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es gibt so'ne und so'ne ...

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Emmanuel Todd analysiert die Menschheit 

Ist die Familie der Motor der Geschichte?

Von Thomas Speckmann | Tagesspiegel


Der Soziologe Emmanuel Todd ist bekannt für Thesengewitter. In "Traurige Moderne" behauptet er, die Familie sei die unbewusste Antriebskraft der Gesellschaft.

Emmanuel Todd hatte schon immer ein Händchen fürs Timing. Noch mitten im Kalten Krieg sagte er bereits 1976 in „La chute finale“ den Zusammenbruch der Sowjetunion voraus. Da er nur ein Jahrzehnt später recht behielt, wurde er nicht nur zu einem der prominentesten und meistdiskutierten Soziologen Frankreichs, sondern weltbekannt.

Es folgten Bücher, die den Nerv der Zeit und ihrer Leser trafen: Im Vorfeld des Irakkrieges 2003 und damit auf dem Höhepunkt der transatlantischen Diskussion über die Außen- und Sicherheitspolitik von George W. Bush junior schrieb Todd einen Nachruf auf die Weltmacht USA – ein Bestseller nicht zuletzt im Deutschland der rot-grünen Regierungsjahre. Hier konnte Todd 2008 einen weiteren Verkaufserfolg erzielen: In „Die unaufhaltsame Revolution“ beschwor er zusammen mit seinem Kollegen Youssef Courbage am Institut National d’Études Démographiques in Paris einen Siegeszug der Moderne in allen islamischen Ländern und schien zu Beginn des Arabischen Frühlings zwei Jahre später ebenfalls richtig zu liegen.

Doch man kann natürlich auch alles anders sehen. Und eben dies scheint genauso zum Geschäftsmodell von Todd zu gehören wie seine steilen Thesen. Kritik und Widerspruch sind schließlich gut für die Verkaufszahlen politischer Bücher. Lag Todd nicht mit seiner These vom Ende der Vereinigten Staaten als Weltmacht total daneben oder war sie nicht zumindest etwas voreilig? Folgte auf Bush nicht Obama, weit über Amerika und Europa hinaus als großer Präsident und Anführer der westlichen Welt verehrt? Und hatte sich die angeblich „unaufhaltsame Revolution“ der Moderne in den islamischen Ländern nicht einmal mehr als eine aufgehaltene gezeigt – ob in Ägypten, Libyen, im Iran oder der Türkei?

Gezielte Provokationen

Nach den Anschlägen von Paris im Januar 2015 steigerte Todd dann in „Wer ist Charlie?“ noch einmal seine Thesenfreude, indem er die von ihm in seiner Heimat nun stärker wahrgenommene Islamophobie mit dem Antisemitismus verglich. Schuld an dieser Entwicklung waren in seinen Augen die katholische Kirche, „Zombie-Katholen“ und die langen Schatten des Vichy-Regimes. Auch hier ließ das von Todd provozierte Echo nicht lange auf sich warten: Intellektuelle und Politiker gingen auf Distanz. Premierminister Manuel Valls kritisierte ihn scharf in „Le Monde“. Die kostenlose Werbung funktionierte erneut. Todd führte die Bestsellerliste an.

Nun ist er zurück mit einem Buch, dem nicht mehr Teile der Welt, die Sowjetunion, die USA, die islamischen Länder oder seine französische Heimat genug sind als Ausgangsbasen für seine Thesengewitter.
Jetzt geht es um die Menschheit an sich – und dies gleich von der Steinzeit bis heute. Seinem Objekt der Betrachtung nähert sich Todd, indem er es zunächst auseinander nimmt: Die Familie bildet für ihn die Grundeinheit der Menschheit. Daraus folgert er, dass Familienstrukturen der unbewusste Motor der Geschichte sind. Ob dies allerdings eine „bahnbrechende“ Erkenntnis ist, wie sich das Buch selbst lobt, dürfte zu bezweifeln sein. 
→ Die Menschheit lässt sich auch in eine noch kleinere Grundeinheit zerlegen: den Menschen. Daraus könnte man dann ebenso folgern, dass er der Motor der Geschichte sei. Und dies haben bereits Generationen von Historikern, Politologen und Soziologen getan.

Die Verschiedenheit der Nationen akzeptieren

Was also ist neu an der Geschichte der Menschheit, wie Todd sie erzählt? Es ist nicht seine Erzählung an sich. Es ist wieder einmal die damit verbundene These. Und auch diese klingt zunächst nicht wirklich neu: Für den Frieden in der Welt sei es dringend notwendig, die Hypothese von der Verschiedenheit der Nationen zu akzeptieren. Neu ist vielmehr die Begründung: Dies sei das Ergebnis der Differenzierung von Familiensystemen.

Wem diese Theorie zu praxisfern erscheint, dem gibt Todd aktuelle Beispiele an die Hand. Deutschlands Beharren auf Normen, auf gesetzlichen, haushaltspolitischen und monetären Regeln, führt er auf ein strukturelles Unbehagen bei den Spitzenpolitikern einer freien und dominanten Gesellschaft mit Stammfamilie zurück. Da er auch Japan einer solchen Familienstruktur zuordnet, stellt sich die Frage, warum Tokio dann nicht wie Berlin in Fragen der Haushaltspolitik handelt, sondern allmählich mit mehr als dem Doppelten seiner Wirtschaftsleistung verschuldet ist – so stark wie kein anderes Industrieland der Welt. Für diese entgegengesetzte Entwicklung muss es folglich andere Gründe geben als die Familienstrukturen von Gesellschaften.

Eine weitere aktuelle Beobachtung Emmanuel Todds sollte hingegen in der Tat zum Nachdenken anregen: Die schleichende Krise in der deutschen Politik nach der Bundestagswahl 2017, die wenig überrasche, wenn man das Verhalten der Wähler analysiere, und die Gelassenheit führender Politiker, die viel über nebensächliche Details ihrer Programme verhandelten, deuteten auf eine politische Klasse hin, die Mühe habe, zu einer Einigung, also zur einheitlichen Linie zu kommen, zu einem Projekt. Doch auch hier dürfte der Grund dafür nicht allein in der Familienstruktur Deutschlands zu suchen, sondern – wie eigentlich immer in der Geschichte der Menschheit – von vielfältiger Natur sein. Einem erfahrenen Soziologen wie Todd ist dies sicherlich bekannt.

  • Emmanuel Todd: Traurige Moderne. Aus dem Französischen von Werner Damson und Enrico Heinemann. C. H. Beck Verlag, München 2018. 537 S., 29,95 €.



die allerersten bezugspersonen üben immer auf die entwicklung eines jeden menschen einen immensen einfluss in jeder hinsicht aus - und natürlich sind es auch die gene, die da in uns wirken - und die wir je zur hälfte von vater und mutter "vererbt" und mit bekommen - von denen sich aber einige in der individuellen entwicklung im laufe der jahre dann verstärken und andere mehr oder weniger verkümmern: im guten ebenso wie im schlechten oder in krankhaften veranlagungen oder auch bei blendender gesundheit und einer starken abwehrkraft - soweit also die unleugbare überkommene kraft der familienbande und -verstrickungen - bis "in die dritte und vierte generation" ...

hinzu treten aber dann auch die soziologischen umwelteinflüsse, die mit den genetischen prägungen den charakter schließlich bestimmen - und mut und ängste fördern oder schwächen - je nachdem ...

in den orientalischen völkern, in den arabischstämmigen und auch jüdischen gemeinschaften, aber auch im asiatischen kastensystem, treten die familienbande oft noch stärker hervor - sie bilden in sich oftmals geschlossene familienclans, die sich durch einheirat ausbreiten und verschwägern - und ihren glauben weiterreichen und ihre weidegründe bzw. grundstücke "vererben" und dabei auf "blutsbande" pochen, was man unter rassisten dann ja auch kennt ..., was aber schnell zu genschädigungen durch "inzucht" führen kann - ähnlich wie hier im westen früher die gutsfamilien und der adel ... die durch einheirat und verschwägerung weidegründe, gutshöfe, besitztümer, grundstücke zusammenlegten, um dann allmählich eine nationale identität, ein nationalgebiet (fürstentümer, königreiche) begründeten, das gegen das eindringen "fremder" geschützt werden "musste". diese identitäten bildeten dann auch das gleiche idiom, die gleiche sprache aus, mit der man sich in diesem gebiet dann verständigte ... 

