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Generationale Abspaltungen

Das öffentliche und das private Gedenken unterscheiden sich stark, sagt Samuel Salzborn. FOTO: REUTERS



Antisemitismus und Erinnerungskultur

Die größte Lüge der Bundesrepublik

Die deutsche Erinnerungspolitik hält sich für vorbildlich. Der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn erklärt die gelungene Aufarbeitung der NS-Verbrechen zum Mythos. 

VON CHRISTOPH DAVID PIORKOWSKI | TAGESSPIEGEL

Die Überzeugung, erinnerungspolitischer Weltmeister zu sein, ist ein zentrales Motiv der gegenwartsdeutschen Selbsterzählung. Zuweilen scheint es, als sei die einstige Wahnvorstellung rassischer Überlegenheit dem Glauben an eine moralische Überlegenheit gewichen. Die vermeintlich vorbildliche Vergangenheitsbewältigung legen sich Teile der deutschen Gesellschaft als Zeugnis kultureller Fortschrittlichkeit aus. 

Wie zuletzt der Essayist Max Czollek gezeigt hat, ist es dabei zur gängigen Praxis geworden, sich auf der vielbespielten Bühne des Erinnerungstheaters am Ritus kollektiver Läuterung zu laben.

Dass es mit dem Mythos einer schonungslosen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen nicht so weit her ist, wie es die einschlägigen Debatten nahelegen, unterstreicht der Berliner Politikwissenschaftler Samuel Salzborn nun mit seinem neuen Werk „Kollektive Unschuld. Die Abwehr der Shoah im deutschen Erinnern“. 

Öffentliche vs. private Erinnerung

In einem pointierten Essay bündelt Salzborn zentrale Erkenntnisse der sozialwissenschaftlichen und historischen Antisemitismusforschung. Ausgangsthese des Werks ist, dass sich der erinnerungspolitische Diskurs der Deutschen (und der Österreicher) durch eine einschneidende Kluft definiert: Hier das Gedenken im öffentlichen Raum, dort die Leugnung im Privaten.

Das Narrativ einer tatsächlichen Aufarbeitung des Holocaust sei nicht weniger als „die größte Lüge der Bundesrepublik“. Salzborn zufolge glaubt eine kleine, linksliberale Elite, ihr intellektueller Erinnerungsdiskurs durchdringe die Gesellschaft im Ganzen.

Tatsächlich aber bestimmten Schuldabwehr und oftmals latenter Antisemitismus den psychischen Haushalt des Tätervolks. Die Metastasen von verdrängter Schuld und verdrängtem Antisemitismus manifestieren sich in einer unversöhnlichen „Israelkritik“, die durch die aus der Antisemitismusforschung bekannten drei D’s – Dämonisierung, Delegitimierung und doppelte Standards – geprägt ist.

Verkappte Antisemiten aller politischen Richtungen und gesellschaftlichen Milieus könnten ihr verschwiemeltes Ressentiment so ins schmückende Gewand der Solidarität mit den Palästinensern kleiden.

Die Schuld der Vorfahren wird verdrängt

Das große Problem ist Salzborn zufolge, dass man in Deutschland zwar gemeinhin die Verbrechen der Nazis anerkennt, die eigenen Verwandten und die „gewöhnlichen Deutschen“ jedoch oftmals amnestiert werden. Diese Unschuldsvermutung aber offenbare sich aufgrund „der antisemitischen Täterschaft in so gut wie allen Familiengeschichten der Bundesrepublik“ bei näherer Betrachtung als Lügengespinst. 

So hat die Geschichtswissenschaft die tiefe Verstrickung weitester Teile der deutschen Gesellschaft in den Komplex der Enteignung, Entrechtung und Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden schon lange umfänglich belegt.

Das Verdrängen familiärer Schuldhaftigkeit macht Salzborn dabei an diversen sozialwissenschaftlichen Studien aus Gegenwart und jüngerer Vergangenheit fest. Schon 2002 zeigte die familienbiografische Studie „Opa war kein Nazi“ von Harald Walzer, Sabine Müller und Karoline Tschungnall wie zahlreiche Deutsche ihre Tätervorfahren in Opfer oder Widerstandskämpfer umdefinieren.

Selbstviktimisierung

Den gängigen Schätzungen zufolge liegt der Anteil derjenigen, die potenziellen NS-Opfern geholfen haben bei 0,3 Prozent, was etwa 200 000 Menschen entspricht. Die Memo-Studie 2019 des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld und der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft zeigt jedoch, dass etwa 28,7 Prozent der Deutschen ihren Vorfahren eine Helfer-Vita andichten. 69,8 Prozent glauben, ihre Vorfahren seien nicht unter den Tätern gewesen. Und 35,9 Prozent erklären ihre Angehörigen gar zu Opfern.

Der psychische Abwehrmechanismus der „Selbstviktimisierung“, den Margarete und Alexander Mitscherlich 1967 in ihrem bahnbrechenden Werk „Die Unfähigkeit zu trauern“ sezierten, setzte Salzborn zufolge in beiden deutschen Teilstaaten unmittelbar nach ihrer Gründung ein. 

In den oft jeden historischen Kontext verleugnenden Debatten um deutsche Flüchtlinge oder Bombenopfer in Dresden und in Filmen wie „Die Gustloff“ und „Der Untergang“ sieht Salzborn den Opfermythos nach wie vor am Werk. Dass etwa die späteren Flüchtlinge an der völkischen Germanisierungspolitik einen gehörigen Anteil hatten, und demnach nicht von ungefähr vertrieben wurden, werde häufig verleugnet. Die Shoah erscheine dabei im postmodernen Nebel einer allgemeinen Gewaltkritik als eine Katastrophe unter vielen.

Täter-Opfer-Umkehr

Juden wiederum wird vorgeworfen, den Finger konstant in die Wunde zu legen. Anstatt sich mit den konkreten Taten der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern zu befassen, werden die Opfer und ihre Nachfahren dafür gescholten, die Schuld-Erinnerung wachzuhalten. 

Nach einer Studie der Anti-Defamation League von 2019 waren 42 Prozent der Deutschen der Meinung, Juden würden zu viel über den Holocaust sprechen. Solche Zahlen und die darin anklingenden Schlussstrichforderungen, zeigen wie wichtig dieses Sprechen doch ist. Folgt man Salborns Analyse, sind die revisionistischen Forderungen vieler AfD-Politiker und anderer Neo-Faschisten schließlich im Schoß einer Gesellschaft gewachsen, die sich ihre kollektive Unschuld erschwindelt.

  • Samuel Salzborn: Kollektive Unschuld: Die Abwehr der Shoah im deutschen Erinnern. Hentrich und Hentrich Verlag Berlin 2020, 136 Seiten, 15 Euro.
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Der sicherlich umstrittene Historiker Götz Aly hat schon 2013 in einem SPIEGEL-Gespräch aber sicherlich zutreffend errechnet, dass ungefähr jeder achte erwachsene Deutsche direkt mit Jemanden verwandt sei, der in die NS-Krankenmorde, der "Euthanasie", in irgendeinerweise verstrickt sei.

Und wenn man die angeheirateten Verwandten dazunehme, würde fast jeder in seiner Familie in den Generationen zurück jemand Beteiligten ausfindig machen können - seitens der Täter oder Opfer.

In den meisten Familien aber würde bis heute nicht darüber gesprochen - auch wenn immer mehr öffentliche Gedenkstätten und Erinnerunsorte und Stolpersteine zugänglich sind und offizielle Gedenkveranstaltungen dazu abgehalten werden.

Die Ermordeten sind in den Familien selbst oft schlichtweg vergessen - und ob jemand aktiv in die Krankenmorde mit involviert war, wird ausgeblendet und verdrängt und abgespalten.

(Das SPIEGEL-Gespräch mit Aly fand am 22.04.2013 statt.)

Diese Überlegungen zeigen, dass die oben im Artikel beschriebenen Verdrängungsmechanismen zur "Shoah" und zum "Holocaust" auch 1:1 übertragbar sind für auf die Aufarbeitung der NS-"Euthanasie"-Mordschicksale.

Solche Vorkommnisse in der eigenen Familie, sowohl bei (Mit-)Tätern und Opfern, werden verleugnet, ausgeblendet und immer noch - auch 80 Jahre danach - verdrängt, oder sind tatsächlich inzwischen "vergessen" und aus der Familien-"Gene" getilgt.

Und das war ja auch das Ziel der Rassenpolitik und all dieser darauf fußenden konzertierten Mord-Aktionen der allermeisten involvierten deutschen Nazis (9 Millionen waren aktive Mitglieder der NSDAP) und deren verblendete weit verbreitete Mitläufer in den Jahren 1933-1945:

"Das Vergessen der Vernichtung
 ist Teil 
 der Vernichtung selbst"

so hat es Harald Welzer in Anlehnung an Jean Baudrillard allerdings erst in unseren Tagen formuliert: Das Vergessen des Grauens ist von den Ideologen und Tätern im damaligen faschistischen System zumindest implizit mitgedacht und haargenau kalkuliert mit geplant und einkalkuliert worden - das war quasi Sinn der Vernichtungsaktionen: Vollständige und totale "Ausmerze" und konsequentes restloses "Niederführen" - diese faschistischen Unworte schließen ja eine endgültige "Tilgung" mit ein - zur erbbiologischen "Gesundung" des "deutschen Volkskörpers"...



erbgerichts-akte zur zwangssterilisation

eine arbeits-kopie der original erbgesundheitsgerichtsakte von 1943 zur zwangssterilisation meiner tante erna kronshage habe ich ende der 80er jahre ad-hoc kopiert im "stadtarchiv bielefeld" aus dem bestand "gesundheitsamt" - und hier nun wiederum als kopie ins netz gestellt - als blätter-magazin bei yumpu: zur einschlägigen information - und für unterricht und studium ... 


wann bekommt frau/man schon mal einen eindruck vom authentischen inhalt einer solchen "erb'gesundheits'gerichts-akte"... - bei der erstellung hab ich mir alle mühe gegeben - vielleicht kann die/der ein oder andere etwas damit anfangen ...

Als hätte es sie nie gegeben - Preisgekrönter Film zum Thema Euthanasie



Alternativer Medienpreis für schwieriges Thema
Film von Vanessa Hartmann über NS-Euthanasie in Neuendettelsau und Ansbach überzeugte Jury

Die Autorin Vanessa Hartmann ist mit dem „Alternativen Medienpreis 2020“ ausgezeichnet worden für ihren Film „Als hätte es sie nie gegeben – NS-Euthanasie in Neuendettelsau und Ansbach“.

© Foto: Medienwerkstatt Franken

Als hätte es sie nie gegeben 
Preisgekrönter Film zum Thema Euthanasie



Als hätte es sie nie gegeben from Medienwerkstatt Franken on Vimeo.


Im Dritten Reich wurden aus den sozialen Einrichtungen der Diakonie Neuendettelsau im Landkreis Ansbach über 1200 Menschen mit Behinderung und psychischen Erkrankungen in staatliche Anstalten deportiert. Mindestens zwei Drittel von ihnen wurden dort getötet, weil sie aus Gründen der „Rassenhygiene“ als „lebensunwert“ galten.

Mitte der 1980er Jahre hat die Diakonie Neuendettelsau zwei Historiker mit der Aufarbeitung der Ereignisse beauftragt. Das daraus resultierende Buch „Warum sie sterben mussten“ (1991) war schnell vergriffen, das öffentliche Interesse enorm. Denn Ärzte und Pfarrer hatten die in ihrer Obhut lebenden Menschen nach anfänglichem Zögern nur allzu bereitwillig ausgeliefert.

Und mehr noch: Unsere neuen Recherchen in den bislang nie gesichteten Patientenakten zeigen, wie unliebsame Bewohner, Erwachsene wie Kinder, auch in der Phase der „dezentralen Euthanasie“ ab 1941 von den damals leitenden Pfarrern in die staatliche Heil- und Pflegeanstalt nach Ansbach verlegt und damit wissentlich dem Tod preis gegeben wurden.

Doch wer sich heute, fast 30 Jahre nach der ersten Aufarbeitung, zum Thema informieren möchte, wird z.B. auf der Homepage von „diakoneo“, wie sich die Diakonie Neuendetttelsau inzwischen nennt, kaum fündig – dort werden zwar die Opferzahlen genannt, die aktive Beteiligung der damals leitenden Pfarrer wird jedoch verschwiegen. Stattdessen sind noch immer Häuser und Straßen nach ihnen benannt.

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Wie tief verstrickt die Verantwortlichen wirklich waren

NS-"Euthanasie" bei der Diakonie Neuendettelsau: Laut Forschern sind viele Fragen bei der Aufarbeitung noch offen

Die Diakonie Neuendettelsau hat 1991 mit dem Buch "Warum sie sterben mussten" ihre Verstrickung in die "Euthanasie"-Verbrechen der Nazis aufgearbeitet. Später hat sie die Zeit bis 1955 in einem zweiten Buch beleuchtet. Doch es gibt immer noch Fragen.

Von Vanessa Hartmann epd - aus: "evangelisch.de" (14.05.2019)

Es war ein Erdbeben, das die Diakonie Neuendettelsau Anfang der 1990er Jahre auslöste. Als erste diakonische Anstalt in Bayern hatte das Sozialwerk seine Verstrickung in die "Euthanasie"-Morde der Nazis von zwei unabhängigen Wissenschaftlern untersuchen lassen. Bundesweit interessierten sich Medien dafür. "Das war für die Öffentlichkeit sehr erschütternd: Es kann doch nicht sein, dass eine kirchliche Einrichtung keinen Deut besser war als eine staatliche", erinnert sich Hans-Ludwig Siemen, einer der Autoren. In mehreren Deportationen waren 1940/41 mehr als 1.200 Bewohner der Diakonissenanstalt in staatliche Heil- und Pflegeanstalten verlegt worden, mindestens zwei Drittel starben.

"Euthanasie", der "schöne Tod", diesen Begriff prägten einst die Griechen für ein leichtes Sterben. Die Nationalsozialisten verschleierten damit die Tötung von Menschen mit geistigen und seelischen Gebrechen, die nicht in ihre Wahnvorstellungen von der "reinen Rasse" und dem "gesunden Volkskörper" passten.

Wandel der Deutung

Die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Diakonie ist für den Wissenschaftler und Psychoanalytiker Siemen bis heute nicht abgeschlossen: "Die Menschen wurden von der damaligen Leitung sehr bereitwillig ausgeliefert, weil man den Fortbestand der Einrichtung sichern und die Gebäude retten wollte." Das damalige Direktorium reagierte dabei nicht nur auf Anordnung, sondern erbat auch selbst die Aufnahme vieler "Pfleglinge" in staatliche Anstalten, in dem Wissen, dass diese Verlegung für sie den Tod bedeuten würde. Seit diesem Buchprojekt in den 1990er Jahren hat sich die Diakonie für ein würdiges Gedenken an die "Euthanasie"-Opfer eingesetzt. Ihre Namen findet man heute sorgfältig aufgelistet in den Gedenkbüchern, die in den Kirchen der Diakonie Neuendettelsau ausliegen.

Es gab Gedenkgottesdienste, Gedenksteine und Ausstellungen. Doch gleichzeitig hat sich die Deutung der Geschehnisse von einst unbemerkt gewandelt. Auf der Internetseite der Diakonie etwa wird der Eindruck erweckt, die damalige Leitung habe allein auf Anordnung des NS-Staats ihre "Pfleglinge" hergegeben. Von "massiven Eingriffen von außen in die Arbeit der Diakonissenanstalt" ist dort die Rede. In einem neueren Buch über die damaligen Ereignisse kommt Autor Hans-Walter Schmuhl gar zu dem Schluss, die Diakonissenanstalt könne für sich in Anspruch nehmen, ein "Raum der Resistenz" gewesen zu sein. Ausführlich werden Rettungsmaßnahmen einzelner Diakonissen geschildert.

Das Schicksal der kleinen Luise

Keine Erwähnung hingegen finden die vielen Einzelverlegungen meist schwieriger Heimbewohner, die es bei der "dezentralen Euthanasie" ab Mitte 1941 gab. Ein Blick in die Patientenakten im Zentralarchiv der Diakonie wirft die Frage auf, ob das Direktorium das "Euthanasie"-Programm nicht sogar befürwortete.  Da ist zum Beispiel die dreijährige Luise Geißbauer, die im Sommer 1943 von ihrer Mutter gebracht wird. Nur während der Sommermonate will sie Luise in Neuendettelsau unterbringen, auf eigene Kosten - um den NS-Staat erst gar nicht auf ihre behinderte Tochter aufmerksam zu machen. Spätestens nach der Erntezeit sollte Luise wieder nach Hause dürfen.

Doch dazu sollte es nicht kommen; das Mädchen stört. Pfarrer Hilmar Ratz, Direktor der Behindertenhilfe, schreibt der Mutter Ende August, dass eine Verlegung nach Ansbach unumgänglich sei. Die Mutter ist unsicher, will ihr Kind nicht "für dauernd" nach Ansbach geben. Doch der Pfarrer antwortet, sie könne Luise "sicher jederzeit wieder herausnehmen". Vom Pfarrer beruhigt, stimmt die Mutter der Verlegung zu. Daraufhin wird Luise nach Ansbach in die Kinderfachabteilung verlegt: "Da das Kind dauernd unruhig ist und seine Umgebung durch Schreien stört, ist seine Verlegung dringend geboten." Keine drei Wochen später stirbt das Kind in Ansbach - angeblich an Lungenentzündung.

Die Kinderfachabteilung in Ansbach gab es vermutlich seit 1942. Insgesamt wurden etwa 30 Kinderfachabteilungen im Reichsgebiet eingerichtet, um gezielt Kinder mit Beeinträchtigung im Rahmen der sogenannten Kinder-Euthanasie zu beseitigen. Leiterin in Ansbach ist die Oberärztin Irene Asam-Bruckmüller. In den 1960er Jahren wird sie wegen Beihilfe zum Mord in 50 Fällen angeklagt, doch dank attestierter Prozessunfähigkeit durch befreundete Ärzte wird das Verfahren gegen die Frührentnerin eingestellt. Heute zweifelt niemand mehr daran, dass sie für den Tod von mindestens 156 Kindern in Ansbach verantwortlich war und übereifrig mit dem Reichsinnenministerium kooperierte.

Historiker Mark Deavin untersucht seit zwei Jahren die Patientenakten aller Ansbacher "Euthanasie"-Opfer und ist sich sicher: "Hunderte von ihnen, auch Erwachsene, wurden von Asam-Bruckmüller ermordet. Sie ist in mindestens 85 Prozent der Todesfälle in Ansbach involviert. Sie ist eine Massenmörderin." Die meisten wurden mit dem Beruhigungsmittel Luminal vergiftet - ein qualvoller Tod: die Opfer entwickelten langsam Atemlähmung. Mark Deavin sieht Asam-Bruckmüller dabei keineswegs als überzeugte Nationalsozialistin. "Menschen mit Beeinträchtigung hielt sie aber für lebensunwert." Sie sah es als ihre Pflicht an, sie zu töten, sagt Deavin, der in Leeds und London Geschichte und Jura studiert hat.

Oberärztin Asam-Bruckmüller ist nicht nur in Ansbach beschäftigt, sie betreut ab 1941 regelmäßig auch in Neuendettelsau die verbliebenen etwa 250 Psychiatriepatienten. Die ihr anvertrauten Menschen nennt sie laut Akten "wertlos", "völlig stumpf" oder "klebrig". Dass sie auch für deren Erfassung in Berlin verantwortlich ist, zeigt ein internes Schreiben der Diakonie, eine "Handreichung". Darin heißt es, man soll dem in Neuendettelsau fest angestellten Arzt Wilhelm Graef mit einer externen Ärztekommission drohen. Graef scheint Skrupel gehabt zu haben, die ihm anvertrauten "Pfleglinge" zu melden. Mit dem Vorgehen nötige man ihn, seine Unterschrift unter die Meldebögen zu setzen.

Hans-Ludwig Siemen hält es für ausgeschlossen, dass die damalige Leitung nichts von Asam-Bruckmüllers Haltung wusste. Er verweist auf ein Schreiben von 1945, das Hilmar Ratz an seinen Pfarrer-Kollegen Bernhard Harleß, ebenfalls Pfarrer in Neuendettelsau, richtete: "Wie ich neulich von Frau Dr. Asam-Bruckmüller hörte, interessieren sich die Amerikaner sehr für die Sache. Da ist es natürlich nötig, dass unsere Angaben über das, was wir taten, übereinstimmen." 32 Erwachsene und 16 Kinder wurden einzeln nach Ansbach verlegt, 20 von ihnen starben, fünf Fälle sind ungeklärt. Alle Akten zeigen, dass neben Ratz oder Harleß auch Asam-Bruckmüller in die Verlegungen involviert war.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Asam-Bruckmüller in beratender Tätigkeit in Neuendettelsau tätig: Bis zum Jahr 1957 war sie betreuende Ärztin dort - als die Kinderfachabteilung längst geschlossen und sie von den Amerikanern ihres Amtes in der Heil- und Pflegeanstalt in Ansbach enthoben worden war. Trotzdem gibt es im Zentralarchiv der Diakonie Neuendettelsau keine Personalakte oder auch nur ein Foto von ihr. Dass sie in Neuendettelsau sogar geschätzt wurde, zeigen die Prozessakten des Verfahrens in den 1960er Jahren: Der Direktor der Behindertenhilfe, Pfarrer Ratz, bescheinigte ihr, sie habe sorgfältig gearbeitet und sich stets "vor unsere Patienten gestellt".

Die kleine Luise Geißbauer hätte verschont werden können, ihre Mutter wollte sie wieder holen. Ratz ließ sie dennoch verlegen. Nach ihrem Tod im September 1943 gibt sich der Pfarrer in einem Brief an die Mutter überrascht: "Wer hätte gedacht, dass das kräftige Kind so schnell dahin gerafft wird?" Zu diesem Zeitpunkt hat er schon Todesmeldungen von Kindern aus Ansbach erhalten, die hohe Sterblichkeit ist ihm bekannt. Weitere Akten zeugen davon, dass man über die Vorgänge in Ansbach Bescheid weiß. Für ein beliebtes Mädchen, das nicht in Neuendettelsau bleiben kann, bemüht sich Ratz um einen Platz in der Inneren Mission und rät den Eltern von der Unterbringung in staatlichen Anstalten ab.

Diese Einzelverlegungen sind der Diakonie seit den 1990er Jahren bekannt, wurden aber nie öffentlich gemacht. Ein Diakonie-Sprecher sagte, die Diakonie öffne ihre Archive für jeden: "Vorgaben zu machen, ist nicht unsere Strategie." So hatte Historiker Hans-Walter Schmuhl keine Kenntnis von den Einzelverlegungen, als er 2014 sein Buch "Im Zeitalter der Weltkriege" veröffentlichte. Für weitere Forschungen sei die Diakonie offen, wolle sie aber nicht beauftragen, so der Sprecher: "Das wäre nicht glaubwürdig. Lücken in der Forschung wird es immer geben." Es sei immer klar gewesen, "dass damals Verantwortliche tief verstrickt in die 'Euthanasiehandlungen' waren".

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diese "einzel-verlegungen" aus den konfessionellen einrichtungen in die ns-staatlichen heilanstalten des deutschen reiches sind insgesamt sicherlich noch einmal ein großes und bisher nicht befriedigend erschlossens umfassendes forschungsgebiet als hintergrund zu den "euthanasie"-morden insgesamt und der "beteiligung" oder dem nicht- bzw. mitwissen konfessioneller institutionen oder deren würdenträger damals. 

auch gegenüber bethel hat jüngst prof. dr. claus melter und seine studenten von der fh bielefeld ja fragen zum schicksal ähnlicher (einzel-)"verlegungen" aus bethel in staatliche ("zwischen-")"heil"anstalten" aufgeworfen - zu denen "offiziellerseits" immer mal wieder gern ge- und verschwiegen wird - oder aber - anstatt offen in den eigenen archiven und unterlagen forschen zu lassen - werden von den konfessionellen institutionen umfängliche "forschungsarbeiten" dazu in auftrag gegeben, die sich dann aber oft recht langwierig ausgestalten in ihrer jeweiligen "performance" - oder in ihren "konkreten" aussagen so verschlüsselt sind, dass man einfach mit semantisch raffinierten "forschungsformulierungen" versucht, neue "schuldfreie" zusammenhänge darzustellen bzw. zu konstruieren (! - "wess brot ich ess, dess lied ich pfeif"...). ich will hier keine namen nennen... - aber das alles lässt sich durchaus auch ergoogeln...

