Ein Textauszug von meiner Website-Titelseite:
Welch unüberschaubar vielfältig funktionierendes kleinteilig organisiertes Heer
von verschwiegenen MittäterInnen, HandlangerInnen und MitwisserInnen ist insgesamt in die Durchführung jedes einzelnen dieser ca. 300.000 "Euthanasie"- Verbrechen und den rund 400.000 Eugenik-Sterilisations-Verfahren involviert: z.B. Ärzte, Richter, Amtsinhaber vor Ort, Ortsfürsorgerinnen, Staatsanwälte, Polizisten - Beamte, Bedienstete und Sachbearbeiter in einer Vielzahl von zuständigen Ämtern und Verwaltungen der beteiligten Institutionen - Krankenpflege- und Medizinalpersonal, Fahrdienstleiter, Zugführer, Busfahrer - aber ebenso natürlich auch ängstlich-schamhafte, schweigende, gleichgültige oder abgelenkte und überforderte geplagte Angehörige, Nachbarn und sonstige Bezugspersonen - Mitmenschen also wie du und ich - aus der Mitte der Gesellschaft. Gefangen in jener "Banalität des Bösen", wie Hannah Arendt diesen Zustand apostrophiert hat - diese schockgefrorenen grausamen zombiehaft funktionierenden Alltäglichkeiten inmitten eines rundherum ablaufenden Traumas.
An jedem derartigen Verfahren zur Sterilisierung oder gar bis zur "Euthanasie"-Ermordung waren bestimmt mindestens 10 bis 15 Personen arbeitsteilig eingebunden, beteiligt oder davon betroffen. Und das rechnet sich hoch zu mehr als 3 bis 4 Mio. Mitwissende aus den Reihen unserer Vorfahren in jener Zeit, bei über 8 Mio. eingetragenen NSDAP-Mitgliedern von knapp 80 Mio. damaligen Einwohnern insgesamt. Und wie viele beteuerten und versichern, von "nichts gewusst" und "nichts mitbekommen" zu haben.
In dieser Fortsetzung stehen meines Erachtens die Äußerungen von Wolf Biermann im "TAGESSPIEGEL" (click zum gesamten Interview) , wo es heißt:
Foto: Steffen Roth, Tagesspiegel |
„Aggressives Selbstmitleid“
Wolf Biermann bescheinigt den Ostdeutschen chronische Seelenschäden
Der Lyriker und Liedermacher beklagt die politische Einstellung vieler Ostdeutscher und macht dafür auch das Mitläufertum zu DDR-Zeiten verantwortlich. Die Erfahrung würden auch weitere Generationen prägen.
Von Robert Ide, TAGESSPIEGEL
Der Liedermacher und Dichter Wolf Biermann bescheinigt den Ostdeutschen in der Debatte um ihr Demokratieverständnis chronische Seelenschäden. „Die Ostdeutschen sind nach zwei Diktaturen hintereinander doppelt geprägt. Kaputte Häuser und Straßen kann man in 30 Jahren wieder aufbauen, kaputte Menschen dauern etwas länger“, sagte Biermann dem Tagesspiegel.
Die neue Ostalgie-Welle mit derzeit erfolgreichen Büchern über den DDR-Alltag und die verkorkste deutsche Einheit spiegele keineswegs eine Sehnsucht nach alten Zeiten wider: „Das ist keine Sehnsucht, das ist aggressives Selbstmitleid.“
In der DDR habe es für die Menschen viele gute Gründe gegeben, sich feige zu verhalten, führte Biermann in dem Interview aus. „Aber wenn Menschen alles Unrecht dulden, wenn sie im Betrieb oder in der Familie immer den Schwanz einziehen oder den Kopf, dann macht sie das chronisch seelenkrank. Diese Deformation wird unbewusst vererbt von Generation zu Generation“, so Biermann.
Der 86-Jährige fügte in dem Gespräch an: „Wir alle gehen nicht nur kaputt an den Schlägen, die wir einstecken, sondern auch an den Schlägen, die wir nicht austeilen.“
Biermann bezeichnet Opposition gegen die DDR als sehr klein
Rückblickend bezeichnete Biermann, der in der DDR einer der wichtigsten Dissidenten war und nach seinem legendären Konzert in Köln 1976 ausgebürgert worden war, die Opposition in der DDR als sehr klein. „Vielleicht waren wir an die 1000 Leute in der ganzen DDR, die sich gewehrt haben. Gemessen aber an 16 Millionen gehorsamen Untertanen in dieser Diktatur war das nicht viel mehr als bei einem Zweifüßler.“
Am Ende einer Diktatur wimmele es immer von Widerstandskämpfern. „Plötzlich sind aus dem Tausendfüßler abertausende Freiheitshelden geworden.“
Biermann lebt in Hamburg. Am kommenden Mittwoch eröffnet im Deutschen Historischen Museum in Berlin eine Ausstellung „Wolf Biermann – ein Liedermacher und Lyriker in Deutschland“.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen