschichtslehrer, der eine unterrichtseinheit und einen kz-besuch plante, dass die schüler ausdrücklich keinen dieser "alten weißen männer" im unterricht hören & sehen wollten - das thema müsse "flotter" und "zeitgemäßer" angegangen werden - und vor einem erhobenen zeigefinger schreckten die schüler eh zurück ...

aber die tücke steckt ja auch oft im detail - also auch wenn das equipment irgendwo in der schule aufzutreiben wäre - weiß oft weder die lehrkraft noch jemand von den schülern, wie denn die einzelteile anzuschließen sind - und wie etwas mit welchen dingen vor ort kompatibel ist usw. usf. und der it-spezialisierte hausmeister oder der "fachlehrer" ist im moment nicht aufzufinden...
und da kommt dann eben frust auf - und der wird nicht auf das unvermögen in der ausführung festgemacht, sondern mündet dann eben nach ein paar so desolat erlebten "versuchen" in diesen resignativen satz „nicht schon wieder juden und nazis!“ - aber die "juden und nazis" haben mit dem frust ja gar nichts zu tun...

aber es ist auch kein echtes "interesse" an der sache da - und dafür lässt sich ja auch nicht mit den üblichen mitteln entsprechend "motivieren". das thema "holocaust" & co. ist (gefühlt) bei den meisten "durch" & abgehakt und teilweise ausgelutscht: dazu hat man eh keinen "bock" - das wäre vielleicht was für freiwillige arbeitskreise und leistungskurse oder vertiefungs-zirkel ...

denn "meinungs- und wertneutral" lässt sich ein solches thema in einer schule nicht verhandeln - wie sonst vielleicht gefordert im alltag. ich wenigstens bin bei meinen vorträgen zu diesen themen völlig einseitig und total festgelegt - ganz klar ...

ich habe ja ca. 8 jahre immer mal wieder jeweils auf einladung schülern das leidensporträt meiner tante erna kronshage näherbringen wollen, die als nazi-"euthanasie"-opfer in einer tötungsanstalt ermordet wurde. ich habe nie initiativ bei schulen "getingelt" mit diesem thema - ich habe lediglich meine memorial-blogs im internet dazu für verschieden unterschiedlich interessierte und berührte ansprech-kreise entwickelt, gestaltet und schließlich online gestellt.

aber obwohl der historiker götz aly errechnet hat, dass ca. jeder achte derzeitige erwachsene zeitgenosse, dessen vorfahren zwischen 1939 und 1945 in deutschland gewohnt haben, in irgendeiner weise in der familie und in der verwandtschaft - durch verheiratung und cousin und großcousine - und und und - mit dem thema "euthanasie" konfrontiert sein müsste, ist das aufarbeitungs-geschehen - bei ca. 300.000 vermeintlichen gewaltopfern - in den familien durch gespräche und erforschungen und erkundungen zwischen den generationen kaum gegeben - und als sehr sehr "mau" zu bezeichnen... - das thema wird ausgeklammert und abgespalten und verdrängt. was aber innerpsychisch ja "bis in die 3. und vierte generation" danach ungesund ist, weil viele traumatische ereignisse oft sogar in störenden verhaltensnuancen weitervererbt und "übertragen" sind oder werden ("das hat er von seinem opa ...").  
ich schätze, dass vielleicht 400 - 500 euthanasie-einzel-opfer-biografien derzeit bundesweit publiziert und bekannt und erforscht sind, also vielleicht gerade mal etwas über 1 promille ... 

hinzu kommt inzwischen eine junge garde von lehrkräften, die wenig interesse daran hat, selbst aktiv zu forschen oder das eigene forschungsfach auszuposaunen - und wenn schon, kann und darf der eigene "hobby"-enthusiasmus oft nicht übertragen werden auf die schüler, was aber auch mit den permanentkritischen elternhäusern zu tun hat, die derartigen "besonderheiten" je nach politischem habitus oft sehr kritisch gegenüberstehen und das als "übergriffig" erleben wollen ...

die schüler sollen nämlich etwas lernen "für's leben und für den job" - und das wird häppchenweise je nach lehrplan hübsch aufbereitet dann vorgetragen und durchgekaut - und da ist die zeit knapp genug, als dass man sich dann noch initiativ auf irgendwelche "privaten" extra-unterrichtseinheiten vorbereiten will, kann oder soll ... 

und wenn erst die eigene begeisterung und das interesse für irgend etwas in der eigenen unterrichtsgestaltung einmal abhanden gekommen ist, spult man nur noch stumpf die vorgeschriebenen unterrichtseinheiten ab - und wartet auf die nächsten ferien oder auf das klingelzeichen zur nächsten pause - un gutt is ... - man macht sich nur "verdächtig", wenn man gar schüler für ein besonderes thema mitnimmt und mitbegeistert - außerhalb dieser inzwischen "normal" gewordenen digitalen smartphone-scheinwelt ...

also auch die lehrer und die eltern meinen inzwischen „nicht schon wieder juden und nazis!“ - und ich füge eben mein spezialthema, das "randthema" euthanasie-mord-opfer, da mal hinzu ... 

und die obligatorischen fahrten zu kz's und vernichtungsanstalten werden dann mehr als muss-"event" und als "klassen-ausflugsfahrt" mit allem drum & dran organisiert - und zuschüsse gibt es da ja auch, warum soll man die nicht abrufen - und gleichzeitig kann man den "reichstag" besuchen und das "stelenfeld" - und dem befreundeten schulpaten-bundestagsmitglied aus der stadt einen besuch abstatten mit einer nachmittags-sequenz "politischer bildung", vorgetragen - ganz "political correctness" - von einem assistenten des entsprechenden besucherdienstes des bundestages ... - und in der zeit kann die begleit-lehrkraft ja shoppen gehen ins kdw ...

ja - das ist echter einsatz: einigkeit und recht und freiheit ...

"oral history":  hier informiere ich zu erna kronshage in einer schule

auch im "tagesspiegel"-artikel oben wird ja mein "spezial-randthema", die 300.000 "euthanasie"-opfer, erst gar nicht extra erwähnt - und ich habe jetzt seit fast 2 jahren nur noch eine anfrage zum leidensporträt meiner tante erna kronshage erhalten - allerdings kam ich da wegen organisatorischen missverständnissen mit der schule und der betreuungslehrkraft in der vorab-kommunikation und der planungsvorbereitung im miteinander nicht auf einen nenner, sodass ich da die anfrage für eine info-veranstaltung schließlich abgesagt habe - schade - aber das ist auch alltag in dem "geschäft"...


szenenbild aus dem "erna"-stück des jugendvolxtheater bethel - click here


sehr erfreut war ich dann aber doch noch im letzten jahr über eine theateraufführung eines jugendtheater-kollektivs, dass sich ein stück mit eigenen reaktionsparallelen auf das opfer-schicksal meiner tante erna kronshage erarbeitet hat - [click hier]

und diese "privat"initiative, dieses hobby-engagement nach schulschluss, hat dann das "mitgehende" interesse der mitspieler*innen geweckt - und ich bin davon überzeugt: diese 12- bis 18-jährigen "schauspieler" werden das schicksal meiner tante ihr lebtag nicht mehr vergessen ... - aber dafür auch empathie und bewusstheit für diese zeit entwickeln ...

trotzdem - nix für ungut - chuat choan ...


Lies dazu auch: hier
und vor allen dingen auch: hier