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das grundgesetz wird dieses jahr 70 ... - herzlichen glückwunsch uns allen ...

Am 23. Mai 1949 - vor genau 70 Jahren - wurde das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland feierlich verkündet und trat mit Ablauf des Tages in Kraft.
der klare satz: "die würde des menschen ist unantastbar" hat die herausgeber des magazins angestachelt 


Mahnerin der Freiheit

Zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes hat Ex-Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger eine Liebeserklärung an die Verfassung geschrieben


Angst verengt das Leben. Wer Übergriffe fürchtet, wagt sich nicht zu Veranstaltungen, wer Angst hat vor Überwachung, scheut eine eigene Meinung. Furcht vor dem Fremden erstickt den Kontakt zu Kulturen. Es werden Vorurteile geschürt und eine Stimmung, die zu einer Missachtung von Minderheiten führt. Gezeigt hat das Rainer Werner Fassbinder in „Angst essen Seele auf“.


SLS - Foto: welt.de
In Anlehnung an Fassbinders Film hat Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (deren Namen wir im folgenden auch mit SLS abkürzen) jetzt ein Buch zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes vorgelegt: „Angst essen Freiheit auf“. Sieben Monate nur habe sie geschrieben, sagt sie im Gespräch. 

Herausgekommen ist ein kleines Manifest – ein „flammendes Plädoyer für die Freiheitsrechte“, heißt es im Prolog, eine „Liebeserklärung an die Freiheit“. Und ein Bekenntnis zu dem Wert, der so selbstverständlich in Anspruch genommen
und doch so wenig wertgeschätzt werde.

Wo stellen Sie das fest?

SABINE LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Im Grunde schon in jeder Situation, in der erniedrigende Witze über gesellschaftliche oder religiöse Minderheiten gemacht werden. Dabei gilt die festgeschriebene Würde für Christen genauso wie für Juden oder Muslime, sie gilt für alle Menschen. Wir leben auf einem hohen Niveau, was unsere Freiheit angeht. Wir dürfen uns aber nicht darauf ausruhen.

In Paris sind Tausende Menschen gegen Antisemitismus auf die Straße gegangen, nachdem der jüdische Philosoph Alain Finkielkraut von Gelbwesten als „dreckiger Zionist“ beschimpft worden war.

SLS:Sehen Sie, bei uns gehen die Leute gegen Polizeigesetze auf die Straße oder gegen Upload-Filter – lebendige Proteste, die ich für gut und wichtig halte. Und mit denen teilweise bestimmte Interessen, auch von einigen Gruppen verfolgt werden ...

Ihnen aber geht es um mehr?

SLS:Ich möchte dazu ermutigen, nicht nur für die eigenen Anliegen zu demonstrieren, sondern auch für diejenigen Menschen, denen man das Leben der Grundrechte abspricht. Denken Sie an den Übergriff auf den Kippaträger in Berlin. Da wären Demonstrationen wie die in Frankreich ein wichtiges solidarisches Signal der Gesellschaft. Ich hoffe auf eine größere Solidarität, auf Zusammenhalt gegen Hass und Hetze, auf eine große Freiheitsbewegung.

In ihrem Buch greift Leutheusser-Schnarrenberger das staatsbürgerschaftliche Konzept des Verfassungspatriotismus auf, in Abgrenzung zu einem ethnischen Selbstverständnis, einem trumphaften „Wir gegen die“. Sie ruft auf zu einem „neuen Grundrechtsstolz der Bürgerinnen und Bürger“: 

Deutschland brauche „Verfassungspatrioten anstelle von Nationalisten“.


GG - Präambel
Die FDP-Politikerin hat ihre Prinzipien. 1995 war sie als Bundesjustizministerin aus dem Kabinett von Helmut Kohl zurückgetreten, weil sie den Kurswechsel ihrer Partei hin zum Großen Lauschangriff nicht mittragen wollte. Der Rücktritt und ihre Verfassungsklage haben ihr großen Respekt eingebracht.

Leutheusser-Schnarrenberger verzichtet in ihrer rund 200-seitigen Verteidigungsschrift auf den Modebegriff „Heimat“. Um Geborgenheit geht es ihr trotzdem, um Sicherheit – das fängt zu Hause an mit der Integrität der Wohnung und zieht sich bis in die digitale Welt. „Je mehr Daten heute aus- und verwertet werden, desto mehr wird die Privatsphäre des Einzelnen eingeschränkt“, schreibt sie. Mehr Daten gleich mehr Kontrolle. Big Data stehe so im Gegensatz zur informationellen Selbstbestimmung.


Alexa & F.D.P.
Was haben Sie gedacht, als Ihre Partei mit "Alexa" geworben hat?

SLS:Inzwischen wachsen junge Leute ja mit den digitalen Möglichkeiten auf. Einige freuen sich über die Erleichterungen. Ich sage nicht, stellt alles ab. Man sollte sich aber klarmachen, dass es die Geschäftsmodelle von Amazon oder Google vorsehen, die Nutzer zu vermessen, Profildaten zu sammeln und zu verkaufen. Solche Informationen können dann zur Manipulation herangezogen werden.

Inwiefern ist die Verfügbarkeit von Neigungen und Interessen, gepaart mit Algorithmen, eine Gefahr für unsere Gesellschaft?

SLS:Sie schafft die Grundlage für den radikalen Umgang in Netzwerken wie Facebook – eine Kultur der Wut, die seit einiger Zeit um sich greift. Wenn Interessengruppen aus der Politik, extrem rechte oder linke, solche personenbezogenen Daten nutzen, sieht es schlecht aus für unsere Freiheit. Das ist ganz gefährlich. Schauen Sie nach China. Da wird uns die Dimension der totalen Kontrolle vorgeführt.

aus: Neue Westfälische, Samstag/Sonntag 16./17.März 2019, Politik und Meinung, S. 2
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"und nie war es so wertvoll wie heute" - in den letzten monaten habe ich schon öfters geradezu "liebevoll" an unser grundgesetz gedacht - und habe bereits im letzten jahr dazu einen beitrag hier eingestellt, worauf ich heute natürlich wieder bezug nehme ...

ich bin ja nur knapp 2 jahre älter als dieses grundgesetz - es begleitet mich also mehr oder weniger intensiv schon mein leben lang.

Das Grundgesetz 
ist die Nation. 
Es ist schön! 
Jeder sollte es mal lesen.

