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kaspar - der mann aus dem nichts

Kaspar Hauser

Der junge Mann, der aus dem Nichts kam

Im April 1812 soll das berühmteste Findelkind des 19. Jahrhunderts zur Welt gekommen sein. Wer aber war Kaspar Hauser - und wer tötete ihn? Über einen mysteriösen Fall von großer Symbolkraft.

Von Rudolf Neumaier | SZ [link]


Das Damen-Conversations-Lexikon verstand sich als Lektüre für "das Nützliche, Schöne, Wissenswerthe im Geiste der Frauen". Darüberhinaus hatte die Redaktion auch ein sehr gutes Gespür für Themen, die eindeutig der Rubrik "Ratsch und Klatsch" zuzuordnen sind.

Die zehn Bände erschienen von 1834 bis 1838 und waren topaktuell. Zwischen dem Eintrag der Opernsängerin Karoline Haus und dem Stichwort "Hausfrau" fand sich ein farbiger Bericht über einen Mann namens Kaspar Hauser.







Abb. Repro: Damen-Conversations-Lexikon 1834, Bd. 5 - S. 191 - 193 (Kaspar Hauser)


Wenn man die Geschichte aus dem Damen-Conversations-Lexikon mit den Kaspar-Hauser-Studien der vergangenen zehn Jahre vergleicht, kommt am Ende das gleiche Ergebnis heraus: Über diesen Burschen kann man ebenso trefflich spekulieren wie über seine Herkunft. Mehr nicht. Wer den jungen Mann getötet hat, auch das wird ein Rätsel bleiben, sofern nicht irgendwo ein stichhaltiges Bekennerschreiben auftaucht.

"Am zweiten Pfingstfeiertag 1828", heißt es im Lexikon, "erschien gegen 5 Uhr Abends am Hallerpförtchen in Nürnberg ein in Bauerntracht gekleideter junger Mensch, dessen körperliche Haltung und Jammergestalt jedermann auffiel und der wie ein Trunkener vorwärts wankend einen Brief in der Hand hielt."

Adressiert war der Brief an einen Rittmeister. Doch weil der dienstlich unterwegs war, nahm sich dessen Personal des "Erbarmungswürdigen" an. Der Junge konnte sich kaum artikulieren, seine Zunge erwies sich als ungeschult im Umgang mit Sprache. Auch mit der Nahrungsaufnahme hatte er Probleme: "Man setzte ihm Bier und Fleisch vor, aber kaum genossen, brach er es wieder von sich, dagegen stillte er seinen Heißhunger und Durst mit Schwarzbrod und frischem Wasser."

Eher Bub als Mann: Eine Radierung nach einem Stahlstich von Friedrich Fleischmann zeigt ein Porträt Kaspar Hausers aus dem Jahr 1828. (Foto: dpa)




Ein Symbol für die Verstoßenen

Eine fantastische Geschichte war in der Welt. Ein Mythos und Symbol für die Verstoßenen und Verbannten. Ein Rätsel, das von Historikern über Mediziner, von Linguisten bis hin zu Rechtsgelehrten die Wissenschaften beschäftigt hat. Ein gigantischer Stoff für Künstler. Peter Handkes 1968 uraufgeführtes Stück "Kaspar" steht heute noch auf Theaterspielplänen. Kurt Tucholsky schrieb Texte unterm Pseudonym Kaspar Hauser.

Immer wieder, wenn in einem Verlies Menschen entdeckt werden, deren Existenz unbekannt war und die lange Zeit sozialer Kontakte entbehrten, wird Kaspar Hauser als Referenz und Ahn der Weltentfremdeten aufgeboten. Oder war er nur ein Aufschneider, der sich von geschickten Geschäftemachern für die Rolle einer Jahrmarktsattraktion instrumentalisieren ließ? Diese Sichtweise gibt es auch.

Der mysteriöse Absender des Briefes an den Rittmeister gab sich als Tagelöhner mit zehn Kindern aus. Er schrieb, der Überbringer des Schreibens sei ihm 1812 als Neugeborener vor die Tür gelegt worden.

Wenn alles stimmt im Brief, hatte der anonyme Verfasser die Pflege des Findelbuben übernommen, den Fund des Säuglings aber nicht gemeldet. Wollte er sich keinen Papierkram aufhalsen? Oder war er bezahlt? Oder stimmte die Geschichte nicht? Jedenfalls gab der Schreiber an, er habe den Buben christlich erzogen und ihn das Schreiben gelehrt.

Im Briefkopf stand "Von der Bäierischen Gränz", doch auch das kann eine Nebelkerze sein, um die wahre Provenienz zu verschleiern.

Kaspar ließ viele Versuche über sich ergehen

Fünfeinhalb Jahre lebte Kaspar Hauser vom plötzlichen Erscheinen bis zum Tod. Er war nacheinander bei Bürgern untergebracht. Der berühmte Strafrechtspionier Anselm von Feuerbach hatte als Obervormund Aufsicht über die Entwicklung und förderte Kaspar, wo er konnte, er starb aber 1833.

Mit der Zeit lernte Hauser das Sprechen, die Lehrer lobten das handwerkliche Geschick, auch seine Begabung im Zeichnen soll beachtlich gewesen sein. Jeder Betreuer versuchte, dem Rätsel der Abstammung auf die Spur zu kommen. Alle mussten sich mit den Angaben Kaspars begnügen, er sei in einem dunklen Kerker bei Wasser und Brot gehalten worden.

Allerlei Versuche ließ er über sich ergehen. Okkultisten begutachteten ihn, homöopathische Tests wurden ebenso vorgenommen wie Experimente mit Magnetismus. Die Aufmerksamkeit, die er auf sich zog, störte ihn nicht. Im Gegenteil.

Das Damen-Conversations-Lexikon reihte sich als eine der ersten Publikationen bei den Zweiflern ein, die Kaspar mit wachsender Skepsis betrachteten:



"Fast interessirte man sich nicht mehr für ihn, als ein auf ihn gerichteter Mordversuch neue und allgemeine Theilnahme erregte, aber Niemand vermochte den Thäter zu entdecken."


1829 war das erste Mal, dass Hauser eine Stichwunde erlitt. Nach seiner Schilderung suchte ihn der Täter auf der Toilette heim. Das Märchen eines Betrügers, um im Gespräch zu bleiben? Hauser bekam Polizeischutz und wurde später nach Ansbach gebracht.

Der reiche englische Adelige Philip Henry Stanhope nahm sich seiner an und investierte viel Zeit und Geld in die Recherche der Herkunft. Umsonst. Stanhope gestand sich später ein, einem Lügner aufgesessen zu sein.

Hauser starb am 17. Dezember 1833, drei Tage nach einem Messerstich. Wer ihm die Wunde zugefügt hatte, ließ sich nie klären. Er selbst? Die Spekulationen über den seltsamen Kerl schossen nun erst recht ins Kraut. Dass er ein badischer Erbprinz sei, dieses Gerücht etwa hat sich bis heute gehalten.

Das Damen-Conversations-Lexikon verzichtete auf eine eigene Theorie zur Abkunft Kaspars. Aber so viel wusste es: Dass es sich bei den Leuten, die ihn gefangen gehalten hatten, um "unnatürliche Tyrannen" handelte.

An der Stelle, an der Kaspar angeblich überfallen wurde und den Todesstich erlitt, stellten die Ansbacher einen Gedenkstein auf mit der Inschrift: "Hier wurde ein Geheimnisvoller auf geheimnisvolle Weise getötet."


