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alles aldi - oder was ? - lars eidingers neueste design-creation - und wie sie entstand

Göttinger Tageblatt vom 16.09.2018:
Kunst vom Discounter: Die neue Aldi-Tüte

Aldi Nord entsorgt die Plastiktüte. Damit verschwindet das wohl auflagenstärkste Kunstwerk Deutschlands vom Markt.

Weg vom Wegwerfprodukt: Die legendäre Aldi-Plastiktüte gibt es bald in der Mehrwegversion.


Fast jeder Bürger im Norden der Bundesrepublik war bereits Besitzer großer Kunst – nur hat es vermutlich kaum einer von ihnen bemerkt. Es handelt sich um die Plastiktüte des Discounters Aldi Nord, die der Künstler Günter Fruhtrunk im Jahr 1970 gestaltet hat.

Nun sind die Stunden des vielleicht meistverkauften Kunstwerks Deutschlands gezählt: Der Billigsupermarkt nimmt seine Plastiktaschen im Zuge des Antiplastiktrends aus dem Verkauf. Bis Ende des Jahres werden die restlichen Tüten aus dem Lager verkauft. Dann, das teilte Aldi Nord jetzt mit, ist definitiv Schluss mit den Einwegtüten.

Für die Kunden der Supermarktkette mag die Aldi-Tüte praktisch und zugleich ein billiger Wegwerfartikel gewesen sein. Ihr Design dagegen gilt als besonders. In seinem Entwurf hat Fruhtrunk blaue und weiße Rechtecke wie ein gerade gezogenes Fischgräten-Parkett diagonal über die Fläche gezogen. Es ist ein Design mit mathematischer Präzision, getreu dem abstrakten Kons­truktivismus.

Ein Besucher betrachtet am 07.11.2012 das Exponat "Präsenz" des Künstlers Günter Fruhtrunk im Rahmen der Ausstellung "Kunst ist schön, aber macht viel Arbeit" in der Galerie im Lenbachhaus in München. Quelle: dpa




Dem kunstvollen Design allerdings steht die billige Beschaffenheit der Plastiktüte gegenüber: Das Plastik beult bei der Benutzung schnell aus. „Die Aldi-Tüte ist keine typische Einkaufstasche“, sagt Designer Philipp Bree, Gründer des Taschenlabels pb0110. „Mit ihrer prägnanten Grafik hätte sie durchaus das Zeug zu einer Hipster-Tasche.“

Die Diagonale auf der Tüte ist eine dynamische Komposition: Mit den Strichen geht es von unten nach oben steil bergauf. Die Diagonale kann aber auch nach unten zeigen – eine Richtung ist von Fruhtrunk schließlich nicht vorgegeben. Damit entspricht die Aldi-Tüte seit ihrer Einführung dem wechselhaften Image des Billigsupermarktes.

In den Siebzigerjahren noch stand Aldi für die schöne, neue Welt des Konsums. Die Kunden mussten nicht mehr einzeln zum Fleischer, zum Gemüsehändler und zum Bäcker laufen, sondern konnten direkt zum damals fortschrittlichen Discounter gehen und dort sämtliche Einkäufe erledigen. Um die Jahrtausendwende dann wurde die Aldi-Tüte zum Symbol der Hartz-IV-Reform, der Einkauf im Billigladen zu einem Zeichen des sozialen Abstiegs. Wenige Jahre später dann entdeckten auch wohlhabende Kunden den Discounter für sich. Plötzlich war es angesagt, Luxusgüter wie Parmaschinken und Wein bei Aldi zu kaufen.

Wochenmarktflair statt Schmuddelimage

Heute will Aldi Nord, ebenso wie Supermarkt-Bruder Aldi Süd, weiterhin dem Schmuddelimage entgegenwirken. Wer als Kunde in einen neu gebauten Aldi-Markt geht, wird von freundlichem Licht empfangen – und nicht von Neonröhren. Es gibt Käsespezialitäten aus der Auvergne und frische Ravioli mit einer Füllung aus gegrilltem Gemüse. Aldi versucht, wie viele andere Supermärkte auch, Wochenmarktflair nachzuempfinden. Der Einkauf soll ein Erlebnis sein und nichts mit Ramsch zu tun haben.

Mit der Tütenkunst ist es deshalb auch nach dem Ende der Plastiktüte vermutlich nicht vorbei. Die neue Mehrwegtasche von Aldi Nord zitiert das alte Fruhtrunk-Design: Die Streifen von Blau und Weiß bleiben erhalten. Doch die Tasche wechselt vom Hochformat in ein Querformat.

Sie erinnert nun an einen Marktkorb – oder Ikeas blaue Mehrwegtragetasche Frakta. Die neue Aldi-Tasche besteht zwar immer noch aus Plastik, soll aber zu 100 Prozent recyclingfähig sein. Aldi Süd veranstaltet gar einen eigenen Wettbewerb für die neue Mehrwegtasche und gibt die Designs in einer limitierten Auflage heraus.
Die neue kleine Blaue: Das Design der Aldi-Tasche bleibt, nur das Format ändert sich. Quelle: Aldi Nord



Von billig zu edel – damit entspricht das Unternehmen gar einem aktuellen Designtrend: Das französische Luxuslabel Balenciaga schuf im Frühjahr 2017 eine Luxustasche, die aussieht wie Ikeas Frakta, aber 2000 Euro kostet. Designer Demna Gvasalia schickte für sein Label Vetements Models mit übergroßen Plastikreisetaschen über den Laufsteg, die an Modelle aus dem 1-Euro-Shop erinnerten.

Das französische Luxuslabel Balenciaga schuf im Frühjahr 2017 eine Luxustasche, die aussieht wie Ikeas Frakta, aber 2000 Euro kostet. Fotoquelle: Stuttgarter Nachrichten -
Ikea sah 2017 die ganze Sache gelassen und freute sich: „Wir sind tief geschmeichelt, dass die Einkaufstasche von Balenciaga der 99-Cent-Tasche von Ikea ähnelt. Nichts schlägt die Vielseitigkeit einer großen, blauen Tasche“, heißt es in einer Mail an den US-Fernsehsender Today. Im Internet sorgt der Herren-Shopper für zahlreiche Kommentare. Nutzer können sich nicht entscheiden, ob sie nun lieber eine blaue Tasche von Balenciaga möchten oder doch lieber die Ikea-Tasche für 99 Cent. Ein Twitternutzer fasst es so zusammen: „Du hast zwei Möglichkeiten im Leben: Entweder wird deine Wäsche in einer 2145 Dollar teuren Balenciaga-Tasche getragen oder in einer 99-Cent-Tüte von Ikea.“



Designer Bree sagt: “Die Ikea-Tasche war eine reine Zwecktasche. Inzwischen ist sie ein Fashion-Produkt geworden. Es gibt sie jetzt in Rosa und in Gelb. So etwas könnte ich mir für Aldi auch vorstellen.“

Eine elitäre Aldi-Tüte? Das wäre durchaus denkbar. Günter Fruhtrunk ist es mit seinem Design gelungen, das große Versprechen der Postmoderne, Kunst und Leben konsequent miteinander verschmelzen zu lassen, wahr werden zu lassen. Warum also sollte das nicht auch für die Mehrwegtasche gelten? Die Aldi-Tüte ist tot, lang lebe die Aldi-Tüte.

Von Geraldine Oetken - göttinger tageblatt
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tja - und nu isses soweit: 

ALLTAGSKUNST

Lars Eidinger entwirft eine Tasche für PB 0110 – im Stil der Aldi-Tüte

VON SASKIA IBROM - VOGUE.DE

Der deutsche Schauspieler Lars Eidinger hat für PB 0110 eine Tasche entworfen, die eine Verneigung und Wertschätzung dem Alltäglichen gegenüber ist.

Ein Schauspieler als Designer. Mit dem Shopper, den er exklusiv für das deutsche Label PB 0110 entworfen hat, feiert Lars Eidinger das wahrscheinlich bekannteste Taschendesign der Bundesrepublik: die Aldi-Tüte.

