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sich die Seele aus dem Leib schreiben: Maya Lasker-Wallfisch & die "Transgenerationale Trauma-Weitergabe"

Maya & Anita Lasker-Wallfisch - fotobearbeitung nach jmberlin.de





Maya Lasker-Wallfisch über ihre „Briefe nach Breslau“

Ein „Ort der Ewigkeit“ für die ermordeten Großeltern

Maya Lasker-Wallfisch im Gespräch mit Frank Meyer| DLF Kultur

Wie Traumata über Generationen hinweg weitergegeben werden, wurde zu Maya Lasker-Wallfischs Lebensthema − ihre Mutter hatte Auschwitz überlebt. Durch die „Briefe nach Breslau“ an ihre Großeltern habe sie sich selbst gefunden, sagt sie.

Maya Lasker-Wallfisch: Als ich 14 war, war für mich bereits jede Form von normaler Schulbildung vorbei, das gehörte der Vergangenheit an. Ich war bereits schon zwei Mal höflich gebeten worden, Schulen zu verlassen. Eine von den Schulen habe ich noch nicht mal besucht, da stand da nur „Wir haben Maya Lasker-Wallfisch hier nicht gesehen“. Was dann folgte, war, dass ich zu so einer Art Nachholschule geschickt wurde, wo man dann eigentlich den Stoff, den man aufgrund von Schwänzen oder sonstiger Fehlzeiten verpasst hat, gebündelt lernen sollte.

Eigentlich habe ich da sehr viel gelernt, aber nichts wirklich Akademisches. Das heißt also, ich war schon in sehr jungen Jahren sehr weit weg von jeglicher Form der Normalität, habe dann angefangen, so eine Art sogenannten alternativen Lebensstil zu leben und entpuppte mich dann relativ früh schon als eine Art Anführerin bei allen möglichen illegalen oder halblegalen Aktivitäten. Also man kann schon sagen, dass ich schon damals ein böses Mädchen war.

Weg von den Drogen

Frank Meyer: Ja, Sie beschreiben das auch ganz offen, was Sie Kriminelles getan haben, wie viel Sie mit Drogen zu tun hatten und diese Karriere, wenn man es so nennen will, als bad girl. Das führt dann zu einem Tiefpunkt Ihres Lebens, da sind Sie Anfang 30, sind in Kingston gelandet, also in Jamaika, verheiratet mit einem cracksüchtigen Mann. Sie selbst sind auch wieder drogenabhängig geworden, haben kein Geld mehr, sind wirklich ganz, ganz unten. Was hat Sie gerettet damals in dieser Situation?

Lasker-Wallfisch: Das ist eine wichtige Frage, aber da gibt es vielleicht auch mehrere Antworten, denn was heißt es denn, dass man gerettet wird, dass man sein Leben wieder auf die Reihe bekommt? Da gibt es ja auch viele verschiedene Möglichkeiten, wie so was ablaufen kann. Ich würde sagen, was ein erster Schritt war, mich da rauszuholen, war wirklich so eine Art Rehabilitationsklinik, Entzugsklinik und so weiter. Da bin ich nicht wirklich geheilt worden, aber es hat mir zumindest beigebracht, dass ich keine Drogen mehr nehmen sollte. Das habe ich da gelernt.

Seitdem ist mein Leben in verschiedenen Kapiteln abgelaufen. Eigentlich habe ich sehr viele verschiedene Lebensformen, Lebensstile in der Zeit ausprobiert, und erst in den letzten zwei bis drei Jahren bin ich wirklich in der Lage, authentisch zu sagen: Das bin ich, so denke ich und das weiß ich.

Landschaft eines unsichtbaren Todes

Meyer: Und jetzt ist ja die große Frage in Ihrem Buch, der Sie nachgehen – wie werden Traumata weitergegeben von einer Generation zur anderen. Sie fragen sich: All das, was ich da erlebt habe in meiner Zeit als Kind, als Jugendliche, als junge Erwachsene, all diese Abstürze, diese Drogengeschichten, was hat das zu tun mit dem Schicksal meiner Mutter, eben der Holocaust-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch, was hat das auch zu tun mit dem Tod Ihrer jüdischen Großeltern, die Eltern Ihrer Mutter sind 1942 in einem deutschen Durchgangslager ermordet worden? Wenn Sie von heute aus darauf zurückschauen, was Ihre Mutter erlebt hat, was Ihren Großeltern passiert ist, wie hat Sie das als Kind schon geprägt?

Lasker-Wallfisch: Ich wurde in eine ungewöhnliche Familie innerhalb Londons geboren in den späten 50er-Jahren, und ich hatte schon ganz früh das Gefühl, dass irgendetwas grundlegend falsch läuft. Ich konnte mir aber nicht erklären, was das war. Es herrschte so eine Atmosphäre von etwas permanent Unausgesprochenem in der Familie vor. Meine Eltern sprachen eine Sprache, die ich nicht verstand, und es wurde uns, mir und meinem Bruder, auch vermittelt, dass diese Sprache, Deutsch, nicht für ihn und mich bestimmt war. Dabei ist es doch so, dass Kinder eigentlich Sprachen aufsaugen wie Schwämme, und jetzt merke ich, wie schwierig es für mich ist, Deutsch zu lernen, weil das einfach so weit weg war, auch schon damals.

Die Eltern sprachen also Deutsch – und die Sprache der Musik, von der ich ebenfalls ausgeschlossen war, weil ich kein musikalisches Kind war. Ganz anders als in allen anderen Familien ist es bei uns abgelaufen, das fiel mir früh auf. Also wir hatten nichts in der Wohnung, was andere Familien damals hatten. Und das ist für ein Kind durchaus verstörend, weil Kinder ja immer sein wollen wie alle anderen. Unsere Wohnung war komplett anders als die der normalen englischen Haushalte.

Und das war sehr schwer, im jungen Alter damit klarzukommen. Und natürlich wurde mir nicht erklärt, noch war es irgendjemandem bewusst, dass meine Schwierigkeiten vielleicht mit ererbten Traumata zu tun haben könnten. Das ist ja auch ein relativ neu entdecktes psychologisches Phänomen oder auch überhaupt genetisches Phänomen, dass es so etwas gibt. Was ich aber gespürt habe, war das Leben in einer Landschaft eines unsichtbaren Todes.

Niemand sprach über die Vergangenheit

Meyer: Ja, wenn Sie sagen, dass Sie in so einer Landschaft des unsichtbaren Todes aufgewachsen sind, hat denn Ihre Mutter oder sonst jemand je mit Ihnen gesprochen, während Sie jung waren, über die Erfahrungen, die Ihre Mutter gemacht hat in Auschwitz oder in Bergen-Belsen, oder haben Sie auf andere Weise davon erfahren?

Lasker-Wallfisch: Nein, darüber wurde nie etwas gesagt. Es wurde uns nicht gesagt, wo unsere Mutter oder unsere Tante Renate gewesen waren während des Krieges oder was mit dem Rest der Familie passiert war, das war verboten, darüber wurde nicht gesprochen. Aber es gab Zeichen dafür, dass etwas passiert war. Meine Mutter war ja regelrecht gebrandmarkt durch die Tätowierung, die eintätowierte Nummer, die Häftlingsnummer. Ich wurde zum Beispiel von anderen Kindern gefragt, warum denn meine Mutter ihre Telefonnummer auf dem Arm tragen würde.

Also sie war die Einzige, die so etwas hatte in meinem gesamten Umfeld. Das Einzige, woran ich mich erinnere, was sie gesagt hat, wenn wir Fragen gestellt haben, war: Ich erzähle dir das, wenn du älter bist. Also sie hat wirklich versucht, uns zu schützen. Sie wollte ihre Kinder nicht traumatisieren mit diesem Wissen, sie wollte uns nicht sagen, ihr habt deshalb keine Großeltern, weil sie irgendwo in einem Massengrab in Polen liegen. Meine Mutter hat versucht, ihr Leben aufzuteilen in eine Vergangenheit und Gegenwart. Sie wollte die Vergangenheit komplett hinter sich lassen. Das geht natürlich nicht, aber es war ein Versuch, das war ihre Motivation. Und da ist auch viel Bewundernswertes dabei. Aber es hat eben auch Folgen gehabt.

Briefe an die verstorbenen Großeltern

Meyer: Und jetzt haben Sie für Ihr Buch eine ganz besondere Form gefunden, Ihre eigene Geschichte und die Ihrer Familie wieder anzueignen. Also Sie erzählen Ihre eigene Lebensgeschichte, darüber haben wir zum Teil gesprochen, und Sie haben elf Briefe geschrieben an Ihre Großeltern, also an die Großeltern, die 1942 von Deutschen ermordet wurden. Diese Briefe an die Großeltern – warum war das für Sie die richtige Form, die Geschichte Ihrer Familie zu erzählen?

Lasker-Wallfisch: Es so zu machen, war die einzig mögliche Art. Goethe hat mal gesagt, Briefe gehören zu den wichtigsten Dingen, die Leute hinterlassen können, und er hat Recht damit. Denn meine Großeltern kenne ich wirklich nur durch diese Briefe, und so habe ich einen Zugang zu ihnen gefunden, den ich sonst nie gehabt hätte, dazu, wer sie waren, was sie für Persönlichkeiten, was für Menschen Sie waren. Und das war für mich auch eine Art Erleuchtung.

Als ich das Buch schrieb, da war ich gerade in Deutschland und habe gemerkt, dass ich im Kopf Gespräche mit meinen verstorbenen Großeltern geführt habe, und da war es für mich klar, da war die Idee da, diese Briefe an sie zu schreiben. Und dadurch konnte ich auch in gewisser Weise die Beziehung, die ich zu ihnen ja nie hatte, die mir ja gestohlen worden war, wieder herstellen oder zurückerhalten. Das war insofern ein Privileg, mit ihnen zu sprechen.

Und wir haben uns dann ja auch in der Familie getroffen und die Briefe der verstorbenen Familienmitglieder wurden von anderen Familienmitgliedern gelesen – so sind die Laskers aus Breslau wieder zusammengekommen und waren alle wieder vereint. Ich wollte eben diese drei Generationen wieder zusammenbringen, wollte meinen Großeltern auch einen Ort der Ewigkeit geben, der Erinnerung, dessen sie zuvor beraubt worden waren. Und mein Ziel hat sich erfüllt damit, diese drei Generationen wieder zusammenzubringen.

Eintauchen in ein wundervolles Leben

Meyer: Ich dachte auch beim Lesen, dass Sie … Sie erzählen ja auch die Geschichte vor der Zeit der Verfolgung, wie Ihre Großeltern gelebt haben in den 20er-, 30er-Jahren, wie Ihre Mutter, Ihre Tanten gelebt haben als junge Menschen. Also Sie beschwören diese Welt wieder herauf, die Welt ist wieder da auf bewegende Weise. Das muss für Sie auch wichtig gewesen sein, diese Welt, ja, auf diese Weise zu retten, oder?

Lasker-Wallfisch: Ja, ich hoffe, das war es. Ich glaube, beim Schreiben, denn es ist ja ganz anders, Briefe zu schreiben, als eine lineare Geschichte zu erzählen, beim Schreiben hatte ich das Gefühl oder den Wunsch, in ihr Leben einzutauchen, in so ein wundervolles Leben. Wir haben ja auch wirklich tolle Fotos aus dieser Zeit, aus diesem Leben. Und ich wollte eine Möglichkeit finden, damit in Verbindung zu treten.

Was mich antrieb und diese Erkenntnis, diese Eingebung – das Wort benutze ich nicht so leichtfertig –, ich wusste wirklich plötzlich, ich muss das schreiben, ich muss das erzählen, ich muss das ihnen erzählen. Ja, sie sind tot, das ist klar, das soll jetzt auch nicht merkwürdig klingen, aber für mich sind sie eben nicht tot, und es war meine Absicht, diese Einzelteile zusammenzufügen. Alles war ja so weit auseinandergesprengt. Und ich wollte hier wieder eine Verbindung herstellen.

Und ich fühle irgendwie, dass sie das wissen, dass sie das verstehen. Und in diese Zeit, in diese Welt einzutauchen brachte mich dahin zurück und setzte mich viel mehr mit ihnen in Verbindung als dieses, ja, beklemmende Verlustgefühl, was ich zuvor empfunden hatte. Erst jetzt konnte ich etwas betrauern, mit dem ich vollkommen in Verbindung getreten war, so wie das eben menschlich möglich war.

Ich habe mich selbst gefunden

Meyer: Und Ihr Buch, das hat so viele verschiedene Ebenen, also einerseits retten Sie Ihre Familie in einem gewissen Sinne, indem Sie von ihr erzählen, aber ich hatte auch den Eindruck, dass Sie auch sich selbst – ich weiß nicht, ob ich das so sagen kann –, sich selbst retten auch vor diesen Jahren, über die wir am Anfang gesprochen haben, diesen sehr chaotischen, sehr gefährlichen, schmerzhaften ersten Jahren oder sogar Jahrzehnten Ihres Lebens, dass für Sie, dieses Buch zu schreiben, ja, auch eine Rettung Ihres eigenen Lebens war. Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann?

Lasker-Wallfisch: Ja, fast, ich würde das Wort „finden“ allerdings benutzen anstelle des Wortes „retten“. Also ich habe mich gefunden und nicht gerettet dadurch, durch das Schreiben. Ich habe mich davor schon viele Male gerettet, aber durch das Buch bin ich nicht gerettet, sondern gefunden worden. Ich habe mich dadurch selbst gefunden.

Meyer: Ihre Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die ist jetzt sehr alt geworden und sie hat Ihr Buch gelesen. Sie haben öfter auch erzählt, dass Ihre Mutter schon sehr, sehr streng war Ihnen gegenüber in vielen Situationen Ihres Lebens. Was hat Ihre Mutter denn zu diesem Buch jetzt gesagt?

Lasker-Wallfisch: Das ist ein Prozess. Als das Manuskript fertig war, musste ich es ihr erst zeigen und sie wollte es gar nicht lesen. Dann hat sie es aber doch gelesen und hat gesagt, dass sie es sehr gut fand. Natürlich haben einige Teile des Buches, wo Teile meiner Geschichte erzählt werden, die so schwierig sind, sie auch sehr unangenehm berührt, weil die sind nicht nur für mich schwierig gewesen, sondern auch für sie als Mutter.

Aber als dann aus der Öffentlichkeit so eine positive Reaktion auf das Buch kam, war sie doch sehr beeindruckt, also sowohl meine Tante Renate als auch meine Mutter waren beide aufgrund eben dieser Reaktionen sehr stolz auf mich. Erst hatten sie nämlich Angst gehabt, was vielleicht die Leute dazu sagen, denn ich bin ja wirklich sehr offen in diesem Buch, und da hatte man dann vielleicht das Gefühl, oh, ob das so gut ankommt, aber das ist jetzt komplett weg.

Und auch bei ihnen hat sich das Gefühl eingestellt: Es war nötig, dieses Buch zu schreiben, es war gut, das zu schreiben. Und ich erhalte jetzt auch jede Menge Respekt dafür, dass ich das getan habe. Und, ja, wie so viele Kinder ist das auch in meinem Leben so, dass ich irgendwie immer noch die Bestätigung meiner Mutter suche. Das verschwindet traurigerweise nicht.