inwieweit die konfessionellen einrichtungen quasi unter druck gesetzt wurden, mit letztlich ja von amts wegen finanzierten wohldifferenzierten pflegesatz-abrechnungsvolten und abrechnungs-"erpressungen" und entsprechenden lebensmittel-zuteilungen und -kürzungen zum ende hin, ist nicht genau auszumachen - und das gestaltete sich ja auch je nach einzel"fall" und privatvermögen der familien der patienten vielleicht unterschiedlich.

fest steht, dass die nsdap in hoch-zeiten fast 8 millionen eingetragene mitglieder hatte - bei rund 80 millionen reichs-einwohnern insgesamt und einem erwachsenen-anteil von über 50 mio. menschen. das nationalsozialistische gedankengut war also mit seinen erbgesundheitlichen ausrichtungen und konsequenzen bis in konfessionelle kreise hinein damals allgemeiner "zeitgeist" und etabliert - man könnte auch sagen: der "zeitgeist" war damit "durchseucht" - was sich ab 1933 bis mindestens 1942 noch verstärkte. insofern haben ja auch zumindest fast alle konessionellen anstalten bei der massenhaften "zwangssterilisation" geradezu bereitwillig mitgemacht.

in der allgemeinen wohlfahrtsfürsorge traten ab 1933 auf einer seite die nsv - die nationasozialistische volksfürsorge - nun frech fordernd mit ihrem totalitären allumfassenden machtanspruch und ihrer ihr immanenten erblehre auf den plan, der "eugenik", mit dem gedanken der "ausmerze" alles schwachen und kranken - und auf anderer seite die seit kaiserreich und weimarer republik etablierten christlich motivierten institutionen von diakonie und caritas - und die sich eben nun nach dem seit der weimarer republik geltenden subsidiaritätsprinzip in der sozialhilfe sozusagen als anbieter-konkurrenten "gegeneinander" gegenüberstanden und auf gegegenseitigen "bettenklau" gingen (= nur ein belegtes bett bringt pflegesatz-einnahmen...).

mit seinem offenen und verstohlenen und später "wilden" "euthanasie"-programm hatte der ns-staat deutsches reich aber auch eine möglichkeit entwickelt, sich der unterbringunskosten in der sozialhilfe zu entledigen - und diese so eingesparten mittel insgesamt mit für die nun dringend benötigte "kriegskasse" zu erschließen. 

inwieweit aber vielleicht in abgesprochenen "deals" der mit der sozialfürsorge befassten stellen und ämter und versicherungen "gehandelt" und "abgesprochen" wurde ("gibst du mir deine - geb ich dir meine"), sei vorerst einmal dahingestellt - bis zu einem neutralen (!) und umfassenden forschungsergebnis. 

ob also einzelne patienten den konfessionellen einrichtungen tatsächlich von den staatlichen nsv-anstalten "entrissen" wurden, quasi von der "tränenbenetzten schürze der ordensschwester" weg - oder ob kräfte in den konfessionellen anstalten sich unliebsamen einzelpatienten "entledigen" wollten - und was die jeweiligen tatsächlichen beweggründe der "verlegungen" bzw. "deportationen" war, ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt - und es gab sicherlich auch einzelfälle sowohl in die eine richtung als auch in die andere...

spannend ist also die frage, ob es ein institutionelles wollen dazu gegeben hat - und ob quasi automatismen und anschluss-deportationen jeweils geplant und anberaumt wurden. 

aber vieles spricht dafür, dass so "behütend" und "sorgend" die konfessionellen einrichtungen nicht immer auftraten, wie es direkt nach dem krieg zunächst unisono beteuert wurde.

und die offenen oder heimlichen verantwortungsträger waren dann in den 60er/80er jahren, bei eventuellen prozessen zur klärung dieser sachverhalte zumeist "verhandlungsunfähig" oder unabkömmlich oder bereits verstorben - wie das leben eben so spielt ... 

Die Rekonstruktionen der tödlichen Abfolgen

Gedenken an vergessene Deportierte

FH-Studenten bringen ein dunkles Kapitel der Stadtgeschichte ans Licht. Ihre Recherchen belegen „Krankenmorde“ an Bethel-Patienten im Nationalsozialismus. Schulen sind jetzt aufgerufen, dazu zu forschen.

Von Christine Panhorst | NW

Ein Stolperstein erinnert an die aus Bethel deportierte Jüdin Olga Laubheim. Für weitere deportierte Bethel-Patienten soll es nun eine vergleichbare Gedenkkultur in der Stadt geben, das hofft die Forschungsgruppe an der Fachhochschule Bielefeld.
Foto: Wolfgang Rudolf





26 Schicksale gerieten in Vergessenheit. Es sind die Schicksale von Bielefelderinnen und Bielefeldern, die in der Zeit des Nationalsozialismus deportiert, später gezielt getötet wurden oder an den Folgen menschenunwürdiger Lebensbedingungen verstarben. Die Gemeinsamkeit: Sie waren nicht jüdischen Glaubens und galten als „unheilbar krank“. Durch neue Recherchen hat eine Gruppe Studenten um FH-Professor Claus Melter und die Studentin Sevim Dik nun aufgedeckt, wer diese Opfer von „Krankenmorden“ waren. Viele waren Bethel-Patienten. Heute, auf den Tag genau 75 Jahre nach Weltkriegsende, gibt es für sie noch immer keine Gedenkkultur. Das soll sich ändern.
  • Die Bielefelderin Hedwig Möller, am 21. November 1941 aus Bethel nach Gütersloh verlegt, zwei Jahre später als „ungeheilt“ in die Heilanstalt Meseritz deportiert und dort nach elf Tagen im Alter von 37 Jahren verstorben.
Seit 2017 gibt es die Forschungsgruppe an der Fachhochschule Bielefeld, die Bielefelds und Bethels Geschichte im Nationalsozialismus erforscht. Immer wieder geht es dabei um das Thema Euthanasie. Jetzt sind Melter und seine Studenten durch intensive Recherchen im Münsteraner Archiv des Landesverbands Westfalen-Lippe (LWL) auf weitere Opfer gestoßen. „Bei unseren Forschungen zum Betheler Kinderkrankenhaus sind wir darauf gekommen, dass auch Erwachsene in Zwischenanstalten deportiert wurden“, berichtet der Wissenschaftler von der Fachhochschule Bielefeld. 22 ehemalige Bethel-Patienten seien in andere „Heilanstalten“ verlegt worden, galten als „ungeheilt“ und kamen daraufhin in der NS-Zeit ums Leben. „Diese drei Kriterien lassen auf sogenannte Krankenmorde schließen, die wir weiter erforschen wollen.“
  • Die Bielefelderin Elfriede Droste, am 21. November 1941 aus Bethel „ungeheilt“ in die Heilanstalt Gütersloh verlegt, am 14. August 1942 im Alter von 29 Jahren dort verstorben.
Laut Melter war es für die Patienten oft eine Deportation in Etappen. Das belegen unter anderem akribisch geführte „Ein- und Ausgangslisten“ der Heilanstalten in der NS-Zeit. „Einige Opfer wurden so zunächst in Heilanstalten in Gütersloh und Lengerich verlegt, von dort weiter nach Münster, bevor sie in Marsberg getötet wurden“, erklärt Melter. Dort habe es neben einer sogenannten „Kinderfachabteilung“ auch eine LWL-Klinik für erwachsene Psychiatrie-Patienten gegeben. „Hier sind Menschen vermehrt zum Sterben hingeschickt worden.“ In beiden Anstalten sei im Nationalsozialismus entschieden worden: Wer wird am Leben gelassen, wer getötet?
  • Gustav Kleinert aus Bielefeld, am 12. November 1941 aus Bethel in die Heilanstalt Gütersloh verlegt, dort als „ungeheilt“ am 19. Juli 1942 mit 49 Jahren verstorben.
25 Männer und 23 Frauen sind so laut den intensiven Recherchen der FH-Studenten 1941 aus Bethel in die Heilanstalt Lengerich „verlegt“ worden. In fünf Fällen konnte ihr Weg in den Tod nachgezeichnet werden: Alle fünf wurden im Dezember 1944 aus Bethel als „ungeheilt“ entlassen. Alle starben in den Jahren 1944 und 1945 in Marsberg.
  • Ernst Bäcker, am 2. November 1941 „ungeheilt“ aus Bethel verlegt, am 14. Oktober 1944 im Alter von 16 Jahren in Marsberg gestorben.
Im Bielefelder Stadtarchiv sei die studentische Forschungsgruppe zudem auf Akten von Personen gestoßen, deren Urnen nach Bielefeld an das städtische Polizeipräsidium geschickt wurden oder direkt an den Sennefriedhof, berichtet Melter. „Der genaue Bezug nach Bielefeld, warum ihre Urnen hierher verschickt wurden, ist in diesen vier Fällen noch nicht ganz eindeutig.“ Waren auch sie zu einem Zeitpunkt Bethel-Patienten oder hatten Familie in Bielefeld? Alle vier wurden in der Tötungsanstalt Hadamar in Hessen ermordet, zwei über Zwischenstation in Marsberg. In Hadamar wurden laut heutigem Forschungsstand mehr als 14.000 Menschen mit Behinderungen und psychiatrischen Erkrankungen im Nationalsozialismus ermordet.

Claus Melter von der Fachhochschule hat mit seinen Studenten zur Euthanasie an Bethel-Patienten geforscht.
Foto: BARBARA FRANKE



  • Anna Almodt wird am 22. Juli 1941 mit 50 weiteren Patienten ins Tötungsanstalt Hadamar gebracht und ermordet. Ihre Asche wird nach Bielefeld geschickt.
Die Aufarbeitung habe erst begonnen, sagt Melter. „Für diese Menschen gibt es keine Stolpersteine, ihre Namen stehen nicht bei denen der Deportierten auf der Steele am Bielefelder Hauptbahnhof, zu ihnen gibt es keinen Ausstellungen, keine Erinnerungsprojekte.“ Noch nicht. „Unser Anliegen ist es, diesen Menschen durch einen gemeinsamen Gedenkprozess in Bielefeld und in Bethel und durch die Namensnennung die Menschenwürde zurückzugeben.“

  • Ein wichtiger Baustein könnten dabei Projekte an Bielefelder Schulen sein. „Dazu möchten wir aufrufen“, so Melter. Schulprojekte könnten zu den Schicksalen der einzelnen Personen forschen, ihre Geschichten erzählen, herausfinden, ob es noch Nachfahren gibt, und Stolperstein-Initiativen für die aus Bethel deportierten Personen anstoßen.
  • Von der Forschungsgruppe zu Bethel im Nationalsozialismus werde die Begleitung solcher Projekte angeboten. „Wir geben Tipps für die Recherche, erklären, wie man in Archiven fündig wird“, so Melter. Interessierte Studenten, Schüler, Lehrer können sich bei ihm per E-Mail melden unter claus.melter@fh-bieleld.de.
Text & Bilder: NEUE WESTFÄLISCHE v. 08.05.2020, S. 14, Lokalteil Bielefeld

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das wird ja ein echt spannendes projekt, dass da von fh-professor claus melter und seinen studenten ins leben gerufen wird: denn ein paar lebens-"end-stationen" in den benannten anstalten und einrichtungen der im text vorgestellten ungeklärten lebensschicksale sind nach meinem dafürhalten als ausgemachte ns-"euthanasie"-stätten bisher noch gar nicht in erscheinung getreten, sondern eher als "zwischenanstalten", von wo dann die deportationen in die endgültigen vernichtungsanstalten erfolgten.

insofern ist schon zu fragen, ob die für meinen geschmack etwas salopp formulierten annahmen der forschungsgruppe um prof. melter auch einer tatsächlichen fakten-überprüfung und forschung standhalten werden - etwa wenn da geschrieben steht:
  • "22 ehemalige Bethel-Patienten seien in andere „Heilanstalten“ verlegt worden, galten als „ungeheilt“ und kamen daraufhin in der NS-Zeit ums Leben. „Diese drei Kriterien lassen auf sogenannte Krankenmorde schließen, die wir weiter erforschen wollen.“ - oder
  • „Einige Opfer wurden so zunächst in Heilanstalten in Gütersloh und Lengerich verlegt, von dort weiter nach Münster, bevor sie in Marsberg getötet wurden“, erklärt Melter. Dort habe es neben einer sogenannten „Kinderfachabteilung“ auch eine LWL-Klinik für erwachsene Psychiatrie-Patienten gegeben. „Hier sind Menschen vermehrt zum Sterben hingeschickt worden.“ In beiden Anstalten sei im Nationalsozialismus entschieden worden: Wer wird am Leben gelassen, wer getötet?"
die genannten scheinbar "drei kriterien": 

1. aus bethel "in eine andere heilanstalt" verlegt zu werden - 
2. als "ungeheilt" zu gelten - und 
3. "daraufhin in der ns-zeit ums leben zu kommen" 

lassen so lapidar noch nicht auf tatsächlich vorsätzliche (!) "sogenannte krankenmorde" schließen - eben - wie gesagt - einfach auch, weil die anstalten, die in den beispieltexten als letztendliche stationen  genannt  werden, bisher in der seit fast 40 jahren andauernden "ns-"euthanasie"-erforschung als so organisierte tötungsanstalten bisher nicht auftauchen und benannt werden -

das gilt auch für die sogenannte "wilde euthanasie", die ab 1942 - dezentral von berlin - vornehmlich in eigenverantwortung der einzelnen bezirke und reichsprovinzen in dortigen provinzial-heilanstalten vororganisiert wurden - zum abtransport und zur deportation in die tatsächlichen vernichtungsanstalten.
hier wurde noch "gezielt" deportiert (etwa zum "freiräumen" benötigter lazarettbetten wegen der immer zahlreicher werdenden uniformierten und zivilen kriegsverletzten) - zumeist aus dem reich in die okkupierten östlich angesiedelten anstalten - in jedem fall aber möglichst außerhalb des beobachtungs-fokus der kirchen (protest kardinal graf v. galen in münster und pastor braune in freistatt/bethel) und der tatsächlich betroffenen und auch z. t. widerstrebenden familienangehörigen. 

die "kinderfachabteilung" im genannten marsberg als stätte der dort tatsächlich auch durchgeführten kinder-euthanasie-morde wurde wohl bereits 1941 geschlossen, nach protesten aus der bevölkerung und den angehörigen. in dortmund-aplerbeck wurde diese abteilung dann weitergeführt.  

man deportierte die "ausgesuchten" ns-euthanasie-mordpatienten ab 1942/43 gezielt in die weitere "peripherie", um "gerede & gerüchte" zu vermeiden und das tödliche tun zu vertuschen - und schützte sich prophylaktisch so auch vor einer zu erwartenden späteren verfolgung, denn ab ende 1943 war eigentlich jedem klar, dass dieser krieg verloren war - und die ns-ideologie zum scheitern kommt - und ein grundständiges unrechtsbewusstsein meldete sich ja im gewissen wieder an...

insgesamt war die "euthanasie"-tötung so industriell kleinteilig durchorganisiert, dass eine in straffer abfolge von zunächst von "täter-ketten" nichtssagenden "handlanger"-verrichtungen schließlich von wechselnden diensthabenden die letztendliche "tödliche dosis" verabreicht wurde - und so aber ein "täternamen" - eine person - nicht mehr auszumachen war und habhaft gemacht werden konnte - oder nur unter großer recherche-anstrengung.

in den provinz-anstalten hier im alten reichsgebiet war nach derzeitigen kenntnissen zur fraglichen zeit eine solche "gezielte" abfolge gar nicht mehr aufgrund der kriegswirren und zerstörungen organisierbar und durchführbar oder erfolgreich nach "außen" hin zu verbergen...

die neue forschungsinitiative von professor melter mit seinen studenten hin zu schulen, die zum mittun aufgerufen sind, ist natürlich zu begrüßen, um noch mehr licht in das geschehen tatsächlich zu bringen - und die geschilderten "blinen flecken" aufzuarbeiten.

ich bin gespannt und hoffe auf eine rege rückmeldung von schulen und lehrenden... 
     


recht fertigen

Gedenkstätte erstattet Strafanzeige


Hitler-Bilder per Whatsapp kannte man vom AfD-Bundestagsabgeordneten Stefan Keuter bereits. Nun soll er in Potsdam die NS-Euthanasie gerechtfertigt haben.

Von Alexander Fröhlich

Gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten Stefan Keuter ist in Potsdam Strafanzeige wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung erstattet worden. Keuter soll am 1. Oktober bei einem Besuch der Gedenkstätte Lindenstraße in der brandenburgischen Landeshauptstadt NS-Verbrechen verharmlost haben. Die Gedenkstätten-Leiterin Uta Gerlant bestätigte am Freitag auf Anfrage entsprechende Tagesspiegel-Informationen.

Nach Gerlants Darstellung soll Keuter in der Gedenkstätte zu Beginn einer Führung gesagt haben, man müsse die Euthanasie im Dritten Reich aus der Zeit heraus als gerechtfertigt verstehen. Ein weiterer Teilnehmer der Besuchergruppe aus Keuters Essener Wahlkreis, die über das Bundespresseamt in Berlin und Potsdam zu Gast war, soll die Zwangssterilisation im Dritten Reich verharmlost und auf derlei Praxis in anderen Staaten verwiesen haben.

Nachdem in der Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße das weitere Vorgehen mit anderen Gedenkstätten, in den Gremien und mit Beratungsinstituten besprochen wurde, habe sie am Donnerstag Strafanzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft Potsdam erklärte auf Anfrage, sie sei über die Strafanzeige informiert.

Keuter selbst bestreitet die Vorwürfe. Er war in der Vergangenheit bereits aufgefallen, weil er über Whatsapp eindeutige Bilder verschickt hatte – etwa von Adolf Hitler mit ausgestrecktem Arm, von einer Duschkabine mit gekacheltem Hakenkreuz und von einem Stahlhelmsoldaten am Maschinengewehr plus Kommentar: „Das schnellste deutsche Asylverfahren.“

Der AfD-Bundestagsabgeordnete: Anzeige politisch motiviert

Er habe in der Gedenkstätte die Euthanasie nicht verharmlost, sagte Keuter dem Tagesspiegel. Vielmehr habe er während der Führung durch Räume erklärt, dass in der Ausstellung ein Schwerpunkt auf der Euthanasie, nicht auf den „Verbrechen in der DDR“ und auf der „letzten Nutzung als Stasi-Gefängnis“ gelegen habe. Diese Geschichte sei nicht ausreichend gewürdigt, die „letzte Verwendung des Gebäudes“ unterrepräsentiert. Der Strafanzeige sehe er gelassen entgegen, er werte sie als politisch motiviert, sagte Keuter.


Der Zentraltrakt des ehemaligen Gefängnisses der Staatssicherheit in der Potsdamer Lindenstraße. © ANDREAS KLAER


Im Dritten Reich wurde das Gebäude als NS-Erbgesundheitsgericht und als Gerichtsgefängnis für politisch und „rassisch“ Verfolgte des NS-Regimes genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es Zentrales Sowjetisches Geheimdienstgefängnis, auch das Sowjetische Militärtribunal tagte dort. Ab 1952 bis zur Wende betrieb das Ministerium für Staatssicherheit dort ein Untersuchungsgefängnis.

„Unerträgliche Verharmlosung von NS-Verbrechen“

Euthanasie ist ein beschönigender Begriff für die Verbrechen der Nazis. Sie ließen im Dritten Reich und in den besetzten Gebieten mehr als 200.000 Menschen mit Behinderungen und Erkrankungen systematisch ermorden.

Gedenkstättenleiterin Gerlant sagte, nach der Äußerung des AfD-Abgeordneten habe die Mitarbeiterin der Einrichtung dem Politiker widersprochen und die Führung der Besuchergruppe dann fortgesetzt.

Zu den von ihr angezeigten Äußerungen sagte sie: „Es ist eine unerträgliche Verharmlosung von NS-Verbrechen. Daran sieht man, dass der Abgeordnete keine Einsicht hat, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht anerkennt und weich waschen will. Hier wird einem völkischen Denken das Wort geredet.“

Auch mit der Strafanzeige können Staatsanwaltschaft und Polizei zunächst keine Ermittlungen aufnehmen, denn Bundestagsabgeordnete genießen Immunität. Das schützt sie zunächst vor Strafverfolgung. Vielmehr müsste die Staatsanwaltschaft bei der Bundestagsverwaltung ein Begehren zur Aufhebung der Immunität einreichen. Der Bundestag genehmigt in der Regel pauschal Ermittlungen gegen Parlamentarier.

Der Fall erinnert an Vorgänge in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. Gegen einen AfD-Anhänger aus dem Bodensee-Wahlkreis von AfD-Fraktionschefin Alice Weidel erging im Oktober ein Strafbefehl über 4000 Euro für Volksverhetzung und Störung der Totenruhe. Der 69-Jährige hatte im Juli 2018 in der Gedenkstätte die Existenz von Gaskammern im NS-Regime geleugnet. Nachdem der Tagesspiegel den Fall enthüllt hatte, nahmen Staatsanwaltschaft und Polizei sofort Ermittlungen auf.

Tagesspiegel 29.11.2019

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in irgendeiner weise "zu rechtfertigen" sind die mehreren hunderttausendfachen ns-euthanasie-morde  
nie und nimmer - auch 80/70 jahre danach nicht - alles leben war und ist schützenswert! und wie man holocaust-leugner aburteilt muss das auch für die ewiggestrigen "ns-krankenmord-versteher" ebenso gelten.

natürlich sage ich auch immer, dass der "zeitgeist" damals nicht nur in deutschland einen wissenschaftlich verbrämten "erbgesundheits-spleen" und einen "gesunden volkskörper" reklamierte, wobei alle nicht leistungsfähigen oder "andersartigen" menschen "ausgemerzt" werden sollten. 

es war das erste mal, dass ärzte "heilen" wollten durch mord - und da es ihnen ja um das "ganze volk" ging, befürworteten sie den massenmord und ordneten den auch voller überzeugung an.

dieser "zeitgeist" wurde von den eugenikern und der mehrzahl der psychiater damals sogar als "wissenschaftlich" begründet vertreten - und entsprechend wurde in typisch deutschen bürokratisch flankierten aktionen auch gehandelt - aber dieser verblendete zeitgeist und diese damit einhergehende selbstüberschätzung und hybris darf heutzutage diese massenmorde niemals "rechtfertigen".

die "euthanasie"-morde damals waren ja keine einzeltaten von irgendwelchen aufgehetzten gedungenen mördern oder amokläufern, sondern sie standen ja am ende einer kleinteiligen industriemäßig durchorganisierten und minutiös ausgeklügelten vorsätzlichen tötungsmaschinerie, die gegen die schwächsten der gesellschaft, die ja als "unnütze esser" eingestuft und bezeichnet wurden, rigoros eingesetzt wurde - als eine "säuberungsaktion" zum "wohle des volkes" und zum auffüllen der kriegskasse, schnurstracks und ohne hemmungen.

in gang gesetzt wurde das ganze ja mit einem am 1. september 1939 ebenfalls zu kriegsbeginn datierten unterzeichneten informellen schreiben adolf hitlers, in dem er die "euthanasie"-aktion als ultima ratio - als einen "gnadentod" der betroffenen benannte und auf einem blatt briefpapier "anordnete".

die tatsächlichen durchorganisiert ausgeführten massenmorde waren aber nicht aus dem allgemeinen "zeitgeist" heraus plötzlich etwa auch juristisch legitimiert durch diesen federstrich des "führers" -  sondern blieben nach allen expertenmeinungen nach damals geltendem recht - auch nach dem "ermächtigungsgesetz" - einfach  tötungsdelikte und gesetzesverstöße. 

jedoch gibt es bei solchen kleinteilig organisierten versteckten morden eben auch viele kleine handlanger und mittäter und denunzianten - und experten schätzen, dass bei einer tötung ca 20 - 30 verschiedene personen irgendwie als ausführende mittelsmänner und -frauen zielführend mitbeteiligt waren (z.b. die ärzte, pflege- und verwaltungskräfte sowie die örtlichen fürsorgerinnen: in der abgebenden institution sowie bei aufnahme in die aufnehmende tötungsanstalt - die polizisten, die ggf. bei zwangseinweisungen beteiligt waren - das personal zur durchführung der deportationstransporte - busfahrer, zugbegleiter, lokomotivführer - und die logistiker, die das alles organisierten und durchklamüserten, familienangehörige, nachbarn usw., das eigentliche tötungsteam sowie die mit der bestattung oder verbrennung beauftragten). bei fast ca. 300.000 getöteten euthanasie-opfern kommt da ein großes heer von wissenden mitläufern zusammen, nämlich ca. 3 bis 9 mio. helfer und helfershelfer - also fast bis zu sogar 10 prozent der damaligen bevölkerung (von wegen: "das wussten wir nicht" ...).

in dem allgemeinen verblendet-euphorischen nationalistischen wahn hatte man aber mehrheitlich die gesunde - und ich sag mal "normale" - moral und rechtsauffassung ad acta gelegt und sich ohne skrupel darüber hinweggesetzt - und drehte vor lauter selbstüberschätzung schlichtweg durch und verlor den boden unter den stiefeln. 

da war nichts mehr mit stickumer geheimhaltung - sondern das meiste geschah am hellichten tag in den vernichtungsanstalten. einige wenige kirchenleute erhoben alsbald ihre stimme gegen dieses treiben (z.b. kardinal von galen in münster und pastor braune in lobetal), was dann hitler zum aufgeben der ersten welle der zentral organisierten massenmorde bewog - wogegen aber in weiteren verheimlichteren vernichtungsaktionen dezentrale morde umso ungezügelter weiter durchgeführt wurden - zuletzt zumeist in tötungsanstalten außerhalb der reichsgrenzen in den besetzten ostgebieten, wo auch die meisten großen konzentrationslager eingerichtet wurden.

die "nazis" waren nicht etwa eine kleine elitäre gruppierung oder partei damals, sondern sie waren inmitten der bevölkerung eingebettet und hatten viel zustimmung für ihre politik zum beispiel zur interpretation der erbgesundheitslehre, aus der heraus neben der euthanasie auch die massenhaften zwangssterilisationen angezettelt und durchgeführt wurden - letztere aber per erlassenem gesetz und einer eigens dafür geschaffenen gerichtsbarkeit... - was aber nach wie vor moralisch und ethisch verabscheuungswürdiger frevel war und ist - und bei allen spitzfindigkeiten einfach nicht zu "tolerieren" ist.




virtual-reality-erfahrung - eine neue mediale möglichkeit des nachempfindens




eine großartige und eben auch zeitgenäße idee von der "robert-enke-stiftung" mit ihrem projekt "impression-depression" und dem kampf um depressions-prophylaxe und -besserung und heilung.

sich in den anderen menschen hineinzuversetzen, mitzufühlen, mitzugehen, einzutauchen - das wird hier versucht mit der "virtual-reality"-brille und mit physischen hilfsmitteln - hier also auch mit der 10-kilo-bleiweste als "last" - als fühlbare und einengende be-lastung.

und in diesem zusammenhang kommt mir dann immer der begriff "mit-teilen" in den sinn - die geschehnisse und das erleiden auch hier im netz mit-teilen und davon berichten: als entlastung, als therapie und als prophylaxe für die user: "geteilte last ist halbe last"...

also wenn es gelingt, mich in und auf die gefühls- eund denkwelt eines anderen einzulassen - quasi eine "virtuelle" empathie zu entwickeln - ganz bei mir und in dem anderen menschen zu sein - dann entlastet das - den angehörigen, den interessierten, den betroffenen.

da wird also nicht nur verbal "mit-geteilt", sondern eben auch emotional und annähernd physisch und habituell nachempfunden.

und heute, zum totensonntag, ist das vielleicht auch ein thema, sich mit dem leid, der last, der trauer, der depression auseinanderzusetzen - eben mit den zeitgemäßen medialen möglichkeiten.

ich habe dazu jetzt den neuen "erna's story"-titeln zu den info-medien zum euthanasie-mordprotokoll meiner tante erna kronshage zusatz-stichworte hinzugefügt:

CLICK


see
hear
read
feel - to trace it back ... 

sehe
höre
lese
fühle - um es zurückzuverfolgen

ja - um dich zu bitten - und sogar aufzufordern, diesen weg zum erfassen des geschehens 80 jahre zurück mitzugehen, mit einzutauchen in erna's lebenswelt und erna's "story", mitzufühlen - und sich vielleicht mit hilfe der verschiedenen medien zurückzuversetzen in das, was erna da widerfahren ist, was über sie gestülpt wurde, und wie sie auf dieser plötzlich immer schiefer nach unten neigenden lebensebene letztlich keinen halt mehr finden konnte und ihr das gras unter den holzschuhen weggezogen wurde - bis in den tod...

vielleicht wird es einmal für dieses nachempfinden 80 jahre danach auch mal eine "virtual-reality"-erfahrungsform geben, wo junge menschen nachvollziehen können, wie sich das damals anfühlte, das leben auf dem lande als jugendliche - als letzte einer 11-köpfigen geschwisterschar - in einer (ehemaligen) 13-köpfigen großfamilie peu à peu fast zu vereinsamen  und allein zu sein mit den über 40 jahre älteren eltern  - und ohne adäquates sozialumfeld - und überhaupt: wenn man will - und nicht kann... - und wo man mit den eigenen sinnen "erfährt", dass das alles kein vorübergehender "vogelschiss" war (afd-gauland)...

bis man mit einer solchen "virtual-reality"-erfahrung soweit ist, dienen vielleicht bilder, video- und radio-features und -sequenzen und texte dazu, sich die zum verständnis notwenigen brücken zu schlagen: zu den realen milieus um die zeit und die ereignisse vor 70/80/90 jahren: bilder, die authentisch-dokumentarisch sind und z.t. aus der unmittelbaren privatsphäre der beteiligten personen stammen - oder eben zeitgenössische symbol-bilder, die eine situation helfen mit zu illustrieren. 

geschichte bleibt auch heute in erster linie eine "erzählung" - "geschichte(n) erzählen" heißt es ja landläufig.

durch die bildreichen neuen digitalen medien werden vermehrt gerade jungen menschen bilder-"geschichte(n)" nahegebracht.

bilder allein können keine historischen ereignisabläufe wie hier die zwangssterilisation und die euthanasie-ermordung der 20-/21jährigen erna kronshage in ihrer rund 14-monatigen leidens-odyssee in ihren details authentisch erzählen - aber sie können die heute bekannten stellschrauben dieser geschichte(n) "abbilden" und so "be-schreiben" und "erzählen" und zum mit-, ein- und nachfühlen einladen.

mit diesen verschiedenen bebilderten medien zu "erna's story", wird also ein ereignis erzählt und illustriert und von verschiedenen seiten mit verschiedenen medien in den fokus genommen: und das ist die nach heutigen erkenntnissen rekonstruierte wahrheit, die durch einschlägige fachliteratur und amtliche dokumente und akten, durch private briefe und fotos substanziell untermauert wird. 

und um diese geschichte zu verstehen, lade ich dich ein, über diese bebilderten brücken in die vergangenheit mitzugehen, um das erzählte auch tatsächlich zu verstehen. bilder haben hier also somit quasi dolmetscher- und "beamer"-funktionen: aus der jetztzeit zurück in die welt vor 80 jahren. 


hinsehen! - was wir von bombenentschärfungen lernen können für's leben



Ausschnitte aus einem "bento"-Artikel von Susan Barth
(Original: click here)



Als wir in den Bunker kommen, scheint mir Kunstlicht ins Gesicht. Es regnet schon den ganzen Tag
hier in Berlin. Drinnen ist die Luft kühl und trocken, zwei Mitarbeiterinnen unterhalten sich leise hinter der Kasse. Eine Freundin und ich besuchen heute eine Dauerausstellung im Story-Bunker Berlin. Alles, was wir heute sehen werden, steht unter einer einzigen Frage: Wie konnte das geschehen? "Das" ist Hitler. Der Nationalsozialismus. Der zweite Weltkrieg. Der Holocaust. Zerstörte Städte. Zerstörte Familien. 55 Millionen Tote.

Wir zahlen 13,50 Euro für ein Kombiticket inklusive Audioguide und schließen unsere feuchten Rucksäcke in einem Schließfach ein.

Ich weiß, dass ich in dieser Ausstellung keinen Spaß haben werde.

Stattdessen wird sie mich aufwühlen. Ich werde gleich immer stummer werden. Ich werde fassungslos sein. Ich werde auf einer der Bänke sitzen und nicht bemerken, dass ich weine.

Warum besuche ich die Ausstellung trotzdem?

Weil ich das Gefühl habe, dass ich es muss. Weil ich glaube, dass Museen, Dokumentationszentren und Ausstellungen nicht nur für Schulklassen gemacht sind. Und dass jeder von uns sie regelmäßig besuchen sollte.

Weil man sich regelmäßig daran erinnern sollte, was vor achtzig Jahren passiert ist. Überall in Deutschland, in Europa, auf der Welt. Auch nach der Schule. Auch, wenn es niemand mehr für einen organisiert.

Nach der Schule war da niemand mehr, der darauf Wert legte, dass ich Dokumentationszentren oder Lesungen Holocaust-Überlebender besuchte. Niemand zwingt mich heute dazu, mich weiter mit diesem Kapitel deutscher Geschichte zu beschäftigen.

Dennoch versuche ich, mir das Grauen regelmäßig vor Augen zu rufen. 

Ich sehe den Film "Das Leben ist schön" oder lese Paul Celans "Todesfuge". Ich besuche Ausstellungen wie die im Story-Bunker, Mahnmale, Denkmäler und jüdische Friedhöfe in deutschen Städten. Alles, was in mir ein Gefühl zu all dem auslöst, was geschehen ist.

Ich mache das nicht, weil ich es spannend finde oder meine eigenen Grenzen austesten will. Sondern weil ich glaube, dass uns nichts anderes dieses Kapitel der Geschichte irgendwie näherbringen kann. Dass nur, wer fühlt, auch verstehen kann, dass so etwas nie wieder passieren darf. Dass das viel mehr bildet und berührt als alle Fakten.

Ich kann hunderte Male hören, dass sechs Millionen Jüdinnen und Juden in Deutschland ermordet wurden. Diese Zahl sagt mir wenig, sie ist zu abstrakt.

Aber in der Ausstellung sehe ich, was mit den Menschen passiert ist, die diese Zahl sind.

Das kann kein Geschichtsbuch. Gefühle lassen sich nicht erzwingen, aber man kann bereit dazu sein, sie zuzulassen. 

Manchmal frage ich mich, ob es moralisch in Ordnung ist, diese Menschen, ihre Bilder und ihre Schicksale zu betrachten, um zu versuchen, das, was passiert ist zu verstehen. Aber so funktioniert die menschliche Psyche. Das, was wir fühlen und erleben, hinterlässt einen intensiveren Eindruck als das, was wir uns einfach nur rational erfahren.

"Haben wir nicht langsam mal genug darüber gesprochen?", höre ich manchmal Menschen genervt sagen, wenn es um den Holocaust geht. Nein, das haben wir nicht. Seht es euch noch einmal an. Alles. Und dann muss es doch offensichtlich sein, dass wir über Unaussprechliches niemals aufhören können zu sprechen. 

Was vergangenen Mittwoch in Halle passiert ist, zeigt das auf eine furchtbare Weise ganz deutlich.

Wie können Ermittlungsbehörden nach so einem antisemitischen, antimuslimischen, einem rassistischen Gewaltakt noch von Einzeltätern sprechen, wenn Rechtsextremismus überall in Deutschland und im Internet immer präsenter wird? Wie kann man so tun, als würde es den ganzen Rest nichts angehen?

Was in Halle passiert ist, ist schwer in Worte zu fassen. Ich bin traurig. Ich bin sprachlos. Ich bin wütend.

Es geht uns alle an. Deswegen wünsche ich mir, dass wir uns immer wieder dem Grauen stellen. 
Der Bildungsauftrag an uns selbst darf nach der Schule nicht vorbei sein. 
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ich bin susan barth für ihren bento-aufruf außerordentlich dankbar - gerade auch, weil in ihm eine echte betroffenheit und ein angerührtsein erkennbar mitschwingt - und so vielleicht unseren zunächst ohnmächtigen gefühlen bei solchen ereignissen wie dort in halle aktive möglichkeiten eröffnet werden, damit im hier & jetzt auch angemessen umzugehen.

wir müssen nicht den ganzen tag in sack & asche gehen und vor selbstvorwürfen und dauertrauer eine depressive krise heraufbeschwören. wir sollten die vergangenheit dennoch an uns persönlich heranlassen und sie integrieren in unser heutiges sosein - und wir müssen mit anderen das "unsagbare" miteinander besprechen lernen. 

das geht eben nicht nur mit gesten des bedauerns an den großen gedenktagen und feierstunden - so wichtig auch die für die seelenhygiene unserer gesellschaft regelmäßig sind. aber das darf nicht zum "pflicht"ritual veröden: wir müssen unsere eigene persönliche gedenk- und erinnerungskultur ausbilden, ein(e) jede(r) nach ihrer/seiner facon - und in den familien und im lebensumfeld sind die spuren und hinterlassenschaften von damals auch tatsächlich aufzuspüren. und erst mit dem "erspüren" wird das geschehen "fassbar" und "begreifbar" für unsere ganz individuelle wahrnehmung und ein"fühl"samkeit.

allerorten liest und hört und sieht man ja zur zeit von den späten bergungen und "entschärfungen" der bomben-blindgänger, 80 jahre nach kriegsende, die tief verschüttet mancherorts im erdreich geschlummert haben - und zu deren entschärfung oft ganze stadtteile mit tausenden von menschen in sammelunterkünften oft für stunden ausharren müssen.



die bombenentschärfung als passende metapher für die persönliche aufarbeitung der nazi-zeit bis in die 3. und 4. generation danach


ein solches aufspüren, bergen und entschärfen ist geradezu symbolhafte gestaltwerdung und metapher dessen, was eine angemessene aufarbeitung mit dieser zeit ganz individuell meint: denn da sind in dieser gesellschaft, in den orten und familien überall noch "blindgänger" von früher zu entdecken und zu bergen - oder man sagt ja auch: "da liegen noch leichen im keller" - und die gilt es, in der aufrichtigen auseinandersetzung damit endlich schritt für schritt zu "entschärfen". 

sich das damalige grauen immer wieder vor augen zu führen ist dazu eben auch eine der adäquaten möglichkeiten, diese phase unserer (familien)geschichte nicht einfach abzuspalten und/oder zu verschweigen und beiseite zu wischen - oder wie der afd-vorsitzende gauland, diese zeit einfach als "vogelschiss" der geschichte zu bezeichnen und damit ins lächerliche zu ziehen.

mit solchen inneren gesellschaftlichen verflüchtigungen und verleugnungen macht man sich auch an den millionenfachen opfern insgesamt von holocaust und ns-euthanasie mitschuldig - und diese unentschärften "blindgänger" mit den angerosteten "zündmechanismen" können im laufe der zeit in jedem konflikt mit uns "hochgehen" - davor müssen wir uns schützen.

derartige verdrängungen zeitigen dann ereignisse wie jetzt in halle und anderswo, wo verirrte und maßlos verrohte menschen versuchen, mit vorsätzlichen und durchgeplanten mörderischen nachahmungs-taten aus verqueren motivationen heraus in diesen wahnsinn von vor 80 jahren einzutauchen, um ihn mit den heutigen mitteln fortzusetzen, anscheinend auch aus einer völlig verkorksten geltungssucht heraus - oder aus einer gewissen todessehnsucht - aus einer abstrusen form von "erweitertem suizid", denn die meisten attentäter warten sicherlich indirekt geradezu auf den "finalen" schuss der sicherheitskräfte - und verbuchen das dann vermeintlich "heldenhaft" und verblendet für sich als letzte buchung: "im kampf gefallen" ... 

nur wenn wir alle uns dieser realen vergangenen epoche in unserer region, bei den eltern, groß- und urgroßeltern, nachbarn und verwandten ganz bewusst immer wieder neu stellen, können wir sie vielleicht im laufe der zeit angemessen verarbeiten und damit "gesund" und angemessen umzugehen lernen, sie "entschärfen" - denn nachschwingen und herumspuken werden diese dunklen seiten und "blindgänger" in den familienbiografien und in den winkeln des (un)bewussten ja tatsächlich wohl "bis in die dritte und vierte generation", wie es schon in der bibel steht - und wie es die wissenschaftlichen erforschungen zur "transgenerationalen traumata-weitergabe" zweifelsfrei bestätigen - natürlich in ganz individuellen auswirkungen - jede(r) auf ihre/seine art.

ich habe zu diesem gesamt-komplex ja das ns-euthanasie-mordprotokoll meiner tante erna kronshage ganz kosten- und barrierefrei hier im netz veröffentlicht mit verschieden umfangreichen zugangsmedien, wo man sich dann ganz direkt mit diesem einzelschicksal - vielleicht dann eben auch in der eigenen familie, gemeinde, verwandtschaft - beschäftigen kann.

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