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der wolf lebt mit und nicht gegen uns

"Rotkäppchen" nach Gustave Doré vom Graveur Francoise Pannemaker (1862) - Montage: S!|art




Zwischen Mythos und Märchen

Kölner Museum erforscht das schlechte Image des Wolfs

Von Christoph Driessen


Der Wolf ist zurück in Deutschland. Passend dazu untersucht eine Ausstellung sein Bild in der Kunst. Der Kurator hat sogar eine Theorie dazu entwickelt, warum der Wolf ein so schlechtes Image hat. Man muss dafür 2000 Jahre zurückgehen.

»Der Wolf ist tot, der Wolf ist tot«, jubeln die sieben Geißlein im Märchen der Brüder Grimm. Aber das war einmal – der Wolf ist quicklebendig. Ostwestfalen, ja selbst Teile des Ruhrgebiets gehören mittlerweile offiziell zu seinem Revier. Und mit der Rückkehr des Raubtiers ist das alte Bild von der Schafe reißenden, Menschen bedrohenden Bestie wieder da.

Diese verengte Sicht wird jetzt durch eine kleine, aber interessante Kunstausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum erweitert. Bis Ende April sind in der Schau »Zwischen Mythos und Märchen« etwa 30 Wolf-Darstellungen seit dem 16. Jahrhundert zu sehen, darunter Werke von Giovanni Benedetto Castiglione, Peter Paul Rubens, Gustav Doré, Lovis Corinth und Max Klinger.

Holzschnitt von 1578:
Romulus & Remus und die säugende Wölfin
Ein positives Bild des Wolfs vermittelt zum Beispiel die antike Sage von Romulus und Remus, die von einer Wölfin – Mamma Lupa – gesäugt werden. Man könnte Rudyard Kiplings Mogli hinzufügen, der ebenfalls bei Wölfen aufwächst. Die nordamerikanischen Indianer verehrten den Wolf.

Im deutschen Märchen und im Volksglauben überwiegt jedoch das Bild vom blutrünstigen Monster. Jeder, der im Zoo oder einem Wildgehege schon mal einem leibhaftigen Wolf gegenübergestanden hat, wird sich fragen, womit dieses Tier – kaum furchteinflößender als ein Schäferhund – das verdient hat. Thomas Ketelsen, der Kurator der Kölner Ausstellung, hat dazu eine interessante Theorie entwickelt: Der Kunsthistoriker verweist auf die antike Legende von König Lykaon, der Menschenopfer darbringt. Die Götter verwandeln ihn daraufhin zur Strafe in einen Wolf.

Die Geschichte fand große Verbreitung und kann vielleicht erklären, warum die Menschen im Wolf immer schon etwas Dunkleres gesehen haben als nur ein wildes Tier. Der Wolf stünde demnach für die Überschreitung zivilisatorischer Grenzen, für das Tier im Menschen schlechthin. »Ich glaube, es ist diese Besetzung, die dem Wolf ganz unterschwellig – kein Mensch weiß mehr davon – bis heute anhaftet«, meint Ketelsen. Das Motiv wurde im Mittelalter von Werwolf-Sagen aufgenommen – auch hier ist das Tier wieder ein verwandelter Mensch. Im bekanntesten Wolfsmärchen »Rot­käppchen« wiederum symbolisiert er die sexuelle Gier des Mannes. Eigentlich ist es also nie das Tier, das böse ist, sondern der darin versteckte Mensch.

Die Märchen entstanden in der Frühen Neuzeit, als die Wälder in Europa großenteils abgeholzt wurden: Man benötigte das Holz zum Bauen und Heizen. Dadurch wurde der Lebensraum des Wolfs immer weiter eingeschränkt, und es kam zwangsläufig zu Konfrontationen. Auch das könnte mitgespielt haben. Die heutigen Waldbestände entstanden ganz überwiegend erst im 19. Jahrhundert durch Aufforstung.

»Auffällig ist, dass der Wolf in den Zeiten, als er tatsächlich noch eine Bedrohung war, durchweg als großes böses Tier dargestellt wurde«, erläutert Bilderbuch-Expertin Maria Linsmann. »Im 20. Jahrhundert dagegen, als er hier ausgestorben war, bekommen Darstellungen des Wolfs eine ironisch-witzige Note – er wird mitunter regelrecht verulkt.« Von dieser These ausgehend, müsste sich gerade jetzt wieder eine Verschiebung ergeben. »Ich vermute allerdings, dass der Tierschutz mittlerweile so stark ist, dass die allermeisten rufen werden: »Ach guck mal, der süße arme Wolf!«

»Wolf in Dreiviertelansicht« von Marcus de Bye  von 1659


Zur Ausstellung 
Die Ausstellung »Der Wolf zwischen Mythos und Märchen« im Wallraf-Richartz-Museum Köln läuft bis zum 28. April. Geöffnet ist sie von Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr, jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat bis 22 Uhr (Eintritt 15 Euro, ermäßigt 11 Euro). Zur Ausstellung erschienen ist ein kleiner Katalog mit Essays.

WESTFALEN-BLATT, Mittwoch 6. Februar 2019 - S. 23 KULTUR

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von wegen: "der wolf ist tot - der wolf ist tot": der wolf lebt - und endlich wieder mitten unter uns - und ich wohne sogar in einem ausgewiesenen wolfsgebiet, insofern ist er ja irgendwie auch mein nachbar - aber ob ich in seinem revier eine existenzberechtigung habe - das steht auf einem anderen blatt...

erinnere dich doch mal an den film "der mit dem wolf tanzt" mit kevin costner, vor fast 30 jahren (1990) abgedreht. die indianer haben in dem streifen dem costner - im film heißt er dunbar - diesen namen gegeben, weil ein wolf immer seine nähe aufsucht. überhaupt haben die indigenen völker auch "in echt jetzt" mit dem wolf gelebt - sicherlich in gegenseitigem respekt der "reviere" - und bei übertretungen mit den entsprechenden konsequenzen - ansonsten aber in einer jahrtausende alten friedlichen koexistenz.

denn auch unser heutiger haushund (canis lupus familiaris), mit dem wir so gern herumtollen und der auch als hüte- und helfertier und sogar als kamerad des jägers, als jagdhund, eingesetzt wird, wird ja, wie der lateinische name schon sagt, dem wolf (canis lupus) als unterart zugeordnet. 

wann die domestizierung stattfand, ist umstritten; wissenschaftliche schätzungen variieren zwischen 15.000 und 100.000 jahren vor unserer zeit... eine solche domestizierung des wildtieres wolf zum kameraden haushund kann nur allmählich über jahrtausende hinweg entstanden sein im engen miteinander und in partnerschaft zwischen tier und mensch. in gegenseitiger neugier aufeinander und im werben mit "futter" um die gunst. und alles andere ist mythos und märchen und futterneid. 

und ob ich als bewohner eines wolfreviers deshalb jetzt angst habe ?
nö - keineswegs - ich wohne im 9. obergeschoss und ich freue mich schon auf den tag, wenn der wolf - oder bei uns ist es wohl eine wölfin - über das riesen-abenteuerspielplatz-areal von einem höher gelegenen schulhof herunterkommend unten vor dem haus über wiesen und sandkästen streift - oder gerade aus dem kleinen angrenzenden wäldchen tritt...

der wolf geht immer schnurgerade den nächsten weg zu seinem ziel, so ist sein inneres "navi" wohl vorprogrammiert, habe ich neulich von einem wolfs-experten gelesen, sodass er eben auch mal mitten durch ein dorf streifen kann - und auch am kindergarten vorbei (i.w.: "vorbei") - und eben deshalb auch hier über den spiel- oder schulplatz laufen kann ...

denn wenn der wolf gesund ist - also auch nicht mit dem tollwut-virus infiziert ist, das auch viele füchse in freier wildbahn heimsucht - ist er "von natur aus" eigentlich ein menschenscheues tier, das sich nichts aus uns macht und uns meidet, und sich nicht darum kümmert, was sich links oder rechts von seinem pfad tut ... er mag keine menschen, aber er liebt kleine schafe - nicht weil sie so putzig aussehen, sondern weil sie ihm gut schmecken - das hat er zum beispiel auch mit den griechischen menschen oder den anderen balkanbewohnern gemein, die auch gern lammfleisch essen -  und er reißt auch mal kleine rehe, kaninchen vielleicht - eben alles was ein fuchs auch fressen würde - aber eben eine nummer größer ...

und wir leben ja auch friedlich ohne jede hysterie mit dem fuchs: in berlin trotten die sogar mir nichts dir nichts inzwischen über die straße und gehören zum stadtbild - und ich habe dort vor 5 jahren einen fuchs beobachtet, der aus einem grünstreifen spazierte, vor der roten fußgängerampel anhielt (weil wohl zuviel autos da die straße befuhren) - und korrekt bei grün über den überweg tapperte ...

es werden noch ein paar jahrzehnte vergehen, bis dann auch der wolf so durch die großstadt streift, aber wenn er gezielt angefüttert wird und in mülltonnen beim schlachthof seine leckerlis findet, wird er sich dorthin seinen weg bahnen ... 

er ist einfach teil der belebten natur - so wie wir - aber als "krone der schöpfung", die wir uns selbst aufgesetzt haben, vergessen wir das oft: dass die tiere und auch die pflanzen unsere gefährten sind - gefährten, die unser leben begleiten und bereichern - so wie wir ihr leben möglichst in respekt begleiten - und mit dem ur-ur-ur-enkel vom wolf, mit dem hund, klappt das ja über jahrtausende schon ganz gut - nur die katze hat da noch so ihren eigenen kopf: tiere, die ganz einfach nach nahrung suchen für sich und ihre jungen - so wie wir - und die - mit uns - einfach ihre wege gehen - im friedlichen miteinander ...

und gerade lese ich in der neuen "zeit" folgenden satz:
  • "Außenpolitik wird zum Leben im Wolfserwartungsgebiet – voller neuer Gefahren, die gemanagt werden müssen." (aus: Jörg Lau - Der kalte Krieg taut auf - DIE ZEIT 07/2019, S.3)
in dieser "blumigen" - man könnte auch sagen "blutigen" - sprache rückt der journalist jürgen lau den begriff "wolfserwartungsgebiet" in die nähe "neuer gefahren" ... - da wird einfach um des "bildes" willen eine metapher erzeugt, die die alten vorurteile gegen den wolf wieder neu befeuern - einfach so und ohne jede not ... und bald setzt sich das dann als "gängiger sprachgebrauch" auch im deutschunterricht der schulen und in den journalistik-kursen fest ...: der begriff "wolfserwartungsgebiet" könnte auch etwas freundlicheres ausstrahlen - etwas, was positive spannung erzeugt - etwas, was man kaum noch aushält, was man kaum erwarten kann ...

nix für ungut - und chuat choan
  

mehrwert: banksys schredder-bild seit heute für immer in deutschland




click zum 6-min. ttt-video

Banksys Schredderbild

„Banksys Fragen haben auch schon die alten Meister gestellt“



Von Geraldine Oetken / RND - RedaktionsNetzwerk Deutschland

Christiane Lange ist die Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart. Hier wird das legendäre Schredderbild des Street-Art-Künstlers Banksy, „Love is in the bin“, ab März dauerhaft zu sehen sein. Zuerst ist es im Burda-Museum Baden-Baden zu sehen. Ein Gespräch über Street Art, alte Meister und den Kunstmarkt. 
Es war spektakulär: Nachdem im Oktober 2018 ein Bild von Banksy für 1,2 Millionen Euro versteigert wurde, lief es durch einen Schredder. Nun lässt die anonyme Sammlerin das Bild im Burda-Museum Baden-Baden ausstellen und gibt es als Dauerleihgabe in die Staatsgalerie Stuttgart. Ein Gespräch über den Kunstmarkt mit der Stuttgarter Direktorin Christiane Lange.

Sie erhalten die legendäre halb geschredderte Banksy-Arbeit „Love Is in the Bin“ für die Staatsgalerie Stuttgart nach der spektakulären Auktion im vergangenen Oktober von der Sammlerin als Dauerleihgabe. Haben Sie es schon einmal in echt gesehen?

Nein. Wie die Mehrheit der Weltbevölkerung werde ich es zum ersten Mal im Original bei der Präsentation im Frieder-Burda-Museum in Baden-Baden am 5. Februar sehen. Ab dem 7. März ist es dann bei uns als Dauerleihgabe zu sehen.

Wie kam es dazu, dass das Bild nun bei Ihnen in der Sammlung ausgestellt wird?

Das ist ein absoluter Glücksfall. Ich kenne die Eigentümerin, die das Bild bei der Auktion ersteigert hat. Sie tritt öffentlich nicht als Eigentümerin in Erscheinung. Kurz nach der Auktion im Oktober kam ich mit ihr über das Bild zufällig ins Gespräch, und ich konnte ihr ein Angebot mit unserem Ausstellungskonzept machen. Dann lag die Planung etwas auf Eis. Jetzt hat das Ganze vor wenigen Wochen an Fahrt aufgenommen, und ich freue mich sehr, dass wir das Bild nun in Stuttgart zeigen können.

Welches Konzept haben Sie für das Bild in Stuttgart?

Bei uns ist ein sinnlich erlebbarer Dialog zwischen Banksy und den Meisterwerken der Kunstgeschichte geplant. Wir wollen das Werk in der Dauerausstellung wandern lassen, immer wieder in einem neuen Raum und Kontext zeigen. Banksys Fragen haben sich auch schon die alten Meister gestellt. Was bedeutet der Kunstmarkt für mich? Auch Dürer hat sich überlegt, wie ein Künstler zu einer Marke werden kann.

Warum hat sich die Sammlerin entschieden, das Werk der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen?

Zum einen denke ich, weil es sie reizt, das Werk in so einem Dialog zu sehen. Als privater Sammler lebt man mit seinen Bildern. Ein Museum aber kann die Chance geben, das Werk aus der eigenen Sammlung Hauptwerken aus der Kunstgeschichte gegenüberzustellen und zu erleben, wie die Kunst aus der Kunst kommt, wie die Stile voneinander abhängen und wie die Künstler auch Impulse der Vorgängergeneration aufnehmen.

Wie ordnen Sie die Arbeit ein?

Die Auktion war ein Mediencoup. Die Arbeit ist durch diesen Moment im Auktionssaal erst vollendet worden. Sie ist jetzt auch ein Aktionsrelikt von einer Performance.

Hätte sich die Staatsgalerie Stuttgart für 1,2 Millionen Euro „Love Is in the Bin“ – oder damals „Girl with Balloon“ – ersteigern können?

Wir kaufen natürlich Werke an, allerdings nicht auf Auktionen. Wenn wir Werke in dieser Größenordnung erwerben, brauchen wir Allianzen und damit eine sorgfältige Planung. So eine spontane Entscheidung für einen zeitgenössischen Künstler wie in einer Auktion wäre für ein Museum ein Ding der Unmöglichkeit.

Wird es für Museen zunehmend zu einem Problem, dass sie heutzutage so stark auf Dauerleihgaben angewiesen sind?

Die Idee von Dauerleihgaben ist so alt wie die Institution Museum, die ja ursprünglich aus fürstlichen Sammlungen entstanden ist.

„Love Is in the Bin“ steht mit seinem Mediencoup für den Eventcharakter der Kunstauktionen. Nun erfährt die Arbeit aber eine museale Aufbereitung. Was bedeutet das für Sie?

Es zeigt, dass das Museum der Ort für das kollektive Kunsterleben ist. Da kann jeder rein. Um das Werk von Banksy zu sehen, muss ich jetzt nicht der Millionär sein, der 1,2 Millionen Euro für die Kunst ausgeben kann. Im Museum ist ein Werk dem Kunstmarkt entzogen – und für jeden zugänglich. Hier kann sich ein Besucher an Dingen erfreuen, die sich sonst nur die ganz Reichen dieser Erde leisten können. Vor lauter Eventhype vergessen die Menschen Bilder in den Dauerausstellungen ihrer Museen. Dabei können sie dort über Jahre Kunst so erleben, als würde sie ihnen gehören.


Hannoversche Allgemeine - 04.02.2019 - Kultur/interview


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INTERVIEW MIT KUNSTHISTORIKER DR. BLANCHÉ

"Banksy hat das Museum nicht nötig, das Museum hat ihn nötig"

Banksys berühmtes - und mittlerweile geschreddertes - Bild "Mädchen mit Ballon" ist jetzt in Baden-Baden zu sehen. Woher kommt all der Hype? Kunsthistoriker Dr. Blanché erklärt das Phänomen Banksy im Interview.

Weshalb wird ein kaputtes Bild so gehypt? Darüber hat SWR Aktuell Redakteur Stefan Eich mit dem Kunsthistoriker Dr. Ulrich Blanché gesprochen.

Würden wir heute über das Bild reden, wenn es nicht geschreddert worden wäre?

Kann sein. Das Bild war ja auch schon vor der Schredder-Aktion bekannt. Es hat sich als Tattoo auf dem Unterarm von Justin Biber befunden. Es kam in einem Film von Woody Allen "Matchpoint" von 2005 vor. Es wurde zum beliebtesten Kunstwerk 2017 von den Briten gewählt. Es ist auch ohne die Schredder-Aktion ein sehr bekanntes Werk gewesen.

Banksy, so heißt es, wollte mit dieser Schredder-Aktion gegen die Kommerzialisierung der Kunst protestieren. Nun ist das Bild genau dadurch viel wertvoller geworden. Wird ihn das ärgern?

Das kann sein. Aber gegen den Kunstmarkt kann man letztendlich gar nicht so viel machen. Wenn Banksy eine Feuerexplosion in den Rahmen gebaut hätte, dann könnte man vielleicht nachher bei Sotheby’s für zwei Millionen ein Säckchen Asche mit einem Video zusammen versteigern.
Man entkommt dem Markt gar nicht, aber man kann das nicht alles dem Künstler anlasten. Der Künstler richtet sich nicht unbedingt gegen Museen, sondern er richtet sich gegen den privaten Kunstmarkt, also gegen Privatsammler, die zunehmend sozusagen als Gefahr gerade für öffentliche Sammlungen wahrgenommen werden.
Das liegt daran, dass die öffentlichen Sammlungen selbst nicht mehr diese Preise für Gegenwartskunst zahlen können, für möglicherweise auch relevante Gegenwartskunst. Weil der Privatmarkt die Preise so in die Höhe treibt, dass sich das kein Museum mehr leisten kann.

Jetzt könnte Banksy, wenn er das kritisiert, auch ein Bild machen und dieses dann einfach an ein öffentliches Museum geben und sagen: "Hier, schenke ich euch, macht was draus."

Das könnte er machen, das stimmt. Aber das ist generell nicht seine Art. Diese Schredder-Aktion ist jetzt geschehen, doch was danach mit dem Bild passiert, das ist für ihn gar nicht so interessant. Er hat das Museum nicht wirklich nötig, das Museum hat ihn nötig.
Er hat auch den Kunstkritiker oder den Kunsthistoriker wie mich nicht nötig. Er hat auch die Institutionen nicht nötig. Banksy ist ein weltbekannter Künstler, der nicht von einer Galerie vertreten wird. Der hat die Aufmerksamkeit, der braucht das Museum nicht.

Könnte es sein, dass wir irgendwann von Banksy hören: "So, jetzt habe ich genug gemacht, jetzt gehe ich in Rente, ihr hört nie wieder was von mir?"

Bei einem Künstler, über den es zwar Spekulationen gibt; Welche Person dahinter steht, welches Gesicht, aber über den das nie hunderprozentig aufgeklärt wurde, da kann das ohne Weiteres passieren. Aber ich könnte mir vorstellen, dass er jetzt, mit Mitte 40, noch nicht in den Ruhestand geht. Stattdessen werden wir vielleicht noch weitere Filme sehen, noch weitere tolle Medienstunts erleben.

Wenn Sie an Banksy denken, was für einen Menschen haben Sie da vor Augen? Wie stellen Sie sich den körperlich vor?

Banksy ist ein weißer Mann, der einen Drachen auf dem Unterarm tätowiert hat vielleicht, der eine Brille trägt, der ein unauffälliges Aussehen hat. Er ist von Geburt an rothaarig, sein Vorname ist wahrscheinlich Robin. Robin ist Englisch für das Rotkehlchen, deshalb hat er auch eine große Vorliebe für die Farbe Rot.
Banksy ist, denke ich, um die 45 heute, mittlerweile vielleicht schon ein bisschen angegraut. Er ist ein sehr witziger, aber eher ruhiger Mensch. Im Englischen würde man "grumpy" sagen, also jemand, der ein bisschen mürrisch ist, ein bisschen paranoid - also nicht unbedingt der einfachste Mensch.

Aber Sie selbst sind es nicht?

Nö.

Das würde Banksy auch sagen.

Das würde Banksy auch sagen, das stimmt.

Zur Person: 
Dr. Ulrich Blanché ist wissenschaftlicher Assistent für Neuere und Neueste Kunstgeschichte am Institut für Europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg. Er hat mehrere Bücher über Banksy geschrieben und war bei der Eröffnung der Ausstellung im Museum Frieder Burda in Baden-Baden dabei.

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aber so richtig spinnerte und überkandidelte kunstwerke hatten wir als "marketing" ja schon ab und zu - und ich möchte mal behaupten: für die jeweiligen zeitgenossen gab es die wahrscheinlich in jeder kunstepoche seit der antike - heutzutage waren das u.a.: 

  • yves klein beispielsweise hat 11 gleiche monochrom-blaue bilder ausgestellt (click here);  
  • josef beuys hat badewannen besudelt und zu kunst deklariert - (bekannter markenslogan: "ist das kunst - oder kann das weg?"); 
  • jonathan meese schmiert leinwände etwas unorthodox auch mal mit nem hakenkreuz voll; 
  • john cage hat 4'33 min. stille als orchesterwerk "komponiert"
 ...und all diese sachen waren z.t. ja origineller und raffinierter und provozierender als dieses zerschnittene "werk" des streetart-künstlers banksy:


apropos "virales marketing" [siehe dort]: dieser riesengroße coup von banksy mit dem teilweise automatisch geschredderten schablonen-abzug eines seiner hübschen postkarten-motive: "mädchen mit ballon" erzielte ca. 20 mio. clicks/hits in den netzwerken rund um die welt - und diese ganze aktion geschah nach meinem empfinden in trauter zusammenarbeit mit dem auktionshaus sotheby's und der käuferin dieses zerschnipselten werkes - wohl aus dem dunstkreis der burda-familie wie wir in dem ttt-filmchen erfahren dürfen - und die jetzt das halb geschredderte "kunstwerk" der "stuttgarter staatsgalerie" als dauerleihgabe [sic!] übergeben wird [hört-hört!] ... - na toll ...

na ja - in dem zustand würde ich es mir zuhause auch nicht an die wand hängen - und wenn da zunächst das museum frieder burda für 4 wochen das schnipselbild ausstellt und dann gar die staatsgalerie, dann ist das ja ehre und ansehen und reputation satt, und wieviel an knete bzw. "aufwandsentschädigung" da hin & her fließen - das sei mal dahingestellt ...


ja - und auch das gab es ja schon öfters: das abfall und schrott neu drapiert kurzerhand zum "kunstwerk" hochstilisiert wurden: jean tinguely's zusammengelötete quietschende maschinenteile zu einer art "endlos-maschine" zum beispiel ...

aber wie banksy dauerhaft, so bleibt ja auch die käuferin gepflegt im hintergrund - denn die identitäten kennen wir nicht ...

aber das sich nun alles so schön und glatt und wundersam ineinander und miteinander fügt - mit einem durchdachten wanderkonzept des bildes - zunächst vom burda-museum in die staatsgalerie und dort von raum zu raum "im dialog" vielleicht mit nem alten dürer und nach und nach weiteren klassikern - "das hat schon was", sagt man dann wohl als wohlerzogener kunstliebhaber ...

und wie man es in baden-baden oder dann in stuttgart auch benennt: die ausstellung nun just dieses millionen-kunst-torsos "love is in the bin" von banksy & sotheby's & der sammlerin gleichermaßen hat für mich sicherlich ein "gschmäckle": zunächst für vier wochen holt man sich dieses äußerst umstrittene "corpus delicti" ins ehrwürdige frieder-burda-museum - bei freiem eintritt zum bild - zum zeichen der "demokratisierung der kunst", wie sie banksy so gern publiziert ... 

aber: was sollen denn junge menschen von diesem angeblich misslungenen zerstörungsakt um himmelswillen an "kunst-demokratisierung" lernen ??? - eben außer einem crash-course in "viralem marketing" ???

aber das wäre ja wieder das wirtschafts-ressort und weniger die ehrbare kunst - aber das lässt sich ja sowieso heutzutage bei den marktstrategien der künstler, der auktionshäuser, der museen, der sammler und geldanleger kaum auseinanderhalten: es geht auch hier wieder um einen "markt" - und darin um das "spektakuläre" - das aber auch mal irgendwann staub ansetzt und in die jahre kommt - und was kann oder soll dann eine solche action mit dem geschredderten bild noch toppen ???

besonders interessiert mich ja auch, wer jetzt den kaufpreis erhält: an wen hat sotheby's die 1,2 mio. übergeben ??? denn - wohlgemerkt - der zutritt zum "werk" ist "im sinne des künstlers" frei ... 

jedenfalls ist der gag mit dem umständliche schreddermechanismus in einem überdimensionierten bilderrahmen nun auch schon wieder ein alter hut - ein mechanismus in einem rahmen, der dadurch eigentlich so schwer wird, dass die auktionatoren und deren angestellte das angeblich nicht mal merken konnten - aber ausgerechnet besagtes bild an die wand hängen - während fast alle anderen auktionsobjekte dieser größen- und preiserwartungs-ordnung auf ein sockelpodest drappiert werden ... (aber dann hätte ja der "überraschende" schreddervorgang soooo nicht funktioniert ...)

ich bleibe dabei - das ganze ist/war ein abgekartetes spiel - im schnodderigen streetart-slang: "eine ganz große verarsche" - eine verarsche die für alle beteiligten mehrwert schafft - und deshalb machen alle mit - und deshalb halten alle still ...

also - lasst euch nicht für dumm verkaufen ...

nix für ungut - und chuat choan

virales marketing - das soll auch alles sowas sein ...


S!|graphic


virales marketing

das meint: mit einer ungewöhnlichen oder hintergründigen nachricht auf eine marke, ein produkt oder eine kampagne aufmerksam zu machen. 

wobei der terminus „viral“ besagt, dass informationen über das produkt oder die dienstleistung möglichst innerhalb kürzester Zeit, ähnlich einem biologischen virus, von mensch zu mensch weitergetragen werden - als mail oder als link unter der mail oder im blog z.b - vergleichbar also mit der guten alten "mund-zu-mund-propaganda" ...und da ist es im ersten moment egal, ob etwas letztlich negativ oder positiv rüberkommt - es ist erst einmal in der welt: so der so ...

ich meine beobachtet zu haben: seit der gute alte kai diekmann von der "bild" damals aus silicon valley nach ein paar monaten studienzeit dort zurückkam, seitdem benutzen alle springer-medien neben der einführung der bezahlbaren aufbereiteten online-meldung als "+"-artikel auch dieses "prinzip" des viralen marketings. 

sicherlich als von den konsumenten kaum auszumachende pr-einnahmequelle - aber auch mit dem versuch, meinung "führend" als "leit-medium" zu kreieren...: also auch wenn rechtspopulisten in 120 minuten 430 positive rückmeldungen unter eine an sich völlig verquere ad-hoc-"meinung" des altmeisters henryk m. broder in der "welt" in das meinungsforum posten, ist das nur vordergründig und nur für einen bestimmten teil moralisch fragwürdig - letztlich zählen die damit generierten clicks genau dazu und alle ff. - und die bestimmen letztlich den preis für das werbehonorar - auch, weil es ja dann auch menschen gibt wie mich, die sich aufregen - aber auch das an ihre "gemeinde" weitertragen und entsprechend verlinken usw. = schneeball-system ...


weidel umarmt broder - foto-post auf twitter (ausschnitt)
ein beispiel dazu ist ja das ominöse zuneigungs-foto, als alice weidel den oben erwähnten henryk m. broder von der "welt" umarmte und das foto bei twitter postete ... broder hatte einen "vortrag" vor der afd-bundestagsfraktion gehalten.

nun rief natürlich das vereinte netz - entweder: "kreuziget ihn" - oder die 15 % afd-ler und rechtspopulisten jubelten fröhlich und ausgelassen über diesen pr-coup - obwohl ja beim stichwort "lügenpresse" denen das lachen im halse steckenbleiben müsste, aber "die welt" ist wohl das zentralorgan der "deutschnationalen" bildungsschicht ...

und auch, wenn sich broder am nächsten tag "entschuldigte", haben alle seiten genau das, was sie wollten: sie haben einmal mehr kurz die lesernation aufgemischt - und wieder mal ein kleines schweinchen durch das globale dorf getrieben ... - und schon heute - 2 tage danach - juckt das niemanden mehr: die welt wird ihre 34 abbestellungen deswegen verschmerzen und freut sich über 112 neu-bestellungen ... und wann hat weidel und nicht zuletzt auch broder so viel zeilen auch in "fremden" nicht-springer-medien generiert ...

- also auch der reaktions-#hashtag ist längst mit im kalkül und fest eingeplant: und die führungsriegen bei springer werden mit dem mund missfallen pfeifen - aber mit den händen gleichzeitig beifall klatschen ...

und in dem ich mich hier im blog mit empöre zu dem "virtuellen führungsbunker", was ja in diesem falle legitim ist, sorge ich auch dafür, diese nachricht unabhängig von meiner empörung als fakt weiterzutragen - und neben aller von mir erhofften mit-empörung, ist es trotzdem vielleicht der auslöser für "die anderen", ihre cliquen im schneeball-system auch zu informieren, damit man sich diese eröffnung des virtuellen führerbunkers nur ja nicht entgehen lässt.

mit diesem prinzip des "sowohl - als auch" eines "viralen marketings" arbeiten aber auch die meisten online-dienste aller großen medien (dazu liest man viel z.b. bei "meedia") - aber natürlich auch die rechts-populistische szene im internet und in den (a)sozialen netzwerken, die man sicher auch als "virale netzwerke" bezeichnen könnte ("feind hört, sieht und liest mit" ...), wenn sie automatisch mit schein-absenderadressen generierte weiterverbreitungs-aktionen - z.b. als "#hash-tags" - oder auch als "kommentare" in den meinungsforen der medien massenhaft weiterverbreiten - und mehrheitsmeinung damit vortäuschen wollen ...

jedoch: das betreiben und unterhalten eines blogs - auch z.b. in meinem falle die unterhaltung der memorial-blogs zum opferporträt meiner tante erna kronshage - "nutzt" ja geradezu diese "virale" rasche und noch "junge" preiswerte nachrichtentechnik im www.-netz - und ich glaube, für einen guten zweck ...

aber was für dich gut und wichtig ist oder zu vernachlässigen, und an wen du es weiterleitest, musst du jeweils für dich entscheiden: also - die guten ins töpfchen - die schlechten ins kröpfchen - 
  • lesen, 
  • beurteilen, 
  • weiterleiten oder verwerfen;
aber - auch das ist wichtig - die münzticker in den medienhauptquartieren hier und/oder in übersee clicken unaufhörlich - auch mit deinem und unseren zutun ... - von wegen der "gratis-mentalität" im world-wide-web ...

hier im blog ist ja jetzt "google+" von mir bereits abgeschaltet worden - was aber zum april auch im netz insgesamt sowieso erfolgen wird ...: man muss sich also selbst entscheiden und sich auf sich selbst verlassen ...

nix für ungut - und chuat choan

vernutzung - das ist bitter



Kritik an digitalem Führerbunker

Virtuelle Realität: Entwickler wollen mit einer Doku anschaulich machen, warum nichts an den „jämmerlichen“ letzten Tagen der NS-Führung zum Mythos taugt

Von Björn Vahle

Warum sollte man einen Ort erlebbar machen, an dem Menschen unvorstellbare Ängste litten? Und genauso unvorstellbare Gräueltaten begingen? Mit „Führerbunker VR“ soll genau das möglich werden. Das Virtual-Reality-Projekt soll eine am Computer begehbare, historisch authentische Dokumentation werden. Kann das funktionieren?

Die erste Frage an den Macher lautet entsprechend: Was soll das? Martin Schwiezer muss sie wiederholen, scheint aufrichtig überrascht: „Was das soll? Es geht uns um die Aufarbeitung eines Stücks Geschichte, das es verdient, entmystifiziert zu werden,“ sagt der Projektleiter beim Entwickler NordVR. Soll heißen: Nichts an den den letzten Tagen des Nazi-Regimes taugt „auch nur im
Entferntesten“ zur Glorifizierung. „Die haben in Miniräumen zehn Meter unter der Erde gesessen, bei flackerndem Licht und Artilleriebeschuss. Und irgendwann erst ihre Hunde, dann die Kinder, und zuletzt sich selbst umgebracht.“

Die Software-Entwickler aus Hannover kommen in Teilen aus der Games-Branche. Auch Schwiezer, 47, hat früher Spiele entwickelt. „Führerbunker VR“ sei aber keineswegs so konzipiert, das ist ihm wichtig. Das Prinzip ist simpel: Mit der VR-Brille auf dem Kopf soll man als Besucher die Gänge und Räume des Luftschutzbunkers unter der Reichskanzlei erkunden. In hochauflösender Grafik und
historisch möglichst authentisch bauen die Entwickler den Komplex nach, SS-Poster und Notizblock Hitlers inklusive. Auch die Geräuschkulisse mit Artilleriebeschuss und Resten von Gefechtslärm soll im fertigen Produkt zu hören sein.

»Mit Virtual Reality 
wird Geschichte 
nicht erfahrbar«

Das Büro des „Führers“ ist dabei, wo Hitler sein Leben und das von Eva Braun beendete. Auch das Familienzimmer, in dem Magda Goebbels ihre Kinder umbrachte, lässt sich erkunden. An Interaktionspunkten kann dann der dokumentarische Teil des Projektesausgelöst werden. Aktiviert man einen von ihnen, beginnt ein Erzähler, die Geschichte, die einen im jeweiligen Raum umgibt, zu
berichten.

Erst dann bevölkert sich der Bunker. Grundsätzlich trifft man hier erst einmal niemanden. Erst an den Interaktionspunkten erscheinen dann holographische Abbilder der Personen, die am jeweiligen Ort gehaust haben. So soll, wenn Schwiezers Plan aufgeht, jederzeit der dokumentarische Charakter der Erfahrung im Vordergrund stehen. „Ich glaube, wenn man das hautnah erlebt, dann bleibt einem das Erbärmliche, das Grausame, das Menschenverachtende in Erinnerung.“

Die Mystifizierung, glaubt er, rührt eher von Unkenntnis. „Da kann man am besten gegen angehen, indem man darüber aufklärt.“ Das Wort Führerbunker suggeriere eine pompöse Anlage, „doch das genaue Gegenteil ist ja der Fall“, sagt Schwiezer. Deshalb hält er, der mit NordVR sonst interaktive Showrooms und VR-Simulationen für Industriekunden entwickelt, die virtuelle Realität auch für
das richtige Medium für diese Doku.
Das sieht allerdings nicht jeder so. Michael Wildt ist Professor für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus an der Humboldt-Universität Berlin. Er sagt: „Virtual Reality ist für Spiele sicher klasse, aber Geschichte wird mit ihr nicht erfahrbar.“ Wildt will nicht verhehlen, dass „ich als Wissenschaftler ein Projekt, das den Führerbunker erlebbar machen will, ablehne“. Geschichte sei eben vergangen. Außerdem bezweifelt er, dass eine historisch korrekte Darstellung überhaupt möglich ist. 
„Wir haben nur wenige Dokumente zu dem, was in der Vergangenheit geschehen ist, die, je nach Fragestellung, stets einen nur begrenzten Blick auf das Vergangene möglich machen.“
Ähnlich äußert sich auch der Münchner Historiker Sven Keller. Er ist Leiter der Dokumentation Obersalzberg, dem Museum in Hitlers Feriendomizil und zweitem Regierungssitz der Nazis. Er sei „ein bisschen entsetzt“, sagt er, wobei man seiner Stimme anhört, dass das „bisschen“ wohl der Höflichkeit geschuldet ist. Eigentlich sei es natürlich ein gutes Ansinnen, das Thema zu beleuchten.
Aber eine Geschichtsvermittlung mit VR-Brille sei „für dieses Thema denkbar ungeeignet“ und komme eigentlich nicht in Frage. Das Problem, sagt er, liege in der Emotionalisierung. „Man versetzt Menschen in die Situation, sich an diesem Ort bewegen zu können.“ Da stehe der Gruselfaktor und die Faszination für Hitler der Inhaltsvermittlung im Weg, es bestehe die Gefahr, dass der Benutzer
überwältigt werde. Dass die Entwickler sich auf Augenzeugenberichte beziehen wollen: auch keine gute Idee. „Die sind hochproblematisch, weil notorisch unzuverlässig.“

Der Druck für die Entwickler wird also nicht kleiner. Denn in gewisser Hinsicht hat sogar der Steuerzahler ein Interesse daran, dass aus der Arbeit in Hannover etwas Vorzeigbares hervorgeht. Immerhin unterstützt die Medien-Förderung Nordmedia, zu drei Vierteln in der Hand der Bundesländer Niedersachsen und Bremen, das Projekt – mit 60.000 Euro. Schwiezer versteht das eher als Signal, dass sein Team auf dem richtigen Weg ist. Denn: „Denen war natürlich wichtig, dass das keine Hobby-Interpretation ist, sondern historisch fundiert.“

Schwiezer kann die Kritik der Historiker in Teilen nachvollziehen. Der Schrecken der NS-Zeit soll aber nicht dazu dienen, aus seinem Projekt eine Art „Nazi-Geisterbahn“ zu machen. Die virtuelle Realität sorge gerade durch die Erlebbarkeit dafür, die Gesamteindringlichkeit des Themas zu veranschaulichen. Dennoch ist ihm klar: „Wenn das ganze Thema in auch nur einer Disziplin –
technische Umsetzung, mediale Inszenierung oder historische Authentizität – die gesetzten hohen Ansprüche nicht erfüllt, dann hat das ganze Projekt sein Ziel verfehlt.“

Die Dokumentation „Führerbunker VR“ soll spätestens Anfang 2020 erscheinen und lässt sich sowohl mit als auch ohne VirtualReality-Brille am Computer starten.

Hintergrund 
„Tatsächlich ist das Wissen über den Aufbau des Bunkers öffentlich zugänglich, wenn auch teilweise sehr fragmentiert, so dass man Details und Widersprüche selbst durchleuchten muss. Hierzu arbeiten wir mit Historikern zusammen“, erklärt Entwickler Martin Schwiezer. Die sollen die Arbeit von NordVR penibel kontrollieren und auf mögliche Probleme hinweisen. Das Team hat außerdem bekannte Augenzeugenberichte, beispielsweise von Hitlers Sekretärin Traudl Junge, Fotos der Alliierten und vor der Sprengung des Bunkers ausgewertet.
Text und Bild: NEUE WESTFÄLISCHE - Dienstag, 5.Februar 2019 - Kultur/Medien

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Die fiktionale Vernutzung des Holocausts wird zunehmen. Dem muss die Gesellschaft mit kritischem Geschichtsbewusstsein entgegentreten. (Quelle)
eine "fiktionale vernutzung" hat norbert frei, professor für neuere und neueste geschichte an der universität jena, das genannt, was nun verstärkt auf uns zu kommen wird: die vermarktung des nazi-regimes als ruck-zuck-"event" im internet - und mit ihr einhergehend ein aufweichen der gedenk- und erinnerungskultur zu einer vorübergehenden augenblicksaktion - ohne jede nachhaltigkeit und ohne tiefgang.

von einer durch smartphones und internet-games "verseuchten" und abgerichteten jugend kann man aber vielleicht auch gar nichts anderes mehr erwarten. so "lernt" sie ja auch: in kleinen unzusammenhängenden auswendiggelernten und nur bis zur nächsten klassenarbeit reproduzierbaren kleinst-portiönchen, möglichst noch im multiple-choice-verfahren ... und so wird sie ja auch unwillkürlich in der werbung zu willigen konsumenten herangezogen. 

die dann "für das leben" fit gemacht werden für irgendeinen kurzzeitigen augenblicks-"job" oder gleich nach der hochschule zu solch einem förderungswürdigen "start-up"-gedöns - wo sie dann - abgeschieden und abgespalten von dem, was einstmals "persönliche authentizität" genannt wurde - ohne jede "persönlichtkeits"-entwicklung - nur noch halbherzig "auf arbeit" fährt bis zum nächsten freizeit-event am abend und am wochenende - oder bis zum click auf den 3-d-führerbunker...: alles wird als vorübergehend ("es geht alles vorüber - es geht alles vorbei ...") vermittelt - wie auch ebenso häppchenweise die "news" - eben wie alle derzeitigen "ereignis-' und 'trend'säue', die durch's globale dorf getrieben werden",  um im nächsten moment platz zu machen für die dann nachfolgende 'sau' usw. -  in dieser unserer neoliberalen turbokapitalistischen völlig von (a)sozialen netzwerken zum andauernden konsum gestalteten zeit...

da ist es schwer, wirkliche im kern "berührende" fakten zu vermitteln - und "geschichte" erfahrbar zu gestalten ... - aber zu einer echten authentischen "wahr"nehmung gehört ja auch wirklich etwas als "richtig" einzuordnen und als bleibende "erfahrung" richtungsweisend auf dem eigenen internen "navi" abzuspeichern. 

mit einem vorüberrauschenden geisterbahn-besuch im virtuellen führerbunker als bespaßung wird man die geschichte von 1933 - 1945 nicht be- oder aufarbeiten können - dort will man ja nur damit "spielen" ...

man wird sich mit solchen virtuell begehbaren "events" vielleicht die inzwischen leider schon obligatorisch gewordene klassenfahrt nach auschwitz aus kostengründen ersparen wollen: aber auch zu auschwitz haben inzwischen ja schüler die erwartungshaltung entwickelt, endlich mal "krass" und "voll geil" selbst zu sehen - "äeei - was da wirklich los war" ...

aber diesen derzeitigen bewusstheits-status darf man wohl nicht nur den (a)sozialen netzwerken allein anlasten, diesen zustand muss man auch den ohnmächtig vor sich hin taumelnden elternhäusern mit in die schuhe schieben, die sich ja, um eigenen "fehlern" aus persönlicher unsicherheit aus dem weg zu gehen, die "erziehung" ab dem 2./3. lebensjahr des kindes überhaupt dem tv und dem internet und den medien und der kita und dann der schule überhaupt überlassen und übergeben haben, damit die eigene "karriere" entwickelt werden kann und das häuschen und das wohnmobil auch fristgerecht und kostengünstig abbezahlt werden können.

ein "virtueller führerbunker" wird dann rasch eine innermoralische umkehrung bei manchen wenig gefestigten menschen auslösen: viele konsumenten dieses events werden plötzlich zutiefst mitleid empfinden für den "führer" und seinem schicksal oder mit der familie goebbels ... - ja - "endlich zeigt man auch mal, was die zu ertragen hatten" - das wird das resümee sein: und die pseudo- und echten rechten werden diese neuen pilgerstätte im netz für sich vereinnahmen und entsprechend downloaden - und werden ihre schwarze krawatte zurechtrücken vor mitleid und falscher empathie: solche virtuellen nachstellungen wird der afd-höcke vielleicht gemeint haben, als er von der "180°- kehrtwendung der erinnerungskultur" schwadronierte ...

und wie war das doch neulich schon bei einer zeitzeugin, die vor einer schulklasse von der über-nacht-deportation in den tod einer jüdischen nachbarsfamilie berichtete - und deren hunden, mit denen sie seinerzeit als kleines mädchen gespielt hatte - als die schüler dann nur voller mitleid fragten: " ... und was ist aus den beiden armen hunden geworden ???" ...

kritisch zu dem artikel will ich aber auch bemerken: 
dass er meiner meinung nach doch auch alle kriterien zu einem "viralen marketing" erfüllt ... (s.d.)
und nix für ungut - und chuat choan


weißt du noch ...

S!|art: weißt du noch ...

bis in die dritte und vierte generation ... - update

Erinnerungskultur

Das Gedenken an den Holocaust muss lebendig bleiben


Auschwitz-Zaun (foto: reuters)

Der Erfolg des Kitschromans "Stella" ist nur das jüngste Indiz: Die fiktionale Vernutzung des Holocausts wird zunehmen. Dem muss die Gesellschaft mit kritischem Geschichtsbewusstsein entgegentreten.

Von Norbert Frei | Kolumne in der sueddeutschen

Es war eine bewegende Rede, die Saul Friedländer am Donnerstag im voll besetzten Bundestag gehalten hat. Doch jenseits des dort versammelten Publikums: Wie viele Menschen in unserem Land haben dem großen Historiker des Holocaust am Ende zugehört? Wie viele hat er mit seiner Gabe erreicht, die Stimmen, das Leid, die Ängste der Opfer - darunter auch die eigenen Eltern - zu vergegenwärtigen? Und wie viele haben den Zeitungsbericht überblättert, weggeklickt, in ihrer digitalen Blase ohnehin nichts mitbekommen oder sich gar belästigt gefühlt?

Vor einer Woche diskutierte ich in Frankfurt am Main mit Studierenden darüber, wie die Deutschen seit 1945 mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit umgegangen sind. In der Erörterung der vielen Etappen dieser komplizierten Geschichte waren wir einig, an einem Punkt jedoch erntete ich Widerspruch. Mehrere aus der Gruppe hielten eine Passage meines Textes, den sie zur Vorbereitung gelesen hatten, für zu optimistisch. Darin spreche ich davon, "wie lang, wie steinig und mit welchen Schlaglöchern durchsetzt die Strecke bis zu der Einsicht war, die heute wohl immer noch die meisten Deutschen teilen: dass gesellschaftliche Zukunft nicht durch Verleugnung und Verdrängung des Gewesenen gewonnen wird, sondern durch einen kritisch-aufklärerischen Umgang damit".

Mein von den klugen jungen Leuten bezweifeltes "wohl immer noch" ist durch Umfragen gedeckt. Zugleich verweist es auf eine Tendenz, die in den vergangenen Tagen zu Recht beklagt worden ist. Auch Spitzenpolitiker konstatieren, dass der gesellschaftliche Rückhalt für die - gerade auch von ihnen - gern herausgestellte Erinnerungskultur abnimmt. Es sei deshalb wichtig, das "Gedenken neu zu gestalten", meint die Kanzlerin, und der Außenminister präzisiert: "Geschichte muss von einem Erinnerungs- noch stärker zu einem Erkenntnisprojekt werden."

Dem kann man nur beipflichten. Ein Erinnern, das ohne fundiertes historisch-kritisches Wissen auszukommen glaubt, wird den Herausforderungen von rechts nicht standhalten. Es vermag auch der fiktionalen Vernutzung des Holocaust wenig entgegenzusetzen, die zunehmen wird, wenn die letzten Zeitgenossen der NS-Zeit verschwunden sind. Der Erfolg von "Stella" ist dafür nur das jüngste Indiz: Die Literaturkritik senkt fast unisono den Daumen - trotzdem rangiert die altbekannte Geschichte einer Berliner Jüdin, die sich als Gestapo-Agentin vor der Verfolgung rettet, indem sie andere ins Verderben stürzt, in den Bestsellerlisten weit oben.

Biografien, die Sperriges nicht einfach glätten, verdienen unsere Aufmerksamkeit

"Teile der Geschichte sind wahr", heißt es auf der ersten Seite des Kitschromans. Wer nicht bloß leichtes Lesefutter sucht, sondern dem Unerhörten des Judenmords und seinem Ozean unfasslicher Geschichten näherkommen will, dem böten sich andere Möglichkeiten. Nur Wochen vor der Sensationsstory, die keine ist, erschien der Lebensbericht einer Frau, die keiner mehr kennt und deren Geschichte, geht es nach den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie, vermutlich auch kaum jemand mehr kennenlernen wird.

"Ich war ein besonderer Fall", zitiert der Titel dieses Buches die Essener Bergmannstochter Helene Mantwill, die 1926 einen gut aussehenden jungen Polen heiratet, der auf der Suche nach einer besseren Zukunft als "Ostjude" ins Ruhrgebiet gekommen war. Helene entstammt einem nicht übertrieben frommen preußisch-protestantischen Elternhaus - und findet nichts dabei, ihrem David zuliebe zum Judentum zu konvertieren. Dass sie mit der Eheschließung die deutsche gegen die polnische Staatsangehörigkeit eintauscht, ist der Mutter zweier Töchter auch nach 1933 kaum ein Problem; sie weiß, wie man sich sogar auf Ämtern um den Hitler-Gruß drückt. Doch Ende Oktober 1938 schiebt das Deutsche Reich alle "Ostjuden" ab; fast zehn Monate verbringen die Zytnickis ohne Hab und Gut in einem polnischen Grenzort, ehe sie nach Warschau dürfen - wo bald die Besatzer herrschen und die Einwohner der Stadt auseinandersortieren: in Deutsche, Polen, Juden.

Als gelernter Buchhalter leistet David Zwangsarbeit im Ghetto, während Leni als "patente Reichsdeutsche" zwischen dem jüdischen und dem deutschen Viertel pendelt, den Unterhalt der Familie mit illegalen Geschäften sichert und mit dem alten Pass ihrer Schwester zweimal nach Essen fährt. Während des Warschauer Aufstands im August 1944 verliert sich Davids Spur, aber Leni schafft es mit den Kindern zurück in die Stadt ihrer Geburt. Dort kämpft sie um Entschädigung und Wiedereinbürgerung - und beschließt im Alter von 96 Jahren, ihre Geschichte zu erzählen. Zwei pensionierte Pädagogen haben diese "Oral History" vorbildlich rekonstruiert: ohne Sperriges zu glätten und Lücken fantasievoll zu füllen.

Solche Biografien verdienen unsere Aufmerksamkeit. Sie zeigen auch, wie viel mehr wir heute wissen (können) als zu Zeiten von "Holocaust", jener zu Unrecht viel geschmähten und gerade noch einmal ausgestrahlten Serie, die den Mord an den Juden Europas einer breiten Öffentlichkeit vor Augen führte - vor 40 Jahren erst.

SZ-Kolumne von Norbert Frei
🔴 Norbert Frei, geboren 1955 in Frankfurt am Main, ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Jena. Er leitet das Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts.

es sei deshalb wichtig, das "gedenken neu zu gestalten", meint die kanzlerin.

aha. ich meine, kennen wir von ihr irgendeine initiative in diese richtung, an die wir uns spontan erinnern? so etwas wie brandts kniefall in warschau oder den kolportierten satz: "jetzt wächst zusammen was zusammengehört" - am gedenktag für den holocaust habe ich sie eigentlich noch nie fundamental dazu sprechen hören - das machen bundestagspräsident und zeitzeugen oder - wie vor 2 jahren, als man endlich auch mal die 300.000 nazi-"euthanasie"-opfer in den mittelpunkt rückte - da hat beispielsweise ein schauspieler mit down-syndrom tagebuch-texte eines betroffenen opfers vorgelesen - nach der berührenden und lebendigen rede des damaligen total erkälteten bundestagspräsidenten norbert lammert, dem die nase und die tränen liefen -  das war es dann aber auch schon mit der neugestaltung - danach war wieder tragende musik am anfang und am ende und zwischendurch professorensprech und die zeitzeugen- und lebensweg-resümees von inzwischen über 90-jährigen menschen

man spricht auch immer gern von "erinnerungskultur" - aber was der mensch nicht selbsterlebt hat, kann er auch nicht ohne weiteres erinnern. der parallelbegriff einer "gedenkkultur" ist hierzu also vielleicht angebrachter - aber gedenken kann immer auch so erfolgen, wie es eben vor 2 jahren bei der feierstunde mit dem schwerpunktthema "euthanasie"-opfer begonnen wurde: etwas mehr "gedenken" durch das erzeugen einer art "konfrontations-meditation": so will ich das mal zunächst ganz holperig als "arbeitstitel" hier stehenlassen - natürlich auch mit musik, ja - aber auch durch film, bild, literatur, theater, schauspiel, graphic novel u.a.: und durch das nachzeichnen von beispielhaften einzel-opferporträts - die genannten gesamtopfer-zahlen im holocaust sind einfach zu abstrakt, um anhaltend zu beeindrucken ... 

und wenn man wegen seinem sitzungsfreien wochenendfrei kurzerhand den jeweiligen gedenktag vom 27.januar mal gerade aus praktischen gründen um ein paar tage verschiebt, wie schon 2018 nun auch 2019 geschehen, zeigt man ja der öffentlichkeit, wie wichtig dem "hohen haus" dieser termin tatsächlich ist ... - 

nein - es "bröckelt" wirklich an allen ecken und enden - und wie das kaninchen auf die schlange starrt man auf die letzten zeitzeugen der grausamkeiten: wie lange halten sie noch durch - und kann man sie über ihre agenturen noch einmal für einen "gedenk-akt" gewinnen und motivieren ... und ist ihre stimme und ihre aussprache so, dass sie sich gehör verschaffen können - und wie lange noch ??? 

inzwischen berichten aber auch menschen, wie sie einzelbiografien ihrer familien oder aus dem heimatort entdeckt haben und ihnen gefolgt sind - menschen berichten, wie die archive und die historiker sich ihnen gegenüber verhalten bei fragen zu "shoah" und "euthanasie" - und all den anderen opfern: sinti, roma, homosexuelle, zwangsarbeiter usw.

dann wäre gedenken wieder inmitten der jetzt lebenden generation verankert - und die forschung würde zum erlebnis - und die berichte dazu zum mit-erleben.

das obengenannte buch zur biografie der essener bergmannstochter helene mantwill wäre sicherlich so ein beispiel - und die beiden pädagogen berichten konkret über ihre forschungsarbeit zu dieser authentischen "oral history" - oder die kinder der beiden pädagogen berichten, wie sie ihre väter erlebt haben während der recherche und was die dazu beim gemeinsamen abendessen berichtet haben ...

in der bibel steht ja bereits seit 2000 jahren etwas von der "heimsuchung bis in die dritte und vierte generation" - und die forschung nimmt an, dass traumatisch erlebte ereignisse sich unbewusst im individuellen verhalten und empfinden weiter "vererben", wenn sie einfach verdrängt und abgespalten und nicht aufgearbeitet werden ...

hier hat die nation eines täter- und auch opfervolkes immer noch sein "lebtag" mit zu tun - ob das der afd nun passt oder nicht - und wahrscheinlich auch über den jeweiligen 27. januar hinaus ...

denn wer es so treibt wie herr gauland von der afd, den "vogelschiss" nämlich am liebsten einfach abzuwischen, herunterzuspülen und zu verleugnen, müsste eigentlich angezeigt werden, wegen fahrlässiger körperverletzung, denn eine allgemein-therapeutisch notwendige aufarbeitung jener zeit wird so ja einfach negiert und ausgeklammert.

es gab für mich mein lebtag schon den leitspruch: "der weg dorthin - ist der weg dadurch" - will in diesem fall sagen: wenn ich mein leben und jeweilige situationen möglichst ohne auch unbewusste einschränkungen von irgendwoher leben will und mich von "ererbten" belastungen aus meinen familien befreien will - muss ich mich durch all den schlamassel dieser dazuzählenden beteiligten menschen begeben - ich muss hinhören und lesen und mich interessieren, und vieles davon wird nicht im world-wide-web von vornherein verzeichnet sein und ist nicht mit dem smartphone abrufbar - und ich muss festhalten, was da bei "uns" oder in der nachbarschaft oder auch bei entfernten verwandten los war - und  mich auch an- und berühren lassen: ab und zu wird die stimme brechen und werden die augen feucht werden - das sind aber keine zeichen der schwäche oder von zu viel emotionalität - das ist "mitgehen" und "erleben": es geht nicht um die kurzfristige "nachbarschafts-sensation" - es geht um langfristige emotionale bewältigung und ein "damit leben lernen"... - die "vierte generation" nach 1945 reicht noch mindestens bis 2050/2060 ...

nix für ungut - und chuat choan



Grünen-Chefin Baerbock über Emotionen in der Politik

"Jetzt heult die da im Bundestag"

Ein Holocaust-Überlebender hat mit seiner Rede im Bundestag viele Menschen gerührt - Annalena Baerbock sogar zu Tränen. Für die Grünen-Chefin nach eigenen Angaben eine Gratwanderung: Wie viel Emotion ist zu viel?


annalena baerbock - S!|graphic



Wie viele, welche Gefühle darf man in der Berufspolitik zeigen? Ohne, dass einem nicht nur in sozialen Netzwerken Hohn und Spott entgegenschlagen? Mit solchen Fragen beschäftigt sich Grünen-Chefin Annalena Baerbock nach eigenen Angaben. So auch mit der Frage, ob sie hart genug für den Job der Parteivorsitzenden ist.

Sie sei in die Politik gegangen, um Dinge zu verändern und mit vielen Menschen im Gespräch zu sein, sagte die 38-Jährige im SWR-Interview. Diese Nahbarkeit bedeute auch immer eine gewisse Emotionalität.

Als Beispiel nannte Baerbock die Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag. Dabei waren ihr am Donnerstag die Tränen gekommen, als der Holocaust-Überlebende Saul Friedländer geschildert hatte, wie er als Kind von seinen Eltern getrennt worden war.

"In diesen Momenten kommt man gar nicht drum rum, an seine eigenen Kinder zu denken, sich genau das vorzustellen, was natürlich Emotionen auslöst", sagte Baebock, selbst Mutter von zwei Töchtern. "Wenn einem da die Tränen kommen und (man) weiß genau, da halten jetzt zig Kameras drauf, dann ist das immer so: Soll man sich verstellen oder nicht?"

Auf der einen Seite gehe es darum, empathisch und offen zu bleiben, auf der anderen Seite könne einem dann gerade in den Sozialen Medien vorgeworfen werden: "Jetzt heult die da im Bundestag." Das sei eine Gratwanderung. Aber: "Ich glaube, ein Abstumpfen ist das Gefährlichste, was man in der Gesellschaft derzeit tun kann."

text aus: spiegel-online