aber gerade auch in ganz profanen altenheimen kann man heutzutage hier in westeuropa die "prägenden kräfte" der bluts- und familienbande oder ihr versagen und ausbleiben studieren und ablesen: bei den einmal jährlichen besuchen nur von einem sohn bei papa oder mama, während man sich mit der anderen tochter "seit jahren schon" überworfen hat, weil sie "einfach den 'falschen' mann geheiratet hat" ...

in jeder familie gibt es 'schwarze schafe' - und es gibt vorfälle - familiengeheimnisse, die eisern verschwiegen werden - und dann 1-2 generationen später vergessen sind, wenn man nicht gerade vielleicht durch zufall im archiv drauf stößt, bei der eigenen familienforschung - aber in allen einzelheiten und beweggründen bekommt man es dann auch nicht mehr auf die reihe ...

wir sprechen hier ja gern vom "christlichen abendland": doch jesus hatte es überhaupt nicht mit seiner leiblichen familie - und die nicht mit ihm: das markus-evangelium (ca. 70 n. chr.) erzählt zu beginn von jesu wirken, dass jesu mutter und brüder „losgehen, um ihn zu greifen“, als sie hören, wie viele menschen ihm folgen, denn sie sagen: „er ist von sinnen“ (mk 3,20f). 
„draußen“ bleibt die familie jesu vor dem haus, in dem jesus lehrt. er lässt sich nicht herausrufen und grenzt sich von seiner familie ab: „das hier drinnen sind meine mutter und meine brüder. wer den willen gottes erfüllt, der ist für mich bruder und schwester und mutter.“ seine neue familie sind die, die sich auf seine botschaft von gott, seinem "abba" [papa], einlassen.

also - es gibt beispielsweise durch den glauben (klösterliches leben), durch den arbeitsplatz (die "krupp-familie"), durch sport-gemeinschaften (einer für alle - alle für einen) und oft lebenslangen freundschaften von kindesbeinen an bis ins hohe alter untereinander eine ganze reihe von wahl-familien neben der stammfamilie, die für moral und willen genauso prägend und bestimmend ins individuelle leben eingreifen ...

erst neulich las ich von studien, wie rasch sich menschen, die sich erst kennenlernen müssen, aber dann miteinander zumindest eine zeitlang durchs leben gehen oder unter einem dach wohnen, sich bis in die mimik und psyche und den empfindungen hinein angleichen (paare) - bis in die biophysikalischen abläufe (z.b. angleichung der menstruationstermine bei frauen in wohngemeinschaften)...

was todd da also beschreibt, ist mal so - und dann auch wieder mal so ... es kann zutreffen - das gegenteil dann aber auch: 
und von daher wird die auflage seines neuen buches wieder stimmen: die einen kaufen es, um sich bestätigen zu lassen, die anderen kaufen es, um darob mit dem kopf zu schütteln - und die dritten müssen es lesen für ihre nächste klausur-arbeit ...: und die einen sagen so - und die anderen sagen so: das meiste im leben ist auf alle fälle uneindeutig und oft unentscheidbar ...

und chuat choan - und nix für ungut ... 

kunst ist auch nur arbeitsteilung


Nicht ohne meine Helfer

Der einsame Maler? Eine Legende. Der Alltag im Künstleratelier war Arbeit im Kollektiv

Von Elke Linda Buchholz | Tagesspiegel

Picasso stellen wir uns als Einzelkämpfer vor: nur er und die Leinwand. Auch Rembrandt inszenierte sich als einsames Genie im Atelier und schon Dürer sieht man förmlich allein die Alpen überwinden, immer Venedig im Sinn. Aber die Kunstgeschichte hatte die Maler im Nachhinein oft einsamer gemacht als sie in Wirklichkeit waren.

In Picassos südfranzösischem Domizil gingen Druckgrafiker, Töpfer und Metallbildhauer ein und aus. Unter Rembrandts Aufsicht werkelten diverse Mitarbeiter, die seine immense Produktion erst ermöglichten. Und Dürer vernetzte sich, kaum in Venedig eingetroffen, dort mit den tonangebenden Akteuren: Giovanni Bellini wurde sein Ansprechpartner. Dessen Familienclan hielt über zwei Generationen eine Spitzenposition auf dem lukrativen Markt der Lagunenstadt, immer in Konkurrenz zu den Vivarini, die ebenfalls als Familienwerkstatt agierten - denn das brachte Vorteile. In der Renaissance war kein Maler allein wettbewerbsfähig. Eine Bottega, eine Werkstatt zu leiten, Fachkräfte anzuwerben, den Betrieb zu beaufsichtigen und Aufträge zu akquirieren, gehörte ebenso zum Alltag wie die kreative Konzentration auf Pinselspitze oder Silberstift. Kein Kunde erwartete, dass ein namhafter Werkstattchef seine großflächigen Wandfresken komplett im Alleingang ausführte oder alle Madonnenbilder für die private Andacht ohne Helfer zustande brachte. Eigenhändigkeit wurde zwar geschätzt und in Verträgen angemahnt, kostete aber extra. Oft reichte es, wenn der kreative Kopf einer Werkstatt die Qualität der Produktion überwachte, Entwurfszeichnungen bereitstellte und zum Schluss für das perfekte Finish sorgte.

Durchgepaust für die Werkstatt. Folie mit der Umrisszeichnung von Andrea Mantegnas „Darbringung im Tempel“ von 1454 über Giovanni Bellinis „Darbringung“, ca. 1470/72, Venedig, Fondazione Querini Stampalia. Bellini nutzte das Bild seines Schwagers als Vorlage für ein eigenes, neues Werk.
Foto: ©Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Babette Hartwieg


Kunst war eben nicht nur Geistesblitz und Soloshow, sondern auch Materialbeherrschung und mühselige Handwerksroutine. Es brauchte Hände, die zurichten, aufspannen, schnitzen, grundieren, vergolden, ausmalen, lasieren, firnissen. Allein schon das Anreiben der Farbpigmente war eine Geduldsarbeit, die der Meister gern delegierte. Oft sieht man im Hintergrund von Atelierdarstellungen einen Gesellen über den Reibstein gebeugt. Den Statussprung vom schnöden Handwerk in die gehobene Liga der freien Künste schafften die Maler und Bildhauer erst im späten Mittelalter, zuerst in Italien. Nun wurde stolz signiert, und die Legendenbildung um die großen Namen begann. Aber der geniale Giotto hätte sein Pensum an Freskenzyklen niemals allein bewerkstelligen können. Er ging mit einer organisierten Belegschaft an den Start, etwa in der Arenakapelle in Padua. Gut 150 Jahre später stand der junge Mantegna bewundernd davor. Der um 1431 geborene Tischlersohn trat mit elf Jahren in die Lehre bei Francesco Squarcione ein. Dieser mittelmäßige, aber geschäftstüchtige Meister adoptierte gern seine begabten Schüler. So ließen sich die Zunftvorschriften zur Höchstzahl der Werkstattmitarbeiter umgehen.

Als Mantegna merkte, dass er vom Chef ausgenutzt wurde, ließ er seine Adoption aufheben und machte sich mit 17 Jahren selbstständig: ein Selfmademan mit Ideen, den man rasch überregional wahrnahm. Projektbezogen kooperierte Mantegna mit dem befreundeten Niccolò Pizzolo, der ihn mit dem berühmten Donatello aus Florenz in Kontakt brachte. Der Bildhauer war mit seiner Bottega für ein Jahrzehnt nach Padua übergesiedelt, um aufsehenerregende Großprojekte, wie das bronzene Reiterstandbild des Feldherrn Gattamelata, zu realisieren.

Mobilität war unabdingbar, wenn man für innovationsfreudige Mäzene tätig sein wollte. Wer sich dagegen als Hofmaler verdingte, wie Mantegna später bei den Gonzaga in Mantua, hatte eine sichere Stellung, aber oft auch eine Fülle lästiger Nebenarbeiten an der Backe - vom Festdekor bis zur Schildermalerei.

Der Bellini-Clan in der Fernhandelsmetropole Venedig arbeitete für den freien Markt oder im Staatsauftrag der Republik. Familienpatriarch Jacopo Bellini muss schon früh auf den jungen Mantegna im nur 40 Kilometer oder wenige Bootsstunden entfernten Padua aufmerksam geworden sein. Als Schwiegersohn band er ihn ein: 1453 war die Heirat seiner Tochter Nicolosia Bellini mit dem hochbegabten Newcomer perfekt. Seine eigenen Söhne, den älteren Gentile Bellini und dessen Halbbruder Giovanni Bellini, hatte Jacopo in seiner Werkstatt ausgebildet: „L´ gran Giovanni e l´ buon Gentil Bellini“ nennt ein zeitgenössisches Sonett die beiden künstlerisch grundverschiedenen Charaktere. Der Neffe Leonardo Bellini brachte sein Spezialtalent ebenfalls ein. Er übernahm nach zwölfjähriger Lehrzeit beim Onkel den Geschäftsbereich Buchmalerei.

Gerade in der Vielseitigkeit der Bellinis lag ihre Stärke. Während Giovanni ein außergewöhnliches Gespür für Farbe, Lichtstimmungen und Atmosphäre besaß, brillierte Gentile mit Detailschärfe. Als er 1479 in diplomatischer Kunstmission ins Osmanische Reich geschickt wurde, beaufsichtigte sein Bruder Giovanni daheim den Fortgang der Arbeiten im Großen Ratssaal des Dogenpalasts. Schon zwanzig Jahre zuvor hatten Vater und Söhne ein vielteiliges Altarwerk in Padua gemeinschaftlich signiert. Auch der kollegiale Austausch mit Schwager Mantegna lässt sich an ihren Werken ablesen: Die Ausstellung in der Gemäldegalerie ermöglicht die spannende Spurensuche nach Konkurrenz, Inspiration und Eigensinn. Da werden einzelne Figurenmotive aufgegriffen, Details abgekupfert, ganze Bildkompositionen variiert. Auch in technischen Finessen blitzt der Austausch auf: Bellini wie Mantegna pinselten mit Goldstaub in der „oro macinato“-Technik Glanzlichter als feinen Goldschimmer auf Gewandfalten oder das Haupt Christi.

Materialien in erstrangiger Qualität waren in der Handelsmetropole Venedig verfügbar. Aus Afghanistan etwa kam der Lapislazuli für das leuchtend blaue Ultramarin. Dürer griff zu: Er nahm sich aus Venedig Farbpigmente für 100 rheinische Gulden mit. Er fachsimpelte mit den Kollegen vielleicht auch über die Vorteile der Leinwandmalerei gegenüber dem traditionellen Holztafelgrund, gerade im feuchten Klima Venedigs. Oft wurde Werkstattwissen allerdings eifersüchtig gehortet. Den kostbaren Besitz der Bellini-Dynastie bildeten dicke Zeichnungsbände, die Vater Jacopo seinen Söhnen vererbte, ein unerschöpflicher Ideenschatz. Wer Entwurfszeichnungen aus der Hand gab, musste hingegen damit rechnen, dass sein Urheberrecht missachtet und Ideen von Konkurrenten kopiert wurden.

Da war es besser, den Markt selbst zu beliefern. Botticelli in Florenz perfektionierte das rationelle Werkstattwesen, indem er 1:1-Schablonen und Entwurfskartons erstellte. Damit konnten auch weniger begabte Mitarbeiter effektiv arbeiten. Der Meister selbst konzentrierte sich derweil auf die wirklich spannenden Aufgaben. Michelangelo dagegen hätte trotz seiner Neigung zu gewaltigen Projekten am liebsten alles allein gestemmt. Ob mit Hammer und Meißel am Marmorblock, oder mit dem Pinsel vor großflächigen Freskoprojekten: Auch er kam ohne Gehilfen und Zuarbeiter nicht aus.


tja - das ist dann wohl auch die lösung zu allen spekulationen um das zur zeit teuerste gemälde der welt (450 mio.), das aber irgendwie derzeitig "verschollen" ist - und nirgendwo zugänglich: leonardos "salvator mundi". 

und natürlich stand auch da nicht der meister selbst an der leinwand, um dieses bild zu malen. er lieferte sicherlich auch dazu die gestaltungsidee und die vorlagen - vielleicht auch als schablonen - und die komposition und ließ sich das werk seiner schüler und gehilfen zeigen - und korrigierte hier und da himself ...

und das war ja auch damals gar nichts besonderes, es war eher eine ganz gewöhnliche form der bildproduktion in arbeitsteilung im kleinen kreis - und nur gegen horrende aufpreise legte der chef eben selbst hand an ...

und beim "salvator mundi" ist es sogar so, dass die leonardo typischen und einzigartigen verschwommenen lichtspuren, die "sfumato", die heute das bild so "echt" wirken lassen und dermaßen in die unmittelbare nähe von leonardo da vinci katapultieren, von der überragenden restauratorin hineininterpretiert wurden: sie hat alles gegeben ...

der 450-mio. teure "salvator mundi": links vor der
restaurierung - ohne leonardo-"schmelz" - rechts
im heutigen zustand ...
gerade dort, wo das bild am stärksten nachgebessert wurde, ist dieser "sfumato" und damit die suggestive lichtführung des "salvator mundi" am überzeugendsten gestaltet. das gilt für die modellierung großer teile des gesichts und der kristallkugel in der linken hand. ebendiese "sfumato"-effekte verdankt das gemälde zu einem guten teil den restauratorischen überarbeitungen, die sich wie ein zweites gesicht auf das antlitz legen: meisterhaft gemalt, aber nicht von leonardo, sondern von der kongenialen restauratorin dianne modestini aus new york!

also man kann sagen, nach ca. 520 jahren "vollendet" eine ganz späte "gehilfin" und leonardos "schülerin" dieses werk aus des meisters werkstatt - oder verleiht ihm erst den rechten glanz, den es vielleicht zuvor nie gehabt hat: eine arbeitsteilung über ein halbes jahrtausend hinweg - aber die experten streiten nun darüber, ob es sich bei der restauration ab 2007 um eine "verbesserung" bzw. "schadensausbesserung" oder um eine "verschlimmbesserung" gehandelt hat ...


hermann hesse und der buddha


S!|art: buddha


„Primitiv und jedem Zufall preisgegeben scheint das Seelenleben des Abendländers,verglichen mit der geschirmten, gepflegten, vertrauensvollen Religiosität des Asiaten, er sei Buddhist oder Mohammedaner oder was immer. Dieser Eindruck beherrscht alle anderen, denn hier zeigt der Vergleich eine Stärke des Ostens, eine Not und Schwäche des Abendlandes ... Überall erkennen wir die Überlegenheit unserer Zivilisation und Technik, und überall sehen wir die religiösen Völker des Ostens noch ein Gut genießen, das uns fehlt und das wir eben darum höher stellen als alle jene Überlegenheiten."

Für Hesse war indes klar, „dass kein Import aus Osten uns hier helfen kann, kein Zurückgehen auf Indien oder China, auch kein Zurückflüchten in ein irgendwie formuliertes Kirchenchristentum. Aber
es ist ebenso klar, dass Rettung und Fortbestand der europäischen Kultur nur möglich ist
durch das Wiederfinden seelischer Lebenskunst und seelischen Gemeinbesitzes ...

Dass Religion oder deren Ersatz das ist, was uns zutiefst fehlt, das ist mir nie so unerbittlich klar
geworden wie unter den Völkern Asiens.“ (XIII, 354) Bis hin zur "Morgenlandfahrt" und zum
"Glasperlenspiel", der großen religionen- und kulturen-übergreifenden Synthese aus östlicher
und abendländischer Geistigkeit, steht die Religiosität Asiens im Denken und Schreiben
Hermann Hesses für eine Quelle der seelischen Erneuerung, ja, der spirituellen Erlösung von
den Verstandeseinseitigkeiten der technisch-wissenschaftlichen Vernunftmoderne.

Dabei musste sich Hesse, der von sich behauptete, „im Alter von 30 Jahren Buddhist“
gewesen zu sein, „natürlich nicht in einem kirchlichen Sinn“ (GB II,96), erst selber von seiner
europaflüchtigen Orientprojektionen lösen, orientalisierende Wunsch- und Zerrbilder
verabschieden, ehe er die für ihn entscheidenden Werte östlicher Spiritualität mit denen seiner
christlichen Herkunft zu einer ganz eigentümlichen Synthese verbinden konnte: „Meine
damalige Philosophie war die eines erfolgreichen, aber müden und übersättigten Lebens, ich
fasste den ganzen Buddhismus als Resignation und Askese auf, als Flucht in Wunschlosigkeit,
und blieb Jahre lang dabei stehen.“ (XII, 129)

hermann hesse
Mehr noch: Hesse musste erkennen, dass wir Europäer die Quelle spiritueller Erneuerung letztlich nicht in irgendeiner fremden Vergangenheit oder durch die oberflächliche Übernahme angelesener asiatischer Weisheitslehren, sondern allein „in uns selber“ finden könnten: "Mein Weg nach Indien und China ging nicht auf Schiffen und Eisenbahnen, ich musste die magischen Brücken alle selber
finden. Ich musste aufhören, dort die Erlösung von Europa zu suchen, ich musste aufhören,
Europa im Herzen zu befeinden, ich musste das wahre Europa und den wahren Osten mir im
Herzen und im Geist zu eigen machen."

Das aber gelang ihm erst, als er „keine Sehnsucht nach dem Palmenstrand von Ceylon und den Tempelstraßen von Benares mehr“ hatte, sich  nicht mehr wünschte, „ein Buddhist oder Taoist zu sein und einen Heiligen und Magier zum Lehrer zu habe. Dies alles war unwichtig geworden, und auch der große Unterschied zwischen dem verehrten Osten und dem kranken, leidenden Westen, zwischen Asien und Europa, war mir nicht mehr eben wichtig. Ich legte keinen Wert mehr auf das Eindringen in möglichst viele östliche Weisheiten und Kulte. „Dadurch erst vermochte dieser christlich
erzogene Europäer, wie er 1922 selbstkritisch heraus stellte, im "Frieden einer geistigen Welt
zu leben, an der Europa und Asien, Veden und Bibel, Buddha und Goethe gleichen Teil hatten
… mit der Indiensucht und der Europaflucht war ich fertig, und jetzt erst klang mir Buddha
und das ‚Dhammapaddam’ und das ‚Tao-te-king’ rein und heimatlich und hatte keine Rätsel
mehr.“ (XIII, 423).

Quelle: click here 



gerade ist das kolloquium in rom zu den tausendfachen missbrauchsfällen in der kirche zu ende gegangen - und alle welt ist enttäuscht von der abschlusspredigt des papstes - der doch zu beginn der tagung soviel an "konkretem" gefordert hat - und nun ganz blass im un-konkreten steckenbleibt.

abschließend als resümee zu dieser versammlung in rom lässt sich sagen: "gut, dass wir mal drüber gesprochen haben ..." - und mehr nicht - wenigstens nicht für die öffentlichkeit und die kirchenschafe ...

und genau in diese enttäuschung fiel mir plötzlich - wie aus dem himmel - dieser textauszug aus einem hesse-jahrbuch: theologie & literatur auf meinen desktop. in dem steht für mich wenigstens schon ein abgesang des "christlichen" abendlandes, das sich ja nun auch durch die tausendfachen missbrauchs-praktiken in der kirche selbst bereits als moralisches navigationsinstrument abqualifiziert hat ... - auch gerade jetzt in der tonlosigkeit und in der inkonsequenz dort in rom in der amtskirche...

und da stehen ja plötzlich auch burka und kopftuch und die drehenden ekstasetänze der muslimischen sufisekte und die glaubensgemeinschaft der baha'i und eben der buddhismus und der hinduismus - aber auch kleine christliche glaubensgemeinschaften wie z.b. die remonstranten oder die "alt-katholiken" plötzlich - zumindest moralisch - gar nicht mehr im schatten der amtierenden amtskirchen, die jahrhundertelang dieses "christliche abendland" geprägt haben und weiterhin mit macht prägen wollen - ...

was hat man - sicherlich zu recht - zu den pädophilen ideologiepapieren "zur befreiung der sexualität der kinder" unter einigen grünen gründungsmitgliedern neulich gewettert - und sie wieder hervorgekramt - und nun steht der größte sittenwächter plötzlich mit vorm scheiterhaufen der verheimlichungen und verleugnungen und der sexuellen verirrungen... 

interessant sind für mich hermann hesses gedankliche brückenschläge zwischen seinem europa-empfinden in bezug auf den buddhismus und auf asien. er baut da ja in sich neue kerngedanken für eine global angelegte glaubensphilosophie aber inmitten europas auf, die in nächster zeit eine ganz neue dynamik und attraktivität und umorientierung entwickeln kann ...

unser gott wird uns den weg zu seinem auffinden auf unserem inneren navi anzeigen - gerade auch in diesen verwirrenden zeiten - gott wohnt nicht im himmel, in kirchen oder mauern oder in von menschen geschriebenen büchern oder im von menschen berufenen episkopat: er wohnt mitten unter uns - in uns: suchet so werdet ihr finden - klopfet an, so wird euch aufgetan: er hat für jede(n) von uns seine sprache und seine symbole - immer anders und immer wieder neu...


nur nicht aus dem rahmen fallen - viel "framing" um nix ... - update mit einem link zum "zeit"-interview

"frame" = der rahmen - "fram-ing" = die rahmung | sinedi|graphic



Ein Sprachkurs für die ARD

Das »Framing Manual« – Was es mit dem umstrittenen Gutachten auf sich hat

Von Thomas Hochstätter (WB)


  • Manipulation der Debatte über den Rundfunkbeitrag? Anweisung zur Gehirnwäsche? 
  • Oder nur ein Denkanstoß zur freien Verwendung? 

Um ein Gutachten zur Verbesserung der Kommunikation der ARD gibt es Ärger.

»Framing Manual« – Was bedeutet der Begriff?

Ein Manual ist ein Handbuch oder auch Benutzerhandbuch. Framing, ebenfalls Englisch für das Einrahmen, steht in der Medienwirkungsforschung für das Einbetten von Ereignissen und Themen in Deutungsraster (siehe dazu auch den weiteren Text auf dieser Seite). Im konkreten Fall gibt eine Wissenschaftlerin der ARD als Ergebnis eines nach Senderangaben 90.000 Euro teuren Gutachtens Sprachtipps für eine bessere Kommunikation in der Auseinandersetzung vor allem mit Gegnern des Rundfunkbeitrags.

  • Wer ist diese Expertin?

Elisabeth Wehling (37), promovierte Sprach- und Kognitionswissenschaftlerin, hat in Hamburg, Rom und Berkeley/Kalifornien gearbeitet. Eine ihrer Veröffentlichungen für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung hieß: »Politische Kommunikation, die ankommt. Eine neurolinguistische Analyse des EU-Wahlkampfes« (2009). Ei­nem größeren Kreis wurde sie mit dem Buch »Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht« (2016) bekannt. Es folgten Interviews und Fernsehauftritte.

  • Wie ist das Gutachten bekannt geworden?

Nicht durch die ARD selbst. Nachdem bereits seit einiger Zeit über Auszüge des 2017 verfassten, also rund zwei Jahre alten Textes diskutiert worden war, wurde er am vergangenen Sonntag von der Internetseite netzpolitik.org als 89-seitiges PDF-Dokument veröffentlicht. Hinter netzpolitik.org steht unter anderem ihr Gründer und Chefredakteur Markus Beckedahl, Mitglied im Medienrat der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg. Über seine Motive schrieb er: »Wir veröffentlichen das Gutachten, damit sich alle Beitragszahlenden aus der Originalquelle informieren können und an der Debatte informierter teilhaben können.« Hier geht’s zum Gutachten (click]

  • Was steht denn nun drin in dem Gutachten?

Im Kern soll der Gegensatz zwischen programmproduzierender Rundfunkanstalt und dafür zahlenden Zuschauern und Zuhörern sprachlich aufgelöst werden. Für die ARD sei es am besten, wenn sie sich moralisch hochwertig als »unser gemeinsamer, freier Rundfunk ARD« positionieren könne. Vor allem sollten die ARD-Repräsentanten und ihre Mitarbeiter vom Nutzer nicht als »Konsumenten« sprechen. Das aktiviere beim Zuhörer den Rahmen (»Frame«) einer ökonomischen Transaktion, was das Programm zur Ware her­abwürdige, für die man bezahlen könne oder nicht, wenn einem das Angebot nicht gefällt. Konkret heißt es: »Der Frame wird dem moralischen Anliegen, gemeinschaftlich einen freien Rundfunk ARD zu ermöglichen, nicht gerecht.«

  • Geht es dieser Idee zufolge also gar nicht um das, wo­rüber man spricht, sondern darum, wie man es sagt?

Genau. So postuliert das Gutachten: »Objektives, faktenbegründetes und rationales Denken gibt es nicht, zumindest nicht in der Form, in der es der Aufklärungsgedanke suggeriert. Jedes Verarbeiten von Fakten findet innerhalb von Frames statt – und ein und derselbe Fakt erlangt in unterschiedlichen Frames ganz unterschiedliche und oft sogar gegensätzliche Bedeutungen.«

  • Gibt es weitere Begriffe, um die die ARD einen weiten Bogen machen sollte?

Ja, zum Beispiel um »Lügenpresse« und »Staatsfunk« – und das selbst bei einer Zurückweisung von entsprechenden Angriffen. Dahinter steckt die Überlegung: »Frames zu negieren bedeutet, sie zu aktivieren.« Anders gesagt: Wer die Formulierung eines An­greifers auch nur wiederholt, verstärkt den Angriff. Deshalb lautet der Ratschlag: »Nutzen Sie nie, aber auch wirklich nie, den Frame Ihrer Gegner, und nutzen Sie diejenigen Frames, die Ihre moralische Perspektive auf die Sachverhalte deutlich machen, immer und immer wieder – von Interview zu Interview, von Debatte zu Debatte, von Schriftsatz zu Schriftsatz. Nur durch die ständige Wiederholung neuer sprachlicher Muster über längere Zeit hinweg ist es möglich, den neuen Frames kognitiv Geltung zu verschaffen und sie damit zu einer realistischen Wahrnehmungsalternative werden zu lassen.«

  • Das klingt nun schon nach Propaganda, oder?

Man kann diese extrem zielgerichtete Sprache als Manipulationsversuch verstehen. Das tun auch mehrere Kritiker. Besonders die moralische Überhöhung der eigenen Position gegenüber dem freien Wettbewerb stößt auf Widerspruch.

  • Was wird denn über den Umgang mit der privaten Konkurrenz gesagt?

Wenn von den Privatsendern die Rede ist, solle nur noch von »profitwirtschaftlichen Sendern« gesprochen werden. Es solle betont werden, »Kommerzmedien, profitorientierte Medien oder Profitsender« hätten »einen Auftrag, welcher der moralischen Prämisse des gemeinschaftlichen Rundfunks ARD entgegensteht«. Dagegen sehe die eigene Position glänzend aus: »Die Rundfunkbeteiligung ist gelebte Eigenverantwortung für die deutsche Kultur, Wirtschaft und Demokratie als Grundlage unseres individuellen Wohlergehens. Nur in einem Land mit einer stabilen gemeinsamen Rundfunkinfrastruktur kann man frei und erfolgreich leben und seinen Geschäften nachgehen.«

  • Es geht doch bestimmt auch noch um die Gebühren?

Richtig. In dem Zusammenhang soll nicht mehr davon gesprochen werden, dass man sich von den Gebühren befreien und entlasten könne – wegen der Bedeutungsrahmen Last und Unfreiheit.

  • Und wer nicht mitmacht . . .

Der sollte sprachlich künftig härter angefasst werden, rät das Gutachten. Der Ausdruck »Beitragsverweigerer« solle vermieden werden. Denn »dieser Frame spielt dem Narrativ in die Hand, nach dem sich die ›Verweigerer‹ (endlich) gegen das totalitäre Regime ARD – den ›Merkelfunk‹, den ›Staatsfunk‹, und so weiter – auflehnen und zurecht als Helden der Demokratie und Freiheit gefeiert werden.« Stattdessen gelte für die moralisch unter Druck zu setzenden Nichtzahler: »Sie sind Beitragshinterzieher, sie begehen Wortbruch, machen sich des Loy­alitätsbruchs schuldig.«

  • Wie erklärt die ARD den Auftrag für dieses Gutachten?

ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab schrieb dazu, man sei sich »bewusst, dass wir breiter und verständlicher erläutern müssen, warum es den öffentlichen Rundfunk braucht und warum es gut ist, dass alle einen finanziellen Beitrag dazu leisten«. Daher habe man die Sprachforscherin »gebeten, uns ihre Sicht zu erläutern«.

Die Linguistin Wehling selbst erklärte: »Inhalt des Auftrages des MDR während seines ARD-Vorsitzes war es, die Kommunikation der öffentlich-rechtlichen ARD als Institution zu analysieren und auf Basis der wissenschaftlichen Erfahrung aufzuzeigen, welche Alternativen zu welchen Worten mit welchen Bedeutungsinhalten besetzt sind.«

  • Müssen sich nun alle bei der ARD nach den Erkenntnissen des Gutachtens richten?

Laut ARD-Generalsekretärin Pfab nicht. Die Empfehlungen dienten »als Input und Denkanstoß, an denen man sich auch reiben kann und soll. Es ist ein Angebot an die Mitarbeitenden, sich mit dem Thema offen auseinanderzusetzen. Wie sie dann kommunizieren, ist jeder und jedem selbst überlassen.«

  • Ist die ganze Diskussion für die auf Seriosität pochende ARD von Nachteil?

Gut möglich. Der Politikberater Johannes Hillje zum Beispiel sagte: »Das Grundproblem ist, dass hier ein stark moralgestütztes Framing für einen Akteur vorgeschlagen wird, dessen Kernwerte Sachlichkeit und Neutralität sind.«

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Framing: wie Begriffe Denkmuster erzeugen

Erkenntnisse der Kognitiven Sprachwissenschaft


Was geschieht mit Ihnen, wenn Sie das Wort »Zitrone« lesen? Automatisch assoziieren Sie »sauer«, vielleicht verziehen Sie sogar das Gesicht, und der Speichelfluss wird angeregt.

Die Kognitive Sprachwissenschaft nennt diese Einbettung von Sprache in einen sinnlich erfahrbaren Kontext Framing. Sie erforscht den Zusammenhang von Kommunikation und parallelen Abläufen im Gehirn, beleuchtet also das neuronal gesteuerte Umfeld von Begriffen: den stets mitgedachten Rahmen. Schon die Wortwahl beeinflusst die Assoziationen des Hörers/Lesers: Wo eine »Rundfunkabgabe« als eher neutral wahrgenommen wird, evoziert der »Zwangsbeitrag« – der ja dasselbe meint! – nur Ablehnung. Das »Rundfunkkapital« wiederum, das von ARD & Co. »verwaltet« wird, erzeugt die ungemein positive Vorstellung, der Fernsehzuschauer habe die monatlich zu zahlenden 17,50 Euro als individuelles Guthaben auf der hohen Kante.

Die Erkenntnis, dass der Hörer/Leser zu jedem Begriff einen Frame mitdenkt, ist banal. Dass Sachverhalte je nach Wortwahl anders verstanden werden, muss man sich schon bewusst machen. Dass schließlich die absichtsvolle Benutzung von Begriffen – oder aber der Appell, sie zu vermeiden – gängige Denkmuster durch neue, erwünschte Reaktionen ersetzen kann, führt der Propagandist vor. Der CSU-Grande Franz Josef Strauß (†) zum Beispiel: Er mahnte, die »Lufthoheit über den Stammtischen« anzustreben. Eine frühe Ahnung vom neudeutschen Campaigning . . .

Absichtsvoll gesteuertes Framing findet sich in vielen gesellschaftlichen Prozessen. Jüngst ist das »Gute-Kita-Gesetz« aufgepoppt, ein Begriff, in dem Familienministerin Franziska Giffey (SPD) zwei Lesarten anheimstellte: das »Gesetz für gute Kitas« neben das erwünschte (natürlich von ihr erarbeitete) »gute Gesetz für Kitas«.

Mitunter treibt die Framing-Forschung seltsame Blüten – die aber Wirkung zeigen, auch dank der Subdisziplin Gender-Forschung. Da ist von »Studierenden« statt von »Studenten« die Rede, weil angeblich nur der erste Begriff beide biologische Geschlechter umfasse. Und Elisabeth Wehling, Autorin des »Framing Manuals«, behauptete unlängst, der Begriff »Flüchtling« solle tunlichst außer Gebrauch kommen, weil er unerwünscht geframt werde: Die Endung »-ing« bezeichne Minderwertiges. Ihr Beispiel: Schreiberling. Der im Frühling (!) gern gesehene Schössling (Pflanzentrieb), der niedliche Frischling, besonders aber der auf Händen getragene Liebling sind ihr offenbar unbekannt. (WB/mzh)

aua: WESTFALEN-BLATT, Nr.43 - Mittwoch, 20. Februar 2019 - Politik - S.7

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soso - und elisabeth wehling, autorin des »framing manuals«, behauptete unlängst, der begriff »flüchtling« solle tunlichst außer gebrauch kommen, weil er unerwünscht geframt werde: die endung »-ing« bezeichne minderwertiges: und deshalb oder trotzdem nannte sie ihre methode ja auch "fram-ing" - ja - so wird ein schuh draus ... 

überhaupt staune ich, mit welcher mit sicherheit auch pekuniären und auflagenstärkenden resonanz hier frau wehling für ihr "framing" ein framing publizieren und hochpuschen kann - und alle machen mit ...

sie erklärt einen genetisch bzw. neurophysikalisch angelegten sachverhalt, der aber keineswegs neuland ist: neu ist lediglich vielleicht ihre "framing"©-bezeichnung für diesen sachverhalt um diesen jahrtausendealten kommunizieraspekt. 

gerade bei sprache und texten und nachrichten kommt es auf die "verpackung" an - aber all die "top"-journalisten der ard sollten doch intern selbst sich ein solches programm erarbeiten können - auch ohne das 120.000 uro teure "manual" aus berkeley (einschl. begleit-workshops dazu) ...

der sachverhalt, der da beschrieben wird ist eine binsenweisheit. schon vor 25 jahren lernte ich im zuge von "nlp"-techniken (neurolinguistischem programmieren) solche und ähnliche hintergründigen denkspielchen und abläufe kennen: damals beispielsweise mit dem merksatz: "denk nicht an einen blauen elefanten" - denn genau schon während dieser "nicht"-aufforderung, denkst du natürlich genau daran - erst dann, wenn man es sich innerlich vorstellt, kann man es vielleicht verdrängen - gedanken, die man eigentlich unterdrücken möchte, drängen sich besonders vehement auf – ein simples psychologisches phänomen ... - mit dem man nun hausieren geht für gutes geld - und das blau des elefanten wird in der aufgepeppten theorie nun zu einem rahmen - zum "framing", den man beim vor-sich-hin-denken immer mit konstatieren sollte - damit man nicht aus demselbigen rahmen, wenn er denn erst einmal zusammen-"geframt" ist, wieder herausfällt: nur nicht aus dem rahmen fallen ...

und merke: epimenides, der kreter, sagt: "alle kreter sind lügner".

ich glaube, die meisten denkmuster, die wir jeweils mit begriffen verbinden, sind uns "überkommen" ... c.g.jung sprach da vom "kollektiven unbewussten" - aber schon das kleinkind liest von mama und papa jeweilige "bewertungsmuster" in verbindung zu bestimmten klanglauten von den augen und der mimik ab - und den rest erledigen die "spiegelneuronen" ... - aber "neutral" bedeutungslos ist nichts, was wir als individuen wahrnehmen: und mein blauer elefant sieht ganz anders aus als dein blauer elefant - und wenn man genau hinsieht, ist auch das blau anders als deins ... - aber wir sollten da ganz unserem im innern angelegten "navi" zur orientierung vertrauen, anstatt uns beframen zu lassen - oder gar frame zu gehen ...

für mich hat das ganze eben auch mit orientierungüberblick und verhaltenskodex zu tun: man lacht nicht laut bei der beerdigung - und trotzdem passiert das vielleicht hier und da dem ein oder anderen - ...

aber wenn unsere kanzlerin 2015 sagt "wir schaffen das", wird sie nicht linguistisch und psychologisch den konkreten mit-sinn dieser drei worte analysieren können und wollen - und auch nicht ihre redenschreiber*in ...: natürlich schwingt dabei spitzfindig mit, dass die "flüchtlinge", die "obdachsuchenden", implizit als eine "last" empfunden werden, die uns aufgebürdet wird, die wir aber im doppelten sinne dann "schaffen" werden: wieder ab-schaffen - und auch bewältigen, schultern, meistern, eben schaffen ... (im schwäbischen heißt es aber auch: "schaffe, schaffe häusle bauen" ... - aber das ist wieder eine ganz andere geschichte ...?)

aber dieser ganze geschlechtsneutrale gender-sprech und dieses ominöse "political-correctness", auf das schulbuch-verlage nun ihre neuauflagen durchforsten müssen - und dieser papa von pippi langstrumpf, der nun ein "südsee-könig" in neuauflagen geworden ist, statt "neger-könig", wie es im guten alten original heißt - ohne jeden bösen rassistischen diskriminierungs-willen - einfach so, wie der astrid lindgren der schnabel gewachsen war ... -   

das alles sollte uns aber - framing hin - framing her - sowas von am ... vorbeigehen ... - um mal ein ganz niederträchtiges "framing" zu verwenden (das nur aus drei punkten besteht ...

ach - und noch was: jedes "framing" ist auch nur vorübergehend angelegt, mit ganz kurzer halbwertzeit - denn der olle enfant-terrible-künstler francis picabia hat schon 1922 richtig erkannt: "unser kopf ist rund, damit das denken die richtung wechseln kann" ... wohlgemerkt: der kopf ist rund - und nicht eckig wie ein rahmen, ein "frame"... und das "framing" kann nur aus einem ziemlich eckigen denken in einem ebensolchen kopf stammen:

und nix für ungut - chuat choan
 
(dieses "gutachten" - also mein senf, den ich dazugetan habe - kostet dich übrigens keinen pfennig - vielleicht dient es dir auch »als Input und Denkanstoß, an denen man sich auch reiben kann und soll. Es ist ein Angebot ..., sich mit dem Thema offen auseinanderzusetzen. Wie du dann mit anderen darüber kommunizierst, ist jeder und jedem selbst überlassen.«

äääähhh - und noch ein update:




der weg dorthin ist der weg hindurch - eine denkaufzeichnung

S!|art: dadurch





der weg dorthin
ist der weg hindurch

ja - ich bin angesprochen worden, was es bei mir mit diesem sinnspruch - oder besser: mit diesem "leit"spruch - auf sich hat. 


ich greife schon so lang ich denken kann da immer wieder drauf zurück, weil mir der spruch simpel mut macht für eine unumkehrbare tatsache: um irgendwo anzukommen - um ein ziel zu erreichen - um "da oder dorthin" zu gelangen, muss ich immer zunächst eine strecke zurücklegen: und jeder weg beginnt mit dem ersten schritt - ich muss mich also "auf'n patt machen" ...

schon früh erinnere ich ein gespräch meiner mutter mit einer nachbarin, als sie über mich als kind miteinander in meinem beisein sprachen - ich war so 7-8 jahre alt also so ca. 1954-1955 - und meine mutter schilderte der nachbarin irgendwelche sorgen um mich - aber die nachbarin, sie wohnte gegenüber und sah mich öfter - meinte irgendwie anerkennend: "er geht doch aber dadurch!", was mich auch so stolz machte, das ich es bis heute behalten habe ...

gut - es können einem auch mal die pferde durchgehen - aber hier in meinem spruch ist die tatsache gemeint, dass jeder trampelpfad irgendwohin immer auch ein weg "durch" etwas ist, was man absolvieren muss und abklappert und hinter sich lässt - um anzukommen: "sie haben ihr ziel erreicht", wie dann die dame auf dem navi heutzutage vermeldet - oder eben die innere stimme meines inneren navis - einfach auch dieses gefühl, "angekommen" zu sein ... 

nach einer strecke von a nach b erreiche ich das ziel - und diese strecke kann es ja in sich haben: matschweg, glatteis, auf dem ich ausrutschen kann - die dinge "laufen" nicht so, wie es sein müsste - etwas, was aufhält, den weg sperrt, was sich in den weg stellt - was ich mit obacht umgehen oder umfahren muss - ab und zu habe ich ja vielleicht begleitung, gefährten an meiner seite, mit denen man sich abstimmen muss, den richtigen pfad zu finden ...

zumeist ist also "der weg dorthin" nicht immer einfach schnurgeradeaus und schwupps ist man da: nein - in den allermeisten fällen muss man erst "hindurch", hindernisse durchstreifen und beiseite räumen - und geduldig sein, bis zur ankunft... - na ja - und selbstkritisch muss ich bekennen: mit der "geduld" hab ich es nicht immer so ...

und dieses an sich simpele phänomen taucht das ganze leben immer wieder auf - ja - das ganze leben ist ja "ein weg" - wohin, das stellt sich erst am schluss heraus - ein weg auf alle fälle "hindurch": durch die kindheit, durch die adoleszenz mit ihren inneren krisen und ablösemechanismen, die ja bei mir einhergingen mit den "wilden 68-ern", die lebenspartner und kinder, die berufe, die man erlernt und ausübt in einer schnelllebigen zeit und in betrieblichen situationen, die anpassung und mitgehen verlangen - bis hin zu den ruhigeren schlenderwegen jetzt im "ruhestand", ohne bewegungsunfähig zu werden - sich eben weiter"hin" (!) "auf'n patt zu machen" - ziele anzupeilen - um dort anzukommen - und weiter - immer weiter ...

ja - und vielleicht ... - also manche meinungen gibt es ja, dass auch der tod nur ein vorübergehender weg der seele durch ein "finsteres tal" ist, an dessen ende wieder licht hineinflutet - und weiter geht es - auf ein neues ...

und diese an sich simplen zeilen können sogar schon als motto und überschrift für eine schwangerschaft stehen: auch dabei durchläuft es ja einen "weg dorthin" - zur letztendlichen geburt des fötus - und ist immer auch "ein weg hindurch" - im wahrsten sinne des wortes sogar und gar nicht nur allegorisch gemeint ...

wer diesen spruch mal in einer wahrscheinlich meditativen situation mir "mit auf den weg" gegeben hat, oder ob ich ihn einfach in mir vorfand, weiß ich nicht mehr - ich denke manchmal, vielleicht ist es auch nur die für mich wenigstens plausiblere "weiterführung" des konfuzius-satzes: "der weg ist das ziel" - aber vielleicht stand ja auch hermann hesse pate oder auch an der bhagwan oder irgendein anderer guru auf meinem weg - und jesus war ja auch die meiste zeit "auf dem weg" und sagte von sich: "ich bin der weg, die wahrheit und das leben ..." - und nach logion 42 im thomas-'evangelium' sgt jesus auch: "werdet vorübergehende!" - ja, jesus musste "hindurch" - um in und bei seinem "abba" letztlich zu sein - und gleichzeitig der "abba" in ihm  wachsen und gestalt annehmen konnte ...

ich nenne meinen leitspruch inzwischen meine ureigene innere "navi-regel": nur "der weg dorthin ist der weg hindurch" - und auf dieses innere navi, das mich immer wieder auf den richtigen weg führt und leitet bis zum ziel, auf dieses innere navi ist echt verlass - ganz in echt jetzt ...

ich (er)lebe diesen leitspruch auch in den posts zu meinem sinedi-blog: da finde ich als ausgangspunkt eine information in einer der im internet zugänglichen gazetten und publikationen - eine information, die mich plötzlich interessiert und anzieht und in die ich einzutauchen beginne: auch da beginnt "ein weg", der mich dann schließlich zu meiner stellungnahme (ver)leitet - und der noch gar nicht genau weiß, wo er ankommen wird: was spricht mich an, was wird da in mir ausgelöst, was findet nachhall und zustimmung oder auch ablehnung: und diese "auseinandersetzung - das ist dann der "weg hindurch" ...

oder auch meine bilder: da ist zunächst meist ein photo als "grundstoff" - als aus"gangs"punkt: "es geht los" - ich "verfremde" das "geknipste" mit dem rechner, walke es durch für mich geeignet erscheinende filter meiner photo- und graphic-bearbeitungs-programme auf dem rechner, spiele und hantiere - und auch hier ist es dann "der weg hindurch" - bis es mir plötzlich "richtig" erscheint - oder dann auch manchmal unansehnlich überfrachtet für mich verworfen wird, ins digitale nirwana ...

aber nix für ungut - und chuat choan ..




Warum
Herbert Grönemeyer

Es gibt keinen Schmerz, nur über zwölf Runden
Es gibt keinen Gong, der dich aus deinem Kampf befreit
Auch keine Zeit heilt dir deine Wunden
Bei jedem falschen Wort reißen sie erneut
Es ist bretthart, das Glück stets hinter Gittern
Du kauerst stumm in einer Nische namens „Warum?“
Und ein Jahr hat bei dir nur vier Winter
Und jeder kleinste Windhauch bläst dich eisig um

Fragst du dich auch, wenn dein Herz davonläuft
Fragst du dich auch, wenn der Boden sich verzieht
Ob du verkehrt bist, ob nur du dich bereust?
Warum gibt es dich? Warum singt keiner mit dir ein Lied?

Warum bin ich ein anderer Mensch?
Warum fehlt mir zu mir jeglicher Bezug? (jeglicher Bezug)
Lieg' ich nur falsch auf meinen fernen Routen?
Keiner sieht meine Fahne und kein Meer spürt meinen Bug

Fragst du dich auch, wenn dein Herz davonläuft
Fragst du dich auch, wenn der Boden sich verzieht
Ob du verkehrt bist, ob nur du dich bereust?
Warum gibt es dich? Warum singt keiner mit dir ein Lied?

Und wird der Tag meine Taten messen?
Und nimmt der Tag all meine Lügen in Kauf?
Wenn die Liebe sich traut, mich anzusprechen
Fall' ich drauf rein und schließ' mich auf?

Songwriter: Herbert Groenemeyer




trepp auf - trepp ab: den rest klärt die staatsanwaltschaft.

S!|art: wer mit der rolltreppe nach oben fährt, fährt auch mit ihr wieder herunter. den rest klärt die staatsanwaltschaft.


  • das gleiche phänomen gibt es auch mit dem sogenannten "oberstübchen" - und den "leichen im keller" - 
  • und mit der "metaebene" und dem "souterrain":
  • mit dem "inneren kind" in mir ... 
  • wie's darinnen aussieht - geht zwar niemandem etwas an - 
  • aber jede*r kann ja in den spiegel schauen, wenn sie/er ihr/sein gegenüber ergründen will ..

p.s: ... und darf man eigentlich noch "gegenüb-er" sagen 
oder muss es auch gendermäßig "gegenüb-sie" heißen - uuuups ...???

die unendliche geschichte einer "konkreten poesie" zu alleen, blumen, frauen und bewunderer/*in auf den ramblas in barcelona - 1951

"Tagesspiegel": Ausschnitte aus einem Artikel von Ingo Salmen

Foto: Tagesspiegel - Maria Mercedes Hering






Selten hat eine Hauswand so die deutsche Öffentlichkeit beschäftigt wie die Fassade der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) in Hellersdorf. Wochenlang stritt das halbe Land vor einem Jahr über die Entscheidung, das Gedicht „avenidas“ zu übermalen. Das Feuilleton debattierte, in sozialen Medien machten Werk und Wut die Runde, selbst CDU-Politiker Jens Spahn twitterte Eugen Gomringers Verse.

Jetzt hat die Wohnungsgenossenschaft Grüne Mitte das Gedicht wieder an einer Hauswand in der Nähe der ASH angebracht. Es solle dadurch einen „würdigen Rahmen“ erhalten und „untrennbar“ mit Hellersdorf verbunden bleiben, erklärt Vorstand Andrej Eckhardt die Motivation der Genossenschaft.

Untrennbar gehört die neue Installation auch zu ihrer Nachbarschaft: Nach Angaben der Grüne Mitte ist das Werk „an sieben Tagen die Woche 24 Stunden lang“ lesbar, weil die Buchstaben nachts von hinten beleuchtet werden. „Wir finden, dass das Gedicht [...] auch in Deutsch und Spanisch eine Leichtigkeit widerspiegelt und ein Gefühl der Lebensfreude vermittelt“, schreibt Eckhardt.

Ein offener Brief des Vorstands zeigt, wie tief die Abneigung gegen die „avenidas“-Kritiker bis heute ist. Eckhardt spricht von „absurden sexistischen Vorwürfen von Studentinnen“, denen Gomringers Werk „geopfert“ worden sei. „Wie werden sich die wahren Sexismus-Opfer (Gewalt, Missbrauch) dabei gefühlt haben, angesichts dieser Debatte?“

Die Hochschule nahm die Nachricht vom „avenidas“-Comeback in der Nachbarschaft gelassen auf. Sie freue sich, wenn Werke von Trägern des Alice-Salomon-Poetikpreises im öffentlichen Raum sichtbar seien, teilte eine Sprecherin mit. Bei der Wohnungsgenossenschaft bedanke man sich „herzlich“.


ich will hier die ganze geschichte bezüglich dieses unschuldigen gedichts gar nicht mehr rekapitulieren - in diesem blog kannst du unter "avenidas" einiges dazu finden oder in den feuilletons aller großen medien vor gut einem jahr ... ein paar persönliche stellungnahmen dazu habe ich inzwischen hier aus dem blog gelöscht - weil es mich damals derartig einseitig gefangennahm, dass ich mich bewusst mit einem rigorosen schnitt anderweitig orientieren musste ... -

ja - man kann sich da hineinsteigern: hineingesteigert haben sich diese zwei #me-too-streiterinnen in der hochschule, als sie in ein unschuldiges gedicht einen popanz malten - als der/oder die betrachter*innen einer typischen straßenszene auf den ramblas in barcelona plötzlich als eine art "lüstling(e)" wahrgenommen wurde(n).

ich wenigstens werde ab jetzt nicht schamvoll die augen senken, wenn mir eine frau entgegenkommt - und von alleen und blumen etwa werde ich nicht "keusch" meinen blick abwenden - schon gar nicht auf den ramblas von barcelona.

aber was ist das ergebnis jetzt - nach einem jahr der argumente hinüber und hernüber: ist jetzt das zweisprachige, nachts hinterleuchtete gedicht an einem gebäude der "grünen mitte" - immer noch ganz in der nähe der hochschule - jetzt ein kompromiss - oder eine bleibend sichtbare kriegserklärung? hat sich irgendeine seite durchgesetzt - und ist das jetzt "demokratie", wie die leitung der alice-salomon-hochschule immer wieder beteuert?