HIC OCCULTUS OCCULTO OCCISUS EST XIV. DEC. MDCCCXXXIII
(„Hier wurde ein Geheimnisvoller auf geheimnisvolle Weise getötet 14. Dez. 1833“) - Inschrift auf einem Denkmal im Ansbacher Hofgarten

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Reinhard Mey: Kaspar (1969)

Sie sagten, er käme von Nürnberg her und er spräche kein Wort.
Auf dem Marktplatz standen sie um ihn her und begafften ihn dort.
Die einen raunten: „Er ist ein Tier“,
Die andern fragten: „Was will der hier?“
Und daß er sich doch zum Teufel scher‘. „So jagt ihn doch fort, – so jagt ihn doch fort!“ –

Sein Haar in Strähnen und wirre, sein Gang war gebeugt.
„Kein Zweifel, dieser Irre ward vom Teufel gezeugt.“
Der Pfarrer reichte ihm einen Krug
Voll Milch, er sog in einem Zug.
„Er trinkt nicht vom Geschirre, den hat die Wölfin gesäugt!“

Mein Vater, der in uns‘rem Orte Schulmeister war,
Trat vor ihn hin, trotz böser Worte rings aus der Schar;
Er sprach zu ihm ganz ruhig, und
Der Stumme öffnete den Mund
Und stammelte die Worte: „Heiße Kaspar“.

Mein Vater brachte ihn ins Haus, „Heiße Kaspar!“
Meine Mutter wusch seine Kleider aus und schnitt ihm das Haar.
Sprechen lehrte mein Vater ihn,
Lesen und schreiben, und es schien,
Was man ihn lehrte, sog er in sich auf – wie gierig er war!

Zur Schule gehörte derzeit noch das Üttinger Feld,
Kaspar und ich pflügten zu zweit, bald war alles bestellt;
Wir hegten, pflegten jeden Keim,
Brachten im Herbst die Ernte ein,
Von den Leuten vermaledeit, von deren Hunden verbellt.

Ein Wintertag, der Schnee lag frisch, es war Januar.
Meine Mutter rief uns: „Kommt zu Tisch, das Essen ist gar!“
Mein Vater sagte: „... Appetit“,
Ich wartete auf Kaspars Schritt,
Mein Vater fragte mürrisch: „Wo bleibt Kaspar?“
Wir suchten, und wir fanden ihn auf dem Pfad bei dem Feld.
Der Neuschnee wehte über ihn, sein Gesicht war entstellt,
Die Augen angstvoll aufgerissen,
Sein Hemd war blutig und zerrissen.
Erstochen hatten sie ihn, dort am Üttinger Feld!

Der Polizeirat aus der Stadt füllte ein Formular.
„Gott nehm‘ ihn hin in seiner Gnad“, sagte der Herr Vikar.
Das Üttinger Feld liegt lang schon brach,
Nur manchmal bell‘n mir noch die Hunde nach,
Dann streu‘ ich ein paar Blumen auf den Pfad, für Kaspar.

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ich lernte das schicksal kaspar hausers erstmals kennen durch den song von reinhard mey - in der hoch-zeit der 68er - also vor 50 jahren. ich war damals 21/22 jahre alt - und seltsame schauer zogen und ziehen mir beim text dieses liedes über den rücken.

das schicksal dieses bei seinem auffinden ungefähr 15-jährigen "findel"menschen löste eine betroffenheit aus, die ich bis heute nicht weiß, richtig einzuordnen. nach wie vor bin ich jeweils berührt ...

zur gleichen zeit damals begann ich meine neue berufliche heilpädagogische laufbahn in der diakonie in bethel - und stand bald tatsächlich vor menschen, die ich durchaus mit "kaspar hauser" vergleichen konnte: auch sie manchmal wegen ihrer "behinderung" regelrecht verstoßen von zu hause - aus ihrer familie - lebten sie nun unter obhut - bekamen nie besuch und kannten ihre eltern und ihren namen nicht. 

außerdem war "kaspar hauser" damals in der heilpädagogik als "interessanter fall" wegen seiner "verwilderung" genannt - oft in einem atemzug mit den "wolfskindern", die als ausgesetzte findelkinder aufgefunden wurden - und bei denen mit heilpädagogischen bemühungen - früher oft nach den erziehungs-konzepten von jean-jacques rousseau (stichwort:"émile") - versucht wurde, sie in die bestehende gesellschaft zu integrieren.

damals reihte sich reinhard mey's "kaspar"-song mit ein in die "kampflieder" für die emanzipation in eine bessere welt - und daran hat sich bis heute wenig geändert ...

mit den großen flüchtlingtrecks im herbst 2015 kamen ja dann wieder viele traumatisierte "alleinreisende jugendliche", die keine papiere haben und mehrere identitäten gleichzeitig, die kein wort deutsch konnten und kaum englisch - und das sind junge menschen, die einfach nach einer neuen bleibe suchen - und nach einer chance im leben: so ähnlich wie kaspar - und die aber auch dringend einer (heil-)pädagogischen betreuung bedürfen...

über-all



Wenn einer mich fragt, 
wo Gott sei, 
so antworte ich: 
Er ist überall. 

Wenn einer mich fragt, 
wo die Seele sei, 
die in Liebe ist, 
so sage ich: 
Sie ist überall. 

Denn Gott liebt, 
und die Seele, 
die in Liebe ist, 
die ist in Gott, 
und Gott ist in ihr. 

Und da Gott überall ist 
und sie in Gott ist, 
so ist sie nicht 
mit der einen Hälfte in Gott 
und mit der anderen nicht. 

Da Gott in ihr ist, 
muss die Seele notwendig 
überall sein, 
weil der in ihr ist, 
der überall ist. 

Gott ist überall 
in der Seele 
und sie ist überall 
in ihm. 

Meister Eckhart

gut - dass wir mal drüber gesprochen haben ...



Bürger treiben Politik 

Es gärt in vielen Ecken der Gesellschaft

Von Georg Ismar | Tagesspiegel

Die Politik findet auf neue Bewegungen wie die Enteignungsdebatte oder "Fridays for Future" keine adäquate Antwort. Und die Empörung wächst. Ein Kommentar.

Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche. Che Guevara, auf den dieses Zitat zurückgeht, würde sicher mit einem gewissen Wohlwollen auf das blicken, was gerade in Berlin passiert. Ein bisschen Revolution von unten, auch wenn – anders als beim „Jesus mit Knarre“ (Wolf Biermann) – Wohnungskonzerne nicht mit Waffengewalt, sondern mit der Kraft des Grundgesetzes enteignet werden sollen. Doch wenn neue Bewegungen aufgrund diffuser Ungerechtigkeitsgefühle entstehen, ist das auch ein Anzeichen von Politikversagen. Die Bundesregierung sollte diese Bewegungen nicht unterschätzen: Es gärt in vielen Ecken der Gesellschaft.

  • Jeden Freitag gibt es die Klimaschutzproteste der „Fridays for Future“-Bewegung Zehntausender Schüler, 
  • in Städten wie Berlin gibt es immer größere Proteste gegen rasant steigende Mieten und Verdrängung aus dem Zentrum. 
  • Dazu der erbitterte Widerstand junger Leute gegen die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie fürs Internet und das Herausfiltern von Inhalten. 
  • Nicht zu vergessen auch die rechte Pegida-Bewegung gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Protest, von der AfD befeuert, führte zu einer Reihe an Asylrechtsverschärfungen – und zu einer Veränderung des gesellschaftlichen Klimas.

Das Muster wiederholt sich: Gruppen bewegt ein Thema, sie schließen sich zusammen, eine Dynamik entsteht – und die Politik wird kalt erwischt. Sie steht oft ratlos daneben und wirkt getrieben. Wenn nun sogar die FDP versucht, sich stärker beim Klimaschutz zu positionieren, zeigt das: Auch die Massenproteste der Schüler zeigen Wirkung. Recht haben sie: Nimmt man alle CO2-Emissionen seit der Industrialisierung zusammen, haben weltweit nur drei Länder mehr Kohlendioxid ausgestoßen als Deutschland. Da kann sich Merkel nicht herausreden, dass auch andere mehr tun müssten.

  • Und eigentlich müsste es auch längst eine Steuerzahlerbewegung geben: Es ist schon ein Kunststück, in Hochkonjunkturzeiten (die sich nun dem Ende zuneigen) keine umfassende Steuerentlastung hinbekommen zu haben.


Die Bundesregierung findet auf die neuen Bewegungen keine adäquate Antwort

Doch die Bundesregierung verliert sich im Stückwerk, versteckt sich hinter ihrem Koalitionsvertrag, ohne auf die neuen Bürgerbewegungen eine adäquate Antwort zu finden. Insbesondere die Noch-Kanzlerin wirkt seltsam teilnahmslos. Wie ratlos die Politik ist, zeigt besonders die an Fahrt gewinnende Enteignungsdebatte. Im Bund wie im Land.

In Berlin hat sich Wohnsenatorin Katrin Lompscher (Linke) mit an die Spitze der Protestbewegung gegen die Regierung gestellt – der sie selbst angehört: Sie ist bei der Demonstration gegen zu hohe Mieten mitmarschiert. Dabei war es auch die Linke, die im Verbund mit der SPD Verantwortung trug, als früher Tausende Wohnungen und Grundstücke an Investoren verkauft wurden. Wie sehr es grummelt, auch weil die Politik die Auswüchse des Kapitalismus kaum noch eingehegt bekommt, zeigt der jetzt schon beachtliche Erfolg des Volksbegehrens. Auch wenn Juristen das Vergesellschaftungsunterfangen unrealistisch finden, ganz abgesehen von rund 36 Milliarden an Kosten.

Demo gegen "Mietenwahnsinn" „Es muss ein Paradigmenwechsel stattfinden“

Mit einer Großdemonstration hat das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen!“ begonnen. Mieterinitiativen fordern einen Politikwechsel.

Die FDP will bei ihrem Bundesparteitag am Wochenende deshalb beschließen, dass der Artikel 15 aus dem Grundgesetz gestrichen werden soll. Auch in der Union können sich das einige vorstellen, aber die nötige Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat für eine Verfassungsänderung ist nicht in Sicht. Eine Lösung des Problems wäre das ohnehin nicht, auch wenn sich in der rot-rot-grünen Koalition in Berlin mancher vielleicht klammheimlich wünscht, so das Enteignungs-Begehren loszuwerden. Merkels Losung lautet: Bauen, Bauen, Bauen. Doch die Mieten steigen in Großstädten weiter. Denn es gibt kein Patentrezept.

Der frühere französische Widerstandskämpfer Stéphane Hessel hatte in dem Essay „Empört Euch“ 2010 die Bürger zu mehr Protest aufgerufen. Und tatsächlich wächst diese Empörung stetig. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass die große Koalition über ein paar neue Ideen nachdenkt.


ja - dreht euch wieder um, liebe politiker. meines erachtens ist es schon mit der politikverdrossenheit der parteien während des letzten bundestagswahlkampfes losgegangen. wahrscheinlich waren es die umfrageergebnisse der afd und der zulauf zu pegida, die die bürgerlichen parteien der mitte irgendwie lähmten. gerade einmal die grünen kamen dann nach den gescheiterten jamaika-koalitionsverhandlungen als erste mit herrn habeck und frau baerbock wieder in die spur und überflügelten inzwischen sogar die nahles-spd, während die cdu/csu einfach vor sich hin stagniert - und mit den internen umwälzungen um merz und akk gegenüber old muddi merkel und den totalausfällen von wirtschaftsminister altmaier und der kriegsministerin von der leyen und automobilminister scheuer alle hände voll zu tun hat - und hast du schon einmal etwas von einer gewissen anja karliczek gehört? - damit krebst man am absoluten limit herum - mit all den anfangsquerelen um seehofer und der csu ... - wo jetzt aber ein stillhalteabkommen mühsam wirkt.

die fdp tritt auf der stelle, die linken bekämpfen sich in ihren flügeln selbst - und bei all dem gedöns und diesem lustlosen europa-wahlkampf nehmen eben enttäuschte und verdummdeubelte bürger ihr schicksal selbst in die hand - und das ist gut so ...

die afd stagniert zum glück ebenfalls und reiht sich mit ihren spendenskandalen nahtlos in die von ihnen so bekämpften "alt-
vogelschiss afd
parteien" ein - ja übertrifft diese inzwischen sogar als ur-alt-partei, die nichts dazugelernt hat in den letzten 85 jahren: ich glaube inzwischen, die afd war nur ein vorübergehender vogelschiss in der politischen landschaft - ohne jeden tiefgang und ohne jede nachhaltigkeit - und holt sich jetzt aus lauter innerer strategielosigkeit den ollen abgetakelten klinkenputzer bannon aus den usa in den bundestag, der ihnen die flötentöne für uropa beibiegen soll & will: gut so, dann sind wir die in deutschland endlich wieder los - sollen sie doch nach italien mit ins kloster gehen: ommmmmm - oder sich vollends bei facebook einigeln, wo bereits 85 % aller politischen äußerungen  von ihnen stammen - untereinander und miteinander verbreiten sie sich gegenseitig dort ihren schmarren - aber auch dort kochen sie sich selbst nur ein: und keine angst - die wollen nur spielen - die machen nix kaputt: am ende könnte es eine mischung von lebendigen anhängern und digitalen automaten sein, die der afd die lufthoheit auf facebook sichern. eines wäre sie damit sicher nicht: die "stimme des volkes" - sondern nur eine vor sich hin köchelnde braune soße ...

die politik hat mit sich selbst zu tun - und bildet irgendwie einen inneren sterilen "staat im staat": da dringt nichts ein - und da kommt nichts raus - und all die selbstschüsse gehen nach hinten los (z.b. olaf scholz und die geplante union von commerzbank und deutscher bank) ...

die große rot-schwarze koalition fährt vor eine weiße wand: das ergibt dann hässliche schwarz-weiß-rote flecken

ich habe ja neulich hier schon geschrieben von dem lämpchen, das wohl im arbeitszimmer der kanzlerin tag und nacht die nun weißen wände wegen der abgehängten nolde-schinken anleuchtet - damit die bürger denken, die kanzlerin arbeite inständig und sorge sich um unser wohl - und vielleicht hat aber auch die bundespolizei oder der bundesnachrichtendienst diese immerwährende leuchte angeordnet, um potentielle bösewichte zu irritieren, die der kanzlerin ans leder wollen...

ja - und gut - dass wir mal drüber gesprochen haben - von nichts kommt nichts - und nichts für ungut - und chuat choan ...

ziehen sich viel schöner an als salomonis seide


ACHTUNG: rechtes trainingslager für europa - in einem italienischen kloster



KLOSTER TRISULTI

Bannons rechte Kaderschmiede für europäische Nationalisten

Von Regina Kerner | FR

In Italien entsteht „eine Gladiatorenschule“ für die neue Generation von Rechtsnationalisten -  Steve Bannon träumt von der rechten Wende in Europa. 

Fast tausend Meter hoch, umgeben von Eichenwäldern und Gipfeln, auf denen noch Schneereste leuchten, liegt der imposante Klosterbau Trisulti. Bis zum nächsten Dorf, Collepardo, sind es fünf Kilometer auf einer Serpentinenstraße. Mehr als acht Jahrhunderte lebten Mönche in der Kartause von Trisulti, etwa zwei Autostunden südöstlich von Rom, gänzlich abgeschieden. Bis vor einem Jahr noch lebte der letzte Mönch von Trisulti allein in dem etwa 25.000 Quadratmeter großen Klosterkomplex. Denn seit dieser Zeit hat der alte Mann einen neuen Hausherrn und Mitbewohner: Den Briten Benjamin Harnwell, 43 Jahre alt, mit Ende zwanzig zum Katholizismus konvertiert, Chef des ultrakonservativen Think Tanks „Dignitatis Humanae Institut“.

In einer Allianz mit papstfeindlichen Vatikankreisen und einem der bekanntesten US-amerikanischen Rechtspopulisten will Harnwell aus der Certosa di Trisulti eine Kaderschmiede machen. „Eine Akademie für alle, die die jüdisch-christliche Kultur des Westens verteidigen wollen“, wie er sagt. Gegen die Masseneinwanderung von Muslimen aus Afrika, gegen die gottlose Gesellschaft der globalisierten Eliten, gegen den Niedergang traditioneller christlicher Werte.

Für Steve Bannon, Ex-Chefstratege von Donald Trump, ist Italien das “Zentrum des Universums“

Eine Fortbildungseinrichtung für Politiker soll es sein, für Geistliche – und für normale Bürger. Steve Bannon, der ehemalige Chefstratege von US-Präsident Donald Trump, hat es zugespitzter formuliert: Trisulti werde „eine Gladiatorenschule für Kulturkämpfer“ – für eine neue Generation Rechtsnationalisten und Populisten.

Steve Bannon


Steve Bannon ist Schirmherr des „Dignitatis Humanae Instituts“. Der Ex-Chef des rechtsradikalen, islamfeindlichen und für Fake News berüchtigten US-amerikanischen Internetportals Breitbart News arbeitet an einer rechtspopulistischen Wende in Europa. Bannon träumt davon, dass bald nicht nur in Italien, sondern überall Populisten-Regierungen wie die der Fünf Sterne und der fremdenfeindlichen rechtsnationalen Lega an die Macht kommen. Bannon ist jetzt regelmäßig in Italien. Er hat es zum „Zentrum des Universums“ erklärt. Auch in Trisulti war er schon häufiger.

Bannon gab 2014 Anstoß für Akademie 

Weil hinter den dicken Klostermauern kaum geheizt ist, schlägt Harnwell vor, das Gespräch draußen in der Vorfrühlingssonne zu führen, die zumindest ein wenig wärmt. Er stellt die Stühle auf einen kleinen Vorplatz, von dem man auf die Klostergärten und einen Teich mit Madonna in der Mitte blickt. Harnwell, früher Kabinetts-Chef eines konservativen britischen EU-Abgeordneten in Brüssel, ist mittlerweile an Journalistenbesuche gewöhnt. Das Interesse an der rechten Denkfabrik ist groß. Er gibt sich „casual“, mit Jeans und Daunenweste, die Haare nach hinten gekämmt – ganz wie Bannon.

Von dem schwärmt er in den höchsten Tönen. „Er hat ein unglaubliches Charisma. Er ist der eindrucksvollste Typ, den ich je getroffen habe.“ Bannon mache keine Kompromisse, um vom Establishment akzeptiert zu werden. Er habe das politische Schema verändert. Statt „rechts gegen links“ heiße es jetzt: „Einfacher Arbeiter gegen globale Eliten.“

„Bannon war der intellektuelle Architekt des populistischen Paradigmas“

„Bannon war der intellektuelle Architekt des populistischen Paradigmas“, sagt Harnwell mit triumphierendem Lächeln. Bannon gab auch den Anstoß für die Akademie. Das war 2014, bei einer Konferenz des Instituts im Vatikan. Er war per Video zugeschaltet und wetterte in seinem Vortrag gegen den „faschistischen Islam“, den Säkularismus, die kapitalistische Vetternwirtschaft. „Das war die Inspiration“, sagt Harnwell.

Beide arbeiten nun gemeinsam am Konzept und Trainingsprogramm der „Akademie für den jüdisch-christlichen Westen“. Dieses Jahr sind erst einmal nur Sommerkurse mit bis zu 50 Teilnehmern in Rom geplant. „Wir haben jetzt schon zehn Mal mehr Anfragen als Plätze“, sagt Harnwell. Ab 2020 soll die Schule in Trisulti dann ihren Vollzeit-Betrieb aufnehmen. Zuerst muss aber ein Teil des mittelalterlichen Klosters umgebaut und modernisiert werden. Bislang gibt es nicht einmal Internet-Zugang.

„Die Familie ist das Schlachtfeld in einem großen spirituellen Krieg“

Was die Unterrichtsinhalte der Akademie betrifft, bleibt Harnwell vage. „Es wird um Theologie, Philosophie, Wirtschaft und Geschichte gehen.“ Überhaupt ist er im Gespräch eher zurückhaltend. In Texten, die er auf Twitter und auf Breitbart News veröffentlicht, wird er deutlicher. Da geht es etwa gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, unter Überschriften wie „Die Familie ist das Schlachtfeld in einem großen spirituellen Krieg“. Harnwell ist überzeugt, dass es eine internationale Verschwörung gibt, an der die Vereinten Nationen und die EU beteiligt sind, um die Weltbevölkerung zu schrumpfen. Und er greift in seinen Texten den Papst an.

Beste Beziehungen zu erzkonservativen Katholiken 

Dabei hat er exzellente Beziehungen in den Vatikan – allerdings zu einem ganz bestimmten Teil der Kurie. Ehrenpräsident seines Instituts ist der Frontmann der erzkonservativen Traditionalisten in der katholischen Kirche: Kardinal Raymond Leo Burke, der größte Gegner von Franziskus. „Ein sehr weiser Mann“, sagt Harnwell. Er treffe sich regelmäßig mit ihm. Im Beirat des „Dignitatis Humanae Instituts“ sitzen weitere elf konservative Kardinäle, auch der deutsche Walter Brandmüller.

Franziskus‘ Reformbemühungen sind Leuten wie Burke, Brandmüller und Harnwell ein Dorn im Auge. Er verwässere die Doktrin, werfen sie ihm vor. Sie finden es skandalös, dass der Papst geschiedene Katholiken, die wieder geheiratet haben, in bestimmten Fällen zur Kommunion zugelassen hat. Er sei zu links. „Die katholische Kirche macht zu viel weltliche Politik, statt sich um den Glauben zu kümmern“, sagt Harnwell. „Der Papst verstört damit seine Herde“. Natürlich zielt das vor allem auch auf die zuwanderungs- und migrantenfreundliche Haltung von Franziskus. „Matteo Salvini wird in Italien inzwischen mehr respektiert als der Papst“, sagt Harnwell. Der Innenminister und Lega-Chef, der Italiens Häfen für Flüchtlinge geschlossen hat, sei einer, der es ernst meine mit dem Schutz der christlichen Kultur.

Zuwanderung wird als Bedrohung gesehen

Zuwanderung hält Harnwell für eine enorme Bedrohung. „Wenn die ersten zehn Millionen Afrikaner nach Europa gekommen sind, wird die Demokratie verschwunden sein.“ Die herrschenden Politiker seien völlig inkompetent, sagt er und schimpft insbesondere auf Angela Merkel, die ihr Land für Migranten geöffnet habe. Von Europas christdemokratischen Parteien hält er nichts. „Die reden nur im Wahlkampf über christliche Werte. Aber sie liefern nicht.“ Tatsächlich seien heute Nationalpopulisten wie Salvini Marine Le Pen die politische Mitte.

Während Harnwell spricht, läuft ein Ehepaar mit Fremdenführerin vorbei. Vormittags kann das Kloster besichtigt werden, wenn man an einer kleinen Tour teilnimmt. Der Eintritt kostet fünf Euro, die an das Institut fließen. Es hat das Kloster seit einem Jahr angemietet, vom italienischen Staat. Trisulti ist seit 1873 ein Nationaldenkmal. Nach einer öffentlichen Ausschreibung hatte das Kulturministerium in Rom unter mehreren Bewerbern Harnwells Institut ausgewählt. „Es war immer bekannt, was wir hier machen wollen“, versichert der. 100.000 Euro beträgt die jährliche Miete, der Vertrag läuft 19 Jahre. Dazu kommen Umbau- und Modernisierungskosten. Wie sich die rechte Denkfabrik finanziert, ist unklar. „Wir bekommen Spenden“, sagt Harnwell, „es sind Privatleute, die anonym bleiben wollen.“ Deutsche seien nicht darunter. Spekuliert wird zuweilen, dass unter den Finanziers dieselben superreichen Amerikaner sind, die auch Trumps Wahlkampf unterstützten.