"Oft messen wir Luxusartikeln, die wir vielleicht ein-, zweimal im Jahr benutzen, einen höheren Wert zu als Dingen des täglichen Gebrauchs", sagt er. "Die Tasche ist eine Verneigung und Wertschätzung dem Alltäglichen gegenüber." Das Originalmuster qualifiziert sich sowieso als Kunst. Denn ursprünglich hatte der Münchner Maler und Grafiker Günter Fruhtrunk die Balken-Komposition der Plastiktüte als Auftragsarbeit für die Supermarktkette Aldi gestaltet, die sie millionenfach verkaufte. Vergangenes Jahr lief aus ökologischen Gründen die letzte Einwegplastiktüte bei Aldi Nord übers Band.

Die nachhaltig gefertigte und exakt den Maßen des Originals entsprechende "LE 1" hingegen wird während der Fashion Week in Berlin präsentiert werden und danach in ausgewählten Stores sowie über Pb0110.com erhältlich sein. Aus in Deutschland gegerbtem Rindsleder, limitiert auf 250 Exemplare, 500 Euro.

aus: vogue.de




Eidingers Edeltüte

Die Aldi-Tüte stand Pate für die Tasche, die Schaubühnenstar Lars Eidinger zusammen mit Philipp Bree entwarf. Für den ging damit buchstäblich ein Traum in Erfüllung

Lars Eidinger und Philipp Bree sitzen in der hintersten Ecke der Paris Bar, neben ihnen liegt eine Tasche, die einer Alditüte verdächtig ähnlich sieht. Nur ist sie aus Rindsleder und kostet 550 Euro. Lars Eidinger hat sie zusammen mit Philipp Bree entworfen. Der Name Bree steht für Taschenkompetenz, bis 2011 war Philipp zusammen mit seinem Bruder Axel Bree Geschäftsführer, jetzt hat er sein eigenes Taschenlabel PB 0110.

Herr Bree, Sie haben Lars Eidinger eine Tonaufnahme geschickt, um ihn zur Zusammenarbeit zu bewegen.

PHILIPP BREE: Ich habe davon geträumt, dass ich Lars in München getroffen habe und wir durch den Park gejoggt sind. Ich konnte mich am nächsten Morgen an alle Details erinnern und habe den Traum auf mein Telefon gesprochen. Meine Frau hat gesagt: Das kannst du auf keinen Fall verschicken.

LARS EIDINGER: Ich habe seitdem allen erzählt: Wenn ihr jemanden für euch gewinnen wollt, ist es ein guter Trick zu sagen: Ich habe von Dir geträumt.

Schicksal!

EIDINGER: Philipps Traum ging so weiter: Wir haben auf einer Bank gesessen und ich habe ihm eine Ledertasche gezeigt, in der viele Fächer und ein kleiner Kalender waren. Finde ich interessant im Zusammenhang mit der Tasche, die es dann geworden ist.

Es ist einfach nur ein Beutel.

EIDINGER: Und weil ich auch gar keinen Kalender führe. Ich habe alle meine Termine im Kopf. Dadurch, dass ich so viel mache, weiß ich immer nur, was am nächsten Tag dran ist.

Es hat Sie überzeugt, dass man von Ihnen geträumt hat.

EIDINGER: Philipp hat meine Nummer von der Designerin Ayzit Bostan bekommen, da gabe es eine Verbindung, sonst wäre das schwieriger gewesen. Natürlich muss man da an den Schauspieler im Frühstücksfernsehen denken, der erzählt, er macht jetzt auch Schmuck.

Das haben Sie schon öfter erzählt.

EIDINGER: Ja. Ich finde, man schränkt sich unnötig ein. Ich arbeite gerade an der Schaubühne an ,Peer Gynt'. Bei der Vorstellungsrunde habe ich bemerkt, wie sehr sich jeder bemüht, zu sagen, was er schon alles gemacht hat. Ich sträube mich zu sagen: Ich bin Schauspieler und darf nichts anderes machen. Und wenn der Schauspieler sagt, ich lege jetzt Platten auf, wird er gefragt, warum legst du jetzt auch Platten auf, du nimmst den anderen den Job weg.

Er macht es nur, weil er Schauspieler ist?

EIDINGER: Sonst würde sich keiner für ihn interessieren. Ich lege mindestens genauso lange auf, wie ich Schauspieler bin und interessiere mich genauso für Fotografie und Kunst. Das monochrome Blau von Yves Klein inspiriert mich viel mehr, als wenn ich einem Schauspieler zugucke. Es gibt schon welche, die ich bewundere, aber was mich wirklich zum Spielen, zur Kreativität anregt, ist Kunst.



Wie ging die Zusammenarbeit mit Philipp Bree vor sich?

EIDINGER: Die erste Tasche, die ich im Kopf hatte, war aus braunem Leder mit einem langen Gurt, das Klischee einer Ledertasche. Aber wenn ich zur Probe gehe, nehme ich oft Tüten mit, und ich brauche auch nur ein Fach. In der Schule habe ich immer am ersten Schultag meine Stifte noch in die Hülsen des Etuis gesteckt, am zweiten alles nur noch reingestopft. Selbst beim Sakko bin ich so zwanghaft, dass ich die Taschen immer zulasse, damit ich bloß nichts reintue, weil sonst das Sakko ausbeult. Ich meine natürlich Jacke und nicht Sakko. Ich habe mal gelernt: Adelige sagen nicht Sakko, nicht Toilette und auch nicht lecker. Die sagen schmeckt vorzüglich, Jacke und Klo.

Also, Sie mögen Tüten.

EIDINGER: Wenn ich ehrlich bin zu mir selbst, nehme ich eine Tüte. Das fand ich immer schon eine ansprechende Ästhetik und ich mag dieses Understatement. Dann fiel mir auf, dass die Plastiktüte vom Aussterben bedroht ist - zu Recht. Es ist noch nicht lange her, dass man gefragt wurde: Wollen sie eine Plastiktüte? Und man hat sie immer genommen. Eine Zeit lang habe ich, auch wenn ich sehr viel zu tragen hatte, immer nein gesagt. Einfach, um mich selber zu bestrafen, damit ich nie wieder ohne Tüten oder Beutel aus dem Haus gehe.

Wie kommt Aldi ins Spiel?

EIDINGER: Die Aldi-Tüte ist das Erste, woran ich bei Tüten denke. Die Form ist relativ unorthodox, viel zu groß. Unsere Tasche hat die gleichen Maße, die kommt einem viel zu groß vor.

BREE: Aber das Maß funktioniert gut. Das ist ein Readymade, das Maß kann man unter einem Strichcode bestellen, das ist keine Aldi-Erfindung.

Das darf man einfach verwenden?

EIDINGER: Was man nicht benutzen darf, ist der Druck von Günter Fruhtrunk. Das war der nächste Punkt, dass wir uns in der Faszination für einen Künstler wie Fruhtrunk getroffen haben, weil man Spaß daran hat, das zu entdecken. Wer weiß schon, dass er mit der Aldi-Tüte ein Kunstwerk durch die Gegend trägt.

Was kostet der Beutel?

EIDINGER: Es wird Leute geben, die sagen: Ich werde bestimmt nicht für eine Aldi-Tüte aus Leder 550 Euro ausgeben. Aber der Preis steht im Zusammenhang mit dem Aufwand. Wir bezahlen den Künstler für das Motiv, wir zahlen die Verarbeitung, das Material. Das ist überhaupt nicht als Luxusartikel gedacht, sondern eher als Hommage an die Dinge des täglichen Gebrauchs.

Nicht zynisch gemeint?