die "kleine" greta thunberg aus schweden hat es auf ihrem asperger-syndrom-hintergrund wesentlich cleverer angestellt, zivilcourage wieder gesellschaftsfähig zu machen: sie hat mit der "zukunft unserer umwelt" einfach das umfassendere thema besetzt - und keine nischenmeinung - sie wurde zum "vorbild" für viele schüler in der westlichen welt - sicherlich auch um "halblegal" freitagmorgens die schule zu schwänzen und so das wochenende zu verlängern.

okay - wir haben ja schon viele bewegungen wieder scheitern sehen: die 68er-bewegungen, die occupy- und die attac-bewegungen - und die pegida-bewegung auf der rechten seite bröckelt etwas stiller vor sich hin oder geht in der afd auf ... - aber z.b. die "grünen" sind aus diesen "graswurzel-bewegungen" mit emporgewachsen und zur zeit immerhin in umfragen die zweitstärkste politische kraft in deutschland ...

wenn sich aber eine öffentliche - also auch mit meinen steuergeldern finanzierte "hoch"schule - hauptsächlich für zukünftige sozialarbeiter*innen mit pädagogischen aufgaben in der öffentlichkeit - derartig von einer kleinstgruppe erpressen lässt - und das dann um der anmeldungen und um "des rufes" willen als "demokratischen prozess" bekundet, unterliegt sie meiner meinung nach einem gefährlichen missverständnis: die demokratie ist nämlich auch kein selbstbedienungsladen: ach da empfindest du etwas missverständlich ? - okay - streichen wir über ... - einfach mit noch missverständlicherem ... 

und ich habe gestern - in einem rückblick - einen tatsächlichen demokratischen prozess um die (nur vorübergehende) gestaltung einer hausfassade noch einmal nachvollziehen können: die verhüllung des reichstages durch das künstlerehepaar christo und jeanne-claude - vor jetzt 25 jahren: mit einer abstimmung im parlament - und gegen den widerstand von ganz prominenten köpfen wie schäuble und hemut kohl - und mit einem tatsächlichen event für 16 millionen euro, finanziert von den künstlern durch die einnahmen ihrer vermarktung des events (übertragungsrechte, bildrechte usw.) ... - also für den steuerzahler für nothing: und wieviele menschen sind deshalb damals nach berlin gepilgert - und haben da geld ausgegeben ...

die übertünchte fassade
die alice-salomon-hochschule sagt nun, man habe ihre erzwungene umgestaltung der fassade mit der übertünchung des gomriner gedichts und dem anbringen von neuen noch wesentlich kryptischeren zeilen aus "ihrem instandsetzungs-etat" beglichen ... - aber als steuerfinanzierte institution unterliegt sie meines erachtens nicht nur ihrer ureigen geprägten hier absurden "demokratischen" überzeugung - sondern eben auch einer öffentlichen kontrolle  - zumal ja auch die fassade offentlich sichtbar ist...

vor allem auch auf dem hintergrund der eigenen vergangenheit in nazi-deutschland - als die namenspatronin alice salomon als jüdin ausreisen musste, und die dann unter neuer strammer nsdap-nahen führung in eine "schule für volkspflege" umbenannt wurde - und sicherlich manche nsv-gemeindepflegerinnen ("braune schwestern") ausgebildet hat - und die nach dem krieg "sich nur zögernd" (s. wikipedia) dem "reeducations-program" der amerikanischen siegermacht beugte und daraufhin nur sehr spröde sich auch öffnen musste für junge männer ...: männer - das waren - und sind offensichtlich - immer noch die "anderen" - etwas ziemlich fremdes und deutlich unterpriveligiertes an dieser ursprünglichen frauenbildungsstätte aus dem jahre 1908 ... - 

frauen wurden also nicht immer und überall und in allen berufszweigen benachteiligt - sozialarbeit und pflege dominierte eindeutig die frau - auch in den führungsetagen - aber niemand wurde zu einer solchen ausbildung verpflichtet !...


placebo - ohne ist auch nur mit ...

CLICK ON PLACEBO: 
Martin Andree über Placebo-Effekte WDR 3 Mosaik  (AUDIO)


Placebo-Effekte: Heilende Zeichen, toxische Texte, ansteckende Informationen


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Sind Zeichen und Medien in der Lage, Wirkungen auszulösen, die sich mit denjenigen von Drogen und Arzneimitteln vergleichen lassen? Die Studie erschließt die Potenzen ›heilender Zeichen‹ und ›toxischer Texte‹ sowie die Bedeutungswirkungen von Placebo-Effekten.

Im Gegensatz zu breit erforschten Effekten wie Gänsehaut oder Herzrasen wurden genuin pharmakologische körperliche Wirkungen in den Medien- und Kulturwissenschaften bislang allenfalls marginal beschrieben. Die Studie erschließt die umfangreiche Phänomenologie der erheblichen biophysiologischen Beeinflussung des Körpers durch semantisch-mediale Inputs, die im günstigen Fall organische Krankheiten heilen, aber auch schädliche Effekte verursachen können, bis hin zu ›Tod durch Zeichen‹. Dabei dienen die Bedeutungswirkungen von Placebo-Effekten als Paradigma der kultur- und medienwissenschaftlichen Untersuchung. Sie liefert damit aus einer neuen Perspektive auch eine umfangreiche Validierung der verschiedenen ›Körperdiskurse‹ bzw. ›Krankheitskulturen‹ aus den siebziger und achtziger Jahren.

abb: oben - heilpraxisnet



wer heilt hat recht - das placebo ist nicht mehr das "leere" kügelchen oder die "wirkstofflose" tablette, die einem etwas vorgaukeln sollen: - sondern es sind neben dem pülverken und den droppen selbst auch die "flankierenden" mittelbeigaben, die im konglomerat miteinander zusammenspielen und etwas "bewirken": aussehen, sogar das unverwechselbare und "zauberhafte" marken"zeichen", der geheimnisvolle beipackzettel mit seinen warnungen und dosierungsanleitungen - der spruch, den der arzt bei der verschreibung auf den rezeptblock mit auf den weg gibt: "morgens & abends mit einem kleinen schluck wasser - bitte reines leitungswasser - nach dem essen - aber ohne gleichzeitig steinobst zum nachtisch zu verzehren ... - sie dürfen dann 20 - 30 minuten nichts zu sich nehmen" ... sein handling, sein kittel, sein stethoskop, sein kniehämmerchen, sein kopf- oder stirnspiegel, sein blutdruckmessgerät usw. seine stimme, seine "performance" insgesamt - und alles was sie dann dazu googeln, wenn sie nach hause kommen: das alles zeigt "wirkung" - zielgerichtete heilende wirkung - und macht ein "placebo" aus ...

und die tatsche, das mit dem "chinin" der erste wirksame arznei-wirkstoff ab dem 18. jahrhundert verwendet wurde zeigt, dass eigentlich der heute manchmal belächelte "placebo-effekt" über jahrtausende das "mittel der wahl", die medizinische waffe überhaupt für das überleben des menschen bis heute war - und ist (!) ... 

es gibt ja auch daneben die rätselhaften aber irgendwie verwandten phänomene der fremd- und selbstsuggestion und -programmierung oder die hypnose, die bei dafür zugänglichen menschen oft schmerzlose eingriffe ermöglichen, wo sonst anästhesie und narkosemittel mit der gefahr von nebenwirkungen oder überdosierungen verabreicht werden müssen ...

das wirklich neue und schöne ist: dass alle seiten gleichzeitig mit diesen heildenden untermauerungen der placebos zu gleichen teilen in der öffentlichen diskussion auf- und gleichzeitig auch ab-gewertet werden müssen: schulmedizin und homöopathie und schamanismus gleichermaßen: denn ein großteil aller pharmazeutischen medikamente und aller heilungsrituale überhaupt funktionieren auf genau den gleichen prinzipien wie die kügelchen und tropfen oder traubenzuckertabletten aus "heel"- oder dhu-fläschchen oder -packungen und -röhren - und wie das handauflegen und die akupunkturnadeln und die magnetresonanzfelder und die chakrenlehre und der beschwörungstanz - oder der starre blick ...

und auch die von der "wissenschaft" belächelte "esoterik" darf sich mal etwas putzen und bekommt etwas vom neuen licht ab ...

und da kann ich ja aus vollem herzen wünschen: chuat choan - und nix für ungut ...