Zum Abschluss zeigt Harnwell dann noch die prachtvolle, mit Fresken verzierte Klosterapotheke, eine der Sehenswürdigkeiten von Trisulti. Und die Kirche, wo früher die Mönche im hölzernen Chorgestühl beteten. Jedes Mal, wenn er am Altar vorbeiläuft, kniet er beflissen nieder.

Im Dorf sind sie sauer, weil man nicht mehr im Kloster heiraten kann

Weiter unten an der Serpentinenstraße, im Dörfchen Collepardo, wird der neue Hausherr der Kartause mit gemischten Gefühlen gesehen. Barbara hantiert hinter dem Tresen der „Bar del Corso“ an der Espressomaschine. Sie könne nichts Schlechtes über „Benjamin“ sagen, versichert sie. Sympathisch sei er. „Mir ist die Politik egal, damit das klar ist. Aber die Leute im Dorf sind sauer, weil sie ihre Hochzeiten nicht mehr in der Klosterkirche feiern können.“ Der Bürgermeister versichert, in Collepardo habe man keine Angst davor, sich mit Gedankengut jeglicher Art auseinanderzusetzen. Aber Harnwell müsse zumindest die Kirche und einen Teil der Kartause für die Dorfbewohner öffnen.

Andere haben durchaus ein Problem damit, dass das Kloster zum Hort Ultrakonservativer und rechter Extremisten werden soll. Ende Dezember nahmen 300 Menschen an einem Protestmarsch teil. „Es ist ein sehr beunruhigendes Projekt“, sagte damals der linke Parlamentsabgeordnete Nicola Frantoianni. „Von Leuten, die ein neues Mittelalter in unserer Gesellschaft schaffen wollen.“

FRANKFURTER RUNDSCHAU


es soll hinterher niemand sagen, er habe "von nix" gewusst ... jetzt - vier wochen vor der uropawahl muss auch der politische fokus auf uropa gerichtet sein - und auch gerade auf die machenschaften all der rechten, identitären, erzkonservativen kräfte, die sich da jetzt zusammenrotten - und auch finden.

denn justement steht auf spiegel-online zu lesen, wie die afd jenen chefstrategen, nämlich steve bannon als "special guest" bis hinein in den deutschen bundestag einlädt - und sich dazu mit fremden federn schmückt: die organisatoren haben sich einen euphemistischen titel ausgedacht: "1. konferenz der freien medien" [sic!] nennen die afd-abgeordneten ihre für den 11. mai geplante veranstaltung, bei der rechte journalisten und blogger im bundestag zusammenkommen sollen, um sich noch besser [!] zu vernetzen.

bannon soll einen vortrag halten - thema: "erfolgreich kampagnen führen"... und im einladungsschreiben heißt es tatsächlich, die afd-konferenz finde "mit freundlicher unterstützung des ausschusses für kultur und medien" statt. doch genau das weisen sprecher dieses ausschusses aufs schärfste zurück. wenn überhaupt, dann sei die veranstaltung "eine reine afd-fraktionsveranstaltung und hat keinerlei bezug zur parlamentarischen arbeit des 'ausschusses für kultur und medien'", betonte eine dort eingebundene spd-politikerin.

inzwischen ist die afd etwas zurückgerudert - und nennt nun als "freundliche unterstützer" die mitglieder eines afd-arbeitskreises 'kultur und medien' ...

doch - nachtijall - ick hör dir trappsen: immerhin gelang es bannon in den usa alle diese diffusen rechtspolitischen kräfte mit virtueller hilfe des internets und einiger anderer kniffe hinter donald trump zu versammeln, was zuvor niemand in der welt für möglich gehalten hätte.

wir alle müssen wachsam sein - und die augen offenhalten - besonders auch im internet und in den sozialen medien - und in den leserbrief-foren einiger großer medienhäuser, wo z.t. ganz gezielt mit automatisierten stellungnahmen durch algorithmen eine meinungsmehrheit per "#hashtag" oder "shitstorm" einseitig vorgetäuscht wird, wenn es denen strategisch in den kram passt ...

das letzte große sichtbare nationale propaganda-treffen fand im herbst 2018 beim chemnitzer "trauermarsch" statt: es gab eine zeit, da hatte man die braune suppe bereits "totgesagt - doch: hier im innern des landes, da leben sie noch"... - und nun versuchen sie uropa mit vereinten kräften zu mobilisieren: stellen wir uns ihnen gezielt in den weg ...!!!

übrigens: auch da wird wieder von "christlich-jüdisch-konservativen kräften" vereint gegen den islam gesprochen - wir müssen uns alle "glaubensmäßig" mal unserer gemeinsamen abrahamitischen wurzeln besinnen: auch der islam entspringt ja dem vorderasiatischen-arabischen raum und sogenannten "heiligen land" - und jesus und der urvater abraham sind geachtete personen im koran ...

nicht die unterschiede sondern die theologischen verwandtschaften sind endlich mal angemessen von allen seiten zu betonen!



ist das kunst - oder kann das weg ???

symbol-bild richter-skizzen: gerhard richter: bühler höhe (skizze) - bühler höhe (sketch) - 1991 52 cm x 62 cm werkverzeichnis: 749-2 - öl auf leinwand - by www.gerhard-richter.com


Geldstrafe für Diebstahl von Richter-Skizzen

Prozess: Zwischen weggeworfenem Altpapier vor Gerhard Richters Haus entdeckt ein Mann Skizzen des Malers – und versucht, sie zu Geld zu machen. Sind die entsorgten Entwürfe überhaupt etwas wert?

Die Bilder, um die es geht, sind dick mit Pappe, Folie und Klebestreifen verpackt. „Jetzt muss ich aber ganz vorsichtig sein“, sagt Richterin Katharina Potthoff, als sie sich mit einer Schere an dem flachen Päckchen abmüht.

Schließlich befinden sich darin Originale des Malers Gerhard Richter, der einer der teuersten lebenden Künstler ist. Nur, dass die Bilder nach dessen Ansicht misslungen sind. Darum hat er sie nicht signiert, sondern in seine Altpapiertonne geworfen. Und von dort hat ein Mann sie mitgenommen. Dafür verurteilte das Kölner Amtsgericht ihn wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe.

Der Angeklagte schweigt im Prozess zu den Vorwürfen. Manchmal zieht der 49-Jährige die Stirn spöttisch in Falten oder schüttelt den Kopf. Gerhard Richter ist nicht erschienen. Bei der polizeilichen Vernehmung war der Angeklagte nicht so schweigsam wie im Gerichtssaal. „Er sagte, der Müllcontainer sei durch einen Sturm umgeweht worden“, schildert ein Polizeibeamter. Der Angeklagte habe nach eigenen Angaben „etwas Gutes tun wollen“, indem er im Juli 2016 die herausgefallenen Papiere einsammeln und wieder in die Tonne legen wollte. Dabei habe er die vier Werke – postkartengroße, mit Öl übermalte Fotos – gefunden.

Der Angeklagte sei an Richters Kölner Villa gewesen, um ihm eine Kunstmappe zum Kauf anzubieten. Doch der Maler habe abgelehnt. Auch über die Skizzen aus dem Altpapier hätte er sich – so erklärte der Angeklagte es der Polizei – später gerne mit Richter „geeinigt“, aber er habe ja kein Gehör gefunden. So bot der arbeitslose Angeklagte zwei der Bilder einem Münchner
Auktionshaus an. Für das Gericht steht laut Urteil außer Frage, dass die eigentlich unverkäuflichen Bilder dennoch einen guten Preis erzielen könnten, würde man einen Käufer finden. Der genaue Wert könne aber nicht geschätzt werden – in der Anklage ist die Rede von 60.000 Euro. Am Ende verurteilt das Gericht den Mann zu einer Geldstrafe von 3.150 Euro – 90 Tagessätze zu je 35 Euro.

Die Bilder sollen eingezogen werden. „Auch wenn die Skizzen neben der Papiertonne lagen, waren sie noch Eigentum des Künstlers“, sagt Richterin Potthoff in der Urteilsbegründung. Indem der Maler die Bilder in den Müll warf, habe er sie „an einen Entsorgungsbetrieb zum Zwecke der Entsorgung übereignet“.

Richter selbst hat nach Angaben seines Ateliers an einer Strafverfolgung des Angeklagten kein Interesse, sondern wolle nur, dass die Arbeiten vernichtet werden.



symbolbild richter-skizzen: gerhard richter: skizzen blatt - sketch sheet: 1967 29.7 cm x 40 cm zeichnungen-wvz: 67/7 - graphit und kugelschreiber auf papier - by www.gerhard-richter.com 



Text: NEUE WESTFÄLISCHE, 25.04.2019, Kultur/Medien

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tja - ist das kunst - oder kann das weg ??? - ab wann wird kunst zur kunst: jetzt gerade in der diskussion um die nazi-vergangenheit von emil nolde, und auch bei der diskussion um die missbrauchsvorwürfe gegen michael jackson, sagen die fans, es komme einzig und allein auf die "kunst" an: also bei nolde sein expressiver einzigartiger malstil und bei michael jackson seine einzigartigen songs und performances - es komme nicht so sehr auf den künstler an, der das jeweilige werk geschaffen hat: das kunst-"produkt", seine ureigene kreation ist das entscheidende.

der künstler / die künstlerin hat wie alle menschen brüche in der biographie - und musste sich oft auch durch prekäre phasen - wie alle menschen im leben - durchschlagen: erst gestern las ich diese toll und treffend formulierte zeile vom "ambivalenten material gelebten lebens" ...- das es in jedem fall zu konstatieren gilt.

der kunstbetrieb selbst sieht das anders: da kommt es auf die signatur auf dem werk an, auf seine "autorisierung", damit etwas zur kunst wird: das werk selbst ist nicht soooo wichtig (stichwort: "das kann mein vierjähriger auch" ...)

bei gerhard richter ist es nun so, dass der oft übermalte photographien zur unverwechselbaren kunst kreiert, die auch seinen "stil" mit ausmachen. und natürlich "verwirft" der künstler auch entwürfe, die ihm nicht "gelungen" erscheinen - er verwirft sie nach gutdünken - und genauso erhebt er andere - für den außenstehenden fast verwechselbare gleiche exemplare - zu seiner "kunst", durch seine signatur und nimmt sie in sein werkverzeichnis auf (s. abb. hier...)

und den schäbigen rest legt er in die abfallkiste, die dann irgendwann ein entsorgungsbetrieb abholt und (hoffentlich) gewissenhaft vernichtet.

also: kunst / keine kunst - signatur / keine signatur ...

und bei dem streetart-künstler banksy wird das ganze prozedere noch komplizierter: der schuf den abzug eines bildes auf leinen aus einer seiner unverwechselbaren genial gestalteten schablonen - hier mit dem titel: "the girl with balloon", das er sonst als graffiti an hauswände drappiert - er signiert das bild dann als echten "banksy" - liefert es in einem von ihm selbst mechanisch präparierten rahmen in ein auktionshaus ein - und just, als sich der auktionshammer nach dem gebot von 1,2 mio. gesenkt hat, zerschreddert die vom künstler eingebrachte mechanik im bildrahmen das werk in streifen - aber nur bis zur hälfte ...- was eine panne darstellte, denn banksy wollte es ganz zerstören und so gegen den kunstmarkt-wahnsinn protestieren.

die käuferin ist eine "europäische sammlerin und langjährige kundin von sotheby's", teilt nun das auktionshaus mit -  und nehme es auch zerschreddert an: dies sei das "erste kunstwerk der geschichte, das während einer auktion live entstanden" sei - so ein sprecher dazu von "sotheby's".

die käuferin ersteht also nun das bis zur hälfte zerschnittene bild trotzdem - eben zum aufgerufenen auktionspreis - und flugs steigen die werte nochmal - nun für diesen bildtorso - und selbst das ehrwürdige burda-museum ist sich nicht zu schade, diesen kunstfetzen nun anzupreisen und auszustellen ...

"love is in the bin§
da will also ein künstler sein werk bei seiner millionenschweren veräußerung gleichzeitig in schnipsel zerstückeln, aber die mechanik versagt bei der hälfte - und schnipsel und restbild bilden nun ein neues kunstwerk, dem banksy den titel: "love is in the bin" - die liebe ist im eimer gibt...

und diesen banksy-akt insgesamt nun mit dem restefund von richter zu vergleichen zeigt ja auch, wie schwer es ist, kunst-(aktionen) tatsächlich richterlich zu bewerten - das ist juristisch sicherlich ein drahtseilakt.

denn da geht es doch nur noch um die reine sache: wer hat wann wem zu welchem zweck etwas "übereignet"... - und sogar unverdorbene speisereste aus dem müllcontainer eines discounters werden ja als "diebstahl" geahndet...

von gutem geblüt


rechte obere ecke






sigmar polke: "höhere wesen befahlen: rechte obere ecke schwarz malen!" 




nun ja - ich habe so eine schreckliche phantasie - dass man uns durch all die artikel und meldungen zu einer erneuten dürre auch durch 2019 hindurch - und zu den dieselabgasen-feistaub-emissionen und zum co² - und zu dem qualm all der kaminfeuer und all der gartengrills, die überall vor gemütlichkeit hindampfen - oder auch zum brand der kathedrale notre-dame zum beispiel - dass man uns quasi als eine von irgendeiner irdischen oder himmlischen zentralredaktion ausgerufenen konzertierten aktion das bevorstehende jähe ende bei- und näherbringen will - dass man uns drauf einschießen will: steter tropfen höhlt den stein...

festen schrittes - mit verschleiertem blick - ins tiefe - ins schwarze loch...

früher - unter den römischen kaisern - all die spiele, um den hunger zu vergessen: die spiele, wovon heute noch die stierkämpfe im süden von frankreich und in spanien übriggeblieben sind - aber auch dort längst ihr kratzen haben, noch aufgeführt zu werden - gegenüber all den grünen verbotsschildern und tierschutz-erlassen aus verbänden zur artgerechten tierhaltung und aus brüssel...

apropos "artgerechte tierhaltung": schweinehaltung auf gitterböden mit abgebissenen schwänzen - und die deportationen von holland nach polen und dann zu tönnies in rheda-wiedenbrück - macht da mal was, als einen 20jährigen quicklebendig vor sich hin quatschenden beo aus dem altenheim zu "befreien" ...

die menschen lässt man längst schon stickum in heimen und krankenhäusern und hospizen verrecken - und dann verbrennt man die leiche aus kostengründen und wegen anderweitiger ökologischer überlegungen und hält für die asche zum schluss eine öko-urne bereit, die sich dann ohne rückstände am besten in einem "friedwald" innerhalb von 3 jahren vollends auflöst ...

das alles ist fein ausgesponnen: man sieht und fühlt nichts von den tatsächlichen leichen mehr - und die menschen verlassen diese erde einst ohne rückstände - schön sauber - da wird kein müll mehr herumliegen, den vielleicht die nachfolge-lebewesen erst einsammeln oder verdauen müssten.

da ist alles clean: die konten stehen fein sauber all überall auf null: mit asche kann man auch wäsche waschen - frau saubermann ...

neulich las ich, dass im büro der kanzlerin, aus dem man ja die beiden nolde-bilder entfernt hat (endlich - pfui deibel...) und die wände, wo sie angepappt waren, neu aufgeweißt hat, dass da tag und nacht eine lampe brenne, um vorzutäuschen: wenn alles schläft - die kanzlerin wacht - und sie ist nicht etwa in der uckermark und lässt sich am nächsten morgen die täglichen vier brötchen von gegenüber bringen. nein - sie wacht treu und macht sich gedanken - schwere gedanken - so lange sie noch will...

und drei minuten nach der ersten feuermeldung von notre-dame huschte über dem lap-top der erste virtuell erstellte algorithmengesteuerte anteilnehmende druckreife statementtext für ard und zdf in solchen fällen: egal ob jemand vor dem laptop sitzt - oder nicht - oder nie mehr ... die anteilnahme mit allen und allem und alles ist auf jeden fall gesichert...

auch wenn die erde dann völlig still und leergefegt ist: es wird texte auf all den bildschirmen geben: "gute nacht"



erklärung: ich habe gerade vorab in der zeit ein interview mit peter handke gelesen - zu uropa und der notre-dame-kathedrale - und da kamen mir all diese düsteren gedankenblitze wie von selbst - nicht wahr ...

die jungen jahre der altmeister

mit diesem titelbild verweist "ART" auf die stuttgarter ausstellung


Kunst

Klebriger Stolz

In Stuttgart werden die Künstler Gerhard Richter, Anselm Kiefer, Georg Baselitz und Sigmar Polke zu Nationalhelden aufgepumpt. Sie sollen den Schatten der deutschen Geschichte überstrahlen.

Von Hanno Rauterberg | zeit [click]



Adrett und freundlich und vollkommen gegenwärtig: Sigmar Polkes Gemälde "Freundinnen" von 1965/66 © The Estate of Sigmar Polke, Cologne/VG Bild-Kunst, Bonn 2019


Das mit dem Weltruhm war anfangs nur ein Jux. So wie es mit der Kunst ein Jux war, meistens jedenfalls, und wie überhaupt damals, in den Sechzigerjahren, das Leben für Gerhard Richter und Sigmar Polke kaum anders auszuhalten war als auf dauerspöttelnde, herrlich blöde Weise. Für eine kleine Ausstellung in Hannover hatten die beiden eine Broschüre zusammengekleistert, die schickten sie ihrem Galeristen und schrieben, sie fänden, dieser "Katalog" sei "sehr gelungen", das werde ganz bestimmt "ein kulturpolitisches Ereignis ersten Ranges und von internationaler Bedeutung sein, richtungsweisend und progressiv. Ihre Galerie wird mit einem Schlag im Zenit der Kultursonne stehen ..." Nun ja, es sollte anders kommen, aber nicht sehr viel.

Ein halbes Jahrhundert später, am Donnerstag, den 11. April 2019, stand die Kultursonne dann nämlich sehr hoch, als im großen Saal der Staatsgalerie Stuttgart ein Mann die Bühne betrat, dessen Gesten und Worte stets so wohlgerundet sind, als sollte das ganze Land in ihm, diesem properen Menschen, jene Zufriedenheit finden, die es selbst nicht aufbringt. Es war Frank-Walter Steinmeier, der Bundespräsident, er war gekommen, um tatsächlich "ein kulturpolitisches Ereignis ersten Ranges" zu feiern. Gleich vier Künstler und ihr Frühwerk, neben Polke und Richter noch Anselm Kiefer und Georg Baselitz, wurden als "richtungsweisend und progressiv" besungen.

In dieser Hymne des Bundespräsidenten war viel von Verneigung die Rede, vom "unersetzlichen Beitrag" der Künstler, vom "Dank unseres Landes" und ganz zum Schluss, in stiller Ergriffenheit, auch davon, dass "wir stolz darauf sind, dass diese Kunst aus Deutschland ihren Weg in die Welt gemacht hat".

Stolz, sagten dann auch die anderen Redner an diesem frühen Abend, stolz seien sie natürlich ebenfalls. Und der Stolz sei überaus berechtigt, erklärte schließlich der Kurator Götz Adriani, denn seit Albrecht Dürer, seit Jahrhunderten also, habe die deutsche Kunst nie höher im internationalen Zenit gestanden als heute. Und das Beste: Gemeinsam mit der Kunst stehen auch wir, die Deutschen, nun im hellen Licht. Einst, sagte Adriani, habe der Tod als Meister aus Deutschland gegolten. Heute sei die Kunst ein Meister aus Deutschland.

Er sagte es wirklich so, er hat es auch im Katalog so geschrieben, mehrmals gleich, und zur Sicherheit steht es ebenfalls in der Pressemappe, damit bloß niemand die Botschaft dieser Ausstellung verpasse: dass die Todesfuge von Paul Celan, diese Erinnerung an die Schoah, verklungen sei und nun ein helleres Lied angestimmt, nein, längst in aller Welt gesungen werde, Deutschland, großes Künstlerland!

Vom Todes- zum Kunstweltmeister?

Niemand an diesem Abend, kein Bundes- und kein Ministerpräsident, keiner der Museumsleute schien das übermäßig seltsam zu finden. Auch Anselm Kiefer nicht, der als einziger der vier Künstler nach Stuttgart gekommen war, um sich ehren zu lassen, ohne aber selbst ein Wort zu sagen. Und so konnte Adriani, der große Um- und Neudeuter, seine Gedanken weiter entfalten, konnte schildern, wie piefig, verklemmt und geschichtsvergessen die Deutschen gewesen seien, bis am Ende das große "Kunstwunder" über sie kam. Ein Kunstwunder, das just jenen vier Künstlerhelden zu verdanken sei, die er, Adriani, nun zusammengeführt habe.

Mit Kiefer begann es 1988, mit dessen Ausstellungstournee durch die USA, dann folgten die anderen drei, die dort ebenfalls von sich reden machten – und auf diese Weise "das Schattendasein deutscher Kunst", so Adriani, überwanden und das der Deutschen gleich mit.

Wie genau man sich diese erlösende Verwandlung vom Todes- zum Kunstweltmeister vorzustellen habe, blieb in Stuttgart zwar im Vagen. Dass es aber gewiss an den Künstlern lag, dass es ihre "geschichtsbewusste und immer auch politisch zu verstehende Kunst" war, wie der Bundespräsident meinte, das klang aber immerhin plausibel. Diese Kunst, sagte Steinmeier noch, gehöre heute "zu unserer deutschen Seelenlandschaft" und habe damit "den Blick auf unser Land verändert und tief geprägt". Dann Applaus! Sekt! Zufriedenheit!

Schwelgen in der eigenen, überschäumenden Bedeutsamkeit

Einst hätten die vier Künstler, noch jung und verwegen, einen Abend wie diesen höhnisch johlend verlassen. Sie hatten nichts mit dem im Sinn, was ihnen jetzt, in einem Akt geschichtspolitischer Selbstverklärung, angetragen wurde. Keineswegs wollten sie sozialkritisch sein, keineswegs politisch, keine "Aufklärer", wie es in Stuttgart hieß. Ihre Kunst sollte kein Mittel eines irgendwie gesellschaftlichen Zwecks sein, denn davon, vom klebrigen Stolz des Staates, hatten zumindest drei von ihnen, Polke, Richter, Baselitz, mehr als genug. Sie waren der DDR entkommen, wo man größten Wert auf eine "immer auch politisch zu verstehende Kunst" legte – und also waren die Künstler emsig darum bemüht, jeden tieferen Sinn ins Lächerliche zu ziehen.

Nicht eine andere Welt, eher schon eine andere Kunst stand ihnen vor Augen, daraus machen die Künstler noch heute keinen Hehl. Im Katalog, der vor allem aus langen Interviews besteht, sagt Gerhard Richter: "Kritisch war meine Kunst nie." Georg Baselitz sagt: "Die Provokation, die ich meinte, betraf nur die interne kleine Welt des Kunstbetriebs." Ähnlich plädiert Anselm Kiefer für eine strikte "Trennung von Kunst und Politik". Und von Sigmar Polke, der vor neun Jahren starb, weiß man ebenfalls, dass er sich gegen jede Art von Indienstnahme sträubte. Egal wie sehr die Künstler nun heroisiert werden, sie selbst verstanden sich als Anti-Helden einer Anti-Kunst, niemandem verpflichtet als sich selbst.

Nichts von den Künstlern gelernt

Dennoch blieben sie Zeitgenossen, das belegen nicht zuletzt ihre Werke. In der Stuttgarter Ausstellung hängen sie auf sehr dichte, oft übermäßig gedrängte Weise, man sieht dort Kiefer, wie er in einer Performance den Hitlergruß entrichtet, man sieht Polke, der den Amüsierzwang der Nachkriegsdeutschen in lauter Pünktchen zerstieben ließ, man sieht Baselitz und seine zerlumpten Helden, Triebmenschen, so haltlos erregt wie die Kunst dieses Malers. Und Richter? Bei Richter taucht auf einem Bild, einem abgemalten Urlaubsfoto, sein Schwiegervater auf, ein Arzt, der zur SS gehörte und Menschen gegen ihren Willen sterilisierte.

Mit gehobenem Geschichtsbewusstsein, gar mit erinnerungspolitisch wertvoller Trauerarbeit hat das alles nichts zu tun. Bei seiner Bildauswahl, sagt Richter im Interview, habe er nicht zwischen Werbe- und Privatbildern unterschieden, einzig sei es ihm um das "Abgeschmackte und Epigonale" der Motive gegangen, um "die Banalität", denn allein so habe er sich "von einer im Dienste linker Politik stehenden Kunst" absetzen können. Überdies rückt seine glatte, alle Details verwischende Maltechnik das Bedeutungsvolle und das Bedeutungslose gleichermaßen in ein Jenseits der Geschichte. Alle Konkretion ist seinen Bildern entwichen. Es sind keine Zeugnisse, erst recht keine "politischen Ausrufezeichen", wie der Katalog meint. Wenn sich der frühe Richter überhaupt mit der Schoah befasste, dann mit ihrer Ästhetik: Er kombinierte pornografische Bilder mit den fotografierten Leichenbergen der Konzentrationslager, da er beides als voyeuristisch empfand (später verwarf er die Idee).

Auch Baselitz und Kiefer sind nicht gerade als Aufklärer bekannt, in ihren mal egomanisch-wühlenden, mal mythenreich-weihevollen Werken wird die deutsche Geschichte eher verklärt als erhellt. Dass die vier Künstler nun dennoch zu Lichtgestalten erhoben werden, die "etwas Urdeutsches" repräsentierten und als Vorkämpfer einer geläuterten Nation zu bestaunen seien, das kann man nur als krudes Missverständnis begreifen. Denn weit mehr als ihr später Erfolg verbindet diese sehr unterschiedlichen Maler ihr früher Zweifel: Zweifel am Sinn der Kunst, am Status der Künstler, an dem, was Malerei überhaupt noch sein könnte. "Das Zaudern, die Furcht vor dem Versagen – das bin ich." So sagt es Anselm Kiefer.

Vielleicht ist das die eigentliche Enttäuschung der Stuttgarter Ausstellung: Sie lernt nichts von den Künstlern. Sie gönnt sich keine Zweifel, kein Zaudern, erst recht keine anarchische Blödelei. Sie schwelgt in der eigenen, überschäumenden Bedeutsamkeit. Und verrät damit die Kunst, die sie rühmt.


  • Die Ausstellung "Die jungen Jahre der alten Meister" läuft bis zum 11. August; dann vom 13. September an in den Hamburger Deichtorhallen


vor lauter minderwertigkeitskomplexen ob früherer verfehlungen wird hier nun eine ausstellung gleich völlig überhöht und überkandidelt auf's "weltmeister"-podest gehoben. da war deutschland im fußball nun nach dem krieg 4 x weltmeister - und schon versucht man in diesen kategorien auch in der kunst ein ähnliches wettbewerbs-ranking zu suggerieren.

okay - baselitz-richter-kiefer-polke - das sind schon schwergewichte auch auf internationaler ebene, wenigstens wenn man ihre auktionserfolge dabei bewertet.

aber ein jeder dieser vier ist individualist geblieben - und von mannschafts"sport" war da höchstens etwas zu spüren, wenn ein galerist oder ein kurator alle vier mal zufällig zusammenbrachte - soviel haben diese nun nicht gemeinsam, dass sie etwa als deutsche "nationalmannschaft" auflaufen könnten.

auch sollte man sich hüten vor aller art "kulturnationalismus"... es gab schon einmal zeiten, als man "deutschsein" mit "beseeltem künstlertum" und "dichter und denker" gleichsetzte - aber dabei andere nationen abwertete, weil sie da "vom wesen her" nicht "heranreichten"...

alle vier hatten zu beginn immer große selbstzweifel, die sie anfangs nur mit spötteleien und viel schabernack aushalten konnten und wollten: da waren die drei aus der ddr: richter, baselitz und polke - polke war ja bereits 12-jährig in den westen gelangt, baselitz war in ost-berlin wegen „gesellschaftspolitischer unreife“ von der kunsthochschule geflogen, um in westberlin weiter zu studieren bei keinem geringeren als dem informel-künstler hann trier - und gerhard richter kam 1961 in den westen. einzig anselm kiefer war westdeutscher herkunft - und sein vater war ein spät anerkannter kunstpädagoge.

polke. "schwarze ecke"
und alle vier suchten ihre "visitenkarte" - ihren stil, denn sie wollten ja von ihrer kunst unverwechselbar leben: kiefer meditierte deutsche mythen und z.b. celan-gedichtzeilen mit ausgefallenen materialien nach (stroh - blei u.a.) - baselitz malte seine werke "auf den kopf", um eine ganz neue originelle betrachtungsweise zu erzeugen - richter fing im westen damit an, alte familien-kleinbildfotos aus der "agfa-box" vergrößert zu malen und durch eine eigenartige über-wischtechnik mit dem widdelquast zu verfremden und mit einer dadurch gewonnenen "aura"-schicht auszustaffieren und zu mythologisieren..., während sigmar polke stilistisch vielfach "zu hause" war - und oftmals fast satirisch-kabarettistisch arbeitete - z.b. ein heute sehr bedeutsames werk mit dem titel: "höhere wesen befahlen: rechte obere ecke schwarz malen! ..." - das heute auch als abstraktion eines hitler-porträts gesehen wird ... - polke hatte wohl von allen vieren am meisten "den schalk im nacken" - und nahm sich selbst nicht allzu ernst - hat aber
polke. kirchenfenster in zürich
auch mit viel selbstdisziplin beispielsweise ein großartiges kirchenfenster aus achatschnitten im "grossmünster zürich" als auftragsarbeit geschaffen.

bei aller genialen weltmeisterschafts-reife gab es bei allen vieren, aber auch durchhänger, die dann von publikum wohlwollend "übersehen" wurden.

alles in allem ist es eine interessante zusammenstellung der vier wohl bedeutsamsten künstler im nachkriegs-deutschland - mit viel genie und oft gleichzeitig auch viel selbstironie ... - einfach nur schön...


das seil hing tief nach unten | S!|art

das seil hing tief nach unten