Rangar Yogeshwar

das ist eine verfassung, die nach dem krieg von den "müttern (!!!) und vätern" parteiübergreifend  - von "links" - bis "rechts" - mit einem echten hehren und demütigen ansinnen nach der nazi-barbarei abgefasst wurde - und wofür man uns weltweit bewundert.

denn - und wenn die afd und einige andere braune gestalten und reichsbürger das auch anders sehen - damit lebt es sich ganz gut - und es gibt uns allen luft zum tiefen durchatmen.

in der präambel des grundgesetzes, also in der fassung von vor 1989, war zu lesen: „das gesamte deutsche volk bleibt aufgefordert, in freier selbstbestimmung die einheit und freiheit deutschlands zu vollenden.“ außerdem stand darin, dass das grundgesetz geschaffen wurde „um dem staatlichen leben für eine übergangszeit eine neue Ordnung zu geben.“ 

aber: um schnell damals an die d-mark zu kommen, ist die ddr damals dem "geltungsbereich" eben dieses nun 70 jahre alten "vorläufigen" grund-gesetzes "beigetreten" - ist also auf eigenen wunsch vom westen vereinnahmt worden - und das bleibt es bei aller derzeitigen unzufriedenheit mitzubedenken.

„Die Würde des Menschen 
ist unantastbar.“ 
Rumms! So klares Deutsch. 
So ein schöner Satz.

Oliver Wurm, Mitherausgeber
des GG-Magazins

im zuge der wiedervereinigung wurde das grundgesetz zur verfassung des gesamten deutschland erklärt. so endet die aktuelle präambel auch mit dem satz: „damit gilt dieses grundgesetz für das gesamte deutsche volk.“ die bemerkung der „übergangszeit“ verschwand ebenfalls.

wir sehen ja heutzutage auch am "brexit", was solche operationen - also die "eheschließungen" oder dann auch die "scheidungen" von staatsgebilden und nationen - eben im einzelnen und im alltag an menschlich-politischen unzulänglichkeiten mitbeinhalten: der mensch denkt - aber gott lenkt ...

es gab mal vor fast 56 jahren diesen spruch: „die beamten können nicht den ganzen tag mit dem grundgesetz unter dem arm herumlaufen.“ - das war anfang september 1963, als der damalige bundesminister des inneren, der csu-politiker hermann höcherl, sich dazu äußerte, dass das bundesamt für verfassungsschutz unter verstoß gegen das telefongeheimnis dieses grundgesetzes telefonabhörmaßnahmen durch alliierte dienstsstellen hatte vornehmen lassen (nsa und amazon/alexa und google ließen also damals schon schön grüßen bzw. warfen ihre schatten voraus...) -

gg - artikel 20 und 20a

und - liebe "friday-for-future"-schüler und alle, die sich daran beteiligen: das grundgesetz sagt auch etwas zum demonstrationsrecht (artikel 8), zum schutz der umwelt (artikel 20 u. 20a), zur schulpflicht (artikel 6 und 7) und natürlich zur demokratie im großen und ganzen und im einzelnen - lasst euch also nicht und nirgendwo für dumm verkaufen ...
heutzutage kann man also getrost und hemdsärmelig dieses neue "gg-magazin" durchaus unterm arm herumschleppen - als magazin - und darin blättern - und sich vor allen dingen auch danach richten: ein wichtiges navi - das wichtigste navi für diesen bundesdeutschen und nicht nur politischen alltag überhaupt ... 

dankeschön also an frau SLS für ihre laudatio zum 70.  - und an die herren volleritsch und wurm - die eine großartige idee zum 70. geburtstag unserer verfassung hatten und das grundgesetz als magazin für 10 uro herausbrachten (s. fotos) - erhältlich im bahnhofsbuchhandel, bei ausgewählten kiosken oder online ...

und immer immer wieder muckt der banksy auf | update

Rätsel um Venedig-Stand

War Banksy unbemerkt bei der Biennale?

Der Künstler Banksy hat eigenen Angaben zufolge während der Biennale in Venedig einen Stand mit einem Kunstwerk aufgestellt. Erkannt hat ihn offenbar niemand.

banksy???: venice in oil - felix hörhager | dpa (spiegel)



Der britische Streetart-Künstler Banksy hat nach Darstellung auf seinem Instagram-Account während der Biennale in Venedig in der Nähe vom Markusplatz einen Straßenstand aufgebaut. Darauf sind mehrere Gemälde zu sehen, die sich zu einem großen Kreuzfahrtschiff zusammenfügen. Daneben steht ein Schild mit dem Titel "Venice in Oil" - ein Verweis auf die Verschmutzung durch Kreuzfahrtschiffe in Venedig.

Auf seinem verifizierten Instagram-Account kommentierte Banksy ein Video mit den Worten: "Stelle meinen Stand bei der Venedig-Biennale auf. Obwohl es die größte und renommierteste Kunstveranstaltung der Welt ist, bin ich aus irgendeinem Grund nie eingeladen worden." In dem Video sind nicht nur Passanten zu sehen, die den Straßenstand als das schönste Werk der Biennale loben, sondern auch Polizisten, die den mutmaßlichen Straßenverkäufer auffordern, den Platz zu verlassen.



Um Banksy hat sich ein riesiger Hype entwickelt, weil er seine Identität seit Jahren geheim hält. Immer wieder tauchen Werke auf, die ihm zugeordnet werden. Erst vor wenigen Tagen rätselte Venedig, ob ein Wandgemälde an einem Kanal von Banksy stammen könnte; darauf zu sehen ist ein Kind mit einer Rettungsweste.

Dieses Wandgemälde ist seit kurzem in Venedig zu sehen. Es passt zu Banksys Stil - Quelle: AFP/MARCO SABADIN/WELT


inzwischen hat banksy dieses fackeltragende flüchtlingsmädchen als sein werk auf seinem instagram-account verifiziert!!!





Vergangenen Herbst hatte Banksy weltweit Schlagzeilen gemacht, weil er sein Werk "Girl with Balloon" während einer Kunstauktion vor aller Augen zur Hälfte schredderte. Es war unmittelbar vor der Aktion für umgerechnet rund 1,2 Millionen Euro versteigert worden.

& click here


aar/dpa/SPIEGEL-online [click]

banksy ist vielseitig in seinen "techniken" und erzeugnissen und ideen - und darin, den kunstbetrieb insgesamt - gewinnbringend - und mit dem eigenen tun und den eigenen werken - ad absurdum zu führen.

das ist ein doppelter purzelbaum in sich selbst - aber das macht gleichzeitig seine kunst auch aus - die damit den kunstbegriff allgemein um diese "banksy-nuance" erweitert. 

und bei mir schleicht sich immer beim inneren nachspüren über das phänomen "banksy" fast automatisch hier auf bundesdeutscher politischer ebene der name "kevin kühnert" ein ... - irgendwie - irgendwomit sind die beiden "seelenverwandt" - in meinen assoziationsverknüpfungen wenigstens ... - also: "ist kühnert der banksy in der linken (spd- ???) politik ???" ... - oder so ähnlich - und chuat choan und nix für ungut ...
(und dazu mal wieder ein rotes logo...)

das gedenken bewahren: martin luther king

Der Künstler Thomas Rother in seinem Atelier auf Zeche Zollverein





KÜNSTLER THOMAS ROTHER

Martin Luther King-Bild reist von Essen nach Amerika aus


Von Martina Schürmann | WAZ Essen


Das Kunstwerk des Essener Künstlers Thomas Rother (82) wird künftig im American Civil Rights Museum in Memphis ausgestellt. Wie es dahin kam.

Der Lebensweg von Thomas Rother hat schon viele ungewöhnliche Biegungen genommen. Wie der Mann aus dem Osten, geboren in Frankfurt/Oder, tief im Westen zum Bewahrer der Bergbaukultur wurde, ist so eine Neuanfang-Geschichte. Die Spuren dieser lebenslangen Aufbrüche bewahrt der Künstler, Zeitungsredakteur und Erinnerungs-Archivar, der seit seiner Jugend malt, Gedichte schreibt und Klanginstallationen baut, heute im „Kunstschacht Katernberg“ auf: eine Mischung aus Industriemuseum und Kumpel-Antiquariat, Wunderkammer und Möbel-Trödel, Wohnung und Werkstatt auf dem Essener Welterbe Zollverein.

Die kühnste Wendung aber wartet in dieser Woche auf den 82-Jährigen, wenn Thomas Rothers Kunstwerk „Neues Sternenbanner für Martin Luther“ mit dem Konterfei des Bürgerrechtlers ans American Civil Rights Museum in Memphis übergeben wird. Das Haus, 1991 unmittelbar am Ort des King-Attentates von 1968, dem Loretta-Motel, eröffnet, gilt heute als Amerikas führendes Museum der Bürgerrechtsbewegung. Dass es nun erstmals Platz für ein Kunstwerk aus dem Ausland macht, darf als kleine Sensation bewertet werden.

Thomas Rother schrieb Song nach dem Tod von Martin Luther King

Was aber verbindet einen Ruhrgebiets-Künstler mit dem charismatischen Führer der Afroamerikaner? „Viel“, sagt Rother, „Martin Luther King hat mich mein Leben lang begleitet.“ Als der Friedensnobelpreisträger im April 1968 ermordet wird, schreibt der streitbare Essener tief bewegt von den Ereignissen in Memphis seinen Song „Hab einen Traum“. Das Lied über den Glauben an eine freie Welt wird damals vom Duisburger Komponisten und Sänger Rolf Hucklenbruch vertont. 1970 wird sogar eine Single veröffentlicht, eingespielt von der „Duisburger Gospelgruppe“.




Rothers Bild von Martin Luther King. Er gab es nun als Schenkung an das Museum. 
Foto: Klaus Micke


Jahre später erscheint der Lied-Text in Rothers Buch „grenzen los“ - einer Sammlung mit heiteren, nachdenklichen und politischen Texten und Gedichten. Viele davon hat Rother selbst illustriert – den Gospel-Song nicht. Erst auf Nachfrage seines Herausgebers Frank Münschke kommt der unermüdliche Streiter aus dem Revier auf die Idee, ein „neues Sternenbanner für Martin Luther King“ zu entwerfen und die amerikanische Fahne mit dem Konterfei des Bürgerrechtlers zu verfremden.

Briefmarke gab Vorlage für Bild

Eine Fotografie will er dafür nicht verwenden, „viel zu profan“, sagt Rother. Er sucht ein Bild, „das der Würde dieses Mannes entspricht“. Und findet es irgendwann auf einer schwedischen Briefmarke. Der Blick Doktor Kings scheint darauf wie entrückt, „nahezu das Bild eines Propheten“, findet Rother. Er platziert das Porträt inmitten der Sterne, „als DER Stern für eine neue freie Welt“, und bearbeitet die Fahne farblich so, als wäre sie gründlich durch den Schmutz gezogen worden. Bloß kein falscher Amerika-Kult! Als die Arbeit im April 2018 anlässlich des 50. Jahrestages der Ermordung von Martin Luther King in der Bielefelder Nicolaikirche ausgestellt wird, ist die Aufmerksamkeit groß und der Plan bald geboren: Das Bild gehört nach Memphis!

Man muss schon ein Idealist sein und engagierte Fürsprecher haben wie Wolfgang Streitbörger, den deutschen Tourismus-Förderer für Memphis/Tennessee, um daran zu glauben, dass so ein Traum in Erfüllung geht. Am 6. Mai, Rothers 82. Geburtstag, ist das Sternenbanner in Memphis angekommen. Rother selber mochte zur feierlichen Übergabe nicht ins Zentrum des King-Gedenkens reisen, „meine alten Knochen machen das einfach nicht mehr mit“. Dafür hat sich Enkelin Yolanda Rother auf den Weg ins National Civil Rights Museum gemacht.

Für Museum steht Rothers Bild symbolhaft, wie King Künstler inspirierte

Dort soll Rothers Bild nun von der internationalen Wirkkraft Dr. Martin Luther Kings erzählen, von seiner Inspiration für andere Künstler und „ihren Einsatz gegen alle Formen von sozialer Ungerechtigkeit in der Welt“, sagt die amerikanische Museumsleiterin Noelle Trent. Rothers Sternenbanner zeige, „dass die Idee von Gleichheit und Bürgerrechten lebt und immer wieder wichtiger wird“, findet auch Memphis-Experte Wolfgang Streitbörger, der sogar das Auswärtige Amt und das Generalkonsulat von Atlanta als Unterstützer dieses „Herzblut“-Projekts begeistern konnte.

Und Rother selber versteht seine Mission künstlerisch wie politisch als höchst gegenwärtig: „Die Idee der gesellschaftlichen Vielfalt betrifft jeden von uns.“ Die transatlantische Kunstübergabe ist dabei wohl der persönliche Höhepunkt für einen Mann, der sich immer als Brückenbauer verstanden hat. Die naheliegenderen Zeichen für ein friedliches Miteinander der Völker sind seine „Grenzrosen“. Mehr als zwei Dutzend dieser Friedenssymbole aus Stahl wurden schon an Deutschlands Außengrenzen aufgestellt, weitere Grenzrosen sollen auch in Zukunft für mehr Einigkeit in Europa stehen. Thomas Rother hat den Traum von einer besseren Welt einfach nie aufgegeben.

  • Das American Civil Rights Museum in Memphis wurde in den 1990ern eröffnet. Die Ausstellung führt durch vier Jahrhunderte; sie beginnt 1619 mit der Sklaverei und den amerikanischen Bürgerkriegen. Sie erzählt vom gewaltlosen Widerstand der 1950er- und 60er-Jahre und von der späteren rechtlichen Gleichstellung der Schwarzen auch im Süden.
  • Der Rundgang endet im Lorraine Motel, wo Martin Luther King im April 1968 erschossen wurde.


Quelle: WAZ Essen, 15.05.2019

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Hommage an Martin Luther King 

Das Bild „Neues Sternenbanner“ des Essener Künstlers Thomas Rother wurde vom National Civil Rights Museum als Beispiel für die internationale Wirkung desFriedensnobelpreisträgers aufgenommen

Erstes deutsches Gemälde im Bürgerrechtsmuseum in Memphis


Das große Museum der US-Bürgerrechtsbewegung in Memphis hat erstmals ein Kunstwerk aus Deutschland in seine ständige Sammlung aufgenommen. Das Gemälde „Neues Sternenbanner“ des Essener Künstlers Thomas Rother, das anlässlich einer Gedenkveranstaltung im April vergangenen Jahres in einer Bielefelder Kirche ausgestellt war, zeigt eine verfremdete US-Fahne mit einem
grafischen Porträt Martin Luther Kings.

Rothers Bild habe einen intensiven Begutachtungsprozess durchlaufen müssen, betonte Kuratorin Noelle Trent. Das Museum sei beeindruckt von der künstlerischen Qualität der Arbeit, aber auch von Rothers Eintreten für Menschenrechte, Frieden und Gerechtigkeit über viele Jahrzehnte. Rother (83) arbeitet im Kunstschacht Zollverein in Essen auf dem Gelände der Zeche Zollverein.

Sein 2015 entstandenes Bild wurde in Memphis von seiner aus Berlin angereisten Enkelin Yolanda Rother übergeben.

„Martin Luther King begleitet meinen Großvater seit vielen, vielen Jahren“, sagte Yolanda Rother.

 Als Beleg brachte sie eine Original-Single des Liedes „Ich habe einen Traum“ mit, das Rother unmittelbar nach dem Attentat auf Martin Luther King 1968 mit dem Duisburger Komponisten Rolf Hucklenbruch veröffentlichte und das seinerzeit zu einem Hit der deutschen Kirchenmusik wurde.

Auch diese Schallplatte gehört jetzt zur Sammlung des Museums. Das National Civil Rights Museum steht seit 1991 an der Stelle in Memphis, an der Martin Luther King am 4. April 1968 ermordet wurde.



Bildübergabe: Museumsdirektorin Terri Lee Freeman (v. l.), Wolfgang Streitbörger (Verkehrsbüro Memphis Travel), Kuratorin Noelle Trent, Yolanda Rother, Enkelin des Künstlers. 
Foto: Memphis Travel


Neue Westfälische, 22.5.2019, Kultur/Medien

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ab und zu muss auch mal über etwas schönes leichtes aus der kultur berichtet werden. es ist doch einfach nur zum mitfreuen, wenn wir verfolgen können, wie diese arbeit zu martin luther king des essener künstlers thomas rother nun seinen weg nach memphis/tennessee ins "national civil rights museum" findet - untergebracht an ort und stelle, wo martin luther king am 4. april 1968 erschossen wurde.

und der 82-jährige thomas rother, der sich ja mindestens seit dem jähen tod mlk's - also seit über 50 jahren - mit diesem schwarzen bürgerrechtler und evangelischem pfarrer intensiv beschäftigt - findet somit noch zu seinen lebzeiten eine würdige beachtung seines werkes, seines schaffens und seiner verehrung.

ich weiß gar nicht, ob es in den usa registriert wird, inwieweit mlk hier in europa zumindest die "68er" mitbeeinflusst und geprägt hat -  und damit sicherlich noch die positiven reaktionen der vielen ehrenamtlichen und freiwilligen helfer zunächst beim eintreffen des flüchtlingsstroms 2015 - man vergisst und verdrängt das ja inzwischen gerne - die gespannte neugierhaltung auf das was da kommt - bevor dann die geballte und oft gewaltbereite ablehnung als reaktion etwas später von der "anderen seite der medaille" zurückkam...

all diese kämpfe - all dieses hin und her - all diese auseinandersetzungen gehörten vor über 50 jahren zum alltag der schwarzen bevölkerung in den usa - besonders dort in den südstaaten - und zum widerstand martin luther kings und seiner getreuen gegen diese gewalt - gegen diese ablehnung.

schon damals ging es ja nicht um den einzelnen schwarzen mitbürger, sondern um eine ablehnung der ethnischen vielfalt allgemein, des "andersseins" - ähnlich wie heutzutage hier in unserer aktuellen flüchtlingsfrage ... und von ca. 1.000.000 menschen, die hierherströmten, wurden vielleicht bis heute höchstens ca. 5.000 personen tatsächlich (!) straffällig - also vielleicht 5 promille ... - ca. 995.000 leben relativ unauffällig - mitten unter uns ...

am anfang war nämlich lediglich das wort ...

noldes gartenhäuschen - sinedi|photography




Deutscher Expressionismus und Nationalsozialismus 
Es wird Zeit für einen genaueren Blick

Von Nicola Kuhn | Tagesspiegel

Emil Nolde, die „Brücke“ und der Nationalsozialismus: Ein Berliner Kolloquium wirft einen neuen Blick auf den deutschen Expressionismus.

Die Emil-Nolde-Ausstellung im Hamburger Bahnhof und ihre neuen Erkenntnisse über die Nähe des Künstlers zum Nationalsozialismus haben ein Beben ausgelöst. In Berlin hängte die Bundeskanzlerin das bislang geliebte Gemälde „Brecher“ von 1936 im Bundeskanzleramt endgültig ab, es wird nach Ausstellungsende nicht wieder in ihr Büro zurückkehren. In New York sagte Ronald Lauder, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, die geplante Nolde-Schau für sein Museum „Neue Galerie“ öffentlichkeitswirksam ab.

Eine der populärsten Figuren der Moderne, bislang Inbegriff der Widerständigkeit gegen das NS-Regime, ist zumindest aktuell zur Persona non grata geworden. Der bislang florierende Verkauf seiner Bilder dürfte eine Delle erhalten, die Angebote in den Auktionshäusern lassen bereits nach. Aber wie geht es weiter? Welche Folgen beschert auch die Bestandsaufnahme der Brücke-Künstler im Dahlemer Brücke-Museum für die Jahre 1933 bis 1945, vor allem ihre Rezeption in der Nachkriegszeit?

„Unbewältigt?“, so war das dreitägige Kolloquium in Hamburger Bahnhof und Brücke-Museum überschrieben, das nicht nur herauszufinden versuchte, was hinter den trügerischen Narrationen der Nachkriegszeit stand, die bis heute ihre Wirkung im Kunstbetrieb entfalten, sondern auch neue Formen der Vermittlung forderte – bis hin zur kritischen Präsentation von NS-Kunst in den Museen, die bislang als ein Tabu galt.

Verfemte Kunst = widerständiger Künstler?

Organisiert von den Machern beider Ausstellungen – Dieter Scholz von der Neuen Nationalgalerie und Meike Hoffmann von der FU-Forschungsstelle „Entartete Kunst“ - und ihren Kuratoren Bernhard Fulda und Aya Soika wurde nicht zuletzt der Bogen zu einem Kolloquium gespannt, das zwanzig Jahre zuvor am gleichen Ort stattfand und erstmals das Verhältnis „Ästhetische Moderne und Nationalsozialismus“ analysierte.

Nur fand die damals erstmals vorgetragene Kritik an der gängigen Gleichung „Verfemte Kunst = widerständiger Künstler“ kaum Resonanz in der großen Öffentlichkeit. An die heilige Kuh Moderne ging zwar die Forschung ran, in den Institutionen aber hielt man sich zurück. Die Auseinandersetzung blieb intern. Erst die umstrittene Restitution des Berliner Kirchner-Bildes, noch mehr die Entdeckung der Sammlung des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt in München lenkten die Aufmerksamkeit auf eines der letzten großen Kapitel deutscher Vergangenheitsbewältigung. Jahrzehntelang glaubte man sich beim Wahren, Guten, Schönen auf der sicheren Seite.

Das hat sich geändert. Heute werden Zeitfenster-Tickets für die leseintensive Nolde-Schau im Hamburger Bahnhof benötigt, so gefragt wie sie ist. Die Besucher der aktuellen Ausstellung im Brücke-Museum studieren zwar immer noch hingebungsvoll ihren Schmidt-Rottluff, Heckel und Pechstein, zeigen sich aber ebenso interessiert an den Entstehungsgeschichten ihrer Bilder. Auch daran, was ihre damalige und heutige Lesart über die jeweiligen Zeitumstände aussagt und warum die Ausstellungsmacher und Museumsdirektoren der bundesrepublikanischen Gründerjahre ihre Augen vor den Verstrickungen mit dem NS-System schlossen. „Provenancial turn“ nannte Christoph Zuschlag von der Universität Bonn, seit dem vergangenen Jahr erster ordentlicher Professor für Provenienzforschung, im Festvortrag diesen neuen Trend.

nolde: selfportrait - foto: sinedi|photography


Nolde machte Hitler Vorschläge zur "Entjudung"

Gewiss, dass Emil Nolde seine eigene Legendenbildung vom verkannten Genie betrieb, Siegfried Lenz’ Roman „Die Deutschstunde“ seinem Selbstbild als verfolgter Künstler zupass kam, konnte man spätestens seit der Retrospektive im Frankfurter Städel vor fünf Jahren wissen. Wie weit seine Sympathien für die Nationalsozialisten reichten, dass er Hitler brieflich Vorschläge zur „Entjudung“ des Kulturbetriebs machte, brachte ein Forschungsprojekt erst in den letzten Jahren zutage. „Kognitive Dissonanz“ vermutete Bernhard Fulda, der das Archiv in Niebüll erstmals vollständig sichtete, als Begründung für das Denk- und Forschungsverbot in Seebüll, dessen langjähriger Stiftungsdirektor 2013 abgelöst wurde. Was nicht sein konnte, durfte es nicht geben. Die Quellen schlummerten.

Auch im Berliner Brücke-Museum huldigte man bis vor Kurzem noch vornehmlich dem autonomen Werk, dem „Unmittelbaren und Unverfälschten“, wie es im Manifest der Künstlergruppe heißt, zu der vorübergehend auch Nolde gehörte. Das Haus am Rande des Grunewalds befand sich im Bann des übermächtigen Gründungsdirektors Leopold Reidemeister, der die bewundernde Würdigung der Moderne als Akt der Wiedergutmachung verstand. Auch das zweite Narrativ vom vermeintlichen Widerstand der Brücke-Künstler im „Dritten Reich“, das die Ausstellungsmacher nach 1945 auf diese Weise gerne bis zu ihrer eigenen Person verlängerten, demontieren heute junge Kunsthistoriker. Christina Rothenhäusler vom Münchner Institut für Zeitgeschichte, machte in ihrem „Heldenmacher“ überschriebenen Referat deutlich, was sich hinter dieser Selbststilisierung als Opfer verbirgt: Die eigene Teilhabe am System sollte auf diese Weise ausgeblendet werden.



Die BRD rehabilitierte den Expressionismus

Nachdem der Kunsthandel in den letzten Jahren Rückschau auf seine „guten Geschäfte“ während des Nationalsozialismus verordnet bekam, wird nun den Herolden der Moderne auf den Finger geschaut. Allerdings habe kein Kartell, eher eine Bruderschaft eng verknüpfter Kunsthistoriker bis in die sechziger Jahre hinein gewirkt, die nach dem Aderlass durch die Emigration jüdischer Kollegen verblieben war, so der ehemalige Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Klaus Schrenk, aus dem Publikum. Zugleich brach er eine Lanze für ihre Durchsetzung des Expressionismus an deutschen Museen, schließlich auch international.

Aber selbst dieses Verdienst unterzog Dorothea Schöne vom Kunsthaus Dahlem einer kritischen Revision. Die Auslandsausstellungen deutscher Kunst hatten vor allem die Funktion, sich im kulturdiplomatischen Wettlauf zu positionieren. Während die DDR Käthe Kollwitz auf Reisen schickte, versuchte die Bundesrepublik vor allem durch eine Rehabilitierung des Expressionismus zu punkten. Zwölf Jahre NS-Diktatur blieben 1957 in der Ausstellung „German Art in the 20th Century“ im Museum of Modern Art in New York freilich ausgeblendet. Der ausdrückliche Wunsch der Gastgeber nach zeitgenössischer deutscher Kunst wurde ignoriert. Statt „Experimente“ gab es Klassiker zu sehen.

Alte Dichotomien gelten nicht mehr

Erst jetzt kommt in den Ausstellungshäusern an, was zwischen 1933 und 1945 in der Kunst geschah. Die „Neue Galerie“ im Hamburger Bahnhof versteht sich hier als eine Experimentierbühne für die Neue Nationalgalerie nach ihrer Sanierung. „Die Schwarzen Jahre“ oder auch die Retrospektive des Bildhauers Rudolf Belling demonstrierten einen veränderten Zugriff auf die Kunst, in der die Zeitgeschichte eine größere Rolle spielt. Joachim Jäger, Leiter des Mies van der Rohe-Baus, gab allerdings in der Abschlussdiskussion zu verstehen, dass solche historischen Tiefenbohrungen, wie sie in der Nolde-Ausstellungen gerade vorgeführt werden, am Kulturforum nur punktuell zu sehen sein werden. Auch an anderen Fronten müssten sich die Museen heute erklären und Farbe bekennen: wie sie es mit der Gender-Frage halten, welchen kunsthistorischen Kanon in einer globalisierten Welt sie überhaupt noch verfolgen, worin das Nationale in einer Nationalgalerie besteht.

Zur wichtigsten, wenn auch nicht neuesten Erkenntnis des „Unbewältigt?“-Kolloquiums gehört, dass die alten Dichotomien keine Gültigkeit mehr besitzen: hier die guten, verfolgten Künstler, die 1937 in der Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ zu sehen waren, dort die bösen. Über ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des „Dritten Reiches“ wird es Zeit für einen genaueren Blick, zu dem nicht zuletzt späte Entdeckungen in den Archiven auffordern.

Schon Paul Klee war großzügig mit Nolde

So sorgte ein Hakenkreuz auf einem Entwurf Max Pechsteins für eine Wandmalerei für eine Schrecksekunde. Pechstein also auch? Aya Soika gab Entwarnung und forderte Differenzierung. Der Entwurf reiche nicht aus, ihn als NS-Künstler einzuordnen. Im Vergleich zum Großverdiener Emil Nolde habe Pechstein nur ein geringes Einkommen gehabt und damals versucht, seinen Platz in der Künstlergemeinschaft zu finden. Auch Bernhard Fulda plädierte dafür, nicht den Stab über die Künstler zu brechen. Stattdessen mahnte er, verschiedene Lesarten anzubieten. Der heutige Ausstellungsbesucher solle sich selber ein Bild machen können. Es sei Zeit, sich von liebgewordenen Mythen und kunsthistorischen Schemata zu verabschieden, hatte zu Beginn Christoph Zuschlag mit seinem Vortrag gefordert.

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okay - ich habe verstanden ... meine bisherige aufgesogene "kunstgeschichte" um den deutschen expressionismus war reineweg getürkt. 

mir fällt zu solcher problematik immer der alte slogan ein: "wess' brot ich ess, dess' lied ich sing" - der schon - bezeichnend - mindestens seit dem jahr 1000 in latein bekannt ist ... gerade für "arme künstler" hatte dieser spruch immer seine "über-lebens-bewandtnis", hatten sie doch meist keine ausfallzeit- oder alters- oder krankenversicherung - und lebten viel zu oft von der hand in den mund. 

und da mussten sie sich - wenn sie von ihrer kunst leben wollten - eben auch jeweils dem zeitgeist anbiedern: rembrandt malte das conterfei von honorigen amsterdamer ratsherren in die "nachtwache" - der alte leonardo da vinci holte sich - neben seinen alltäglichen "spinnereien" - seine aufträge von den örtlichen amtsdiözesen ein - machte eine skizze und einen entwurf - und ließ dann malen ... - gerhard richter meditiert malend zu "auschwitz" und gibt dazu vier werke als "dauer-leihgabe" an den bundestagspräsidenten.

und auch jetzt zeigen die neuesten digitalen kunstspielereien, die mit röntgen- und elektronischen argusaugen den jeweiligen museums-kunstwerken zu leibe rücken, wes geistes kind sie eigentlich sind - und wie oft der künstler - je nach kundschaft - z.b. einen nackten po auch wieder per übermalung "bekleidete" ...: eben auch nur:"wess' brot ich ess, dess' lied ich sing"...

ich will hier nicht etwa das die bewussten biografie-fälschungen eines emil nolde oder auch weiterer deutscher expressionisten "entschuldigen". 

nein - ich muss lernen, neben dem jeweiligen blauäugig betrachteten und mit geschichten ausgeschmückten werk auch den künstler mit zu sehen und zu bewerten - und auch den werdegang und die provenienz seines werkes (siehe dazu z.b. das "geschredderte" ballonmädchen-bild von banksy - oder das angeblich von leonardo stammende - bis jetzt teuerste bild der kunstgeschichte überhaupt: "salvator mundi", das jetzt nach seiner ersteigerung für die öffentlichkeit "in der versenkung verschwunden" bleibt - und das erst vor ein paar jahren von einer der weltbesten restauratorinnen mit dem berühmten "unverwechselbaren" leonardo-sfumato "originalgetreu" ausgestattet wurde...

vorwürfe erhebe ich gegen die kultur-experten und kultur-historiker, die die jeweilige "geschichte" zu den einzelnen künstlern und kunstwerken schon lange kannten und kennen - und diese "provenienzen" und tatsachen jeweils in ihren herzen bewegen oder aus pekuniären auktions- oder museums-erlös-überlegungen heraus einfach "verschweigen" und gar mit ins grab nehmen...

und nachdem an der berliner-sozialpädagogik-hochschule das eugen-gomringer-gedicht übertüncht wurde aus genderpolitischen überlegungen, und hier und da bereits "anzügliche" oder voyeuristische werke abgehängt wurden, steht uns in der gender-problematik und im rassismus und im interreligiösen streit da noch einiges bevor: aber neue erkenntnisse und einsichten können nicht jeweils die entstehungsgeschichten der kulturellen erzeugnisse ganzer epochen neu unterpflügen wollen: am anfang war nämlich lediglich das wort ...

ARCHIVALIEN UND ARCHIVE

Archivalien - Bild: war robots wiki

Archive spielen mit dem Glamourfaktor


Selbst Schriftstücke können zu Stars werden und auf einem Altar wie Reliquien präsentiert werden

Von Gabrielle Boller | NZZ

Historische Archive haben in unserer digitalisierten Gesellschaft fast schon etwas Magisches. In der flachen Welt der Bildschirmtexte versprechen sie Haptik und eine Authentizität, die sich vielleicht als Ansichtigwerden von Geschichte umschreiben lässt. Vorbei die Zeiten, da Archivalien als trockene Materie galten, zumal man sich auch gerade in jüngster Zeit deren Verletzlichkeit bewusst wurde – der Brand der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar, der Einsturz des Historischen Stadtarchivs Köln, die Zerstörung des brasilianischen Nationalmuseums etwa zeigten auf drastische Weise, wie gefährdet sie bis heute sind.

Trotz ihrer neu entdeckten Attraktivität haben natürlich nicht alle Urkundensammlungen Glamourfaktor, da braucht es schon eine besondere Geschichte und am besten einen veritablen Star. Genau damit kann der St. Galler Stiftsbezirk aufwarten, dessen Filetstück der berühmte St. Galler Klosterplan ist: die weltweit älteste existierende Architekturzeichnung aus dem frühen Mittelalter. Bisher war das Kronjuwel dem Publikum nur als Faksimile in der St. Galler Stiftsbibliothek zugänglich, nun aber ist der Originalplan in einem neuen, für 2,8 Millionen Franken umgebauten Ausstellungssaal für alle zu sehen.

Ein Augenblick im Dämmerlicht

Aus konservatorischen Gründen nur für knappe 20 Sekunden, doch immerhin im Viertelstundentakt, taucht der berühmte St. Galler Klosterplan in einem separaten Raum des Stiftsarchivs aus einer Art klimatisierter Hightech-Gruft ins wohldosierte dämmrige Licht. Wirklich viel kann man in der kurzen Zeit nicht erkennen, doch darum geht es auch nicht, es geht um die unmittelbare Begegnung mit dem Original des unschätzbar wertvollen karolingischen Plans. Was es mit dem Dokument aus dem frühen 9. Jahrhundert auf sich hat, dem Idealplan für eine Klosteranlage, gezeichnet auf der Insel Reichenau und wahrscheinlich vom dortigen Abt Haito dem St. Galler Abt Gozbert zur Anregung für dessen eigenen Klosterbau zugesandt, erfährt man zuvor in einem kurzen Film.

Wenn das St. Galler Stiftsarchiv, bisher etwas im Schatten der barocken Pracht von Kathedrale und Stiftsbibliothek, nun erstmals in eigenen Ausstellungsräumen das «Wunder der Überlieferung» preist, so darf auch die klösterliche Zelle für einmal gerne mit ein paar Choralgesängen unterlegt sein und warm ausgefüttert in feierlichem Rot daherkommen. Es nützt ja nichts, wenn bloss Mediävisten das Herz hüpft. Wer sich schon vom Bildschirm weg auf Exkursion in die reale Welt eines Museums begibt, will zum einen zwar auf gewohnte Weise beschäftigt werden – sprich: interaktiv mit Schaltflächen zum Anklicken –, zum anderen aber auch an etwas teilhaben, das die persönliche Anwesenheit zu einem Ereignis macht.

So ist der ganze Stiftsbezirk nun gewissermassen eine Huldigung der klösterlichen Geschichte, die ihre ausserordentliche Fülle an geretteten Urkunden aus dem frühen Mittelalter einer Spezialität des Klosters St. Gallen verdankt: Es wurden hier nicht Bücherabschriften der eingehenden Urkunden und Akten angefertigt, sondern die originalen Dokumente in einem eigenen Ablagesystem archiviert und später, ab 1730, in hölzernen «Fluchtkisten» mobil gelagert. So überstanden die Originaldokumente diverse Brände, Kriege und feindliche Überfälle.

Man kennt sich also in St. Gallen mit Originalen aus, und wenn sich die Flügeltüren zum kleinen Raum mit dem Klosterplan, dem grossen Star der Ausstellung, gebührend spektakulär öffnen, versteht man, dass sich Stiftsarchivar Peter Erhart von der aufwendigen Präsentation vor allem eines wünscht: den nötigen Respekt für dieses Dokument.

Vom Wunderglauben ist ein Archivar natürlich weit entfernt. Doch wer vermöchte sich einer leichten Ergriffenheit zu entziehen, wenn der kostbare Plan, weihevoll angekündigt, aus seinem Schrein emporschwebt? Nicht erst die digitalisierte Welt sucht schliesslich den kurzen, physisch spürbaren Schauer vor der Reliquie, die rein durch ihre Präsenz verbalen oder schriftlichen Überlieferungen in der Gegenwart zu so etwas wie Wahrhaftigkeit verhilft.

Aus gutem Grund also nehmen nicht nur Ausstellungsdramaturgien, bei denen das natürlicherweise auf der Hand liegt, gerne Anleihe bei sakralen Vorbildern und Präsentationsformen. Wo, wenn nicht in der Kirche, zumindest in der katholischen, kennt man sich traditionellerweise mit dem Hervorrufen von ekstatischen Gefühlslagen, mit der subtilen bis bombastischen architektonischen Stimmungsmodulation, schon ähnlich gut aus? Also her mit Altar, Zelle und basilikalem Grundriss, auch gerne, wenn es passt, im weltlichen Bereich der Heldenverehrung oder bei der Sakralisierung profaner Gegenstände.

Vom heiligen Plan zum Gral

Dass ein Artefakt dabei nicht erst Jahrhunderte abhängen muss, um Gegenstand der Verehrung zu werden, zeigt sich in der Anziehungskraft, die von persönlichen Gegenständen oder Handschriften berühmter Persönlichkeiten ausgeht. Solche Verehrung kann auch in eine quasireligiöse Anbetung münden. Wo könnte man sich damit besser auskennen als im Richard-Wagner-Museum in Bayreuth, wo im ehemaligen Wohnhaus des Komponisten Leben und Werk eher distanziert-objektivierend zur Darstellung kommen.

Die Szenografie der sogenannten Schatzkammer spielt, durchaus nicht ohne Ironie, mit einer sakralen Aura und Anmutung – ein bisschen grosse Oper darf hier, in gefühlter Nähe zum Heiligen Gral, schon auch sein. Etwas Basilikahaftes besitze der Raum mit abschliessender Rotunden-Apsis im Untergeschoss des Museums ja bereits, erklärt Direktor Sven Friedrich, warum also nicht ein Kirchenschiff nachempfinden, gesäumt von Wandvitrinen mit Devotionalien aus der Büchersammlung und aus dem Skizzenfundus des Komponisten.

Als Höhepunkt der Inszenierung folgt die Altar-Vitrine mit dem jeweils zum aktuellen Repertoire der Bayreuther Festspiele passenden «heiligen» Partitur-Autografen. Um dem Ganzen schliesslich den richtigen transzendenten Glanz zu verleihen, schimmert in der Apsis ein goldener Theatervorhang mit – gleichsam anstelle des Kruzifixes – davor schwebender Wagner-Büste.

Der Welt des schönen Scheins steht dieses Spiel gut an, zumal die Aura sozusagen eine Spezialdomäne der Künste ist. Doch nicht jedes Original taugt dazu, Authentizitätssehnsüchte zu befriedigen. Wehe, wenn es schiefgeht mit der sakralen Inszenierung. Die Geschichte der Inthronisierung eines Dokuments, das ein Bündnis der innerschweizerischen Talschaften Uri, Schwyz und Nidwalden bezeugt, ist allseits bekannt. Das zur Gründungsurkunde der Eidgenossenschaft avancierte Schriftstück wurde in den Zeiten der geistigen Landesverteidigung als grosses Nationalheiligtum verehrt, die Ausstellungsvitrine des Bundesbriefs wurde zum «Altar des Vaterlands». Bloss: Ende der 1960er Jahre wurde die historische Bedeutung des Dokuments relativiert, und der Bundesbrief wanderte, degradiert vom Altar, in eine Gemischtwaren-Vitrine mit anderen historischen Dokumenten.

Die Aura eines Objekts mag zwar nicht einzig von ihm selbst ausgehen, wie Walter Benjamin es beschrieben hat, sondern ebenso sehr von der Bedeutungszuschreibung im Rahmen seiner musealen Inszenierung – doch es muss schon die richtige Substanz vorhanden sein, um eine Erzählung zu tragen –, da ist ein St. Galler Klosterplan die selten zu findende Idealbesetzung.

Quelle: NEUE ZÜRCHER ZEITUNG NZZ - Montag, 20.Mai 2019 - Feuilleton, S. 33

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bauernhausmuseum bielefeld - themenausstellung: ländliche geschichte in 100 objekten - von den anfängen bis heute - seite "26" - die 1. seite des einspruchs von ernas vaters auf den beschluss zur sterilisation durch das erbgesundheitsgericht bielefeld aus der erbgesundheitsakte bezüglich erna kronshage  ...




um heutzutage zum beispiel forschungen zur lokalen und weiteren ns-geschichte zu betreiben, ist man auf gutfunktionierende und zugängliche bestände der archive unweigerlich angewiesen. das ist leider nicht immer ganz "barrierefrei" - nicht etwa (aber auch) weil treppen und barrieren physisch "im wege stehen" - sondern besonders auch, weil einige historiker die angewohnheit entwickelt haben, die bestände wie ihr "persönliches" hab und gut mit argusaugen "mental" zu hüten und zu bewachen - vergleichbar in etwa mit den alleinigen sakramentsverwaltungen durch geweihte männliche katholische priester und würdenträger. auch die bauten, in denen archive oft untergebracht sind, erinnern ja äußerlich manchmal eher an kathedralen - oft sogar mit einem abgetrennten bereich des "allerheiligsten"...

besonders - als dann plötzlich der "persönlichkeits-, familien- und namensschutz" seine hohe bedeutung und schutzwürdigkeit gewann. hier und da war das sicherlich angebracht - wurde aber von den archiven manchmal geradezu in "vorauseilendem gehorsam" und manchmal anscheinend "auf geheiß" von wo auch immer benutzt, nun wie die hennen auf den akten des allgemeinwissens, "ihren" archivalien, zu hocken - und noch immer einblicke dort zu verwehren, wo es längst nichts mehr zu "schützen" gab.

und natürlich hatten auch einige familien aus den mit der ns-geschichte verquickten verstrickungen ein großes interesse daran, jetzt mit hilfe der archive und unter vorschub des "persönlichkeitsschutzes" irgendwie fakten zu "vertuschen" - und vielleicht sogar brisante urkunden verschwinden zu lassen - von daher ist eine gewisse aufmerksamkeit sicherlich angebracht...

in meinen recherchen zum leidensprotokoll meiner tante erna kronshage stieß ich in den späten 80er bzw. den frühen 90er jahren des vorigen jahrhunderts auf den bestand des stadtarchivs bielefeld - gesundheitsamt bielefeld - der dort 1970 erfasst und archiviert wurde - unter: 
  • "Erbgesundheitsgericht Bielefeld: Erbgesundheitssache Erna Kronshage, XIII 31/43 Wg. 81-43, Gesundheitsamt Bielefeld-Land, im Bestand des Stadtarchivs Bielefeld, 1943"
in diesem bestand fand sich unter der registrierungs-nr. 106.1 die erbgesundheitsakte zum zwangssterilisations-verfahren meiner tante erna kronshage.

ich hatte dann das große glück, bei meinem besuch damals in dem als ostwestfälisch "unheilig" eingerichteten gebrauchs-archiv dort die wahrhaft "barrierefreie" historikerin frau dr. monika minninger anzutreffen, die sich als eine wahre expertin in sachen aufarbeitung der ns-gräuel-geschichte in und um bielefeld erwies. ein besonderer weiterer schwerpunkt ihrer tätigkeit war dabei auch die erforschung jüdischen lebens in bielefeld. sie veröffentlichte über dieses thema mehrere bücher.

ohne die großzügige aufklärungsarbeit der ns-verfolgungen in bielefeld und umgebung von frau dr. minninger - also bereits in den achtziger jahren  - wäre das studien- und memorialblog zu "erna's story" insgesamt undenkbar. 

Foto: NW
frau minninger hat mir damals bei meinen besuchen im stadtarchiv sehr "unbürokratisch" - unter umgehung aller sonst noch üblichen "forschungsschranken" auf diesem gebiet in den den archiven in deutschland auf diesem terrain - die kopie der "erbgesundheitsgerichtsakte erna kronshage" aus dem bestand "erbgesundheitsgericht bielefeld-land" ermöglicht, die nun im studien- und memorial-blog reproduziert wiedergegeben werden können...

im alter von 69 jahren ist die historikerin dr. monika minninger im september 2010 leider schon verstorben. 

und genau aus diesem bestand zeigte dann das bielefelder "bauernhausmuseum" 2016 in der themenausstellung: "ländliche geschichte in 100 objekten - von den anfängen bis heute" auch die seite "26" - die 1. seite des einspruchs von ernas vater adolf kronshage auf den beschluss zur sterilisation durch das erbgesundheitsgericht bielefeld - eben original aus der erbgesundheitsakte bezüglich erna kronshage ... - die ich hier mit den weiteren seiten des briefes wiedergebe:


Der Ausstellungs-Begleittext vom Bauernhausmuseums-Leiter Dr. Lutz Volmer zu diesem Exponat lautete:

Ein Vater bettelt um Entlassung seiner Tochter

1943

Stadtarchiv Bielefeld, Bestand 106.1/Gesundheitsamt Bielefeld, 1970

Erna Kronshage, geb. 1922, kam am 20. Februar
1944 in Gnesen (Gniezno) in der Anstalt
Tiegenhof ums Leben. Wie kam es dazu?

Erna arbeitete bis 1942 auf dem kleinen Hof
ihrer Eltern in der Gemeinde Senne II. Es kam
immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten
mit den nicht gerade toleranten Eltern. Durch
unglückliche Umstände wurde sie polizeilich in
die Provinzial-Heilanstalt Gütersloh
eingewiesen. Dort diagnostizierte man an ihr
Schizophrenie, die dort durch Arbeitstherapie in
Haus und Garten, aber auch eine Schocktherapie
behandelt wurde.

Nach damaliger Lesart der NS-Nomenklatur
handelte es sich um eine Erbkrankheit. Gemäß
des Gesetzes zur Verhütung erbkranken
Nachwuchses von 1934 kam es auf Veranlassung
der Ärzteschaft zu einer Zwangssterilisation. Ihr
Vater Adolf Kronshage hat dagegen vehement
Einspruch erhoben. Die Umstände der
Einweisung in die Klinik wie auch die Diagnose
schienen zweifelhaft.

Obwohl der Vater in einer Reihe von Schreiben
regelrecht darum bettelte, dass seine Tochter
entlassen wurde, arbeiteten die Institutionen
weiter: Als im November 1943 in der Heilanstalt
Gütersloh Betten für andere Zwecke frei
gemacht werden mussten, kam Erna in die
Gauheilanstalt Tiegenhof bei Gnesen im
besetzten Polen. Dort wurde sie nach 100 Tagen
Aufenthalt getötet. Die Sterbeurkunde lautet:

"Vollkommene Erschöpfung".



das original aus dem archivbestand des stadtarchivs bielefeld wurde im bauernhausmuseum ausgestellt (s.o.) - hier in kopie - vergrößerung

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