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das erinnern erneuern


Die Erinnerungskultur erneuern

Der Historiker Martin Sabrow fordert: Jetzt muss Nüchternheit Emphase ersetzen. Die Gesellschaft soll der Versuchung widerstehen, den Wertehimmel unserer Zeit auf die Vergangenheit zu projizieren

Die kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist in unserer Generation zu einem hohen Gut der nationalen Selbstverständigung geworden. Theodor Adornos Forderung an eine gelingende Aufarbeitung 1959, „dass man das Vergangene im Ernst verarbeite, seinen Bann breche durch helles Bewusstsein“, kann in der Gegenwart für erfüllt angesehen werden. 

Heute gilt ein parteiübergreifender Konsens des liberaldemokratischen Spektrums, dass die fortdauernde Auseinandersetzung mit der historischen Schuld zweier Diktaturen einen Grundpfeiler des bundesdeutschen Selbstverständnisses bilde.

Die seit den 1980er Jahren entstandenen Geschichtsmuseen in der Bundesrepublik blenden die furchtbare Vergangenheit nicht aus, sondern beziehen sie ein. Die bei Adorno noch vor allem gegen den Staat und das staatlich verantwortete Nachleben des Nationalsozialismus in der Demokratie gerichtete Bewältigungsforderung hat sich zum Handlungsziel für den Staat entwickelt. Adornos bittere Erfahrung, „im Hause des Henkers soll man nicht vom Strick reden; sonst hat man Ressentiment“, hat nicht nur an Gültigkeit verloren, sie ist in ihr Gegenteil umgeschlagen, wenn der damalige Bundespräsident Joachim Gauck zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz feststellte: „Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz.“

Auch die Auseinandersetzung mit der zweiten deutschen Diktatur des 20. Jahrhunderts vollzieht sich nicht im Schatten der deutschen Geschichtskultur, sondern unter immer weiter steigender medialer und geschichtspolitischer Aufmerksamkeit. Dies lässt sich eindrucksvoll an der Erinnerungskonkurrenz des 9. Novembers ablesen, der in den vergangenen 30 Jahren zum heimlichen deutschen Nationalfeiertag der deutschen Gesellschaft aufgestiegen ist. Alles gut also?

Nein, nichts ist gut, wie in jüngerer Zeit wieder so schmerzhaft zu erfahren war. Fast hilflos steht die Mehrheitsgesellschaft vor den Konsensverletzungen, die die Karriere des Rechtspopulismus als Massenphänomen auf der Straße und als politische Kraft in den deutschen und europäischen Parlamenten mit sich gebracht haben.

Der Raum des Sag- und Denkbaren und die Orientierungsmarken der gesellschaftlichen Debatte haben sich nicht nur in dramatischer Weise nach rechts geöffnet und die Schleusen eines längst überwunden geglaubten Vergangenheitsdiskurses geöffnet, sie hat auch all diejenigen in die Defensive gedrängt, die sich immer wieder über neurechte Tabubrüche empören und selbst damit noch einem identitären und geschichtsrevisionistischen Denkstil in die Hände spielen, dessen ganzes Programm die bloße Provokation ist.

Wenn jeder vierte Wähler in einem Land, in dem die NSDAP 1930 ihre erste Regierungsbeteiligung erreichte, bei den jüngsten Landtagwahlen in Thüringen seine Stimme einer Partei gab, deren dezidiert rechtsextrem auftretender Spitzenkandidat ungeniert mit seiner politischen Nähe zum Nationalsozialismus kokettiert, dann wird die Frage unvermeidlich, was die Geschichtskultur wert ist, auf deren Geltungskraft wir uns so gern berufen.

Um sie zu beantworten, tut die Erkenntnis not, dass die kritische und selbstkritische Vergangenheitsaufarbeitung nicht allein von außen in Frage gestellt wird, sondern auch in eine innere Krise geraten ist. Vier Herausforderungen stechen dabei hervor.
Es macht einen Unterschied, ob Erinnerung mittelbar oder unmittelbar tradiert wird, ob sie von Menschen überliefert wird oder allein in Texten und Bildern.
  • Die erste ergibt sich aus dem Verlust an Unmittelbarkeit, der mit dem wachsenden Zeitabstand vom 20. Jahrhundert der Extreme einhergeht. Es macht einen Unterschied, ob Erinnerung mittelbar oder unmittelbar tradiert wird, ob sie von Menschen überliefert wird oder allein in Texten und Bildern. Die Epoche der Aufarbeitung war die Epoche der Zeitzeugen, die Auskunft im Geschichtsunterricht gaben, die auf Gedenkveranstaltungen sprachen und Dokudramen beglaubigten: Zeitzeugen in der Diktaturaufarbeitung stillten die Sehnsucht nach der Begegnung mit einer Vergangenheit, die man sich nicht zurückwünschte, und die Aura ihrer Authentizität bestand darin, dass sie das Geschehen von gestern mit den moralischen Maßstäben von heute fassbar machten. Welche Lücke das Verstummen der Zeitzeugen und das Ende der Ära der Unmittelbarkeit reißt, lehrt das angestrengte, aufwendige und oft teure Bemühen um die „authentische“ Rekonstruktion von Orten diktatorischer Herrschaftsinszenierung. Billiger sind virtuelle Zeitzeugen, also die visuelle und akustische Aufzeichnung von Lebenserinnerungen Holocaust-Überlebender, die im Projekt „New Dimensions in Testimony“ der Shoah Foundation auf höchstem technischem Standard digital so aufbereitet werden, dass sie als 3D-Hologramm-Interviewpartner zur Verfügung stehen. Was wie bloße Spielerei aussieht, löst in der Weiterentwicklung die Aura des Zeitzeugen von der lebenden Person und lässt die materielle Realität in der digitalen aufgehen; aber dem digitalen Konstrukt fehlt die Aura des Authentischen und damit das magische Moment, das Menschen in Ausstellungen und an historische Orte treibt.
Aufarbeitung verspricht permanent eine Versöhnung, die sie nicht einlösen kann, weil sie das Schuldbekenntnis nicht mit Vergessen vergelten kann. 
  • Eine Wirkungsbeschränkung anderer Art steckt im Konzept der Aufarbeitung selbst. In der Tiefenpsychologie gilt das erinnernde Durcharbeiten als Schritt zur endgültigen Heilung mit dem Ziel des psychischen Überwindens und Loslassens. Im gesellschaftlichen Aufarbeitungsdiskurs hingegen ist nicht das Loslassen das Ziel, sondern die fortwährende Auseinandersetzung. Die Idee der Aufarbeitung fußt auf einer prinzipiellen Unabschließbarkeit, die ihrer gleichermaßen fundamentalen Vergebungsbereitschaft zuwiderläuft. Anders gesagt: Aufarbeitung verspricht permanent eine Versöhnung, die sie nicht einlösen kann, weil sie das Schuldbekenntnis nicht mit Vergessen vergelten kann.
Das Projekt der historischen Aufklärungist zur Routine einer historischen Selbstbestätigung geworden, die aus der Beschäftigung mit der Vergangenheit nicht mehr unbequeme und womöglich unwillkommene Erkenntnisse zieht, sondern vertraute Bilder immer wieder reproduziert und ritualisiert. 
  • Eine dritte Problemzone lässt sich schlagwortartig als Umschlag von Aufklärung in Affirmation überschreiben. Im selben Maß, in dem der opferzentrierte Aufarbeitungskonsens zum selbstverständlichen Fundament unserer politischen Kultur wurde, hat er begonnen, sein aufrüttelndes und tabubrechendes Potenzial einzubüßen: 93 Prozent aller 2018 befragten Deutschen im Alter von 16 bis 92 Jahren halten die Erinnerung an die Vernichtung von Menschen in Konzentrationslagern für einen wichtigen oder den wichtigsten Inhalt des Geschichtsunterrichts. Mit dem Sieg der schmerzhaften Aufarbeitung über die bequeme Verdrängung hat sich der Anspruch auf kritische Bewältigung der Vergangenheit in die Realität einer historischen Legitimation der Gegenwart zu verwandeln begonnen. Das Projekt der historischen Aufklärung ist zur Routine einer historischen Selbstbestätigung geworden, die aus der Beschäftigung mit der Vergangenheit nicht mehr unbequeme und womöglich unwillkommene Erkenntnisse zieht, sondern vertraute Bilder immer wieder reproduziert und ritualisiert. Die Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Zivilisationsbruch hat sich zu einer Ästhetik des Grauens entwickelt, von der KZ-Souvenirs und Auschwitz-Selfies zeugen. Auch das Holocaust-Mahnmal in der Mitte Berlins ist eine Touristenattraktion, die für Erschütterung und Entspannung gleichermaßen zur Verfügung steht.
Auch in Deutschland verwandelt sich kritische Distanz in vereinnahmenden Repräsentationsanspruch
  • Ein viertes Krisenphänomen bildet die zunehmende Ersetzung von Distanz durch Identifikation. Wie stark Geschichte als Identitätsressource beansprucht wird, lehren nicht nur Länder wie die Türkei, die seit 2007 gesetzlich verbietet, „Geschichte und die gemeinsame Vergangenheit des türkischen Volkes beleidigen“, oder Polen, dessen „Holocaust-Gesetz“ Termini wie „polnische Vernichtungslager“ ebenso kriminalisiert wie die Behauptung einer polnischen Mitverantwortung für NS-Verbrechen. Auch in Deutschland verwandelt sich kritische Distanz in vereinnahmenden Repräsentationsanspruch, wenn etwa im Konflikt um das Jüdische Museum in Berlin und den Rücktritt seines angeblich anti-israelisch eingestellten Direktors Peter Schäfer 2019 aus dem Blick geriet, dass das Museum sich ungeachtet seines Namens seit der Gründung nicht als ein jüdisches Museum, sondern als Museum über Juden verstand. Aus der Bürgergesellschaft wiederum erheben sich immer wieder Stimmen, die historisch tradierte Sichtachsen identitätspolitisch zu verändern verlangen. Im Streben nach Entmilitarisierung und Dekolonisierung des öffentlichen Raums sind Hindenburgstraßen und Carl-Peters- Plätze zu einem Konfliktfeld geworden, in dem Tradition und Benennungszusammenhang immer stärker dem Anspruch auf Identitätsschutz zu weichen haben. Nicht anders ergeht es Mohren-Apotheken und Mohren-Hotels, die vergeblich darauf pochen, seit Hunderten von Jahren so zu heißen, sondern mit dem Argument entwaffnet werden, dass egal sei, wie es einmal gemeint war oder wie Historiker das einordnen; wichtig sei, wie sich die betroffene Menschengruppe heute dabei fühlt. Die Krise des Allgemeinen ist auch eine Krise des Historischen. Sie nimmt der Vergangenheit ihr Eigenrecht und macht sie zur Projektionsfläche von konkurrierenden Zugehörigkeitsansprüchen, die gleichermaßen Identität über Historizität stellen.
...keine Rückkehr zum Vergessen 
und Verdrängen,
wohl aber einen Übergang 
zu einer Form der Auseinandersetzung 
mit historischem Unrecht 
und historischer Fehlentwicklung, 
die aufklärerische Emphase gegen 
historiografische Nüchternheit eintauscht.

Unser Umgang mit der Vergangenheit ist im Wandel begriffen. Die Erinnerungskultur, wie wir sie kennen, war in starkem Maße ein Generationsprojekt. Sie hat einen beispiellosen Siegeszug erlebt, aber sie ist mittlerweile von der Offensive in die Defensive gerutscht. Die geglaubte Sicherheit, dass die deutsche Gesellschaft aus ihrer unheilvollen Vergangenheit gelernt habe, ist einer neuen Ungewissheit gewichen. Der Abschied von der Aufarbeitung als Epoche bedeutet keine Rückkehr zum Vergessen und Verdrängen, wohl aber einen Übergang zu einer Form der Auseinandersetzung mit historischem Unrecht und historischer Fehlentwicklung, die aufklärerische Emphase gegen historiografische Nüchternheit eintauscht. Die Geschichtsschreibung in der Zeit nach der Aufarbeitung muss sich gegen geschichtsrevisionistische Umdeutungen zur Wehr setzen, und sie muss zugleich ihre Stimme gegen die Versuchung erheben, den Wertehimmel unserer Zeit auf die Vergangenheit zu projizieren. 

Und sie muss den eigentümlichen Schulterschluss von Gedenkpolitik, Geschichtskultur und Fachwissenschaft neu reflektieren, der der Berliner Republik so selbstverständlich scheint. Wenn sie es aber tut, kann die Arbeit an der Geschichte darauf vertrauen, dass die drängenden Herausforderungen der heutigen Erinnerungskultur nicht nur eine Krise bedeuten, sondern auch eine Chance.
  • Professor Martin Sabrow ist Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam.


aus: DER TAGESSPIEGEL Nr. 24 075, SONNTAG 26. Januar 2020, Beilage "NIE WIEDER", S. B7

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tja - das spüre ich inzwischen an meiner fast 40-jährigen arbeit hier vor ort zur aufarbeitung des "euthanasie"-mordprotokolls zu meiner tante erna kronshage auch: dass es nämlich zeit- und epochenabhängige aber auch persönliche innerpsychische wandlungen von "er-innerung" und "gedenken" gibt, wobei es aber "keine Rückkehr zum Vergessen und Verdrängen [geben darf], wohl aber einen Übergang zu einer Form der Auseinandersetzung mit historischem Unrecht und historischer Fehlentwicklung, die aufklärerische Emphase gegen historiografische Nüchternheit eintauscht."

für mich in meinem verständnis und in meinem praktischen alltags-umgang "übersetzt" bedeutet das, dass ich mich wohl weiterhin "empören" darf und das psychohygienisch auch muss, dass aber vor lauter abscheu und empörung "nicht der mund übergeht, wess das 'herz' voll ist" ...

in diesem zusammenhang sehe ich auch die zur zeit immer noch vereinzelt stattfindenden "prozesse" gegen "kleine" wachsoldaten in den kz's, die damals 16-/17 jahre alt waren, und direkt aus dem arbeitsdienst mitmachen mussten oder mitgemacht haben, weil es auch keine "lehre" oder "arbeit" anderweitig zu dem zeitpunkt gab - und die heute, weit in die 90, angeklagt sind wegen "beihilfe zum x-tausendfachen mord im kz xy", wo sie wachaufgaben erfüllen mussten und befehlen folge leisten - "führer befiehl - wir folgen", war ja das einzige was sie bisher gelernt hatten - und mit ihnen zig millionen deutsche auch, die nicht wegen "beihilfe" heutzutage mehr belangt werden, obwohl sie mehr oder minder diesen "tatbestand" sicherlich auch erfüllt haben - deutschland ist das tätervolk, und bis auf ein paar wenige waren alle damals mit verstrickt in irgendeiner weise und leisteten zumindest "beihilfe" - als denunzianten, als "heil-hitler"-rufer, als uniformträger, als blockwarte, als soldaten, als fürsorgerinnen, als ärzte und schwestern, als pfarrer innerhalb der sogenannten "deutschen christen", als lehrer, als chefs von unternehmen oder großbauern, die zwangsarbeiter beschäftigten und ausbeuteten usw. usf.... 

das sind für mich heuzutage falsch laufende und viel zu spät einsetzende reflexe der staatsanwaltschaften und der justiz und der politik, die meines erachtens dringend geboten einer "historiografischen nüchternheit" bedürfen.

schon vor ein paar jahren habe ich zum mordkomplex meiner tante festgestellt, dass es "den mörder" oder "die mörderin" zu ihrem gewaltsamen tod nicht geben kann, dass es sich um eine konglomerats-kette von immer schiefer und aus dem ruder verlaufenden schlägen und irrtümern handelt, die ich heute im nachhinein zwar konstatieren und erkennen, aber auch achselzuckend zur kenntnis nehmen muss, die sich aber im ns-zeitgeist des "damals" in diesem einzelfall so und nicht anders ergeben haben - und das alles war getragen von nach heutigen maßstäben wissenschaftlich begründeten falscheinschätzungen und dazu erlassenen durchsetzungs-gesetzgebungen, schlichten irrtümern, kriegswirren - ungleiche, gestörte, zumeist vertikale und nicht gelingende kommunikation, die zumeist nicht im miteinander sondern nur als massenkommunikation (radio per "volks-empfänger") stattfand - familiäre, nachbarschaftliche und amtliche fehleinschätzungen und denunziationen (nach heutiger beurteilung).

das führt dann eben 80 jahre später auch zu der spannenden und doch makaberen aber auch irgendwo resignierenden fragestellung, ob die menschen, die wegen (gezielter?) lebensmittel-unterversorgung verhungert sind - und die, deren hungertod gezielt durch nahrungsentzug bei ausreichender lokaler versorgungslage bewusst und vorsätzlich herbeigeführt wurde - wer davon jeweils zu den "euthanasie"-toten hinzuzurechnen ist, oder ... 
das sind für mich "unentscheidbare" fragestellungen, die eigentlich in sich schon etwas "verrückt" sind, aber eben der auseinandersetzung mit dieser "verrückten" zeit entspringen können.

in den jahren 1933-1945 hat dieses "deutsche reich" aufgestachelt und propagandistisch verblendet als kollektiv meiner meinung nach im massenwahn und in der massenhaften hysterie verharrt - und nur wenige konnten sich dagegen wehren oder durch flucht entziehen, ansonsten wurden sie wie auch immer mit hereingerissen in diesen strudel und auf diese immer schiefer sich neigenden ebene.

wir müssen diesen gesellschafts-pathologischen zustand individuell, in der familie, in der region und im land immer wieder gründlich aufarbeiten und verstrickungen versuchen nachzugehen und so aufzuzeigen, damit sich mechanismen abzeichnen und gegenkräfte dazu entwickeln können, innerpsychisch und gesellschaftlich und politisch, damit so etwas unterbunden bleibt. und das geschieht auf keinen fall mit "ad-acta-legen" oder herunterspielen, das gelingt nur mit umfassender, auch familiär erzieherischer, schulischer und universitärer prophylaxe, die nicht nur von außen durch fachbuch und seminar und "zeitzeugen" authentisch wachsen kann - da muss auch bei jedem einzelnen von kindauf die persönliche ethische richtschnur immer wieder neu kalibriert werden - zu einem gesunden resilienz-vermögen.

Gedenken & Erinnern


Die Aufarbeitung aufarbeiten

Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie fordert: Wir müssen die blinden Flecken beider deutschen Staaten ausleuchten - für eine Ächtung und Bekämpfung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit heute

Ist es nicht endlich genug mit der Vergangenheitsbewältigung, was können wir dafür, wenn unsere Groß- und Urgroßeltern im sogenannten Dritten Reich Mist gebaut haben? So fordern bisweilen jüngere Menschen einen Schlussstrich unter der NS-Vergangenheit. Die listige Reaktion des Schriftstellers Hans Magnus Enzensberger auf frühere Einlassungen, nun sei es aber genug mit Hitler und Holocaust, war einmal: Man müsse sich auch um die Reparatur der Kanalisation kümmern, wenn die Urgroßväter sie gebaut und womöglich vermasselt haben. Die zeitgemäße Analogie sind die Brücken, die autoverrückte Babyboomer zuschanden gefahren haben und eine Generation in Stand setzen muss, die womöglich gar nicht mehr Autofahren will (oder darf). Manche Verantwortungen lassen sich nicht einfach abweisen; auch wenn die Generation der Schuldigen nun endgültig abtritt.

stolpersteine sind eine "gesamtdeutsche" gedenk- und
kunstform - der erste stein wurde 1992 vom künstler
gunter demnig im köln gelegt - inzwischen gbt es über 75.000
gedenksteine in ganz europa.
Heute geht es nicht mehr um Schuld. Aufgearbeitet werden muss heute vielmehr die Art und Weise, wie NS-Verbrechen in zwei konträren politischen Systemen bearbeitet worden sind, die heute noch kulturell gespalten wirken: eine „Aufarbeitung der Aufarbeitung“ gewissermaßen. Nicht beiläufig verlangen gerade im Westen Deutschlands sozialisierte Politiker von rechts außen wie Alexander Gauland und Björn Höcke (beide AfD) eine 180-Grad-Wende und erklären die Thematisierung des Holocaust zur nationalen Schande. Sie spekulieren auf Resonanz vor allem im Osten des Landes und verdienen genau den Widerspruch, den CSU-Chef Franz Josef Strauß 1969 zu spüren bekam, als er „Schluss mit ewiger Vergangenheitsbewältigung als gesellschaftlicher Dauerbüßeraufgabe“ verlangte.

Wie und warum kam es zu den „zwei Erinnerungskulturen“ in Deutschland? Blicken wir zurück auf die „Stunde null“: 1945 lag das Deutsche Reich materiell und moralisch am Boden, Stacheldraht und Mauer spalteten es in zwei verfeindete Lager. Im Kalten Krieg war die Vorgeschichte, darunter der Holocaust, gewissermaßen eingefroren. Erst in den 1980er Jahren trat er wieder ins allgemeine Bewusstsein. Bis dahin fühlte man sich weder im Westen noch im Osten subjektiv befreit; die objektive Einordnung des 8. Mai 1945 durch den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker löste 1985 noch Empörung aus. Im Westen redete man lieber vom „Zusammenbruch“, im Osten sprach der Begriff „Befreiung“ dem Wirken der sowjetischen Besatzer Hohn. Beide Seiten scheuten lange die Aufarbeitung der Vergangenheit. Die Bombardements, vielen Gefallenen und Kriegsversehrten, drückende Reparationen, die nicht ganz so drückende Entnazifizierung, der Nürnberger Prozess gegen die Hauptschuldigen - das schien doch genug der Buße zu sein.

Deutschlandweit war die Verdrängung eine fast natürliche Reaktion; „kommunikatives Beschweigen“ bezeichnete 1983 der Philosoph Hermann Lübbe diese alltägliche Haltung, wonach man um die Schuldigen wusste, aber nicht offen über ihre Taten sprechen wollte. Lübbe meinte, dieser Akt politischer Hygiene sei der Bundesrepublik unterm Strich gut bekommen, die nächste Generation fand das nicht und forderte dagegen die radikale Selbstaufklärung über die personelle, institutionelle und mentalitätsmäßige Kontinuität über die Stunde null hinaus.

Die gar keine war, auch in der DDR nicht. Dort waren NS-Täter ebenso stillschweigend übernommen worden und war „der Schoß fruchtbar noch, aus dem das kroch“, wie Bertolt Brecht wohl nicht nur im Blick auf das „Bonner Regime“ dichtete. Er konnte in Berlin beobachten, wie in Ostdeutschland - das ist der wichtigste Unterschied - eine Diktatur in eine andere überging, während Westdeutschland nicht nur das sogenannte „Wirtschaftswunder“, sondern auch eine verordnete, dann aber mehr und mehr verinnerlichte Demokratisierung von Politik und Gesellschaft zugutekam. In SBZ (Sowjetische Besatzungszone) und DDR wurde erneut politische Justiz geübt, die Opposition unterdrückt, die künstlerische Freiheit beschnitten, es wurde weiter bespitzelt und denunziert. Die rote Diktatur unterschied sich von der braunen, sie war aber auch eine. Die teilweise Virulenz autoritärer, völkisch-nationalistischer Einstellungen in den neuen Ländern belegt, wie autoritäre Persönlichkeiten und Verhältnisse politische und individuelle Freiheiten über Jahrzehnte, oft bereits vom Kaiserreich an bis in die 1990er Jahre durchgängig einschränkten. Eine ernsthafte Aufarbeitung der Vergangenheit erfordert einen demokratischen Rahmen und eine freie Zivilgesellschaft. Was nicht bedeuten soll, autoritäre Einstellungen hätten im Westen des Landes keinen Bestand gehabt, wo ebenfalls erneut Judenhass und Fremdenfeindlichkeit zutage treten, die überwunden galten.

Die DDR kann sich zugutehalten, in der justiziellen Aufarbeitung strenger, in der Staatsbürgerkunde entschiedener und mit der Errichtung von Gedenkstätten früher am Start gewesen zu sein. Dem widersprachen aber die Form wie die Zielrichtung der Aufarbeitung, die vor allem gegen die „Globkes“ gerichtet war; so hieß Adenauers rechte Hand, ein Mitverfasser der NS-Rassegesetze. Sie verlief Top-down und war dem Kulturkampf und Systemwettbewerb untergeordnet. Die nach allseitiger Verdrängung entzündete Debatte in einer freien Presse, im öffentlichen Raum, an Schulen und Universitäten und in den Gedenkstätten war in der DDR systembedingt blockiert; Ausnahmen wie Jurek Beckers Roman „Jakob der Lügner“ und einige DEFA-Filme bestätigen nur die Regel. Mögen manche 68er im Westen ihren Furor gegen die NS-Generation übertrieben haben, dieser Aufstand fehlte im Osten Deutschlands.

So stand der Systemkonflikt einer ehrlichen Aufarbeitung im Wege. Die SED hatte es besonders geschickt anlegen wollen: Sie erklärte die BRD zum einzigen Nachfolgestaat des NS-Regimes, entzog sich damit selbst der kollektiven Verantwortung und erhob den Antifaschismus zur Staatsdoktrin. Selbst die Mauer und die Teilnahme der Nationalen Volksarmee, der NVA, an der Intervention in der CSSR 1968 wurden als Schutz gegen den Faschismus gerechtfertigt. Die frühe SED, der auch aufrechte Widerstandskämpfer gegen Hitler angehörten, wurde ihrerseits dominiert von Stalinisten, die die sozialistische Idee verrieten und eine andere Spielart des Totalitarismus exekutierten; dabei stellten sie unter dem Deckmantel des Antizionismus in den 1950er Jahren auch Juden nach.

So blieb die in der DDR geübte „Aufarbeitung der Vergangenheit“ vielfach ein hohles, oft verlogenes Ritual, das vor allem die Bonner Republik ob ihres NS-Personals in Verlegenheit bringen sollte. Damit hatte sich die DDR kollektiv ent-schuldigt und geradezu an die Seite der sowjetischen Siegermacht geschmuggelt. Die im Übrigen eine abwegige und veraltete Faschismus-Theorie geliefert hatte: Den Dimitroff-Thesen der Komintern von 1935 zufolge war der „Faschismus die höchste Stufe des Kapitalismus“, und so saß vor allem letzterer auf der Anklagebank. „Die Hitler kommen und gehen, das deutsche Volk aber bleibt bestehen“, lautete ein Bonmot Stalins, das die schwer in dem Nationalsozialismus verstrickte Mehrheit der Deutschen kollektiv entlastete. Und weil damit der rassistische Kern des Völkermords im Dunkeln blieb, wurde offiziell vor allem kommunistischer Widerständler und sowjetischer Soldaten und Zwangsarbeiter gedacht, nicht der Millionen ermordeter und vertriebener Juden, die zudem kaum entschädigt wurden. Auch Sinti und Roma, Homosexuelle, „Asoziale“ und Opfer anderer Minderheiten wurden kaum in den Blick genommen. Solche ideologischen Blüten richteten sich gegen die politische Kultur des Westens und „Amerika“. Dieser politisch-kulturelle Antiamerikanismus verdeckte kaum die Kontinuität nationalistischen Denkens; die immer noch virulente Opfer-Legende Dresdens, von „angloamerikanischen Bombern“ zerstört worden zu sein, ist in der DDR gewachsen. Die Folge: Bis in die 1980er Jahre hinein wurden rassistische und antisemitische Neigungen, etwa bei rechtsradikalen Skinheads, als „Rowdytum“ verharmlost. Da wird ein verzerrtes Geschichtsbild zum echten Zukunftsproblem ganz Deutschlands.

Ein letztes Defizit muss benannt werden, das auch die westdeutsche Linke trifft: Eine ähnlich kritische Aufarbeitung des Stalinismus und des autoritären „Realsozialismus“ unterblieb vor 1989 und ist auch nach der „Wende“ nicht intensiv betrieben worden. Die Aufarbeitung der SED-Diktatur genießt allgemein weit weniger Aufmerksamkeit als die NS-Diktatur. Darin manifestiert sich ein Ost-West-Gefälle der Geschichtspolitik, und es bleibt wohl einer wirklich gesamteuropäischen Erinnerungskultur überlassen, die mit „Holocaust“ und „GULag“ markierten Totalitarismen zu durchleuchten, darunter den für Ostmitteleuropa desaströsen Hitler-Stalin-Pakt von 1939, ohne dabei in wechselseitiger Relativierung und Gleichsetzung, Opferkonkurrenz und Aufrechnung zu verharren. Im KZ Buchenwald manifestiert sich die Überschneidung darin, dass nach deren Befreiung dort Gegner der Sowjets und der SED interniert wurden.

Das Wissen um den Holocaust nimmt Umfragen zufolge unter Jugendlichen heute eher ab als zu, während antisemitische Einstellungen auch in dieser Altersgruppe manifester werden. Zeitgemäß aufbereitet, könnte das Gedenken an den 27. Januar 1945 helfen, die Angriffe von rechts außen besser zu kontern. Dazu muss man die blinden Flecken beider Staaten ausleuchten und angemessene Schlüsse ziehen für die Ächtung und Bekämpfung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit heute. Denn in China zieht ein neuer Totalitarismus auf, der Minderheiten einsperrt und Opposition mundtot macht.
  • Claus Leggewie ist Professor für Politikwissenschaften an der Universität Gießen und war bis 2017 Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen. Zum Thema Geschichtspolitik erschien sein Buch „Der Kampf um die europäische Erinnerung“ im C. H. Beck Verlag München 2011
aus: DER TAGESSPIEGEL Nr. 24 075, SONNTAG 26. Januar 2020, Beilage "NIE WIEDER", S. B6

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irgendwie erinnern mich die aussagen dieser zeilen von claus leggewie an ein "patt" im schach. da hat nämlich die eine seite geschwiegen und versäumt - und auch die andere seite aus anderen oft genuinen voraussetzungen nach der stunde "null" und aus irgendwelchen verdrängungsgründen heraus ebenfalls verheimlicht, umkonstruiert und einschlägige akten einbalsamiert und weggeschlossen.

den 68ern im westen immerhin billigt leggewie zwar eine vielleicht etwas übertrieben lautstarke auseinandersetzung mit der eltern- und großelterngeneration zu - aber er konstatiert auch auf der anderen seite im osten eben das gänzliche fehlen einer ähnlich aktiven oppositionsbewegung "von unten" und im wahrsten sinne des wortes "auseinander-setzen" in den familien, außerhalb des establishments, mit viel emsiger archiv-recherche und erstveröffentlichungen von erkenntnissen zu den ns-gräueltaten - erst nach einer überlangen schockstarre ab den späten 70er/frühen 80er jahren - zunächst in kleinen alternativ-verlagen und von nur einer handvoll interessierter autoren, die sich zum teil damit ihre ersten seminararbeiten für das studium zusammentippten - ehe dann der main-stream der großen verlage eine allmähliche nachfrage zu diesem geschehen ausmachte und auf diesen zug endlich mit aufsprang - und die inzwischen darauf anspringenden historiker ab den 90er jahren daraufhin ein regelrechtes spezialgebiet um "holocaust" und ns-"euthanasie" eingrenzten.

allerdings hat diese "freie marktwirtschaft" im west-literaturbetrieb unter den autoren und interessengemeinschaften in den veröffentlichungen auch rasch zu ab- und ausgrenzungen geführt - und zu debatten bis hin zu kleinen oft unfairen scharmützeln in den feuilletons und historischen verlagen, wo autoren sich gegenseitig ihre (un)aufrichtigkeit und (un)genauigkeit aufrechneten und sich gegenseitig recherchefehler vorwarfen - und es wurden auch forschungsmäßige hierarchien gebildet zu den jeweiligen opfergruppen: es wurden oft abstufungen vorgenommen zwischen "politischen" kz-opfern, opfern jüdischen glaubens, den ermordeten der "euthanasie", den homosexuellen, den sinti und roma, den zwangsarbeitern usw.

aber vielleicht hing diese gruppen- und kategorienabbildung in der "aufrechnung" mit der "ent- und aufdeckung" einzelner vernichtungsstätten und -abteilungen zusammen - auch an der unvorstellbaren menge von fast 7 mio. ermordeter menschen, jeweils durch industriell organisierte und letztlich abgestuft kleinteilig tötende teams und täterketten, die sich dazu - zum töten - den staffelstab in form der giftspritze, des gaswagens oder der erschießung weiterreichten und im laufe des unterfangens immer mehr skrupel davor verloren und sich einreihten.

da hatten dann chemische und pharmazeutische großbetriebe und konzerne oder kliniken und auch die großen überregionalen sozialeinrichtungen schon ein interesse daran, dass eine damalig einschlägige "historie" in ihrem sinne faltenfrei und glatt fortgeschrieben wurde nach der "stunde null". sie hatten sich oftmals mehr oder weniger an der massenhersherstellung etwa der vergasungsgifte und der tödlichen medikamente mitbeteiligt und damit geld verdient, bzw. hatten die sozialeinrichtungen sich direkt oder indirekt sogar an der tötung selbst mitbeteiligt - und nötigenfalls ließ man sich dann auf ein kritisches historien-gutachten eben auch mal ein "gegengutachten" von einer bezahlten koryphäe erstellen und ließ dann die gerichte entscheiden, was die "wahrheit" ist.

beide teile deutschlands  - auch in den familien und damit eben das "volk" - hatte also jeweils ihre aufarbeitungs- und abspaltungsprobleme damit, wie es weitergehen oder wie gekonnt verschwiegen werden konnte - und wie eine aufarbeitung von wem, wann und in welchem umfang vonstatten gehen sollte ...

und wolf biermann, der liedermacher aus dem osten, singt ja die zeilen:
"das kann doch nich alles gewesn sein
da muss doch noch irgend was kommen! nein
da muss doch noch leebn ins leebn
eebn" ...

und franz-josef degenhardt stimmt da ein mit:
"ärmel aufkrempeln, zupacken, aufbauen"...

und diese aufgabe bleibt: im osten wie im westen ... - jeder nach seiner facon und seiner "ge-schichte".

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Das Terror-Regime von Angela Merkel und ihren Klatschhasen steht noch immer nicht in Den Haag vor Gericht oder ist nach Südamerika geflohen. Weisen Sie deshalb unter jedem Artikel nachdrücklich darauf hin, dass Merkel wegmuss.

7. Keine Angst vorm Elfenbeinturm
Wann immer sich sogenannte Künstler, Kulturschaffende oder Intellektuelle zu Wort melden, vergessen Sie nicht die Anführungszeichen oder das Wort „sogenannte“ und weisen Sie darauf hin, dass diese von Ihren GEZ-Zwangsgebühren und Steuern gemästeten Millionäre nicht wissen, wie es dem hart arbeitenden Mann auf der Straße geht. Oder weisen Sie darauf hin, dass diese sogenannten „Künstler, Kulturschaffenden und Intellektuellen“ noch nie Geld verdient haben und mit Hartz IV gemästet werden. So oder so sollten die die Klappe halten. Ist schließlich Demokratie hier.

8. Argumentieren Sie streng wissenschaftlich
Wann immer sogenannte Wissenschaftler zitiert werden, die vor den Folgen des Klimawandels, der Umweltverschmutzung oder von Diesel-Abgasen warnen, weisen Sie darauf hin, dass wirkliche Wissenschaftler an Dogmen zweifeln, statt sie zu bestärken. Berufen Sie sich auf Kopernikus, Galileo und Henryk M. Broder. Vergessen Sie nicht darauf hinzuweisen, dass Klimawandelforscher von interessierter Seite finanziert werden. Ganz anders als die unerschrockenen Querdenker, die am Klimawandel zweifeln und sich für die verfolgte Autoindustrie einsetzen.

9. Für Frauenrechte
Wann immer ein Migrant ein Sexualverbrechen begeht, fordern Sie mit Nachdruck eine Wende in der Migrationspolitik, denn Sie haben ja schließlich nicht jahrhundertelang für die Rechte von Frauen gekämpft, damit die jetzt von muslimischen Messermännern einfach so geschändet werden. Sollten sich gendermainstreamverwirrte Frauen kritisch dazu äußern, weisen Sie höflich darauf hin, dass die das als Frauen ja überhaupt nicht beurteilen können und zudem nur mal ordentlich vergewaltigt werden müssten, dann würden sie nämlich schon sehen.

aus: taz - die wahrheit

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also - "die wahrheit" - das ist die satire-seite der taz - und deshalb darf sie auch die wahrheit sagen - und nichts als die wahrheit:

apropos der liedzeile des franz-josef degenhardt: "hier im innern des landes, da leben sie noch" - oder "...leben sie wieder":...

zweimal habe ich mich zu einem abo der © WELT hinreißen lassen, weil mich die typografie und das layout jedesmal verführt haben. einmal nach wohl gut einem halben jahr - und vor kurzem schon nach ein paar tagen - habe ich jedesmal diese © WELT-abo's fluchtartig verlassen - zumeist vertrieben von diesem zynismus (nicht zionismus!) den unter anderen der afd-flüsterer henryk m. broder dort ohne jede einschränkung ablassen darf - und gleichzeitig in dessen berühmter kolumne bei der rechtslastig-"liberalen" "achse des guten - achgut.com" [originalton "achcom" von heuteach hätte bundespräsident steinmeier doch in yad vashem lieber geschwiegen, wie roman herzog seinerzeit...[und sich somit auch wieder vor verantwortung hergedrückt -si.], wo es förmlich trieft in gebräuntem fett - immer wieder neu aufgewärmt - aber nicht oft genug gewechselt in der fritteuse.

und als © WELT-abonnent bin ich jeweils ohne extra aufnahme-antrag scheinbar automatisch wohl mitglied der © WELT-COMMUNITY.

und da kommt man fast gar nicht drum rum, durch das bestechende layout hindurch tatsächlich diese etwas einseitig nach einer gewissen seite hin sich neigenden artikel zu lesen - und dazu eben auch diese schmuddeligen hard-core-leserkommentare in den "meinungs-foren" zu den artikeln - die scheinbar die redaktionelle prüfzone ohne beanstandungen passieren können - nach dem motto: freie meinung für freie bürger - oder: ist der ruf erst ruiniert - schreibt es sich ganz ungeniert ...

und da geht es tatsächlich so zu, wie diese taz-wahrheit-"satire" das andeutet: aber diesmal ist es deshalb gar keine satire - sondern schlichtweg die reine wahrheit - und nichts als die wahrheit ...

und wegen diesem gebräunten sumpfmoor, in dem man jeweils als leser ganz rasch zu versinken droht - eben aus diesen foren und leserbrief-spalten - bin ich dann immer zur eigenen seelenhygiene hals-über-kopf per abo-kündigung wieder von dannen gerannt - denn vor diesem sud da sei der herr vor...

zu meiner scheinbaren mitgliedschaft in dieser © WELT-COMMUNITY kann ich meine fragen daran nicht zweifelsfrei klären, denn sobald ich mal jetzt als nicht-abonnent mich im dschungel dort verlaufe oder umsehen will, stoße ich immer im nu auf meine alten abo-daten usw.: einmal in der kommune - scheinbar immer in der kommune - oder so ...

überzeuge dich bei gelegenheit dort selbst - aber zieh dir gummistiefel oder gar ein ganzkörper-kondom an, denn es geht ins tiefe moor - in den morast, mit unbotmäßigem top-design raffiniert aufgehübscht - und doch: du versinkst sofort - und etwas halt findest du vielleicht noch beim redakteur alan posener - aber der kann es allein ja auch nicht richten - denn der ulf poschardt, der chefredakteur - dör hat es schwör: der ist mit seinem kopf meistens ganz woanders und muss seinen sport-suv gerade mal wieder zum waschen bringen: die vielen moorspritzer machen dreck - und außerdem gibt's doch noch etwas anderes als ewig diese zeitung zu machen ...

als ich neulich bei "meedia.de" die rückgängige abo-zahlen der © WELT-produktionen in vielfalt sah, fühlte ich eine klammheimliche freude in mir aufsteigen - besonders auch der satz des dortigen kommentators, das die taz-abo-zahlen immer näher an die © WELT-abo-zahlen heranrücken: es lebe die wahrheit...

Rede von Bundespräsident Steinmeier in Yad Vashem am 23.Januar 2020 - zur Befreiung des KZ Auschwitz vor 75 Jahren


 
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier:
Rede bei der fünften internationalen Konferenz des World Holocaust Forum in Yad Vashem in Jerusalem, Israel.


בָּרוּךְ אַתָּה יְיָ אֱלֹהֵינוּ מֶלֶךְ הַעוֹלָם שֶׁהֶחֱיָנוּ וְקִיְּמָנוּ וְהִגִּיעָנוּ לַזְּמַן הַזֶּה׃

""Gepriesen sei der Herr, […] dass er mich heute hier sein lässt.""


Welche Gnade, welches Geschenk, dass ich heute hier in Yad Vashem zu Ihnen sprechen darf.

Hier in Yad Vashem brennt die ewige Flamme der Erinnerung an die Toten der Shoah.

Dieser Ort erinnert an ihr millionenfaches Leid.

Und er erinnert an ihr Leben – an jedes einzelne Schicksal.

Dieser Ort erinnert an Samuel Tytelman, ein begeisterter Schwimmer, der bei Makkabi Warschau Wettkämpfe gewann, und an seine kleine Schwester Rega, die ihrer Mutter beim Kochen für den Schabbat half.

Dieser Ort erinnert an Ida Goldiş und ihren dreijährigen Sohn Vili. Im Oktober wurden sie aus dem Ghetto Chișinău deportiert, und im Januar, in bitterster Kälte, schrieb Ida ein letztes Mal an ihre Eltern und an ihre Schwester: ""Ich bedaure aus tiefster Seele, dass ich beim Abschied die Bedeutung des Augenblicks nicht erfasste, […] dass ich Dich nicht fest umarmt habe, ohne loszulassen.""

Deutsche haben sie verschleppt. Deutsche haben ihnen Nummern auf die Unterarme tätowiert. Deutsche haben versucht, diese Menschen zu entmenschlichen, zu Nummern zu machen, im Vernichtungslager jede Erinnerung an sie auszulöschen.

Es ist ihnen nicht gelungen.

Samuel und Rega, Ida und Vili waren Menschen. Und Menschen bleiben sie in unserer Erinnerung.

Hier in Yad Vashem wird ihnen – wie es im Buch des Propheten Jesaja heißt – ""ein Denkmal und ein Name"" gegeben.

Vor diesem Denkmal stehe auch ich als Mensch – und als Deutscher.

Ich stehe vor ihrem Denkmal. Ich lese ihre Namen. Ich höre ihre Geschichten. Und ich verneige mich in tiefer Trauer.

Samuel und Rega, Ida und Vili waren Menschen.

Und auch das muss ich hier und heute aussprechen: Die Täter waren Menschen. Sie waren Deutsche. Die Mörder, die Wachleute, die Helfershelfer, die Mitläufer: Sie waren Deutsche.

Der industrielle Massenmord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden, das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte – es wurde von meinen Landsleuten begangen.

Der grausame Krieg, der weit mehr als 50 Millionen Menschenleben kosten sollte, er ging von meinem Lande aus.

75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz stehe ich als deutscher Präsident vor Ihnen allen, beladen mit großer historischer Schuld. Doch zugleich bin ich erfüllt von Dankbarkeit: für die ausgestreckte Hand der Überlebenden, für das neue Vertrauen von Menschen in Israel und der ganzen Welt, für das wieder erblühte jüdische Leben in Deutschland. Ich bin beseelt vom Geist der Versöhnung, der Deutschland und Israel, der Deutschland, Europa und den Staaten der Welt einen neuen, einen friedlichen Weg gewiesen hat.

Die Flamme von Yad Vashem erlischt nicht. Und unsere deutsche Verantwortung vergeht nicht. Ihr wollen wir gerecht werden. An ihr sollt Ihr uns messen.

Weil ich dankbar bin für das Wunder der Versöhnung, stehe ich vor Ihnen und wünschte, sagen zu können: Unser Erinnern hat uns gegen das Böse immun gemacht.

Ja, wir Deutsche erinnern uns. Aber manchmal scheint es mir, als verstünden wir die Vergangenheit besser als die Gegenwart.

Die bösen Geister zeigen sich heute in neuem Gewand. Mehr noch: Sie präsentieren ihr antisemitisches, ihr völkisches, ihr autoritäres Denken als Antwort für die Zukunft, als neue Lösung für die Probleme unserer Zeit. Ich wünschte, sagen zu können: Wir Deutsche haben für immer aus der Geschichte gelernt.

Aber das kann ich nicht sagen, wenn Hass und Hetze sich ausbreiten. Das kann ich nicht sagen, wenn jüdische Kinder auf dem Schulhof bespuckt werden. Das kann ich nicht sagen, wenn unter dem Deckmantel angeblicher Kritik an israelischer Politik kruder Antisemitismus hervorbricht. Das kann ich nicht sagen, wenn nur eine schwere Holztür verhindert, dass ein Rechtsterrorist an Jom Kippur in einer Synagoge in Halle ein Blutbad anrichtet.

Natürlich: Unsere Zeit ist nicht dieselbe Zeit. Es sind nicht dieselben Worte. Es sind nicht dieselben Täter.

Aber es ist dasselbe Böse.

Und es bleibt die eine Antwort: Nie wieder! Niemals wieder!

Deshalb darf es keinen Schlussstrich unter das Erinnern geben.

Diese Verantwortung ist der Bundesrepublik Deutschland vom ersten Tage eingeschrieben.

Aber sie prüft uns – hier und heute!

Dieses Deutschland wird sich selbst nur dann gerecht, wenn es seiner historischen Verantwortung gerecht wird:

Wir bekämpfen den Antisemitismus!

Wir trotzen dem Gift des Nationalismus!

Wir schützen jüdisches Leben!

Wir stehen an der Seite Israels!

Dieses Versprechen erneuere ich hier in Yad Vashem vor den Augen der Welt.

Und ich weiß, ich bin nicht allein. Hier in Yad Vashem sagen wir heute gemeinsam: Nein zu Judenhass! Nein zu Menschenhass!

Im Erschrecken vor Auschwitz hat die Welt schon einmal Lehren gezogen und eine Friedensordnung errichtet, erbaut auf Menschenrechten und Völkerrecht. Wir Deutsche stehen zu dieser Ordnung und wir wollen sie, mit Ihnen allen, verteidigen. Denn wir wissen: Jeder Friede bleibt zerbrechlich. Und als Menschen bleiben wir verführbar.

Verehrte Staats- und Regierungschefs, ich bin dankbar, dass wir heute gemeinsam bekennen: A world that remembers the Holocaust. A world without genocide.

""Wer weiß, ob wir noch einmal den zauberhaften Klang des Lebens werden hören können? Wer weiß, ob wir uns in die Ewigkeit werden einweben können – wer weiß.""

Salmen Gradowski schrieb diese Zeilen als Häftling in Auschwitz und er vergrub sie in einer Blechbüchse unter einem Krematorium.

Hier in Yad Vashem sind sie eingewoben in die Ewigkeit: Salmen Gradowski, die Geschwister Tytelman, Ida und Vili Goldiş.

Sie alle sind ermordet worden. Ihr Leben ging im entfesselten Hass verloren. Aber die Erinnerung an sie besiegt das Nichts. Und das Handeln, unser Handeln, besiegt den Hass.

Dafür stehe ich. Darauf hoffe ich.

Gepriesen sei der Herr, dass er mich heute hier sein lässt.

stören - leugnen - provozieren


Eingangskomplex Buchenwald - Foto: Krautreporter.de
Neue Rechte zeigt sich in Gedenkstätten

Rechtsextreme treten anders als noch vor Jahren offen und erkennbar in Buchenwald auf, stören, leugnen und provozieren. Gedenkstättenleiter Volkhard Knigge spricht über Ursachen und Lösungen für das Problem.

Von Svenja Ludwig | NW

Früher bekritzelten Rechte heimlich die Infotafeln mit Hakenkreuzen. 75 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Alliierten spazieren Neonazis ungeniert in rechten Modelabels, wo Nazis früher unzählige Menschen töteten. Dementsprechend alarmiert ist Volkhard Knigge, Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. „Das Verhalten von bestimmten Gedenkstättenbesuchern hat sich seit dem Geländegewinn der AfD wahrnehmbar und nicht zum Guten verändert.“

Im Konzentrationslager Buchenwald waren zwischen 1937 und 1945 mehr als 250.000 Menschen inhaftiert, 50.000 davon überlebten nicht. Sie leisteten dort, wenige Kilometer von Weimar entfernt, oder in dem im Harz gelegenen Außenlager Dora Zwangsarbeit, wo unter Tage etwa die Vergeltungswaffe 2 gebaut wurde. 1944 ordneten die Nazis Dora dem Konzentrationslager Mittelbau zu.

Nicht die Zahl der rechtsextremen Vorfälle nehme zu, dafür aber seien die Rechten radikaler. „In den Besucherbüchern finden sich zunehmend Eintragungen, die Nationalsozialismus und auch die Konzentrationslager als sinnvoll und gut für die Deutschen bewerten“, berichtet Knigge. Auch antisemitische Sprüche oder Äußerungen wie „wären die Lager noch in Betrieb, hätten wir kein Ausländer-Problem“ ließen sich dort lesen. „Das ist ein ernst zu nehmendes Indiz, dass etwas wegbricht an Geschichtsbewusstsein, an mitmenschlicher Sensibilität und an politisch-demokratischer Orientierung.“

Den Weg dazu hat seiner Meinung nach die AfD geebnet. Dass der ehemalige Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland die nationalsozialistische Diktatur mit all ihren Verbrechen und Opfern als „Vogelschiss“ bezeichnete und der Fraktionsvorsitzende der Thüringer AfD, Björn Höcke, eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderte, „hinterlässt Spuren“, sagt Knigge. Auch andere würden dadurch ermutigt zu „immer offenerem rechten und rechtsextremen Sprechen und Denken“, so Knigge.

Störungen von Besucherführungen

Und manchmal auch zu mehr. In der Gedenkstätte komme es immer wieder zu „gezielten, vorbereiteten Störungen von Besucherführungen“. Dabei schmuggelten sich Rechte unter Besuchergruppen und warteten einen günstigen Moment ab, um Opferzahlen infrage zu stellen oder den Holocaust gleich ganz zu leugnen. Häufig werde das gefilmt. So profilierten sich die Täter einerseits im eigenen Umfeld, so Knigge. Gleichzeitig sollten die anderen Besucher eingeschüchtert und lächerlich gemacht werden. „Das darf man sich natürlich nicht gefallen lassen.“

Als Reaktion auf derartige Vorfälle wurde die Besucherordnung verschärft – so darf niemand mehr rein, der rechte Modelabels trägt. Mitarbeiter trainieren, wie sie mit Störern umgehen. Die intensiv-pädagogischen Angebote wurden ausgebaut. Kontra bekommen die Rechten zudem noch von anderer Seite. „Unsere Besucherzahlen steigen und man hat den Eindruck, da kommen viele Menschen, die Flagge und Haltung zeigen und sich hinter die wahrhaftige Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit stellen wollen – das ist toll und ganz wichtig.“

Schmiedeisernes Einganstor Buchenwald mit dem makaber-zynischem "JEDEM DAS SEINE" - Foto:  alamy.de


"Terrain" zurückgewinnen

Denn um das Gelände, das die AfD vereinnahmt hat, zurückzugewinnen, müsse eine sehr klare und nicht verharmlosende Debatte geführt werden. „Man darf sich nicht scheuen zu sagen, dass zum Beispiel in der Person von Björn Höcke eine große Portion faschistischen Denkens steckt“, betont Knigge. Außerdem bräuchte es einen wehrhaften Rechtsstaat. „Damit die roten Linien klar sind, das geht nicht anders.“ Und schließlich sei Bildung notwendig. „Der Nationalsozialismus ist mittlerweile auch an Gymnasien auf ganz wenige Stündlein zusammengeschnürt, und viele Lehrer hoffen, dass Gedenkstätten das kompensieren – da muss man ansetzen“, sagt Knigge.

Teils sind es Schüler, die bei Führungen in der Gedenkstätte auffallen. „Ein großes Problem kann darin bestehen, dass es an Schulen AfD-affine Lehrer gibt, die natürlich ihr Geschichtsbild an die jungen Leute weitergeben und sie anstacheln, die entsprechenden relativierenden oder verleugnenden Fragen zu stellen“, sagt Knigge.

Auch andere Gedenkstätten betroffen

  • Nach einem Besuch der Gedenkstätte Buchenwald fielen im vergangenen Jahr vier Schüler auf, die im Bus Nazi-Lieder abspielten. Aber nicht nur die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald suchen Rechte immer wieder auf, um zu stören.
  • 2018 zweifelten Mitglieder einer AfD-Besuchergruppe in der Gedenkstätte Sachsenhausen unter anderem die Existenz von Gaskammern und den Holocaust an.
  • In der Gedenkstätte Dachau soll im vergangenen Jahr ein Berliner Youtuber Mitarbeiter angepöbelt und gegenüber Jugendlichen behauptet haben, sie würden dort angelogen.


Text: aus NEUE WESTFÄLISCHE, 23.Januar 2020, Seite 3




dialog oder "kante zeigen"? diese frage ist hierbei fast unentscheidbar - und muss wohl von fall zu fall immer wieder neu austariert werden. weil aus beiden haltungen auf rechte provokation eben diese rechten mit ihrer vernetzten propaganda in der hinterhand und im hinterland immer versuchen werden, kapital aus jedem klitzekleinen krumen zu schlagen - egal ob positiv oder negativ gemeint - in ihre richtung.

ein beitrag des dlf kultur aus 2018 vermittelt dieses ringen vor ort in der gedenkstättenarbeit:
volkhard knigge. der leiter der gedenkstätte buchenwald, hatte mit dem afd-abgeordneten brandner ein gespräch geführt und das bereut er nicht. er wollte eine schlagzeile wie „gedenkstättendirektor verweigert gespräch“ unbedingt vermeiden. doch dann ist brandner selbst vor die presse getreten und hat stolz verkündet, dass er in einen dialog mit dem gedenkstättendirektor treten werde, ohne die im vorhinein von knigge klar gestellten bedingungen für dieses gespräch zu erwähnen. damit sei klar gewesen, dass „vernunft hier nicht mit am tisch war“. 
das gespräch sei ausgegangen wie das berühmte "hornberger schießen". eine "vernünftige" auseinandersetzung zu sinn der gedenkstättenarbeit und zur deutschen geschichte überhaupt sei nicht möglich gewesen, weil sich herr brandner dem einfach verweigert hätte.
nun werde zwar ein hausverbot gegen brandner als privatmann nicht verhängt - was gegen herrn höcke schon vor zwei jahren ausgesprochen wurde wegen dessen abwertender haltung aller gedenkstättenarbeit und dem sinn und zweck von mahnmalen zur ns-zeit überhaupt.  
und dennoch sei es die klare haltung der kollegen in der gedenkstätte, so herr knigge, dass „wir hier eine 'rote linie' einziehen werden, wir werden in dieser weise nicht mehr mit afd-abgeordneten verkehren. wir sind historiker, wir wissen, wie rechtspopulistische bewegungen sich entfalten, wie ‚tricky‘ sie sein können. ich erwarte von menschen, die sich aus dem demokratischen spektrum herausbewegen, nicht mehr, dass man vernünftig mit ihnen reden kann“. 
die gedenkstättenarbeit habe sich in richtung beschäftigung mit den tätern entwickelt, mit der vorgeschichte des nationalsozialismus und dessen wiederaufscheinen heute. gedenkstätten würden, so knigge, viel stärker als orte gesehen, die „licht auf eine mögliche zukunft werfen“, nicht mehr nur auf die vergangenheit.

die afd und mit ihnen die vom "steve-bennon-'algorhitmus'" verseuchten und infizierten propagandamäßig eingespannten rechten freaks überhaupt, die daneben ihre bots programmieren müssen, um im internet bei leserbriefen und meinungsforen "masse" vorzutäuschen, halten nach meiner beobachtung immer den fakt, den kern, das thema, im ungefähren schwebenden zustand, ohne festlegung, um im nächsten moment, das gegenteil des von ihnen trotzdem wahrgenommenen behaupten zu können. die entziehen sich also im dialog jedem "vernünftigen packendende" - und so gleiten sie argumentativ immer wieder irrlichternd davon.

auch die in der jungen handy-sprech-generationoft eingeschobene redefluss-floskel"... oder so" ist so ein indiz für diese "nirwana"-seuche. man legt sich damit nie genau und exakt fest - und hält sich bei kritischen nachfragen immer ein hintertürchen offen - ansonsten brüllt man "lügenpresse" oder "fake news".

konkret schaffen sie so ja eigentlich keine fakten - ihr ganzes gehabe ist ja show, um des klamauks willen - und dazu eine höhnische freude ("schaut mal her - das trauen wir uns zu sagen"...) und alle
differenzierten gegenargumente, faktisch belegt, perlen ohne jede auseinandersetzung damit als "feake news" ein fach ab, wie wasser auf einer fettigen oberfläche.

man kann das wunderbar studieren an der immer gleichen taktik von donald j. trump, der ja auch von steve bennon geschult wurde - und so dieses system des "immer-im-ungefähren-bleiben" wunderbar beherrscht.

er kündigt ja beispielsweise regelmäßig bestehende handelsverträge auf, mit der anschließenden drohung, hohe strafzölle auf die gegegenständlichen inhalte des vertrages zu erheben - und zwingt dann die gegenseite, die vertragspartner, zu einem jeweils neuen "deal", der den usa dann vermeintliche vorteile beschert, was aber zumeist nur luftnummern sind, die propagandistisch gekonnt über "fox news" oder "twitter" verkündet werden. - und viele, viel zu viele, tumbe amis bejubeln ihn - und meinen: endlich hat es "ihnen" mal "einer" gezeigt..., was eigentlich nur eine blase heißer luft in einer von allen realitäten abgeschotteten blasen-wahrnehmung einer virtuellen parallelwelt ist.

und das alles hält im konkreten aber trotzdem eine wirtschaft am laufen, die eigentlich nur noch ein "zuviel" und "zu teuer" produziert.

und diese taktik gewinnt in afd und in der geschulten rechten immer mehr zulauf - und entpuppt sich als eine art "grundgesetz", um feststehendes zum wanken zu bringen.

so geht man dann auch in die gedenkstätte und hinterfragt längst feststehende und bewiesene und zweifelsfrei erkundete tatsachen mit abwertenden fragen und "alles-in-zweifel-ziehen", ebenfalls als "fake news" zu brandmarken - eigentlich auch nur um unruhe zu stiften, denn man weiß es ja gar nicht besser - und die mühe einer tatsächlichen nachrecherche macht man sich sowieso gar nicht erst.

man tönt einfach nur dumpf vor sich und will so für labile menschen die realität ins ungewisse katapultieren, in irgendwelche unhaltbaren verschwörungstheorien - und man zweifelt mal ebenso den umfassenden holocaust 1933-1945 überhaupt an - und lacht sich heimlich dabei ins fäustchen, welche reaktionen des erschreckens man damit auslöst ... und kommt sich damit sehr beschlagen & clever vor, und kann damit seine gang und seine freundin vielleicht sogar beeindrucken...

dagegen hilft tatsächlich wohl nur "kante zeigen" - "rote linie" ziehen: bis hierher und nicht weiter - und hausverbot - und klarheit und wahrheit - und eine flexible reaktion auf jeden einzelfall...