EIDINGER: Das ist nicht zynisch gemeint. Man kauft sich manchmal was, gibt dafür wahnsinnig viel Geld aus und das hängt dann nur im Schrank. Bei anderen Sachen des täglichen Gebrauchs ist man viel zu sparsam. Wenn ich mitbekomme, wie mein Bruder hin und her überlegt, wieviel er für eine Brille ausgibt, die er jeden Tag im Gesicht hat! In eine Tasche, die man täglich benutzt, kann man durchaus investieren. Und sie ist ein Statement zu Fast Fashion. Deshalb war es uns so wichtig, den Aufdruck „Mehrzwecktasche zum mehrmaligen Gebrauch“ von der Aldi-Tüte zu übernehmen.

Sie beschäftigen sich auch sonst mit dem Thema Mode?

EIDINGER: Das ist für mich eins, ich liebe ja auch Fotografie, mache Kunst und stelle aus, ich habe inzwischen eine Galerie.

Eidingers Instagram-Eintrag zur Tasche

Hat das angefangen mit der Ausstellung Ihrer Instagrambilder?

EIDINGER: Nein. Es ärgert mich immer eher, wenn geschrieben wird: Der veröffentlicht seine Instagrambilder. Es ist umgekehrt. Ich habe Instagram als eine Plattform entdeckt, wo ich meine Kunst zeigen kann. Das passt jetzt nicht so richtig rein, aber wenn wir uns ausgetauscht haben, hat Philipp immer wieder gesagt, gutes Auge. Auf der einen Seite habe ich etwas Zwanghaftes. Ich weiß genau, wie gewisse Sachen für mich zu sein haben und merke, wie ich nervös werde, wenn das anders ist. Da habe ich nicht so eine Großzügigkeit. Das ist besser geworden mit dem Alter, früher war das ganz schlimm.

Also auch, wie etwas auszusehen hat?

EIDINGER: Wie was zu stehen hat. Wie ein Komponist ein absolutes Gehör hat, habe ich ein absolutes Bewusstsein dafür, wie Sachen arrangiert sein müssen. Wenn ich mit vier Kollegen auf der Bühne stehe, weiß ich genau, wer wo steht und wo ich mich hinstellen muss, um die größtmögliche Präsenz zu haben, um das Arrangement in der Ausgewogenheit zu halten und eine Dynamik zu erzeugen.

Kleidung ist ein wichtiger Faktor in Ihrem Beruf. Wie wichtig ist das Verkleiden für Sie?

EIDINGER: Das kommt als Erstes. Man kann jetzt denken, das hat etwas mit Eitelkeit zu tun und da ist bestimmt auch etwas dran. Wenn ich mich einer Figur nähern will, die ich spiele, gehe ich vom Kostüm aus. Zum Beispiel sind die Schuhe für mich immer ganz wichtig. Beim Film sagen sie immer: Du kannst deine privaten Schuhe anziehen, weil die Schuhe fast nie im Bild sind, wenn man mal drauf achtet. Aber für mich ist die Absatzhöhe total wichtig für die Art, wie sich eine Figur bewegt.

Ist Ihnen Kleidung auch privat wichtig?

EIDINGER: Manchmal ist es schon interessant, dass ich beruflich sehr lang über Ärmellängen, Schulterpolster und Nähte diskutiere und privat eher Konfektion trage. Da würde ich nicht anfangen, Sachen zu ändern. Bei einer Naziuniform für eine deutsch-englische Produktion habe ich gesagt, ich hätte die gern einen Tick zu eng. Ich hätte erwartet, dass sie sagen, eine Uniform ist eine Uniform, die kannst du nicht verändern. Aber die fanden das super.

Das Kostüm hat also Auswirkungen auf die Darstellung?

EIDINGER: Wenn ich eine Nachlässigkeit über die Kleidung erzähle, hat das Konsequenzen für den Charakter. In einer Inszenierung hatte ich einen Pullover, der zu heiß gewaschen worden war. Ich konnte die Figur nicht mehr spielen. Es war elendig, wie die versucht haben, einen anderen Pulli zu finden. Dann musste Thomas Ostermeier den ganzen Tag diesen zu heiß gewaschenen Pullover tragen, weil der ja ein bisschen größer ist als ich, damit das Ding weiter wird.

Das Interview führte Grit Thönnissen - Tagesspiegel

Hommage an die Dinge des Alltags. Lars Eidinger feiert die Aldi-Tüte. Fotos: Benjakon, promo

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das ist dann mal edel-design andersherum und im purzelbaum: da entwirft ein großer abstract-konstruktivismus-künstler, nämlich günter fruhtrunk, 1970 die aldi-tüte, wie wir sie millionenfach auf der straße als shopping bag gesehen haben und immer noch sehen, so im diagonalen blauweißen zebrastreifen-design - und damit bewahrheitet sich ja schon der alte vorweggenommene "bauhaus"-traum, der dann wieder in der postmodernen die kunstschulen nach dem krieg neu beflügelte: "kunst und leben" miteinander zu vermixen zu einer einheit = "das leben ist schön"- (beispiel beuys: jeder ist künstler - alles ist kunst und seine aktion 7000 eichen). 

auch die alltags-zeitungs-layouttypographie bekam sein längst fälliges relaunch allerorten (beispiel: die welt, die zeit, der tagesspiegel), die gleichzeitig mit freien spannungsfeldern und linien und dezenten farbtonnuancen in und um den text und den großformatigen abbildungen in farbe oder auch wieder abrupt in schwarz-weiß die redaktionelle arbeit zurückfuhren, um platz zu schaffen für ästhetik und werbeeinspeisungen, auch um den abo-verlust der gedruckten papier-zeitung durch das internet mit werbeeinnahmen wieder aufzufangen - aber dabei auch einige redakteure freizusetzten - weniger wurde wieder mehr - und die augen des alltagskonsumenten gewöhnten sich an das (neue) layout und design, das zur alltäglichkeit wurde.

und nun kommt diese schleife in der entwicklung bzw. die kehrtwende: im niedergang des trägermediums plastik bei der alltags-tragetüte, die die alte pack-papierne tüte ja längst überholt hatte, aber nun allmählich wegen seiner fast uneingeschränkten langlebigkeit zum "permanent-verschmutzer" ersten ranges - auf den müllhalden, im straßenbild und in den weltmeeren - deklariert wurde, wird das gängige layout und design dieser gebrauchs- und kunstgraphiken nun einbalsamiert, indem man es veredelt auf luxustaschen in begrenzter auflage und zu preisen von früher 0,99 uro zu jetzt 550 oder gar 2500 uro hochstilisiert - natürlich nur mit first-class-prints auf hervorragenden trägermaterialien wie natürlich gewachsenem boxcalf-leder z.b.

also zusammengefasst: vom künstler und designer als gestalter eines massenhaften alltags-gegenstandes nun wieder als designgeber einer hochwertigen luxus-ausführung: von der einzel-gebrauchsgraphik zum massenprodukt nun wieder zurück zum veredelten einzelstück...

ich finde diese konsequenzen in der zusammenschau hoch interessant - und sie zeigen auch die strategien an den neo-liberalen kapital-überlegungen zur generierung von knete in der algorithmendominierten post-postmodernen im silicon-valley-modus - wer weiß wie lange noch (?)...

ach - und zu lars eidinger noch: ich weiß nicht, ob es nur das background graffiti-ambiente um seine präsentationsfotos des edel-"aldi"-bags sind, aber mir fällt bei seinen arbeiten immer der name "banksy" ein und dessen verkaufsstrategien ... - allerdings - ernsthaft - immer mit einer prise schlingensief - komisch ...

un-sinn in der medizin

Krise der modernen Heilkunst
Mehr sinnbasierte Medizin wagen -

Unser Gastautor ist Medizinprofessor. Mit der ärztlichen Kunst und Wissenschaft, wie sie derzeit praktiziert werden, ist er allerdings so unzufrieden, dass er ein radikales Umdenken fordert

Von Peter Paul Nawroth - Tagesspiegel


Den Stab gebrochen. Nicht nur auf Daten, Statistik und
Ökonomie, sondern viel mehr auf jeweils den einzelnen
Patienten und sein oder ihr Umfeld zu schauen, könnte
der Medizin ihren Sinn zurückgeben, sagt unser Autor
Foto: Getty Images; Montage: Taylan Bayhan/TSP
Wie steht es um die Medizin? Nicht gut. Das sage ich als Mediziner. Zwar sind Ärzte, Pfleger und Erfolge der Therapie in Deutschland besser als ihr Ruf. Auch Pharmafirmen sind mehr an medizinischen Fortschritten und weniger an Korruption der Ärzte interessiert, als oft vermutet wird. Aber trotzdem fährt die moderne Medizin gegen eine Wand.

Denn wenn sie das Erfüllen ihrer Regeln für wichtiger hält, als dem Patienten zu nützen, dann hat sie ihr Ziel aus den Augen verloren.

Dann hat sie ihren Sinn verloren.

Moderne Medizin, das ist vor allem evidenzbasierte Medizin (EbM). Ihr Prinzip ist, dass nicht der „Halbgott in Weiß“ - die Eminenz - nach Gutdünken eine Therapie verordnen kann, sondern dass Fakten, Studien, harte Daten - die Evidenz also - Grundlage für eine Therapie sein müssen.

Interessen. aber nicht die des Patienten

Was soll daran falsch sein? Nichts, solange die Fakten auch wirklich hart und universell gültig sind zumindest. Doch schon das ist alles andere als selbstverständlich. Und vielerorts ist aus der EbM eine IbM geworden, eine interessenbasierte Medizin. Und das ist ein großes Problem. Denn um die Interessen der Patienten geht es da meist nicht.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen.

2017 wurde im renommierten Fachblatt „New England Journal of Medicine“ eine Therapiestudie publiziert. Es ging darum, ob ein Präparat zur Cholesterinsenkung auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduziert. Über 13 000 Patienten wurden in jeder Gruppe untersucht. Die eine bekam das Mittel, die andere - Kontrollgruppe genannt - nicht. 11,3 Prozent der Patienten in der Kontrollgruppe wurden krank. Bei denen, die das Präparat erhalten hatten, waren es nur 9,8 Prozent. Die Fachwelt war begeistert. Man kann das „relative“ Risiko um ca. 15 Prozent senken, hieß es.

Aber 11,3 minus 9,8 Prozent ergibt nur 1,5 Prozent. Tatsächlich ist das, und nicht jene 15 Prozent, der wirkliche Unterschied, die „absolute Risikoreduktion“. Das Ergebnis lautet also eigentlich: Die Wahrscheinlichkeit, dass das Mittel, das übrigens auch Nebenwirkungen haben kann, einem Patienten hilft, liegt bei 1,5 Prozent. Sie ist also sehr, sehr klein.

Geben und Nehmen

Mich interessiert nicht, was passiert, wenn 13 000 Leute ein Medikament nehmen. Mich interessiert der Mensch, der vor mir sitzt. Mein Patient. In der Studie war zwar hinsichtlich der EbM-Regeln alles o. k. Für meinen Patienten aber wurde kein Fortschritt erzielt. Möglich wäre der. Etwa, wenn man der Firma Folgendes sagen würde: Das war ein interessanter Schritt nach vorne, doch nicht ausreichend für die Zulassung des Medikamentes. Denn es hilft ja statistisch gesehen nur 1,3 von 100 Patienten. Ihr solltet also bitte noch herausfinden, wie man die Patienten identifiziert, denen das Präparat nützt. Außerdem müsst ihr klären, ob die Erkrankung nur für kurze Zeit oder für einen richtig relevanten Zeitraum vermieden wird, darüber sagt eure Studie nämlich auch nichts aus. Und wenn die Effekte etwa bei Asiaten größer als bei Europäern waren, müsst ihr das auch veröffentlichen. Und ihr müsst offenlegen, dass ihr viele Erkrankungen in einen Topf geworfen habt, weil bei der Untersuchung nur einer einzigen kein signifikantes Ergebnis herausgekommen wäre.

Aber man darf nicht nur fordern, sondern eben auch sagen: Damit ihr all das in Ruhe erforschen könnt, wird euer Patentschutz verlängert. Denn wer den Weg von der interessenbasierten zur sinnorientierten Medizin wirklich gehen will, muss auch Anreize setzen, die gute klinische Studien fördern. Das jetzige Patentrecht schadet dabei. Eine Reform würde wissenschaftliche Aufgaben wie die gerade aufgezählten berücksichtigen und Möglichkeiten bieten, Patentlaufzeiten zu verlängern. Das wäre zum Wohle der Erkrankten und der Hersteller, die ohne solche Schonfristen kaum Interesse haben, langwierige, teure Studien zu machen, die dann womöglich auch noch den potenziellen Patientenkreis verkleinern.

Werte, Laborwerte, Bewertungen

Insgesamt ist all das natürlich noch ein bisschen komplexer. Aber eines wird deutlich: Es fehlt bislang oft eine entscheidende Perspektive bei der Bewertung solcher Studien: die des einzelnen Patienten und der einzelnen Patientin.

Für sie oder ihn war laut dieser Studie ein Nutzten unwahrscheinlich. Und selbst insgesamt, im Mittel über Tausende gerechnet, war er nur gering. Und auch der Grat zwischen solch geringem Nutzen und schädlicher Therapie ist schmal. Das kann man in meinem Fach beobachten, der Diabetologie.

Wenn man „Diabetes“ hört, denkt man zuerst an Blutzucker und Insulin. Wenn ich einen Diabetiker behandle, denke ich aber zuerst an: Erblindung, Nierenversagen, Beinamputationen, Herzinfarkt, erhöhtes Krebsrisiko, Schlaganfall und Tod. Es sind die sogenannten diabetischen Spätschäden.

Aber wussten Sie, dass Ärzte mit Ausnahme des Risikos für ein diabetisches Koma das absolute Risiko für all diese Folgeschäden durch Zuckerkontrolle nur im einstelligen Prozentbereich reduzieren können? Deswegen stellen Ärzte, die die Studien selbst gelesen und verstanden haben, den Blutzucker nur in einem mittleren Bereich ein. Und aus Erfahrung. Erfahrene, gut informierte Ärzte versuchen nicht, den Blutzucker auf das Niveau von Nicht-Diabetikern zu drücken.

Doch der Glaube an den Laborwert „Zucker“ ist so groß, dass, obwohl es Hinweise gibt, dass Diabetiker, die älter als 75 Jahre sind, sogar weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle bekommen als Nicht-Diabetiker, dennoch Studien durchgeführt wurden, um mit aller Macht und vielen Medikamenten den Blutzuckerwert möglichst zu „normalisieren“.

Blutzuckersenkung erfolgreich - Patient tot

Das Ergebnis: Kein Schutz, sondern vermehrt Todesfälle.

Wer übernimmt hier die Verantwortung? Leider lassen sich noch viele weiter Beispiele nennen, in denen von evidenzbasierter Medizin geredet wird, aber nicht das Patientenwohl im Mittelpunkt steht. Dazu zählen: Neue, immer niedrigere Grenzwerte für Bluthochdruck ohne tatsächlichen Nachweis, dass die dafür notwendige medikamentöse Behandlung mehr nützt als schadet. Oder auch die Orientierung am „metastasenfreien Überleben“. Letzteres klingt zwar gut, aber wir haben in den letzten Jahren lernen müssen, dass es wenig mit Lebensqualität und Lebenserwartung zu tun hat. Ähnliches gilt für Gewichtsreduktion und „gesundes“ Essen.

Die gegenwärtig praktizierte EbM bietet zu viele Schlupflöcher für nicht am Patientenwohl orientierte Interessen.

Was tun? Es würde schon helfen, die häufigsten wissenschaftlichen Irrtümer der Medizin einigermaßen auszuräumen. Dazu gehört die Verwechslung von Korrelation - also schlichtem Zusammenhang - und Kausalität - also echter Ursächlichkeit, aber auch übersteigerter Glaube an Grenz- und Schwellenwerte, das Unterschätzen der Gefahr einer Überbehandlung und die Unfähigkeit, Studiendaten durch die Brille des Patienten und nicht des Systems zu lesen. Und der Druck, „Positives“ zu berichten, schadet der kritischen Evaluation von Können und Nutzen. Denn zu wissen und zu sagen, was wir nicht wissen und nicht können, ist genau so wichtig.

Was nützt es?

Was wir uns fragen müssen: Begünstigen die Strukturen der evidenzbasierten Medizin Fehler wie die oben genannten? Ich denke ja. Denn sie stellen den Nachweis der Wirksamkeit einer Behandlung in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Arbeit, aber eben nicht den Sinn. Wenn man eine Studiengruppe groß genug wählt, kann ein marginaler Effekt statistisch als „signifikant“, also als Wirksamkeit, verkauft werden, auch wenn er für die allermeisten Patienten irrelevant ist. Oder: Wenn ein neues Krebsmedikament das metastasenfreie Überleben etwas verlängert oder das Gesamtüberleben um fünf Monate, dies aber mit Schmerzen an Händen und Füßen einhergeht, wird deutlich, dass „Sinn“ weiter greift als Signifikanz in der Statistik. Nur der Nutzen der Therapie für den Patienten, der zu mir kommt mit seinen Hoffnungen und Ängsten, seiner besorgten Familie, seinen Plänen und seinen Erfahrungen, kann letztlich mein Handlungskriterium sein.

Die wichtigste Frage lautet: Was ist die Sicht des Patienten?

Auch hier könnten Studien helfen. Die müssten fachübergreifend sein und die Wirkung einzelner, konkreter medizinischer Interventionen über lange Zeiträume genau untersuchen. Ein großes Problem hier ist, dass sich staatliche Institutionen fast vollständig aus der Finanzierung großer Therapiestudien mit vielen Probanden zurückgezogen haben und diese ganz der Pharmaindustrie überlassen. Aus der Sicht meines Patienten wäre es sinnvoll, wenn alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen schon in ihrer Zusammenfassung verpflichtend die für ihn wichtigen Fakten - das absolute Risiko und das zu erwartende zeitliche Ausmaß der Verschiebung des Beginns einer Erkrankung etwa - ebenso nennen müssten wie die Kennzeichen der Patienten, denen das Präparat nützt, und derer, denen es nicht nützt. 

Der etwas andere Mut zur Lücke

Würde man dies zur Pflicht machen, wäre der größte Schritt getan. Würde man dann noch die Fachgesellschaften zwingen, für ihre Therapieleitlinien Studien mit erwiesenermaßen geringer Aussagekraft und hoher Fehlerquote gar nicht zur Entscheidungsfindung heranzuziehen, wäre das der zweite große Schritt. Stattdessen müsste man sich immer mehr an derzeit entwickelten Werkzeugen zur Nutzung von Erfahrung und Intuition der Pflegekräfte und Ärzte orientieren.

Da es nicht sinnvoll ist, dass Leitlinien zwar gesicherte Aussagen über Wirksamkeiten von Therapien enthalten, in ihnen aber kaum die Rede von den genauso gesicherten Wissenslücken und offenen Fragen ist, wäre das Offenlegen von Wissenslücken nicht nur wichtig für die Forschung, sondern als dritter Schritt notwendig für eine sinnorientierte Medizin.

Das System ist gestört. Kürzlich etwa wurde eine Studie bei Hochdruck-Patienten in Afrika publiziert, deren Daten nur Rückschlüsse zuließen, ob ein Medikament den Blutdruck senkt, aber nicht, ob es Infarkten oder Schlaganfällen vorbeugt. Sie hatte das erkennbare Ziel, dort teurere Hochdruckpräparate zu vermarkten. Es wäre etwas anderes, hätten die Firmen das Geld investiert, um zu untersuchen, mit welcher Hochdrucktherapie man wirklich - konkret und bei welchen Patienten - Herzinfarkte und Schlaganfälle verhindern kann.

Wege aus der Sackgasse

So könnten Schritte von einer evidenzbasierten zu einer sinnorientierten Medizin aussehen. Die medizinische Wissenschaft muss dringend umdenken. Von der Planung einer Studie bis zur Veröffentlichung müssen medizinische Forscher konsequent die Patientenperspektive einnehmen. Sie müssen die untersuchten Parameter entsprechend wählen. Wir, die Wissenschaftler, haben die Aufgabe, Arzt und Patient konkrete Informationen zu liefern, anhand derer kluge, sinnvolle Entscheidungen individuell möglich werden.

Die Art und Weise, wie wir inzwischen evidenzbasierte Medizin betreiben, hat uns tief in eine Sackgasse geführt. Ihre guten, sinnvollen Seiten können wir aber nutzen, um sie zur sinnorientierten Medizin weiterzuentwickeln.

  • Der Autor ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Endokrinologie, Stoffwechsel und Klinische Chemie des Uniklinikums Heidelberg. Sein Buch „Gebt der Medizin ihren Sinn zurück“ ist im Springer Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro.


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während medizinische aufsätze in den großen medien meistens zum x-ten male das pro & kontra von "homöopathie vs. allopathie" beleuchten, hat hier endlich einmal ein profilierter klinikdirektor seine branche sehr "selbstkritisch" beleuchtet, nämlich wo in der alltäglichen behandlungsmedizin "der hase im pfeffer liegt" - dass am einzel"fall" einfach zuviel an zum teil divergierenden und konkurrierenden "interessen" aufeinanderprallen - einfach auch, weil medizin immer mehr ein lukratives wirtschaftliches geschäft ist der dort tätigen akteure, als dass es etwa "nur" um die "heilung" oder "wiederherstellung" eines patienten mit seiner ihn störenden und beeinträchtigenden vielleicht kranken normabweichung ginge.

und flugs wird ein solcher patient, wenn er denn seinen arzt aufsucht, zu einer art "steinbruch" oder "baugrube", an dem es also stück für stück von den verschiedensten "fachrichtungen" in zusammenarbeit mit der pharmaindustrie, den krankenkassen, und den globalen festsetzungen irgendwelcher laborwert-ausschüsse, irgendetwas zu richten und instandzusetzen oder auszuwechseln und hinzuzufügen gibt - ob es nun "notwendig" ist oder nicht, das sei mal oft dahingestellt.

und die gute alte "erfahrungsmedzin", wie sie seit jahrtausenden im "volk" existiert, wird ganz bewusst von akademischem kauderwelschvokabular abgelöst und in den hintergrund katapultiert, so dass die meisten patienten erst recht ängste produzieren, irgendetwas von den vielleicht bei ihnen übele nebenwirkungen auslösenden "verschriebenen" arzneien wegzulassen oder in den gulli zu schütten, denn das wäre ja dann eine umweltsünde sondergleichen.
dann lieber schlucken pille für pille und tropfen für tropfen und nach leiden und stöhnen wieder ausscheiden, denn vielleicht hilft's ja doch irgendwo und irgendwie - aber nichts genaues steht nicht mal auf dem beipackzettel oder ist von dort nicht in normalsprech zu übersetzen.

vor einigen jahren war ich wegen einer bluthochdruckattacke im krankenhaus - und wurde da in 5 tagen blutdruckmäßig medikamentös eingestellt - auf meinen neuen zielwert: 120:80...

nach dem krankenhausaufenthalt sollte ich schnurstracks einen kardiologen aufsuchen zur weiterbehandlung - und der tauschte alle medikamente aus - natürlich nur im rahmen dessen, was meine kasse denn dazu auch refinanziert - und er raunte: die verschriebene krankenhausmedikation sei auch in ordnung gewesen - aber seine neu-medikation habe etwas mehr - und jetzt kommts: "moderne forschungsmäßig neueste medizinperformance"  - und statt im krankenhaus 2 tabletten morgens schlucke ich nun seitdem jahr für jahr morgens 6 tabletten - und den blutdruck von 120:80 halte ich konstant ein - so gut, dass ich oft bei schnellem aufrichten sogar etwas schwindelig werde.

aber heute nach den jahren traut sich niemand - mein jetziger hausarzt nicht, der kardiologe als facharzt alle 2-3 jahre nicht - und ich auch nicht - mal etwas von diesem morgendlichen chemischen arzneimittelcocktail abzusetzen und mich gegebenenfalls neu einzustellen: mein hausarzt meint, einen gut schnurrenden motor dürfe man spritmäßig nicht irritieren... - 

so-so - und wir alle laufen wie die lemminge wegen der knappen zeitressourcen im medizinischen ambiente dort hinterdrein - nur gut, dass man inzwischen weiß, dass lemminge doch nicht in suizidaler absicht über den felsen ins wasser springen - das war ein wissenschafts-"fake"...

aber wer mit meiner scheinbar gottgegebenen medikation wem alle etwas gutes tut, das blicke ich nicht - und die begünstigten untereinander blicken das auch nicht mehr - ich wenigstens habe ja ab und zu etwas schwindel... - 

auf der suche nach der roten linie ... - sinedi.@rt III-V / XX


die muskel-lemminge

Das faschistische Männerbild: Ein gestählter Körper. Foto: picture alliance / dpa / TAGESSPIEGEL

Neuauflage von „Männerphantasien“

Von der Maskulinität zum Massenmord

Vor über 40 Jahren erschienen Klaus Theweleits „Männerphantasien“. Nun gibt es eine Neuauflage, die weitsichtige Erklärungsmuster für neurechte Gewalt bietet.

VON HANNES SOLTAU | TAGESSPIEGEL

Es ist ein holpriges Englisch, mit dem Stephan Balliet vor laufender Kamera zu rechtfertigen versucht, warum er Augenblicke später Menschen töten wird. Neben scheinbar auswendig gelernten antisemitischen und rassistischen Tiraden fällt im Video des Attentäters von Halle dabei auch dieser Satz: „Feminismus ist Schuld an der sinkenden Geburtenrate im Westen, die die Ursache für die Massenimmigration ist.“ Während Balliet mordend durch die Stadt zieht, bezeichnet er sich in seinem Livestream wiederholt als „Loser“.

Erbarmungslose Gewalt und demonstratives Selbstmitleid stehen nebeneinander. Musikalisch untermalt ist die halbstündige Aufnahme, die das Morden dokumentiert, zeitweise mit einem Lied, dessen Text die Taten von Alek Minassian verherrlicht: „Nutten lutschen meinen Schwanz, während ich Fußgänger überfahre.“ Minassian hatte bei einer Amokfahrt 2018 aus Frauenhass 10 Menschen in Toronto getötet.

Nur wenige Wochen nach dem Attentat in Halle erscheint die Neuauflage von Klaus Theweleits epochalem Werk „Männerphantasien“ (Matthes & Seitz, Berlin 2019. 1278 S., 42 €). 

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Eine furiose Theoriecollage, die nach der Veröffentlichung 1977 innerhalb kürzester Zeit zu einem Klassiker der Faschismus-, Gewalt- und Männerforschung avancierte. Rudolf Augstein bezeichnete sie damals in einer achtseitigen Rezension im Spiegel als „aufregendste deutschsprachige Publikation dieses Jahres“.

Faschismus als Ergebnis eines männlichen Körperzustands
Aber gilt das heute noch? Die Frage der Aktualität wird nach dem Erscheinen der Neuauflage von „Männerphantasien“ hierzulande diskutiert. Inwieweit können 40 Jahre alte Analysen, die sich zudem auf hundert Jahre zurückliegende Ereignisse beziehen, zum Verständnis der Gegenwart beitragen?

Denn Theweleit hat sein Werk nicht aktualisiert, lediglich um ein Nachwort ergänzt. Noch immer ist es ein Kaleidoskop von biografischen Fragmenten, Briefen und Tagebucheinträgen, in dem der heute 77-Jährige Persönlichkeiten aus dem Umfeld der Freikorps der Zwischenkriegsjahre in Deutschland untersucht. Dabei destilliert er einen Archetyp des „soldatischen Mannes“ heraus, der den Nationalsozialismus den Weg bereitete.

Auf 1174 Seiten versucht Theweleit nachzuweisen, dass faschistische Gewalt als Resultat eines gestörten männlichen Körperzustands gewertet werden könne. Viele NS-Täter hätten demnach im Laufe ihrer Sozialisation Prügel und militärischem Drill erlitten und dadurch lediglich einen „Fragmentkörper“ entwickelt, dessen gehemmte Emotionalität dazu führe, dass sie eine übersteigerte Angst vor der Ich-Auflösung entwickeln. Permanent fürchte die fragile Männlichkeit von der Außenwelt überwältigt, verletzt oder überflutet zu werden.

Herrschaft über das Weibliche

Der daraus resultierende faschistische Mann versuche Herrschaft über die vermeintlich unkontrollierbaren „weiblichen“ Anteile in sich zurückzuerlangen, das Weiche, Leidenschaftliche und Lebendige zu unterjochen. Diese gewaltsame emotionale Verstümmelung ziele letztlich auf die Erzeugung von Übersichtlichkeit und Ordnung, münde aber in einer enormen inneren Spannung.

In einen Zwang zur Gewalt drohe sich diese zu entladen, versuche „innere Zustände in riesige äußere Monumente“ zu verwandeln. Der Hass auf das fremde eigene Innere wird zum Hass auf das Fremde im Außen. Dessen Zerstörung zu einer imaginierten Notwehr.

„Ihre Aktion“, schreibt Theweleit, „richtet sich auf die Herstellung einer Weltordnung, wie sie sie für notwendig erachten. Notwendig für sie selbst – zur Herstellung ihres eigenen körperlichen Gleichgewichts – und für die sie umgebende ‚Kultur’ (Rasse, Religion et cetera)“.

Die Historikerin Birte Förster kritisierte unlängst in der „Süddeutschen Zeitung“, dass die von Theweleit untersuchten Beispiele nicht repräsentativ seien, er keinerlei Quellenkritik betreibe. Zudem ignoriere er die Vielfalt weiblicher Lebensentwürfe der Weimarer Republik, reduziere Frauen auf ihre Opferrolle und übergehe gar NS-Täterinnen.

„Ein Krieg gegen Frauen“

Auch eine kohärente Erklärung des Faschismus, die sich als umfassende Gesellschaftstheorie auf moderne Erscheinungsformen beziehen lässt, stellt der Text in den Augen vieler Rezensenten nicht dar. So merkt der Publizist Uli Krug an, dass Theweleit die Frage unbeantwortet ließ, „warum der ,soldatische Mann’ deutscher Bauart Konzentrationslager baute, sein alliiertes Pendant sie aber befreite“.

Doch aller methodischer und inhaltlicher Einwände zum Trotz: Theweleits Thesen sind für eine Analyse des Selbstverständnisses und der Beweggründe neurechter Gewalttäter durchaus fruchtbar. Unbestreitbar ist der Hass auf das Weibliche ein verbindendes Element in deren Gedankenwelt.

Sowohl Alek Minassian als auch Elliot Rodger, der Amokläufer von Isla Vista, trieb ein offen artikulierter Frauenhass an. Rodger sprach gar von einem „Krieg gegen Frauen“, fantasierte in seinem Manifest, dass er sie in Konzentrationslagern verhungern lassen würde.

Für Massenmörder wie den Norweger Anders Breivik, Christchurch-Attentäter Brenton Tarrant oder Stephen Balliet ist es der Feminismus, der die Reproduktion der „weißen Rasse“ bedrohe. Das Aufbegehren der Frauen öffne die Tore für die „Flüchtlingsströme“ und somit den Untergang der christlich-abendländischen Welt.

Gegen solche Drohbilder stilisieren sich die Mörder als gestählte Soldaten, zelebrieren in Bildern und Videos ihre Maskulinität, demonstrieren ein heroisierendes Beschützerverhalten, das Frauen zu Objekten degradiert.

Kathartische Gewaltakte enthemmter Grausamkeit

Die vermeintlichen Protektoren der Nation sehen den Massenmord als letztes Mittel gegen die „Gender-Ideologie“, „Verweichlichung“, „Feminisierung“, „Sexualisierung“ und die vermeintliche Unterdrückung des Mannes.

Ihre Manifeste und Aussagen zeugen von einer zutiefst gekränkten und bedrohten Männlichkeit, für die Gewalt als legitimes Mittel erscheint, um eine fantasierte natürliche Ordnung wiederherzustellen.

Über Jahre angestaute negative Emotionen und ein offensichtlich quälendes Selbstwertdefizit kulminieren schließlich in Gewalttaten. So ließe sich mit Theweleit durchaus argumentieren, dass Taten dieser Männer kathartische Gewaltakte enthemmter Grausamkeit darstellen, ein somit geradezu „ersehnter Ausnahmezustand“.

In seinem 2015 veröffentlichten Werk „Das Lachen der Täter“, das zugleich als Aktualisierung der „Männerphantasien“ gelesen werden kann, beschreibt Theweleit das Töten als „Jubel des Terrors zur eigenen Körperstabilisierung“.

Der „anti-weibliche Komplex“ ist dabei nicht nur auf rechtsextremistische Massenmörder begrenzt, sondern ebenso in den Gräueltaten von IS–Terroristen zu beobachten. Ein Typ wie Breivik sei demnach „strukturell patriarchaler Muslim wie auch norwegisch-christlicher Antisemit wie auch germanisch-sektiererischer SS-Mann“.

Und auch jenseits eines blutigen Ausagierens mittels Gewalteruptionen ist dieser Tage nicht zu bezweifeln, dass eine soldatische Männlichkeit weiterhin in höchsten politischen Ämtern anzutreffen ist. Da tönt AfD-Politiker Björn Höcke: „Nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft.“ US-Präsident Donald Trump breitet obszöne Verfügungsfantasien gegenüber Frauen aus: „Greif ihnen zwischen die Beine. Und dann kannst du alles machen.“

Und der brasilianische Präsident Bolsonaro wies eine Abgeordnete im Parlament mit den Worten zurecht: „Ich würde dich nie vergewaltigen, weil du es nicht wert bist.“ Sie alle eint ein Männertypus, der nur dann ein positives Selbstbild generieren kann, wenn Frauen herabgesetzt werden. Dessen Kampf der Auflösung vertrauter Konturen ins Uneindeutige und Unkontrollierbare gilt.

Gewaltgeschichte in männlichen Körpern

Beinahe verstörend ist, dass Theweleit in seiner psychologischen Analyse die Grenzen politischer Konzepte gegen die gefestigte Struktur des Soldatischen aufzeigt. Bessere Argumente allein kämen gegen den „Körperpanzer“ des rechten Gedankengutes nicht an. Sein beinahe banal klingender Ansatz: der Fokus auf die möglichst frühe Stärkung zwischenmenschlicher Beziehungen.

Ob das im Umgang mit antiliberalen Kräften der letzte Schluss ist, darüber darf getrost diskutiert werden. Als Warnung vor einer über Jahrtausende sedimentierten Kultur der Gewaltgeschichte in männlichen Körpern, die bis heute, wenn auch in abgeschwächter Form, gesellschaftlich reproduziert wird, bleiben Theweleits „Männerphantasien“ hochaktuell. Und als Mahnung dafür, dass das Geschlechterverhältnis als ein zentraler Schlüssel für den zivilisatorischen Fortschritt betrachtet werden muss.

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für mich war das schon vor 40 jahren ein standardwerk zur psychologie des männlichen faschismus - und mit dem oft zitierten theweleit-guru wilhelm reich, dem psychoanalytiker, der gerade uns kinder des faschismus soviel zu sagen hatte über die psyche unserer väter und deren generationen, die so schnurstracks in diese konservativ nationalistisch-faschistische massenmörder-falle tappten.

und dazu gehörten ja immer zwei: einmal etwas, was diese fallen aufstellte und scharfstellte - und dann diejenigen, die trotz allem eigentlichen besserwissen und trotz moral & glauben mit augen-zu-und-durch hineintappten, und die dann nach dem krieg als duckmäuser und schweiger das versuchten wieder aufzurichten, was sie in grauer uniform, "im deutschen ehrenkleid", so gänzlich und millionenfach verbockt hatten.

viele beteiligte wussten hinterher selbst nicht, wie ihnen geschehen war - und die meisten sagten "ich doch nicht" - aber ein großteil ihres schweigens war die scham vor dem persönlichen versagen gewesen.

wir 68-er, die dieses "standarwerk" geradezu verschlungen haben, wollten ja nun endlich wissen, warum unsere väter und großväter so getickt hatten - und einige ja noch immer - auch wieder neu und heutzutage - weiter im gleichschritt hinterdreintapern: offenen auges in den untergang - fast ein kollektiver nachbarschaftssuizid...

verblendet und trunken und mit raffiniert angelegter propaganda - und neuerdings dazu die hetze aus den sozialen netzwerken - was den adrenalinspiegel bis an den schlag vollpumpt: "heute gehört uns deutschland - und morgen die ganze welt"...

das war eigentlich unglaublich, wenn man dann nach dem krieg all diese "tapferen kämpfer & helden" im ganz banalen schützenverein sah, wie sie den schützenkönig auskungelten untereinander - und kleine deals und geschäfte verabredeten a la "klüngel" - und sich posten und pöstchen zuschusterten.

und die tatsächlichen täter und mörder, die überlebt hatten, wurden von sich rasch ausbreitenden "netzwerken" geschützt und versteckt - auf alle fälle nicht verraten - denn das ging gegen die "ehre" eines wehrmachtsoldaten oder eines mitkämpfers in der ss, in der "schwarzen uniform"...

und warum das so und nicht anders war, und welche falschen weichenstellungen im kopf dem alle zugrundeliegen, das hat uns theweleit mit wilhelm reich nahebringen wollen.

und heute können die afd und die populistischen bestrebungen mit ihren gallionsgfiguren in aller welt auf der einen seite - aber auch die #me too-bewegung auf der anderen seite - diesen wieder aktuellen text ganz neu durcharbeiten - damit man allseits versteht, wie und warum man soooo tickt und nicht anders - und wie die "spiegelneuronen" die nur angedeuteten gefühlsregungen z.b. der eltern auf ihre kinder, oder der "männer" in bezug auf die "frauen", im geist schon virtuell vollenden und so durchleben, dass sie dann auch wie in trance in real life ausgelebt werden und sogar zur "tat" führen können ... 

- ein jahrhundertwerk - gewiss ... auch wieder in dieser neuen gerade bgonnenden dekade.


und jetzt bist du wieder dran... ping-pong-politik: westen - iran

Konflikt zwischen USA und Iran 

Die Zeichen stehen erst einmal auf militärische Zurückhaltung

Von Christoph von Marschall | Tagesspiegel


Der Raketenangriff des Iran auf US-Stützpunkte ist – so paradox es scheint – ein Zeichen der Deeskalation. Beide Seiten wahren ihr Gesicht. Ein Kommentar.


© DPA/AP/VAHID SALEM

Iran sendet mit seinem Vergeltungsschlag auf US-Stützpunkte im Irak widersprüchliche Botschaften – alles in allem aber ein Signal der Deeskalation. Als hätten sie sich abgesprochen, betonten Außenminister Mohammed Dschwad Sarif und Präsident US-Präsident Donald Trump nach den Raketenangriffen: Wir wollen keine Zuspitzung, schon gar nicht offenen Krieg.

Nun besteht die Chance, den riskanten Konflikt zwar nicht zu befrieden, aber auf ein niedrigeres Niveau von Nadelstichen und Feindseligkeiten zurückzuführen, das sich diplomatisch unter Kontrolle halten lässt.

Einerseits wollte Iran den USA einen starken Schlag in dem unerklärten Kleinkrieg versetzen, um dem Volkszorn über die Tötung von ihrem General Qassem Soleimani Ausdruck zu verleihen. Andererseits war Teheran darauf bedacht, amerikanische Opfer zu vermeiden, um keinen US-Gegenangriff zu provozieren und es Präsident Trump zu ermöglichen, nicht erneut militärisch zu reagieren.

Iran hatte die Regierung in Bagdad vorab über mögliche Ziele informiert – wohl wissend, dass damit das US-Militär im Irak vorgewarnt war und sich schützen konnte. Tatsächlich gab es keine amerikanischen Opfer.

Angriff auf US-Botschaft war Überschreiten der „roten Linie“

Ein Signal der Stärke waren die Mullahs ihrer Bevölkerung schuldig, auch aus Selbsterhaltungstrieb angesichts der Massenproteste in den Wochen zuvor wegen Wirtschaftskrise und steigenden Benzinpreisen. Erstmals feuerte der Iran Dutzende Raketen vom eigenen Boden auf US-Ziele und bekannte sich dazu. Zuvor hatte er in der Regel verbündete Schiitenmilizen im Irak, in Syrien, im Libanon zuschlagen lassen und unterstützt, aber die eigene Verwicklung abgestritten.

Zwei der vielen Botschaften in den jüngsten Feindseligkeiten beunruhigen und stellen Teherans ansonsten wohlüberlegte Risikoabschätzung infrage. Vor den Militärstützpunkten hatte der Iran eine US-Vertretung attackiert. Der vorsätzliche Angriff auf diplomatische Niederlassungen ist ein Tabu im Völkerrecht. Der Überfall auf die US-Botschaft in Bagdad war der entscheidende Schritt in der jüngsten Eskalation. Die Mullahs mussten wissen, welche Emotionen dies mit Blick auf die traumatische Besetzung der US-Botschaft in Teheran 1979 auslöst. Dennoch hat Teheran erneut diese „rote Linie“ überschritten.

Zweitens entschied sich der Iran bei der Zielauswahl der Raketenangriffe für Stützpunkte, auf denen neben irakischem und US-Militär Soldaten europäischer Länder stationiert sind, die Teheran in diesem Konflikt auf seine Seite ziehen möchte. Darunter die Bundeswehr. Oder ist es umgekehrt: Die Mullahs kalkulieren kühl und zutreffend, dass Deutschland sich selbst dann nicht gemeint fühlt, wenn seine Soldaten mit Raketen beschossen werden? Das wäre erst recht beunruhigend.

Beide Seiten wahren ihr Gesicht

Für den Moment gönnen sich der Iran und die USA gegenseitig Gesichtswahrung. Trump hat einmal scharf zugeschlagen und kann nun gelassen bleiben. Er bekräftigt, er werde nicht zulassen, dass der Iran Atomwaffen baut. Auf einen besseren Vertrag mit diesem Ziel sollten Berlin, Paris und London ihre Diplomatie konzentrieren. Die Mullahs können behaupten, sie hätten mit Stärke reagiert. Zugleich haben sie US-Opfer vermieden, was sie nach innen mit der Propagandalüge verdecken, sie hätten 80 US-Bürger getötet. Im Mittleren Osten gehören solche Vexierbilder, die man analytisch entwirren muss, zur Tagesordnung. Westliche Öffentlichkeiten sind weniger geübt im Enträtseln.

Risiken bleiben. Voran die Frage, ob der Grund für den Absturz eines ukrainischen Flugzeugs bei Teheran während der Angriffe technisches Versagen war, wie der Iran vorschnell behauptet, oder ein versehentlicher Abschuss beim ersten Masseneinsatz der iranischen Raketen? Nach den vielen Toten durch eine Panik bei den Trauerzeremonien für Soleimani wäre dies ein schwerer Rückschlag für den Iran mit unkalkulierbaren Folgen. Im Ukrainekrieg hatte der Abschuss eines Passagierjets durch prorussische Milizen die internationale Stimmung gegen Moskau gewendet. Auch die inneren Machtkämpfe in Teheran bleiben eine Gefahr für die Entspannung. Ajatollah Chamenei kündigt, anders als Außenminister Sarif, weitere Racheakte an.

Dennoch, fürs Erste stehen die Zeichen auf militärische Zurückhaltung. Eine selten gute Nachricht vom Golf.

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stuttmann-cartoon aus dem tagesspiegel



wach ich oder träum ich - gestern hatte ich noch so ein flaues gefühl im bauch - mit der angst: "es gibt krieg" - und es riecht alles wie damals beim ausbruch des 1. weltkrieges, als bündnisse die verschiedenen staaten gegenseitig mit hineinzogen, weil sie ihren "verpflichtungen" und ihrem "nationalstolz" nachkommen mussten.

und das war vorgestern ja ähnlich: wer tummelt sich da alle im nahen osten: amis, deutsche, trump und die russen, engländer, erdogan und seine truppen, die kurden, syrer, libanesen, is-reste, israel, die palästinenser, hisbollah, schiiten, sunniten, die saudis, iran, irak und und und... - und jeder ist irgendwem irgendwie verpflichtet oder eben spinnefeind - je nach gusto und tagesform und taufbecken.

und heute dann - hat irgendein schiedsrichter (und wenn auch der von ganz ganz oben) das spiel erst einmal wieder abgepfiffen: 1:1 - zumindest halbzeitpause - nach schwachem spiel...

obwohl ich ja darüber eigentlich glücklich sein sollte bin ich mittlerweile schon so public-pervers, dass ich mich in meinen gefühlen dazu ziemlich verarscht vorkomme: 

  • mir scheint nämlich, als würden diese erdölproduzierenden länder aus angst vor den e-fahrzeugen allmählich die große muffe bekommen - und eben einfach mal kleine oder größere scharmützel verabreden, damit der preis an der tanksäule erst einmal noch stimmt - und es soll dein schaden lieber ölbruder nicht sein ...

da weiß der herr trump und sein geheimdienst ganz genau, wann der herr general soleimani auf dem flughafen von bagdad eintrifft - und welches von zwei bereitgestellten autos er denn auch besteigt - und schwupps, wird er dann gezielt zur rechten zeit im richtigen auto ungepanzert getroffen und auch getötet.

und während man den pöbel in iran aufhetzt zu wut und trauer und massenpanik, ob dieses erschröcklichen mordes - erfährt man hinter vorgehaltener hand, dass in gewissen einflussreichen kreisen im iran und im nahen osten eben bei jenem general soleimani der lack ziemlich gelitten hatte - und früher wohl viel mehr lametta gewesen sei... - will sagen: vielleicht hat man ihn auf höchster ebene "zur rechten zeit" zum abschuss freigegeben...

denn der "gegenschlag" der wütenden mullahs entpuppt sich bei näherer betrachtung eher als ein pusten mit wattebäuschchen: da nennt man dem "verhassten gegner" zeit & stunde & ziele & wann & wo & haste nicht gesehen... - und versichert sich gegenseitig, "wahrscheinlich" keinen krieg mehr zu wollen - kein wiederanpfiff für eine zweite halbzeit - schluss - aus - "erst einmal" - und vielleicht auch wieder verhandlungen wegen dem zu guter letzt von beiden seiten aufgekündigten atomabkommen...

trump hat wieder einen deal gemacht für seine tumbe krämerseele und kann sein frackingöl und frackinggas weiter teuer verkaufen - und die mullahs haben das volk wieder hinter sich gebracht, denn das war sauer wegen der amerikanischen sanktionen und ist eigentlich recht kriegsmüde und schob den mullahs die schuld zu für sein dahindarben...: alles wieder vorbei: das volk steht wie eine eins hinter den pfaffen und jubelt im zorn - und der trump hat einen tollen coup gelandet - und der ölpreis stimmt erst einmal wieder  - und ein bisschen schwund ist immer...

und dreht euch wieder um ...