„Berlin ist der Ort, wo ich sein soll“

Meyer: In Ihrem Buch findet man auch so gegen Ende hin eine sehr schöne, ich würde mal sagen, eine Wohnungsanzeige für Berlin, Sie schreiben nämlich, dass Sie am liebsten nach Berlin ziehen würden, eine Altbauwohnung in Berlin-Charlottenburg könnten Sie sich vorstellen. Ich sage das mal so deutlich, vielleicht hat jemand gerade so eine Wohnung übrig. Warum wollen Sie denn von London nach Berlin ziehen?

Lasker-Wallfisch: Ja, ich möchte wirklich nach Berlin ziehen, denn das ist der Ort, wo ich sein soll, da wäre ich gewesen, wenn es diese Vertreibung nicht gegeben hätte, wenn es die Morde nicht gegeben hätte. Aber ich finde, dass Sie es sehr schön formuliert haben mit der Wohnungsanzeige, denn es war wirklich so: Ich hatte eigentlich wirklich schon eine Wohnung gefunden, dann leider nicht bekommen, weil es ja sehr schwierig ist, in Berlin eine Wohnung zu finden, und ich hätte in der Tat sehr gerne eine schöne Wohnung in Berlin-Charlottenburg – also sollte das jetzt jemand hören: Ja.

Also es hat ja wirklich 75 Jahre gedauert, bis einige Prozesse begonnen haben, Prozesse, die noch nicht vollständig sind, die wahrscheinlich nie vollständig sein werden und immer weitergehen. Es gibt ja immer noch Rassismus und Antisemitismus. Aber ich weiß auch, was mein Beitrag ist und wo er nicht nur willkommen ist, sondern auch wirklich gebraucht wird, nämlich in Deutschland.

Es ist nicht diesbezüglich bemerkenswert, weil ich ja wirklich da sein sollte, und ich bin ja auch nicht die Erste, die jetzt in Berlin eine Wohnung sucht, aber es gibt einige lustige Geschichten in diesem Zusammenhang, was die Wohnungssuche betrifft. Es gab ja so viel deutsche Schuld und Verstörung und Angst und Traumata und so weiter, mit denen auch die Kinder und Enkel der Täter zu leben haben, die sie mit sich rumtragen, obwohl es nicht ihre eigene Schuld ist, und auch meine Mutter hat schon immer gesagt, damit muss man sich auch mal befassen, das ist ein interessantes Thema.

Wohnungssuche in Berlin

Aber es ist interessant und es wäre auch vielleicht eine Herausforderung für Deutschland, warum man für Rückkehrer wie mich oder auch andere Leute eigentlich nichts vorgesehen hat. Also man beschäftigt sich sehr viel mit dem Thema Schuld und Erinnerung und so weiter, da fließt jede Menge Energie rein, aber wirklich etwas wieder gutzumachen oder etwas Produktives, in die Zukunft gerichtetes zu machen, wie es hier möglich wäre, das passiert nicht wirklich. Aber ich denke, man sollte solche Leute auf jeden Fall unterstützen.

Ich hatte tatsächlich eigentlich meine Traumwohnung gefunden, konnte aber da nicht reingehen und da stand ein türkischer Mann vor der Tür, der mir in gebrochenem Deutsch erklärte, dass man ja mal an den Briefkästen gucken könnte, welche Wohnungen noch nicht vermietet seien. Das haben wir dann gesehen. Und dann sind wir in den Hof gegangen, dann war da gerade ein polnischer Handwerker, dem der Türke dann erklärt hat, ja, die Frau möchte gerne eine Wohnung sehen, und da sagt er, ja, kein Problem, ich arbeite da, ich zeige Ihnen die Wohnung, und so kam es dann, dass ich mit diesem polnischen Handwerker und dem türkischen Nachbarn hoch in diese Wohnung ging und mich sofort in diese Wohnung verliebt habe.

Bin dann direkt zum Maklerbüro und habe gesagt, bitte, bitte, ich brauche diese Wohnung. Die haben mir gesagt, ich muss erst was von der Schufa vorweisen, bevor ich kommen kann. Und, ja, dann habe ich in London alle möglichen Sachen zusammengesammelt für eine Bewerbung, auch noch einen Artikel, in dem ich geschrieben habe, ich habe meinen Platz gefunden, da dachte ich, das passt doch perfekt für diese Wohnung, das habe ich dann gleich mitgeschickt in die Bewerbung, aber leider hat es nicht geklappt. Also das ist nicht leicht. Aber ich denke, es gibt da diese Lücke zwischen dem Schrecken der Vergangenheit und der Feststellung, dass doch einige dieser Energie auch für Veränderung verwendet werden könnte.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Maya Lasker-Wallfisch: „Briefe nach Breslau: meine Geschichte über drei Generationen“
Aus dem Englischen von Marieke Heimburger
Insel Verlag, Berlin 2020
254 Seiten, 24 Euro
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sich selbst zu finden in der aufarbeitung der familiären geschichte - ein aufräumen unter den noch lebenden und mit den toten: das ist das credo von maya lasker-wallfisch zur eigenen seelischen gesundung.

während also der ältere bruder die musikalischen talente der eltern miterbte, fühlte maya von kleinauf etwas unstetes in sich.

erst über mehrere "leben" beziehungsweise phasen ihres lebens fand sie dann nach vielen therapiesitzungen zur eigenanalyse zu einer psychotherapeutischen ausbildung, mit der sie sich innerlich stabilisieren und neu verorten konnte - und entdeckte das schreiben in briefen an imaginäre verwandte, denen sie nun mitteilen konnte, was ihr auf der seele brannte.

durch dieses schreiben fand sie zu sich selbst, und konnte auch die in ihr überkommenen traumata ihrer mutter endlich in den bann schlagen, die sonst ungezügelt herumgeisterten, und denen sie sich zur wehr setzen musste - zunächst mit weniger tauglichen mitteln, wie drogenkonsum und kriminalität.

aber wie sollte sich auch ihr aufgewühltes inneres "bürgerlich" einzuordnen  lernen, wenn sie die tiefliegenden gründe für diese aufwühlungen gar nicht kannte.

erst das exakte wissen um die holocaust-ermordung ihrer großeltern 1942 und die überlebensstrategie der mutter als cellistin in auschwitz im mädchenorchester und dann auch noch unter den furchtbaren zuständen in bergen-belsen, wo ja auch anne frank den tod fand, ordneten allmählich ihre innere zerrissenheit.

wenn man also "aus erster hand" erfahren will, was dieser neue psychoanalytische begriff der "transgenerationalen traumaweitergabe" aussagen will - und wie er "bis ins 3. und 4. generationsglied" (bibel) nach dem trauma weiterwirkt, findet hier sicherlich antworten und ausblicke.



Banksy: Ein Rohrbruch im System

„Es ist nicht ihr Problem. Es ist meins“

Der Street-Art-Künstler Banksy findet, nicht nur Schwarze sollten nach dem Tod von George Floyd für Veränderungen kämpfen. Ihm zufolge müssen vor allem Weiße ihr „fehlerhaftes System“ reparieren.


Ein gerahmtes Bild mit einer schwarzen Silhouette steht an eine Wand gelehnt. Daneben Blumen und eine Kerze, deren Flamme gerade eine über ihr aufgehängte US-amerikanische Flagge in Brand steckt. Das ist das neueste Bild, das der Street-Art-Künstler Banksy auf seinem Instagram-Account veröffentlicht hat.

Seine Botschaft macht er in einem Text dazu deutlich: Es sei Zeit, dass ein "fehlerhaftes System" repariert werde. Wenn es nach Banksy geht, dann ist auch klar, wer sich für die Veränderung einsetzen muss: Die Weißen.

"Zuerst dachte ich, ich sollte bei diesem Thema einfach den Mund halten und Schwarzen zuhören", schrieb er. "Aber warum sollte ich das tun? Es ist nicht ihr Problem. Es ist meins." People of Color würden von "diesem weißen System" im Stich gelassen.

Dann führt Banksy in Form einer Analogie die Situation aus:

  • Das System sei wie ein gebrochenes Rohr, das die Wohnung der Menschen flute, die eine Etage tiefer wohnten. Das System "macht ihnen das Leben zur Qual, aber es ist nicht ihre Aufgabe, es zu reparieren." Sie könnten das auch nicht, denn niemand lasse sie in die Wohnung im Stockwerk über ihnen.

"Das ist ein weißes Problem", schreibt er. "Und wenn die Weißen es nicht beheben, wird jemand nach oben kommen und die Tür eintreten müssen."

Banksy ist weltweit für seine Graffitis berühmt, mit denen er auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam macht. Zuletzt veröffentlichte der Künstler auf Instagram ein Bild mit Bezug zur Corona-Pandemie. Das Bild, das an einer Wand der Universitätsklinik von Southampton enthüllt wurde, zeigt einen kleinen Jungen, der eine als Krankenschwester verkleidete Puppe mit Superhelden-Umhang durch die Luft schweben lässt.

Text: SPIEGEL-online



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ach ja - ich lästere ja gerne über die publicity-künste und pr-gags dieses undurchschaubaren "banksy" - aber hier, zu diesem thema - diesen themen, verbietet ja eine gewisse "pietät" jegliche schräge bemerkung.

schon banksy's "corona-bild" und jetzt seine schaffe zum tragischen tod von george floyd zeugen ja zunächst mal von echter betroffenheit und echtem angerührtsein.

und beides sind ja jeweils eher "ikonen", zeugen einer gewissen verzweifelten erschütterung, als nun etwa raffinierte gags, um verkaufsauflagen mit den abzügen zu erzielen, wie das sonstwie ja auch bei banksy schon mal zelebriert wird.

ich bin ja auch in erster linie betroffen und "sprachlos", über das, was da in den letzten wochen über die welt gekommen ist - und über diejenigen bzw. denjenigen, die/der da immer weiter zündelt - nur um zu beweisen, wie ein verschrobenes narzissten-hirn an der "richtigen stelle" platziert die ganze welt in den kl[tr]ump hauen kann.

und wenn man "sprachlos" ist, findet ja am ehesten ein bild zu "mehr als 1000 worte"...

okay, trump war nicht die direkte anstiftung dazu, dem george floyd 8 min. 46 sek. das knie ins genick zu stemmen - aber das klima dafür, hat er schon mit seiner amtszeit angezettelt und unterstützt - auf alle fälle mit keiner silbe einzudämmen versucht - von dem trump'schen eiertanz um das coronavirus mal jetzt ganz zu schweigen: da stünde ja nach meinem empfinden noch eine strafverfolgung für 100.000-fache beihilfe zur fahrlässigen körperverletzung mit todesfolge in "weiße haus"...

aber in diese obere etage kommen wir nicht, um da mal den wasserrohrbruch ein für allemal zu stopfen...

es gibt menschen, die meinen covid-19 sei nur eine "grippe" - ein Bild sagt mehr...

Wer von euch krank ist, soll die Ältesten der Gemeinde rufen, damit sie für ihn beten und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Ihr vertrauensvolles Gebet wird den Kranken retten. Der Herr wird die betreffende Person wieder aufrichten und wird ihr vergeben, wenn sie Schuld auf sich geladen hat.

Jakobus 5, 14-15


Dies ist ein Bild aus einer eindrücklichen Bildreportage in der New York Times über die "Letzte Ölung" bei schwerst Covid-19-Erkrankten und Sterbenden.

ein hakenkreuz in jesteburg

Johann Bossard


Ups, ein Hakenkreuz



Der Schweizer Johann Bossard war in der Kunstgeschichte ein Niemand. Bis ihm eine norddeutsche Kleinstadt mithilfe der deutschen Regierung ein neues, teures Museum bauen wollte.

Von August Modersohn | DIE ZEIT 23/2020


Als die Stimmung in Jesteburg kippte, stand Jörn Lütjohann im Kreistag. Genau genommen war er es, der die Stimmung zum Kippen brachte. Es sollte eigentlich nur um das Geld gehen, mit dem man in der Kleinstadt nahe Hamburg ein neues Museum bauen wollte: fast elf Millionen Euro, die Hälfte hatte der Bund bereits zugesichert, zwei weitere Millionen sollten die Lokalpolitiker versprechen, damals, in ihrer Sitzung vom 18. Dezember 2019.

Mit dem Geld sollte der Kunststätte Bossard ein Großprojekt ermöglicht werden, um mehr Besucher anzulocken. Die Stätte verwaltet das Erbe von Johann Bossard, einem Bildhauer und Expressionisten aus der Schweiz, der als junger Mann nach Norddeutschland gezogen war und 1950 in Jesteburg starb.

Heute kennen nur noch die wenigsten Johann Bossard. Manche sagen, dass er ein glühender Antisemit war, ein Hitler-Verehrer. Ausgerechnet für so einen und seine Kunst sollen nun Steuermillionen fließen?

Jörn Lütjohann, 56 Jahre alt, ist Christdemokrat und seit 15 Jahren Lokalpolitiker. Kurz vor der Sitzung, so erzählt er es heute, hätten seine Parteikollegen noch auf ihn eingeredet: "Jörn, tu es nicht! Rede nicht!" Man könne das Thema doch auch intern besprechen. Lütjohann stand trotzdem auf. Er referierte über Bossards Nähe zur NS-Ideologie. Eigentlich durfte er nur fünf Minuten reden, es wurden zwanzig. Erst habe man noch versucht ihn zu unterbrechen. Aber Lütjohann machte unbeirrt weiter. Er sagte: "Bossard war ein Feind der Demokratie. Bis zum Schluss." So jemanden dürfe man nicht feiern. Und deshalb könne man das Museum nur dann unterstützen, wenn man in dem Neubau die dunkle Vergangenheit des Künstlers mit einer Dauerausstellung thematisiere.

Später am Tag stimmte der Kreistag für die Millionen-Förderung. Auch Lütjohann hob seine Hand. Ein Fehler, sagt er heute. Denn seit dem Tag im Dezember ist in Jesteburg ein Streit über Johann Bossards Vergangenheit entbrannt: Antisemitische Zitate rückten in den Fokus und ein Hakenkreuz in seinem Atelierhaus.

Der Spiegel griff die Lokalposse auf, sogar in den USA wurde darüber berichtet. Und plötzlich schaute die Kulturszene auf die 7000-Seelen-Gemeinde, für die sich bisher kaum jemand interessierte – und auf einen Schweizer Künstler, der in der Kunstgeschichte kaum eine Rolle spielte.

Rainer Rempe versteht die Welt nicht mehr. Er ist Landrat, Fraktionskollege von Lütjohann und Stiftungsratsvorsitzender der Kunststätte Bossard. Mit den Wendungen der vergangenen Monate habe er nicht gerechnet, sagt er. "Zumal der Stiftungsrat selbst die wissenschaftliche Aufarbeitung der Rolle Bossards in der Zeit des Nationalsozialismus schon vor Jahren angestoßen und auch publiziert hat." 2018 hat die Kunststätte zwei Schriften veröffentlicht, die sich diesem Thema widmen. Das Fazit: Bossard war kein überzeugter Nazi. Nach anfänglichen Sympathien für das Regime habe er sich ab dem Jahr 1934 davon distanziert.

Es sind diese Ergebnisse, die heute – nach der beschlossenen Millionenförderung – in Zweifel gezogen werden. Und so wird die Frage neu aufgeworfen: Wer war Johann Michael Bossard?

1874 in Zug geboren, besuchte er in Luzern die Primar- und Sekundarschule und machte danach eine Lehre als Ofenbauer. Später studierte er Kunst in München und Berlin, wurde Bildhauer, feierte mit Kleinplastiken erste Erfolge. 1907 dann der Umzug nach Hamburg, dort wurde er Professor an der Kunstgewerbeschule. Doch das Leben in der Stadt gefiel ihm nicht. Er schaute sich um, nach einem Grundstück auf dem Land – und wurde fündig in Jesteburg, 30 Kilometer südlich von Hamburg. Hier, auf den 30.000 Quadratmetern mitten im Wald, sollte es entstehen, sein schon länger geplantes Gesamtkunstwerk: eine Stätte, die Architektur, Bildhauerei, Malerei und Gartenkunst vereint.

Johann Bossard war ein Anhänger der Lebensreform-Bewegung. Er suchte eine Alternative zum Urbanismus, zum Industrialismus, wollte Selbstversorger sein. In Jesteburg hielt er Schafe, auch Getreide baute er an. Und über die Jahre hat er, später auch gemeinsam mit seiner Frau Jutta, eines der abstrusesten Gesamtkunstwerke überhaupt realisiert: einen imposanten Kunsttempel im Backsteinexpressionismus, irgendwo zwischen verwunschen und verstörend. Die Wände farbenfroh bemalt, voller nordischer Mythen, in den Gärten heroische Steinplastiken.

War der Künstler Johann Bossard ein Nazi?

Wer sich heute umhört in Jesteburg, der erfährt: Schon seit vielen Jahren hatte das Museum geplant, die Vergangenheit der Bossards aufzuarbeiten. 2017 schließlich beschloss die Stiftung, das Thema anzugehen. Die Kunststätten-Leiterin Gudula Mayr durchsuchte gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern die Archive, las Briefwechsel, Reiseberichte und Schriften des Künstlers. Eine der 2018 veröffentlichten Studien war der Katalog zur Ausstellung mit dem Titel Über dem Abgrund des Nichts. Parallel dazu druckte die Kunststätte die zweite Publikation mit Texten aus Bossards Nachlass.

Rainer Rempe schrieb das Vorwort. Er geht darin auf Bossards Hoffnung ein, mit seinem Gesamtkunstwerk zur "Fundamentalerneuerung der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Deutschland" beizutragen. "Angesichts dieses utopischen Anliegens", schreibt Rempe, "das seinen Ausdruck auch in einem heroischen Körperideal mancher Kunstwerke und in der Begeisterung Bossards für Runen und nordische Mythologie fand, mischt sich in die Faszination mancher geschichtsbewusster Besucher Unbehagen." Dieses Unbehagen, so sein Schluss, sei aber unbegründet: Bis 1934 hätte Bossard den Nazis und ihrer Programmatik "vorsichtig aufgeschlossen" gegenübergestanden. Danach aber sei er dem Nationalsozialismus mit wachsender Distanz begegnet. Und: Mitglied in der NSDAP sei er sowieso nie gewesen.

Jahrelang hat das Museum nicht darauf aufmerksam gemacht
Heute sagt Rempe: "Das Interesse an den publizierten Arbeiten und dem öffentlichen Kolloquium war seinerzeit sehr verhalten." Tatsächlich, zum Kassenschlager wurden die Veröffentlichungen nicht: Der Katalog verkaufte sich insgesamt 167 Mal, die Textsammlung sogar nur 92 Mal. Wahrscheinlich wäre das Thema auch nicht wieder aufgekommen, wenn die Kunststätte nicht geplant hätte, mithilfe von staatlichen Fördergeldern einen großen Museumsneubau auf das Grundstück zu stellen. Denn dann hätte Jörn Lütjohann sich nicht vorgenommen, endlich einmal einen Blick in den Katalog zu werfen.

Er sei krank gewesen, sagt Lütjohann, in der Woche vor der entscheidenden Kreistagssitzung im Dezember. Normalerweise arbeitet er als Rechtsanwalt in seiner Hamburger Kanzlei. Normalerweise hat er viel zu tun. Jetzt aber lag er im Bett – und nutzte die Zeit, sich auf die Abstimmung vorzubereiten. Im Katalog stieß er auf einen Denkmal-Entwurf, den Bossard 1933/34 bei einem Wettbewerb in Hamburg eingereicht hatte: eine überdimensionierte Halle, mit einer Hitler-Huldigung an der Wand. Realisiert wurde der Entwurf zwar nie. "Wenn diese Halle aber gebaut worden wäre", sagt Lütjohann, "dann hätte niemand jemals daran gezweifelt, dass Bossard ein Nazi war." Er sprach den Entwurf in der Sitzung an, bevor er dann doch für das Museumsprojekt stimmte.

Dass Lütjohann seine Meinung geändert hat, dass er heute nicht noch einmal für die Förderung stimmen würde, liegt daran, dass er weiter geforscht hat. Nach der Kreistagssitzung schaute er sich nicht nur den Katalog, sondern auch die Textsammlung an, die die Kunststätte herausgegeben hatte. Und was er da las, konnte er kaum glauben: "Um nur zwei Beispiele zu nennen: Bossard beschwört 1938 in einem Bericht über eine Studienreise nach Belgien und Frankreich das 'nordische Erbe'. Und 1940 freut er sich, dass in Berlin 'der eiserne Besen des Dritten Reichs' neugotische Kirchtürme kappte." Und dann, sagt Lütjohann, habe er noch den Satz gelesen, den Bossard über die Jury schrieb, die seinen Entwurf für das geplante Denkmal in Hamburg abgelehnt hatte: "Wäre doch ein Jude dazwischen, damit ich ihm die Schuld geben könnte." Da, sagt Lütjohann, sei ihm der Kragen geplatzt.

Dass Bossard sich, wie von der Kunststätte behauptet, vom Nationalsozialismus distanziert hätte, das glaubt Lütjohann inzwischen nicht mehr. Damit ist er nicht der Einzige.

Seine Zweifel machten die Runde, die bisher unbekannten Zitate erhielten plötzlich Aufmerksamkeit. Und da war ja auch noch die Sache mit dem Hakenkreuz.

Hakenkreuz im Eddasaal der Kunststätte Bossard -
Jörg Müller/ DER SPIEGEL
 
Die Kritik zeigt Wirkung. Am 8. Mai teilte der Stiftungsrat mit, die Neubaupläne vorerst zu stoppen. Externe Wissenschaftler sollen damit beauftragt werden, die Rolle Bossards in Nazideutschland neu zu untersuchen.
Erst wenn dieses Ergebnis vorliegt, entscheidet sich auch, ob die Millionen aus Berlin tatsächlich nach Jesteburg fließen werden. In einem internen Schreiben, das der ZEIT vorliegt, teilt Monika Grütters, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, mit: "Da bei der Kunststätte Bossard Leben und Werk eine Einheit bilden und als Einheit präsentiert werden, wird eine Förderung durch den Bund nicht in Betracht kommen können, wenn rassistische Äußerungen und die Nähe zum Nationalsozialismus dauerhaft mit dem Leben Johann Bossards verbunden sind und das Werk beschädigen."

Sollte es doch noch zu einer Förderung kommen, so steht es weiter in dem Schreiben, müsse im neuen Museum eine Dauerausstellung entstehen, die sich kritisch mit Bossards Nähe zur NS-Ideologie auseinandersetzt.

Kunsttempel, ehemaliges Bossard-Wohnhaus in Jesteburg: "Dynamik des nordischen Blutes" Jörg Müller/ DER SPIEGEL


Genau das, heißt es seitens des Museums, sei sowieso geplant gewesen. Nur stand davon in dem öffentlichen Konzept für den Neubau, genau, nichts.

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ja - so geht das ja in der sogenannten provinz: da wird lokal ein "künstler" verehrt, den man vom stil her eher den anthroposophen zuordnen könnte - mit seiner nordischen mythenwelt. und schon meint eine örtliche fangemeinschaft, die das erbe verwaltet, ihn als "großen künstler" endlich groß herausbringen zu müssen - immerhin schreibt wikipedia: die kunststätte bossard sei "eines der imposantesten Gesamtkunstwerke Europas und zeigt, wie Architektur, Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Gartenkunst zu einer Einheit verschmelzen können." und zitiert dabei die f.a.z.

und dann macht man sich endlich mal daran, dem erbe mal tatsächlich auf den grund zu gehen ... und packt dann schnurstracks ins braune weiche.

jahrzehntelang war das alles in der gegend mehr oder weniger sicherlich bekannt, aber für "spinnrige künstler von nebenan" interessiert sich der hier lebende ureinwohner über generationen hinweg sicherlich nur peripher.

und die tieferliegenden politisch genetisch bedingten grundüberzeugungen der ganz alteingesessenen, etwas abseits vom mainstream, haben sich in all den jahren nach dem krieg sooooo grundlegend sicherlich nicht immer geändert (stichwort: urvater hermann löns) - und man wollte ja schon immer eine alternative denke zum hanseatisch weitläufigen weltoffenen trend in der naheliegenden metropole hamburg.

und wenn die da in hamburg nun endlich weit überteuert ihre elbphilharmonie einweihen können, deren akustik ja so viel besser als ihr ruf auch nicht sein soll, kann jesteburg ja wohl ihren zugezogenen "sohn der stadt" auch mal gebührlich ins rampenlicht befördern.

von kunst selbst versteht man in jesteburg ja nun nicht alle welt,  - und dies kleine steinmosaik da im bossardschen edda-saal, wo man schon manch jesteburger hochzeit gefeiert hat (und auch aus hamburg waren sie schon hier) - dass das nun ein eindutiges hakenkreuz von 1934 sei, das muss einem auch erst einmal gesagt werden.

na ja - war mal einen versuch wert - vielleicht klappts ja das nächste mal...

#blackouttuesday

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  • Tupoka Ogette: "Exit Racism. Rassismuskritisch denken lernen" 
  • Noah Sow: "Deutschland schwarz weiß"
  • Alice Hasters: "Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten".