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rollenspiele

Jonas Burgert: SPIEL

DAS SPIEL DER WELT 

DER »FALL RELOTIUS« HAT OFFENBART, DASS SICH HINTER DEN SPANNENDSTEN REPORTAGEN ERFUNDENE GESCHICHTEN VERBERGEN KÖNNEN. ES STELLT SICH DIE FRAGE: IST »WAHRHEIT« NICHT IMMER SCHON INSZENIERT? 


Im Dezember 2018 wurde bekannt, dass ein Redakteur des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel«, der mehrfach prämierte Claas Relotius, viele, wenn nicht alle seiner Reportagen mit fantasierten Szenen, Personen und Zitaten angereichert hatte. Er wolle das Wirkliche gleichsam noch realer, noch aufregender wirken lassen. 

Der Fall Relotius offenbart, wie sehr das, »was ist« und wie es präsentiert wird, divergieren können. Aber es ist noch komplizierter. Wenn man wie der kanadisch-amerikanische Soziologe Erving Goffman (1922–1982) davon ausgeht, dass Öffentlichkeit ein Ort ist, »wo Wirklichkeit dargestellt« und idealisiert wird: Können dann »wirkliche« Fakten (als solche) überhaupt öffentlich gemacht werden? Und wenn ja, von wem? Von einem um Objektivität bemühten Nachrichten-Experten, wäre man versucht zu sagen. 

Einem, dem es um die Sache geht, nicht um die Befriedigung seiner und anderer Eitelkeiten. Wie aber die Sache transportieren, ohne sie darzustellen, das heißt, irgendwie zu inszenieren? Sofern wir am sozialen Leben teilnehmen, fand Goffman schon Ende der 1950er-Jahre, sind wir immer schon Performer. Nach Goffman leben wir alle ein Doppelleben: 

Wir existieren nicht bloß, sondern spielen auch große Teile unserer Existenz – mit anderen und für sie. 

Um unseren Status zu verteidigen, operieren wir mit situativ flexiblen Rollen, variieren je nach gesellschaftlicher Erfordernis Effekte, Worte, Gesten, Posen und Masken. 

»Ungeschminkt« ist eine Fiktion, von der wir vergessen haben, dass sie eine ist. Ob Redakteur, Autofahrer, Kassierer oder Privatier: Wir alle sind mehr oder weniger geschickte »Schauspieler« und »Hochstapler« auf der Bühne der Welt. Wir alle sind nur so gut oder schlecht wie das Rollenspiel, in dem wir brillieren, in dem wir aber auch versagen können. Weil wir schlecht spielen – oder falsch. Was folgt daraus? 
  • Erstens, Relotius trifft nur die Schuld, beim Reporter-Spielen betrogen zu haben und diesen Betrug unzureichend getarnt zu haben. 
  • Zweitens: Auf der gesellschaftlichen Bühne gibt es keine »nur« wirklichen Tatsachen. Diese sind immer auch sprachlich-gestisch überformte, da in alltäglichen Interaktionen zweckgerichtet zum Einsatz gebrachte Geschichten  – Storys, die das Ansehen unserer jeweiligen Rolle festigen und erhöhen sollen. 
  • Drittens: Auch wir selbst sind nicht wirklich »wirklich«; sind wir doch Mensch und Maske (von griechisch prosopon = Gesicht, Maske) zugleich. 
»Der Mensch«, schrieb ein anderer berühmter Soziologe und Philosoph, Helmuth Plessner (1892–1985), »verallgemeinert und objektiviert sich durch eine Maske, hinter der er bis zu einem gewissen Grade unsichtbar wird, ohne doch völlig als Person zu verschwinden.« 

Was, wenn man uns allen die Maskierung entrisse? Wir wären plötzlich unfähig uns (frei nach Plessner) zu »irrealisieren« – und hinter der Maske unser »wahres Gesicht« zu schützen. Die erzwungene Realität führte zum totalen Gesichtsverlust. Zum kollektiven Selbstverlust. Es gäbe keine Schauspieler und kein Theater mehr, keine Drehbücher... keine Geschichte. Das Spiel wäre aus. Wir alle wären Relotiusse auf dem Trümmerhaufen des Storytelling. 

[Rebekka Reinhard]

aus: HOHE LUFT 3/2019 - S. 9 - Miniaturen

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sinedi|photography: bühne des lebens


ich mach für mich manchmal eine kleine übung: 

ich sitze vielleicht vor einem kleinen eiscafé und beobachte die passanten, die davor auf dem trottoir vorübereilen: und dann stelle ich mir vor, es wäre mitten in einer theateraufführung - und alle vorbeieilenden menschen wären schauspieler in einer bestimmten rolle - mit einem bestimmten auftrag nach irgendeinem imaginären drehbuch vielleicht. und das sieht man gleich: jede*r nimmt seine/ihre rolle verdammt wichtig - und jede*r ist überzeugt von irgendeiner message, die zu überbringen ist.

mir fällt dazu dann das logion 42 aus dem sogenannten "thomas-'evangelium'" ein - es ist das kürzeste logion der gesamten sammlung dort von aussprüchen jesu, die alle außerhalb eines dazukomponierten kontextes "schwimmen" bzw. als pure "spruchweisheiten" in der luft hängen - also ganz anders als in den vier kanonischen evangelien der bibel -

jesus sagt in logion 42: 
"werdet vorübergehende!" ...



und wenn man dazu "meditiert" beim eis-schlecken und espresso-trinken und beim betrachten der hastenden mitmenschen auf dem boulevard, dann verdeutlichen sich auch die schlauen sätze von goffman und plessner dazu: wir alle spielen nach unserer geburt unsere rolle, je nach alter und werdegang und dem in uns "ruhenden" drehbuch, das da von anbeginn an eingepflanzt ist - und uns wie ein navi den weg weist - den weg in und durch unsere rollen und arrangements und engagements in unserem leben - durch tag und nacht: immer weiter ...

und wenn der letzte vorhang fällt, wissen wir nicht genau, ob das nur der vorübergehende vorhang eines aktes im noch viel größeren stück ist ...

da kribbelt es um uns herum ebenso an allen ecken und enden und funkelt und trippelt: 
und ich bin ich - 
und du bist du - 
und du lebst in deinen rollen 
wie ich in meinen rollen lebe

und manchmal begegnen wir uns 
und gehen vielleicht ein stück gemeinsam - 
und manchmal singen wir vielleicht auch im duett 
und tanzen mit- und umeinander

und manchmal trennen wir uns wieder
oder wir begegnen uns nie -
und gehen aneinander vorbei -
und jeder geht seine eigenen wege ... 

(frei nach dem gestalt-guru fritz perls)

und der weg dorthin - ist der weg hindurch: 
werdet vorübergehende!

New York Times: Liverpool Soccer Fans - vielleicht beim spiel in münchen gegen bayern ...


wir sind so frei ...

Die Kunst war noch nie frei – wir aber waren nie freier

Auch die Kunstszene braucht ihre Skandälchen – und sei es jenes, dass die Freiheit der Kunst in Gefahr sei. Von Philipp Meier | NZZ

Alles schreit immer und überall, die Freiheit der Kunst sei in Gefahr. Und die Debatte wird am Laufen gehalten mit den immergleichen paar Beispielen. Zuerst: Balthus. Dabei hat die Fondation Beyeler in ihrer schönen Übersichtsschau vom letzten Jahr die umstrittene Leihgabe aus dem Metropolitan Museum – ja, jenes Bild eines halbwüchsigen Mädchens mit geschürztem Rock – eben gerade nicht aus dem Programm genommen, sondern trotz allem gezeigt. «Trotz allem», das heisst hier, um uns zu erinnern, trotz der Petition, die in New York an das Metropolitan ging, weil 12 000 Unterzeichnende ihre Bedenken äußerten, das Werk könnte pädophile Neigungen bedienen.


 Balthasar Kłossowski de Rola, genannt Balthus, ein polnisch-deutsch-französischer Maler: «Thérèse rêvant»
 (Bild: André Held / akg-images)

Die neue Zensur von unten

Herhalten muss auch Eugen Gomringers Gedicht «avenidas» an der Fassade einer Berliner Hochschule, das auf Begehren der Schülerschaft als nicht mehr zeitgemäss eingestuft und übermalt wurde. Auch diese Inschrift wird immer wieder dafür als Beispiel angeführt, wie sehr heute die Freiheit der Kunst unter Beschuss geraten sei. Dann gibt es noch eine Handvoll weiterer Fälle. Etwa der Fall Sam Durant, an dessen Installation «Scaffold» sich Indianer störten, weil sie den Völkermord der Indigenen Amerikas thematisiert. Oder das Skandälchen um die temporäre Entfernung eines Nymphenbildes vom Präraffaeliten John William Waterhouse aus den Räumen der Manchester Art Gallery.

„Hylas and the Nymphs“ (1896) von John William Waterhouse, abgehängt, um eine Debatte über die politisch unkorrekte Kunst des Viktorianischen Zeitalters zu provozieren. Die Aufregung über diesen Bildersturm in Manchester war groß und die Reaktionen überwiegend negativ, und so hängt das anstößige Gemälde wieder an seinem angestammten Platz.

Diese Fälle werden als Zensur dargestellt. Und zwar als eine solche von unten. Nur, was ist dabei so ungewöhnlich? Anders ist allein die Richtung, aus der hier Zensur erfolgt. Früher kam sie von oben, jetzt kommt sie von unten. Dabei bleibt eigentlich alles beim Alten: Kunst war noch nie frei. Vielmehr ist sie seit je begehrter Zankapfel jener, in deren Dienst sie treten soll.

Vor nicht allzu langer Zeit erhitzte noch Brancusis Bronzekopf der «Princess X» (1916) als obszönes Phallussymbol die Gemüter und wurde 1920 aus einer Pariser Ausstellung entfernt. Damals stand die Kunst eben noch im Dienst eines von Doppelmoral geprägten Bürgertums. Zeitweilig waren es die Nazis und die Kommunisten, die sich die Kunst als effektives Propagandamittel dienlich machten. Wer nicht mitmachte oder nicht ins Bild passte, wurde verfemt und verfolgt. Auf solche Weise kontrollieren diktatorische Staaten auch heute die Kunstproduktion.

Tiermalereien in der Höhle von Lascaux - Foto: Patrick Aventurier | getty images | NZZ

Aber eigentlich war das nie wirklich anders. Kunst hatte die Macht von Fürsten und Kirchenvätern zu repräsentieren. Hochkulturen wie das alte Ägypten nahmen sie in Dienst des göttlichen Pharaonentums. Und nicht einmal bei den Höhlenbewohnern von Lascaux war sie frei. Die Tiermalereien an den Wänden jedenfalls entsprangen gewiss nicht irgendeinem ausgelassenen Selbstverwirklichungs-Workshop, sondern galten dem schamanistischen Jagdzauber.

Was wir für die Freiheit der Kunst halten, ist ein junges Phänomen. Mit Kunstfreiheit meinen wir vor allem die Freiheit einer antibürgerlichen Kunst. Diese Kunst war indes keineswegs freier als jene anderer Epochen. Sie stand ganz einfach im Dienst einer neu etablierten kulturellen Macht, nämlich jener der Linken.

Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing – das gilt eben auch für die Kunst. So hat heute bald jede Stimme, die sich Gehör zu verschaffen vermag, auch ihre Kunst. Die Feministinnen haben sie, die Homosexuellen und die ­Schwarzen ebenfalls. Was wäre die Kunst ohne Louise Bourgeois oder Valie Export, ohne Robert Mapplethorpe oder Keith Haring, ohne Kara Walker oder Chris Ofili?

Und so echauffiert sich heute kein scheinheiliger Bourgeois mehr an Jeff Koons’ Kopulationsbildern mit Cicciolina; Thomas Ruffs Porno-Close-ups sind längst salonfähig. Denn die 68er haben uns die sexuelle Revolution gebracht und mit ihr sozusagen den porno­grafischen Kunst-Freipass. Auch vermochte Thomas Hirschhorns unappetitliche Attacke auf Blocher vor 15 Jahren kaum grosse Wellen zu schlagen, denn solche Schläge gegen die Konservativen gehören schliesslich zur Kunstfreiheit der Linken.

Alles geht

Heute ist die Kunst nun aber eben nicht mehr allein Sprachrohr der Linken. Auch ist sie nicht länger abendländisch dominiert, sondern mittlerweile so bunt geworden wie eine Benetton-Werbung. Kaum ist etwa der Hype um chinesische Gegenwartskunst verflogen, meldet sich bereits der nächste aus Indien oder Indonesien. Die angebliche Kunst­freiheit von heute besteht in ihrem schieren Pluralismus. Die Kunstproduktion der Gegenwart ist ein Abbild unserer Multikultigesellschaften: Anything goes. Könnte man meinen.

Vielstimmiger Kunstkonsum

Dabei hat sie sich längst den Mächtigen und Reichen angebiedert, ja angedient. Die Exzesse auf dem Kunstmarkt jedenfalls machen deutlich, wer der neue Herr ist. Was produziert wird, muss vermarktet werden, und was sich vermarkten lässt, gilt als gute Kunst. Und das kann für den globalisiert-vielstimmigen Chor der Kunstkonsumenten so ziemlich alles sein. Noch nie war Kunst so vielfältig wie heute. Noch nie auch hatte sie ein solch breites Publikum. Museen und Kunstinstitutionen schiessen weltweit wie Pilze aus dem Boden. Es herrscht der freie Markt des Kulturbetriebs, die Massen strömen in die Musentempel, und Kunstwerke zirkulieren millionenfach im Internet.

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass in dieser Vielstimmigkeit nicht mehr so klar ist, in wessen Dienst – abgesehen von den Geldgebern – die Kunst eigentlich noch steht. Oder vielmehr stehen sollte. So viele künstlerische Ausdrucksformen es gibt, so viele Stimmen gibt es auch, die die Kunst gerne für sich reklamieren und Anspruch auf sie zu haben glauben.

Und so gibt es heute eben auch immer mehr von denjenigen, die sich stören an all jenen Kunstwerken, die nicht ihre Sache vertreten. Schwarze stören sich an Kunst, die nicht von ihnen selbst beglaubigt ist. Feministinnen stören sich an Kunst von Männern. Einschlägig Traumatisierte sehen plötzlich überall vermeintliche «Pädophilenkunst». Die Liste liesse sich beliebig verlängern. Dass Kunst aber einigen Gruppierungen nicht passt, ist nichts Neues. Neu ist höchstens die diffus anmutende Diversität von Zensurwilligen. Diese ist aber symptomatisch für das digitale Zeitalter. Und sie ist symptomatisch für noch etwas: die Freiheit selber. Denn diese sogenannte Zensur kommt von unten.

Ist nun aber solche Zensur von unten irgendwie schlechter als solche von oben? Sie ist vielleicht unberechenbarer, weil man nicht genau weiss, mit wem man es zu tun hat. Ist es aber nicht vielmehr die Freiheit, die Zensur von unten überhaupt ermöglicht?

Freiheit der Vermarktung

Wenn sich irgendwelche Leute über irgendwelche Kunst aufregen, dann geschieht das, weil sie den Freiraum dazu haben, und sei er auch vor allem jener des Internets. Das Individuum welcher Couleur auch immer meldet sich zu Wort und tut sein Missfallen kund. Denn frei sind jene, die sich zu Wort melden können. Und im Dienst dieser Freiheit stehen denn auch all die unterschiedlichsten Ausdrucksformen der Kunst von heute.

Wenn nun nämlich Ausstellungsmacher und Festivalbetreiber – das kommt vor – im Zeichen des Zuspruchs den Empfindlichkeiten irgendwelcher Gruppierungen nachgeben und sogenannte Zensur üben, dann geschieht dies aufgrund der Freiheit eines sich optimal vermarktenden Kulturkapitalismus.

Wirkliche Zensur aber, das ist dann doch noch etwas anderes. Sie kommt nämlich von oben.

Neue Zürcher Zeitung, Nr. 60, Mittwoch 13.März 2019, Feuilleton S. 35




"wat den eenen sin uhl, is den annern sin nachtijall" - und hinzufügen kann man bei einigen bildern oder anderen kunstwerken, die irgendeiner zensur verdächtig sind: "nachtijall - ick hör dir trapsen" - also: "jeder sieht die sache aus seiner perspektive!" - und "vorsicht - mir schwant schon was" ... - und neudeutsch würde man wahrscheinlich formulieren: es kommt auf das momentum an - in welchem trend bewegt sich das werk ...

und das hat nun mal öffentlich gezeigte kunst so an sich: da ist zunächst der/die künstler*in, der/die sich "verwirklichen" - sich "ausdrücken" will - oder eine "auftragsarbeit" konzipiert und auf die leinwand bringt - also 
  • künstler*in und 
  • motiv - und dann ist da der/die 
  • betrachter*in: 
in dieser wahrnehmungstriade entwickeln sich nun dynamisch hin und her springende ebenen und beziehungen und blickwinkel, die zufriedenmachen oder entspannen und zum meditieren anhalten oder eben aufschrecken, die eigene moral angreifen, oder den zeitgeist positiv oder negativ berühren...

aber dieser "zeitgeist", ist nur eine flüchtige schimäre: die sich je nach partner*in, geldbeutel oder politik oder geschmack oder bischof oder herrscher oder politklasse oder regime jeweils wie ein chamäleon verändern kann - und die farbe jeweils ganz opportunistisch wechselt und sich anpasst - oder eben nicht - und abgehängt oder gar verbrannt wird ...

man denke nur an die geschichte des bauhauses, das als "avantgarde" zunächst gefeiert wurde und mit dem man auch international anerkennung bekam - und dann bei den nazis teilweise als "kulturbolschewismus" in "entartete kunst" abgleitete ...  - und die geschichte der bauhaus-architektur von jüdischen bauhaus-architekten z.b. im exil heute in der "weißen stadt" ausgerechnet im israelischen tel aviv.

das sind  regelrechte metamorphosen in der kunstentwicklung und -bewertung des immer gleichen gegenstandes ... - die menschen verändern sich und ihre wahrnehmung und ihre betrachtungsweise.

von daher wird es immer wieder skandale und skandälchen um kunstwerke geben. und wenn mr. banksy sein werk mit einer im bilderrahmen eingebauten automatik als "kunst" zu unbrauchbaren fetzen schreddern will - um so auch den fadenscheinigen kunstmarkt "vorzuführen" - bleibt doch tatsächlich die zerstörung wegen eines defekts in der mitte stecken - und der übriggebliebene werk-torso gewinnt in genau diesem akt im nun ein vielfaches an marktwert hinzu - und wird so, in streifen zerschnitten bis zur hälfte, zur zeit im burda-museum ausgestellt - mit großem publikumserfolg...

das ist vielleicht alles ziemlich verrückt - aber im sport (200 millionen für ronaldo) und in der kunst (450 millionen für ein fragliches und reichlich überpinselt restauriertes bild aus der schüler-werkstatt von leonardo da vinci: das "salvator mundi") kann man nicht mit "nornalen" kriterien urteilen: das sind - für mich wenigstens - spiele, die sich die menschheit einfach gönnt: denn wir waren noch nie freier wie jetzt im moment ...


verena brunschweigers null-kind-feminismus | mach et - aber behalts für dich

Verena Brunschweiger ist kinderlos aus Überzeugung 
"Traurig, Frauen so zu sehen" 
Sie will keine Kinder, sagt Lehrerin Verena Brunschweiger. Im Interview erklärt sie, warum sie das zu einer besseren Feministin und Umweltschützerin macht - und was ihre Eltern dazu sagen.
Buch "Mutterschaft" 
Keine Kinder wollen 
Muttersein oder Nichtsein? Sheila Heti zählt zur Literatur-Avantgarde Amerikas. Nun ist ihr Buch über gewählte Kinderlosigkeit auf Deutsch erschienen - es besticht durch eine gedankliche Freiheit, die sich viele nicht nehmen.



leibesfrucht im frühen stadium

ist das zufall oder reine verlags-pr - aber der spiegel preist recht üppig zumindest zwei bücher an, wo zwei autorinnen für sich eine "kinderlosigkeit" bzw. "kinderfreiheit" anpreisen  - und anderen "mutterwilligen" frauen - nach meiner unmaßgeblichen meinung - etwas provokativ den "stinkefinger" zeigen.

ich weiß vor allen dingen nicht, warum man aus jeder persönlichen hoffentlich gut durchüberlegten einzelentscheidung für sich und seine lebensplanung immer gleich die große publicity lostreten muss - damit die persönliche entscheidung aus dem stillen kämmerlein auch alle mitkriegen: da geht es doch um kohle, ums schnöde geldverdienen, um auflagenhöhe.

und das ist so eine mode geworden - auch über die sozialen netzwerke - alles persönliche, auch das intimste sosein, im wahrsten sinne des wortes "mit-zu-teilen": der welt, dem netz usw. - und ob die anderen es hören, lesen oder sehen wollen - oder nicht: da wird auf die grassierende schnöde [penis-?]neid-debatte spekuliert: frauen müssten möglichst so sein wie männer - ("meine karriere - mein bankkonto - mein tennisschläger") nur dann sind sie echte feministinnen  ...

dabei macht ja "feminin" (frausein) gerade die kaum übertragbare möglichkeit der fortpflanzung und der geburt aus - ist also ein zentrales natürliches merkmal des frauseins überhaupt.

damit will ich nicht gesagt haben, dass erst eine geburt die frau zur frau macht - aber die totale negierung und verweigerung ihrer einzigartigen natürlichen möglichkeit (!) kann ja nun auch nicht, weil es frau brunschweiger in den kopf kommt, zum merkmal für eine "echte feministin" - für eine "radikal-feministin" werden, wie sie sich nennt - da sei der herr vor ...

ich glaube, dass dieses mitteilungsbedürfnis der bewusst kinderlosen frauen jetzt in der "me|too"-debatte auch eine gewisse form des "exhibitionismus" darstellt, der zurschaustellung allerletzter und intimster bedürfnisse und lebensplanungen - das völlige bloßlegen ihrer selbst: denn jeder "exhibitionismus" findet seine "voyeure" und "claqueure" ... - aber wer derartig einblick gewährt und "nach allen seiten offen ist - kann nicht ganz dicht sein" - weiß schon der volksmund ...

und - weil man ja mit diesen tiefen offenbarten einblicken in die eigene seele und in den eigenen körper und in die intimsten bereiche geld verdienen will, um die auflage des eigenen buches und seine persönliche publicity zu erhöhen, hat ein solches prozedere - für mich jedenfalls - auch etwas von "prostitution" (= von lateinisch prostituere = „nach vorn/zur Schau stellen [!], preisgeben [!]“).

und wir haben ja nun völlig unverschlüsselt im spiegel-artikel erfahren müssen, dass frau brunschweiger sich nirgendwo rasiert und mit "diversen mitteln" rigoros verhütet - mit ihrer einstellung könnte sich frau brunschweiger ja auch schnurstracks  - vielleicht öffentlich ? - sterilisieren lassen: wir wissen nun alle wenigstens ziemlich genau bescheid - auch wahrscheinlich über die graue farbe ihrer unrasierten schamhaare - mit 38... 
allerdings würde die schambehaarung bei einer "tubenligatur" wohl doch abrasiert - aber das könnte man sicherlich im vorhinein abklären ...

aber - was hat man für einen innerpsychischen allgemeinzustand - wenn man all diese intimitäten und persönlichen beweggründe gegen knete in interviews und talkshows und im buch und auf lesungen nun hunderttausenden männern und frauen offenlegt und sich damit gläsern und nackicht macht - aber gleichzeitig zu beginn des spiegel-interviews die eigentlich beabsichtigte einstiegsfrage der redakteurin "warum haben sie keine kinder?" brüsk zurückweist, weil das ja wohl ein "fauxpas" darstelle, weil ihr das ja einfach viel zu althergebracht frauen-rollenimmanent ist ...

und frau brunschweiger sagt dann im weiteren - wörtlich: "für mich bedeutet feminismus, jeglichen patriarchalen imperativ abzulehnen. das heißt: feministin ist die, für die mutterschaft nicht infrage kommt." - punktum...

aber sie schreibt diesen angeblichen partriarchalen imperativ fest mit einem tiefen unerfragten einblick in ihren slip und in ihre fantasien zur schamhaar-rasur ("...ich bin auch nicht komplett rasiert. ich sehe so aus, wie ich aussehe, nicht wie ein kleines mädchen"...) - 

frau brunschweiger verwechselt da etwas: mutterschaft hat primär mit "patriarchalem imperativ" nichts zu tun - sondern mutterschaft ist ein "imperativ humanum", wenn ich so sagen darf, eine menschliche eigenschaft und notwendigkeit - nicht für jede - aber auch zum überleben als spezies auf diesem planeten - und als persönlicher glücksmoment für viele - 
etwas von sich als mensch weiterzugeben mit einer geburt ist ein ethisch legitimierter genetisch angelegter urtrieb überhaupt, ein überlebenstrieb - ist etwas anderes, als sich preiszugeben...

"preis-geben" - das ist wieder so ein weiser deutscher begriff: man gibt etwas oder alles von sich preis - und erzielt damit einen preis - denn alles hat ja zumindest heutzutage seinen preis. selbst also das frausein, das muttersein, wird zur schnöden "ware", die vermessen und ökonomisch und ökologisch taxiert wird: man trägt seine eigentliche "weiblichkeit" damit gnadenlos zu markte - und verrät sie - und nennt sich dann "radikal-feministin" - unglaublich ...!!!

das ist schon höchst raffiniert, wie man frauen und männern damit das voyeur-geld aus der tasche ziehen will - und eigentlich ja nur mit dem übersetzten und umfassenden öffentlichen bekenntnis, jede art von verantwortung und lebenswagnis für andere aus sich heraus (vielleicht aus irgendeiner ur-angst ???) abzulehnen und ad absurdum zu führen ... - und eine solche frau unterrichtet nun "unsere kinder" auf einem gymnasium: wehe wenn sie losgelassen ... - 

aber das sollte man doch auch noch mal amtlicherseits überdenken und mit dem grundauftrag als lehrerin überhaupt abgleichen. ich weiß gar nicht, ob eine derartige "nebentätigkeit" als autorin mit immensen pr-verpflichtungen und diesen aussagen und grundüberzeugungen mit einem solchen lehrerinnen-job überhaupt kompatibel ist - ich habe da meine erheblichen zweifel im hinblick auf ethik und reife... 

frau brunschweiger meint jedenfalls, jedes neugeborene kind entwickele im laufe seines lebens einen 
  • "riesigen ökologischen fußabdruck". 
  • bei einer geburt würde sie einem menschen ziemlich wahrscheinlich etwas schlimmes zumuten, wenn sie ihn zur welt brächte
  • [vielleicht hat frau brunschweiger aber auch schiss, sich selbst etwas "schlimmes zuzumuten", während sie einen menschen zur welt bringt] - 
  • junge mütter hätten nach der geburt eines kindes oftmals "keinen job, wenig geld und chronische rückenprobleme" - 
  • und ihr vater meint, dass sie jedem, der sie nach kindern fragt, eine karte mit der entwicklung der weltbevölkerung vor die nase halten soll ...
bei dieser argumentation blenden vater und tochter brunschweiger die unweigerliche sterblichkeitsrate aller menschen aus, die nach einer gewissen spanne bis jetzt wenigstens immer noch bei 100% ankommt - also jeder ökologische fußabdruck verwischt - und kann wieder - dann umweltverträglich vermindert - erneuert werden ...
aus fast den gleichen beweggründen, die frau brunschweiger für ihre "kinderfreiheit" ins feld führt, hat seinerzeit die chinesische regierung [immerhin] die "ein-kind-familie" propagiert, um das ungebremste bevölkerungswachstum - ebenfalls mit ökologischen argumenten - einzudämmen. 
da es dadurch aber zu einem drastischen geburtenrückgang und einem frauenmangel in diesem riesigen land gekommen ist, was die volkswirtschaft insgesamt erheblich belastet, wurde diese politik wieder in die tonne getreten - also: der mensch denkt - aber gott lenkt ...

dass frau brunschweiger nun aber ihre geschlechtsgenossinnen, die sich nun mal zu einer mutterschaft entschlossen haben, geradezu diskriminiert, indem sie ihnen jeglichen eigentlichen feminismus abspricht und meint, es sei "traurig, frauen so [als mutter 'leidend'] zu sehen", empfinde ich als mann nun ziemlich dreist - und schäbig: "leben - und leben lassen!!!", liebe frau brunschweiger - das nehmen sie für sich in anspruch - aber diesen anspruch haben alle anderen frauen auch ...

mal sehen, was sich frau brunschweiger für ein nächstes geldbringendes projekt für ihre weitere schreibe und für weitere talkshow-teilnahmen zurechtlegt, wenn ihr jetziges buch endlich da gelandet ist, wo es hingehört: nämlich auf den grabbeltisch der geschichte ... -

und bei dem publizistischen hype, der da um ihre thesen und ihre persönliche "preis-gabe" nun entfacht wird, wo man befürworter und gegner gleichmaßen heißmacht, um auflage zu erzielen, ist das auch nur wieder eine der ständigen pr-marginalen, die durch die gazetten und medien gejagt werden - bis zur nächsten steilen these von einer anderen - ach - was soll's ...  

denn der alte satz bleibt ja bestehen: nichts ist so kontant wie der wandel! ... und mal sehen - in welche partei es frau brunschweig nach 15 jahren spd mit ihrem feministischen imperativ dann treibt ... - aber das hieße ja auch wieder, vielleicht für irgend etwas verantwortung zu übernehmen - für das eigene leben und für das leben anderer ... - das hieße ja, scherben zusammenzufegen ...
verhütung



finaler unterwassermoment


massenhysterie - wahlkampf - und alles nur gefühlt

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da wird jetzt aber eine protestwelle durch das land gehen: nur 3 verurteilungen bei über 660 weiblichen opfern und 1304 strafanzeigen ... - und das war alles noch zu zeiten der spd-grünen nrw-regierung unter hannelore kraft - und was hatte damals die cdu geschäumt: "wer hat wann was gewusst - und was wurde bewusst nicht gewusst" - und so ... - nun hat die cdu das sagen und einen unerbittlichen innenminister (herrn reul) am start (stichworte: lippe/lügde - hambacher forst) - aber die anzahl der verurteilungen bleibt in köln zur silvesternacht 2015 die gleiche wie damals bei frau kraft.

und jetzt - und jetzt werden viele der geschädigten aber ohne genugtuung dastehenden frauen in blanker wut ob sooooviel unvermögen der polizei und der staatsanwaltschaft auf die domplatte strömen und lauthals demonstrieren - jaaa - das werden die aber mal sowas von - ...

das Markenzeichen von femen sind seit 2010 oben-ohne-aktionen, bei denen die aktivistinnen ihre nackten oberkörper mit parolen bemalt haben und blumenkränze im haar tragen. für diese aktionsform wird von femen auch die bezeichnung "sextremismus" verwendet. femen bezeichnet sich selbst als neue globale frauenbewegung. sie protestieren zumeist gegen die missachtung der frauenrechte ...


"wir fordern unsere rechte", werden sie brüllen und kreischen - und: "mein leib gehört mir - niemand betatscht mich hinterrücks - und kanacken schon gar nicht ...!!!" werden sie rufen - und im gleich-trippelschritt hinein in den dom - und dort werden sie in guter alter "femen"-manier barbusig auf den altar springen und ihr höschen aufs kruzifix werfen - und große randale machen, wovon die massenmedien bestimmt noch - also bestimmt noch - ein paar oder viele - auf alle fälle lange zeit was zu berichten haben werden ... - da sei der herr vor ...

also gut - jetzt übertreibe ich alter bock mal wieder maßlos: aber - ich habe extra rumgegoogelt mit der "suchen"-funktion: in allen berichten jetzt zum abschlussbericht der kölner polizei schreibt niemand das wörtchen "massenhysterie" - keine redaktion schreibt im zeitalter von #me|too die tatsächliche wahrheit: dass nämlich (meiner unmaßgeblichen meinung nach) in einer art "massenhysterie" -  weil es damals auch politisch gerade "chic" und angesagt war - und man gegen den "nafri"-asylanten-pöbel endlich etwas unternehmen musste wollte - eine "abstimmung" mit den füßen - und frau viele "gefühlte" übergriffigkeiten gar nicht real und tatsächlich erlebt hatte, sondern einfach mitgerissen wurde mit dem ganzen allotria und anzeigen-strudel und -trubel, denn viele erinnerten ja erst stunden und tage später diese gemeinen herabwürdigenden ehrabschneidenden und übergriffigen vorkommnisse ... - eine vollendete vergewaltigung z.b. mit vollendetem koitus mitten auf der domplatte blieb ohne jede anzeige: "aus scham" - und auch der polizist, der angeblich den täter von der frau wegriss, verschwieg seine heldentat ganz selbstlos - und erst ein halbes jahr später berichtete eine "betreuerin" der armen frau dem untersuchungsausschuss im landtag davon ...

schon früh wurden ja die anderen zunächst behaupteten "tatsächlich vollendeten vergewaltigungen" damals wieder eingezogen - und wenn es so überfüllt und voll ist auf der domplatte und man selbst sooo 8-9-17 sekt und likörchen schon getrunken hat - und der eigentliche begleiter auch schon - also ganz schön - und auch noch dingens eingeworfen - und so ... - also dass frau sich da im nachhinein wie begrapscht, wie angefasst, wie geduscht vorkommt - und auch jetzt die tastenden hände immer noch an sich spürt - das bleibt beim besten willen gar nicht aus ... - echt gar nicht ...

in anlehnung an "wikipedia" bezeichne ich mal "massenhysterie" als eine starke emotionale meist auch stark alkoholisierte oder auch mit drogen aufgeputschte erregung in großen menschenmengen, etwa (euphorisch) aus anlass von rock- und popkonzerten ("love-parade" duisburg - mit diesem tatsächlich schrecklich tragischen ausgang), oder silvester- und karnevalsfeiern auf straßen und plätzen, großen sportereignissen (fan-meile oder süd-kurve) oder (trauernd) nach dem tod von berühmten personen (lady di). aber auch die mittelalterliche tanzwut, der hexenwahn im mittelalter mit vielen opfern, und andere massenhaft auftretende ängste (etwa die kommunistenangst im westen während des "kalten krieges" - oder jetzt oft die angst vor flüchtlingen "fremder" herkunft und hautfarbe) münden häufig in massenhysterie - oft einhergehend mit anmache, beleidigungen, anpöbelungen, schubsereien, schlägereien, antanzereien mit kleindiebstählen und übergriffigkeiten ...: denn - und das sagt man ja schon bei kindern: nach müde kommt doof [und in diesem falle ja mehr als genug alkohol und hohem adrenalin-, testosteron- und östrogen-pegel etc.].

auch die gesamte bevölkerung während des "dritten reiches" war durch gezielte goebbels-propaganda und den rundfunk-reden als damals neues medium ("wollt ihr den totalen krieg ???") und mit der von oben geschürten hatz auf juden und schmarotzende "erbkranke" und äußere "feinde" in einer art massenhysterie und massenwahn verhaftet.   

und hier nun stand ja 2017 die nrw-landtagswahl vor der tür - und durch die flüchtlingswelle stand die cdu eigentlich ende 2015/anfang 2016 nur leidlich in der wählergunst da - da musste man doch in stoßgebeten irgendetwas herbeisehnen und über die medien und über die sozialen netzwerke mit-inszenieren - und das hat man dann ja als frau (mit der rechtsschutzhilfe des freundes) auch glatt geschafft - hand in hand ging es ab zum rechtsanwalt (wofür zahl ich denn den rechtsschutz ???) und dann auf die wache - und dann mit dem anwalt die anzeige aufsetzen: das war nur so ein gucken ... - ha - das wolln wir doch mal sehen ...

und jeder tag - bald auch wie ein lauffeuer in anderen nrw-metropolen - ergab neue rekordzahlen bei all den angrapsch-zahlen - "also - dass will ich mal sagen: meine freundin und ich - wir lassen uns das nicht gefallen - von de naffris schon gar nicht" ...

silvesternacht 2015 kölner domplatte

also sprach die wegen den flüchtlingen angeschlagene kanzlerin: "die taten der kölner silvesternacht sind widerwärtig und verlangen nach einer harten antwort des rechtsstaats": und siehe da - knapp 18 monate später wurde cdu-freund laschet ministerpräsident von nrw - und stieß tatsächlich frau kraft vom sockel -  mit dem fdp-neoliberalen lindner im duett, der sich dann aber rasch aus der verantwortung stahl, um zum jahreswechsel 2017/2018 bei den jamaika-koalitionsverhandlungen nochmals rechtzeitig abzuhauen ...: wasch mich - aber mach mir den pelz nicht nass: und da muss der "rechts"staat - muss der aber - mit der ganzen härte - verstehste - und mit den kölner feme-frauen: mit papierkügelchen weitwerfen - einfach nur niedlich ...

"... möchte ich Sie noch höflich bitten, mir folgende Fragen zu beantworten" - update

UPDATE - 
in den letzten tagen wurde dieser beitrag vom herbst 2018 einige male erneut aufgerufen - dadurch aktualisierte er sich quasi wie von selbst ... 
ich fügte hier ein "deutschlandfunk"audio-feature zum thema bei - und fand im netz ein relativ gut erkennbares gesamt-foto vom passow-triptychon, das ich meiner mühsamen"rekonstruktion" aus verschiedenen quellen gerne hinzufügen mag... 
ansonsten gelten für mich weiterhin meine ausführungen dazu vom herbst 2018 - wie in irsee der derzeitige stand der entwicklung um das triptychon ist, vermochte ich im netz nicht zu klären ...  sinedi - 11.03.2019


Gedenkkultur

Die unerträgliche Wahrheit

Aus einer Gedenkstätte für die Opfer der Kranken-Ermordung durch die Nazis in Kloster Irsee wird wohl ein Kunstwerk entfernt, weil es nicht mehr der aktuellen Gedenkkultur entspricht

VON SABINE REITHMAIER | SZ

Der Anblick des Triptychons ist nicht leicht auszuhalten: ein sich verzweifelt aufbäumender Bub, der von zwei Frauen hochgezerrt wird. Wie eine Kreuzigungsszene mutet das dreiteilige Werk an, das eines der gequälten Kinder zeigt, die in der "Bayerischen Heilanstalt für Geisteskranke" in Irsee während der Nazizeit durch Spritzen ermordet wurden oder durch gezielt eingesetzte Magerkost verhungerten. 

Der rechte Flügel des Triptychons:
Das gepeinigte Kind wirkt in seiner
Haltung wie der gekreuzigte Christus.
Foto: Beate Passow, VG BildkunsT Bonn 2018
Beate Passows Werk hängt in der Prosektur dieser ehemaligen Anstalt. Vielleicht sollte man besser sagen, noch hängt es da - denn die Münchner Künstlerin ist davon überzeugt, dass ihr Werk entfernt werden soll. Ob ihre Annahme richtig ist, dazu wollte sich der Besitzer des Triptychons, der Bezirk Schwaben, nicht äußern. Jedenfalls nicht vor der Sitzung des zuständigen Werkausschusses, der an diesem Donnerstag tagt und über eine Neukonzeption der Gedenkstätte berät.

"Die Prosektur als solche bedarf einer Neukonzeption, um den heutigen Ansprüchen an eine produktive didaktische Gedenkstättenarbeit zu genügen", teilte die Pressestelle des Bezirks mit. Ein artiger Satz, fast so artig wie der Titel des Triptychons: "... möchte ich Sie noch höflich bitten, mir folgende Fragen zu beantworten". Passows Werk hängt seit 20 Jahren in dem kleinen Gebäude, das versteckt auf der Nordseite der ehemaligen Klosteranlage Irsee liegt. Nach der Säkularisation wurde es erst als "Kreis-Irrenanstalt", dann als Zweigstelle der Pflegeanstalt Kaufbeuren genutzt. In der Prosektur sezierten die Ärzte die Leichen der Patienten, um ihre Todesursache festzustellen, auch dann, wenn sie, wie in der Nazi-Zeit genau wussten, woran die Patienten gestorben waren. 1972 wurde die Irseer Abteilung für psychisch Kranke aufgelöst, wenige Jahre später in ein Bildungszentrum des Bezirks Schwaben umgestaltet. Seither hat sich viel verändert. Nur in der Prosektur, die Mitte der Neunzigerjahre in eine Gedenkstätte für die Opfer des sogenannten Euthanasie-Programms umgewandelt wurde, sieht es noch genauso aus wie damals, abgesehen von Passows Triptychon im Vorraum. Das Werk überfällt den Betrachter übrigens nicht unerwartet. Zugänglich ist die Prosektur nur für diejenigen, die sich zuvor den Schlüssel beim Hauspförtner holen.

Der Titel des Triptychons: "... möchte ich Sie noch höflich bitten, mir folgende Fragen zu beantworten". (Foto: Beate Passow, VG BildkunsT Bonn 2018)


Der dreiteilige Siebdruck ist ursprünglich auch nicht für diesen Ort entstanden. Michael von Cranach, langjähriger Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren, dem es in erster Linie zu verdanken ist, dass die Geschichte der Kaufbeurer und Irseer Anstalt während der Nazizeit so präzis aufgearbeitet worden ist, hatte Beate Passow Originalaufnahmen übergeben und sie ermuntert, daraus ein Werk zu schaffen. Vom Ergebnis war Cranach sehr beeindruckt. Auch Rainer Jehl, damals Leiter des Bildungszentrums, faszinierte das 1996 in einer Ausstellung des Kunsthauses Kaufbeuren gezeigte Werk so, dass er es für die Prosektur erwarb.

Michael von Cranach, der auch am soeben erschienenen "Gedenkbuch für die Münchner Opfer der nationalsozialistischen 'Euthanasie'-Morde" mitgearbeitet hat, schätzt das Triptychon noch immer sehr. Aber manchmal frage er sich inzwischen, ob das Werk in der jetzt präsentierten Form noch der aktuellen Gedenkkultur gerecht werde, sagt er. Zum ersten Mal sei ihm das bewusst geworden, als vor fünf Jahren die Arbeitsgemeinschaft der Euthanasieforscher und Gedenkenstättenleiter in Irsee tagte und manche Kollegen es entwürdigend fanden, Täterbilder von den Opfern zu zeigen. Das Argument, es handle sich um Kunst, wollten sie nicht gelten lassen. Genauso wenig wie die Mitarbeiter aus Behinderteneinrichtungen, die Cranach während seiner Führungen durch die Prosektur darauf hinwiesen, es sei mit Artikel 5 der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar, Behinderte in derart diskriminierender Weise zu zeigen.

Als auch eine von Kulturstaatsministerin Monika Grütters im Vorjahr initiierte Tagung, die sich mit der Frage der Namensnennung von Euthanasieopfern beschäftigte, zu dem Ergebnis kam, Namen und Daten der Opfer sollten zwar veröffentlicht werden, nicht aber diskriminierende Täterdarstellungen oder deren falsche Diagnosen, setzte das große Nachdenken ein. Seither machten sich die Bezirke Gedanken darüber, ob sie ihre Gedenkstättenkultur verbessern müssen, sagt Cranach. Er selbst würde Passows Bild nicht abhängen. "Ich habe den Vorschlag gemacht, in Irsee eine kleine Tagung mit Experten und Beate Passow zu veranstalten und darüber zu diskutieren, was man tun kann." Vielleicht reiche ein ergänzender Kommentar zur Geschichte der Gedenkkultur.

Passow, 1945 als Tochter eines Nationalsozialisten und einer polnischen Köchin geboren, beruhigt das im Moment nicht. Dass Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert, bei dem sie sich am 14. August brieflich nach der Zukunft ihres Werks erkundigte, bis heute nicht reagiert hat, ärgert sie schon. Erst im Vorjahr für ihre konsequente künstlerische Haltung mit dem angesehenen Gabriele-Münter-Preis ausgezeichnet, arbeitet sie seit vielen Jahren gegen das kollektive Vergessen an. Ihre Kunst - von der Fotografie über Collage und Installation bis zur Aktion - ist immer politisch. Auch wenn sie nicht glaubt, dass sich mit Hilfe der Kunst etwas ändert, ist sie doch von deren emotionalen Potenzial überzeugt. Und auch davon, dass die Wahrheit dem Menschen zumutbar ist.

sueddeutsche zeitung
ich habe versucht, verschiedene z.t. verzerrte wiedergaben im netz einigermaßen als gesamteindruck des triptychons von beate passow zu "rekonstruieren" ...
(Quellen hierzu: lkaelber|www.uvm.edu - beate passow, vg bildkunst bonn 2018 - vdt.ev - bearbeitung: sinedi|art)



inzwischen habe ich im internet [click here] wohl ein authentisches erkennbares original-foto vom passow-triptychon gefunden ... (sinedi - 11.03.2019)


click here zu der neuesten entwicklung
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mich erinnert dieser "fall" an die auseinandersetzung um das spanische gedicht "avenidas" von dem "konkreten" dichter eugen gomringer an der fassade einer berliner hochschule, das wegen seiner angeblich sexistischen interpretierbarkeit der letzten zeile - eines "bewunderers" der straße, der blumen und frauen auf den ramblas in barcelona - nun mit einem anderen text übertüncht wird.

und auch an die auseinandersetzung um die "stolpersteine" in münchen, die der rat dort auf geheiß von frau knobloch von der jüdischen gemeinde ablehnte, "weil man nicht erneut mit stiefeln auf die namen der holocaust-opfer herumtrampeln darf" ...


deutschland insgesamt tut sich schwer mit einer angemessenen gedenk- und erinnerungskultur - jetzt 80 jahre nach den damaligen geschehnissen. und "nazi-deutschland", das waren nicht irgendwelche monster von einem anderen stern, das war auch kein "vogelschiss" in der "langen" geschichte der deutschen (das zusammenhängende "deutsche reich" wurde erstmals erst 1871 begründet): das waren unsere vorfahren und verwandten, opa und oma und (groß)onkel und (groß)tante - das waren nicht etwa irgendwelche fremden migranten von anderswoher, das waren nachbarn und biedere bürger von nebenan...


doch meines erachtens versucht man jetzt mit "angemesseneren zeitgemäßeren formen des gedenkens" auch immer mehr die tatsächlichen  taten und geschehnisse und übergriffe und morde auszublenden und ebenfalls nach und nach zu übertünchen - und ich werde dabei den verdacht nicht los, dass das auch geschieht unter der allgemeinen prämisse: "nun muss es doch auch endlich mal gut sein" ...

die beiden frauen, die die kinder oder das kind auf den triptychon-abbildungen hochzerren waren ja höchstwahrscheinlich seinerzeit ganz einfache  k r a n k e n -    s c h w e s t e r n - vielleicht sogar ordensschwestern, die das auf anweisung eines arztes und in ihrer verantwortung vor gott taten ...

während also der afd-höcke herumschwadroniert, das berliner holocaust-mahnmal sei "ein denkmal der schande" und er "eine erinnerungspolitische wende um 180 Grad" einfordert, meint sein parteivorsitzender gauland, die nazi-diktatur sei lediglich ein "vogelschiss" in der geschichte deutschlands gewesen.

und genau in diesen verleugnungs-prozess platzt nun die idee zur umgestaltung der erinnerungskultur in kaufbeuren-irsee mit umgestaltung oder gar dem verzicht des triptychons von beate passow.

20 jahre hat dieses triptychon die besucher dort - zugegebenermaßen recht eindrücklich - zum nachdenken gebracht und die unvorstellbaren grausamkeiten dort in erinnerung gerufen und plastisch vor augen geführt, und nun werden plötzlich argumente gefunden aus dem "political-correctness"-katalog, dass aus ethisch-ästhetischen überlegungen heraus "täterbilder von 'euthanasie'-opfern" nicht gezeigt werden sollten - und dass nach artikel 5 der UN-behindertenrechtskonvention behinderte menschen nicht in derart diskriminierender Weise abgebildet werden sollten.

aber hier werden ja nicht behinderte menschen zur schau gestellt - sondern es werden doch quasi wie in einer anwaltsakte tatsachen der grausamen nazi-menschenverachtung per tatortfotos mit-geteilt und "bewiesen" - besonders auch der nachwelt, die davon vielleicht vor lauter scham und verleugnung und verdrängung in den familien vielleicht noch nie davon gehört hat - und sich kaum ausmalen kann, was da in nächster nachbarschaft oder gar in der eigenen familie abgegangen ist.

und da manche videospiele bedeutend brutalere abbildungen mit aktiven handlungsanweisungen zeigen und kombinieren, kann man auch nicht davon sprechen, diese drei triptychon-bilder seien unerträglich. natürlich sollten die besucher dort schon eine gewisse persönliche reife erlangt haben.

gerade in der christlichen ikonographie wird das triptychon ja in vielen altarbildern verwandt - und oft mit der abbildung eines kruzifix mit dem elend ermordeten und verendeten jesus - ein abbild hier als mahnung, meditation und gebet. niemand würde auf die idee kommen, dass diese darstellungen nach irgendeiner menschenrechtskonvention nicht mehr gezeigt werden könnten - und als "täterbild" käme bei einem christlichen kruzifix ja "der mensch", "die menschheit" in frage - wie auch bei der "euthanasie": "täter" waren nicht irgendwelche einzel-mörder, sondern bei diesen industriell durchorganierten tötungsaktionen gab es immer viele täter und mit-täter: oft angefangen bei den denunzianten in familie oder nachbarschaft, über zwangseinweisungen durch die polizei und die braunen nsv-ortsfürsorgerinnen, über die "rassenkundlich forschende" ärzteschaft, über die transporteure der reichsbahn und der "gekrat"-busse, bis hin zu den "pflegerinnen und pflegern", die die tödliche spritze auf anordnung setzten oder das gift verabreichten, oder die helfer an den verbrennungsöfen und vor den gaswagen und gaskammern. 

bei diesen ca. 300.000 "euthanasie"-mordopfern - neben den 6.000.000 holocaust-opfern - summiert sich da eine unvorstellbar große anzahl von menschen, die mitbeteiligt war: sie alle lebten und leben mitten unter uns - zumeist nicht einmal belangt oder gar angeklagt. das alles waren menschen mitten aus dem "volk" - verblendete und ideologisierte menschen - aber menschen wie du und ich ...

und auch diese drei passow-siebdruck-bilder rütteln in erster linie auf - und brennen sich vielleicht auch ein - aber ich z.b. bin durch einen besuch mit meiner konfirmandengruppe in einem heim für schwerstbehinderte kinder in bethel damals auf die idee gekommen, dort einmal meinen zivildienst abzuleisten und habe diese arbeit dann zu meinem beruf gemacht - zu meiner "berufung" gewählt - weil die wahrnehmung der menschen dort meine zuneigung und meinen schutzinstinkt und meine fürsorge geweckt haben - und meine prämisse war es immer, diese mitmenschen nicht mehr auszugrenzen, sondern mit hineinzunehmen.

man darf auch die mordtaten gegen diese menschen nicht ausgrenzen, sondern sie müssen als mahnmal mitten unter uns sein und bleiben - und es muss auch das "wie" vorstellbar in seiner grausamkeit uns allen erhalten sein.

man darf vor lauter "political correctness" die tatsächlichen geschehnisse von damals nicht heutzutage andauernd versuchen zu relativieren ... - gerade nicht zu einer zeit, beim dem nationalistisch-populistische bewegungen neu befeuert werden und sich gegenseitig hochkochen ...


es kann bei einer "zeitgenmäßeren erinnerungskultur" nicht "nur noch" darum gehen, das damalige mordgeschehen etwa durch symbole geradezu pseudoreligiös zu ritualisieren: beispielsweise etwa in einem nacht-"event" in einer "gedenk-gruppe" still vor flackernden kerzen zu sitzen, im andenken an die opferschicksale, die man aber tatsächlich als opferbiografien inhaltlich gar nicht zur kenntnis nehmen konnte - und auch gar nicht ("vor lauter unzumutbarem grauen") nachzuvollziehen gewillt ist - das entfacht eher einen "sportlichen durchhaltegeist" ("ich habe durchgehalten" - "ich bin dabeigewesen" - "ich habe mir die urkunde dafür gut abgeheftet") als ein historisch profundes "erfahren" mit der inhaltlichen skizzierung des damaligen geschichtlich-gesellschaftlich-"erbwissenschaftlichen" kontextes zum tatsächlichen letztendlichen massenhaften mordgeschehen...


intuition


Wer spricht da?
von Denise Peikert | FAS

Wenn es schwierig wird, schwören manche auf ihre Intuition. Die werde einem schon zeigen, was jetzt zu tun ist, heißt es dann. Aber, so fragt Denise Peikert: Gibt es sie wirklich, diese innere Stimme? Und wenn ja, wie hört man sie nur raus aus den ganzen Grübeleien im Kopf?

Zum Beispiel so ein Tag am See. Diese Tage kommen ja bald wieder. Es wird langsam Frühling und dann Sommer. Man liegt also so da und denkt nach, über die anderen natürlich. Was etwa die Hängematten-Leute (so ungebunden!) von den Mallorca-Handtuch-Leuten (Prolls!) unterscheidet und von denen auf den Decken mit Alufolie drunter (fast immer Familien, ansonsten: auf jeden Fall Spießer!). Und man selbst, auf einem dieser Luftsofas, wie sie zuletzt öfter an die Binnenseen geschleppt worden sind – wie fügt man sich so ein ins soziale Ufer-Gefüge? Und was bedeutet das wohl fürs Selbstbild? Auf Stirnhöhe steuert unkoordiniert eine Wespe heran und stört den Gedankengang. Wildes Wedeln, und danach, es fällt gar nicht weiter auf, ist der Faden gerissen. Eigentlich wolltest du dieses Buch lesen, aber wahrscheinlich kramst du nur gleich wieder dein Handy raus, meint ein gehässiger Teil von einem selbst. Weil darüber erst nachgedacht werden muss, vergeht ein Mini-Moment, bis die nächste Stimme zugeordnet ist: „Willst du Pflaumen?“ Das kam von nebenan, von außerhalb des eigenen Kopfes, und der Gedanke dazu ist: Pommes wären gut. Gut wäre auch, wenn der Gehässige dazu ausnahmsweise mal schweigen würde. Man kommt ja gar nicht zum Nachdenken hier!

Ist es das, was sie alle meinen, dieses Geplapper der eigenen Gedanken, wenn sie davon reden, man solle auf seine innere Stimme hören?

Fast jeder kennt das Gefühl, etwas sehr genau zu wissen, ohne zu wissen, woher. Von einer Eingebung sprechen manche, von Intuition, dem Bauchgefühl oder, wer es hemdsärmeliger mag: „Ich hab’s im Urin.“ Leider haben wir nur selten „etwas im Urin“, wenn wir es gerade sehr dringend brauchen – die Lösung für ein kompliziertes Problem zum Beispiel findet sich da bedauerlicherweise so gut wie nie. Sowieso und ganz sicher nicht, ätzen da die Rationalisten, für die schon das Konzept „innere Stimme“ großer Hokuspokus ist und denen bei dem Begriff, wenn überhaupt, nur ein innerer Dialog von so geringer Schöpfungshöhe einfällt wie der eingangs beschriebene. Menschen mit einem größeren Hang zur Spiritualität dagegen meinen, wir hätten nur verlernt, genau hinzuhören.

Gerade scheint das Hinhören wieder in zu sein, auf Meditationskissen etwa, in Coaching-Seminaren und während Yoga-Retreats. Und auch jetzt in der Fastenzeit. Bringt es also wirklich was? Und wie lässt sie sich heraushören, die innere Stimme, aus dem Gewühl von Angst, Genervtheit, Euphorie, Tagträumerei und dann noch dem, was die anderen so sagen?

Regina Morgenstrahl ist Psychologin in Linz und diesseits des Atlantiks eine der wenigen, die sich wissenschaftlich mit der Intuition beschäftigt hat. In ihren Seminaren übt sie mit Menschen, was es braucht, um auf die eigene innere Stimme zu hören. Manchmal, sagt Morgenstrahl, seien die Leute verwundert, wie sie jahrelang erfolglos auf einem Problem herumkauen konnten, das in den Seminaren innerhalb von 20 Minuten gelöst werde. „Intuition ist eine geistige Fähigkeit des Menschen, eine ganz natürliche, jeder kommt damit auf die Welt“, sagt Morgenstrahl.

Nur sei der Zugang dazu in unserer durchrationalisierten Welt oft blockiert: „Die Naturwissenschaft hat die ,geistige Fähigkeit‘ des Menschen auf den Intellekt reduziert.“ Dabei könne gerade die Intuition in festgefahrenen Situationen helfen, eine Lösung zu finden. Allerdings erfordere es Mut, auf ein intuitives Gefühl zu hören: „Die Intuition gibt uns Gewissheit, keine Sicherheit“, sagt Morgenstrahl. „Wenn wir eine intuitiv gefällte Entscheidung umsetzen, wissen wir bis zum Schluss nicht, wie das ausgeht.“

Der Gedanke klingt verlockend: Alles Nachgrübeln über Probleme ist nur ein überflüssiges Abmühen, weil man für die wahre Lösung einfach auf den einen goldenen Moment der Eingebung warten muss. Aber ist das so? Ist Intuition „das schlagartige Erfassen des ganzen Erkenntnisgegenstandes“, wie Platon es vor Ewigkeiten definiert hat? Spricht daraus nicht eine allzu überhöhte Hoffnung, die Intuition könne uns aus den Überforderungen des Alltags befreien?

Die Sache wird etwas klarer, wenn die Fragen kleiner werden. Intuition ist keine übernatürliche Fähigkeit, sondern speist sich oft aus der Erfahrung. Man kann das bei allen Dingen beobachten, die Menschen sehr häufig tun. Wer etwa Tennis spielt, der ahnt irgendwann, wohin ein Ball fliegen wird und mit welcher Härte, welchem Schlag er am besten zu parieren ist, und zwar ohne dass er oder sie darüber lange nachsinnen muss. Nach diesem Prinzip macht die Intuition bei den Zehntausenden Alltagsentscheidungen, die wir täglich einfach so treffen, lautlos ihren Job, manchmal in Kombination mit Instinkten, Emotionen und Stimmungen.

So weit, so unmagisch. Die Fragen, bei denen wir uns intuitive Eingebungen herbeiwünschen, sind aber vom Format wie: Soll ich meinen Job kündigen / Kinder bekommen / meinen Partner verlassen? Immer genau dann also, wenn wir gerade nicht auf Erfahrungen zurückgreifen können, sondern das Gegenteil brauchen: einen ganz neuen Gedanken.

Wollen wir in solchen Situationen absichtsvoll zu unserer inneren Stimme vordringen, scheint dieser Prozess von der Mühsal des Denkens nicht allzu weit entfernt zu sein. Als eine „Fokussierung von Gedanken“ bezeichnet ein Münchner Psychotherapeut, über den noch zu sprechen sein wird, diese besondere Form der Intuition. „Eine höhere Art des Denkens“, so nennt es die Psychologin und Seminarleiterin Morgenstrahl. Und wenn man ihr zuhört, reicht kein entspanntes Abwarten, kein bloßes Hoffen auf eine Eingebung, um zur eigenen Intuition vorzudringen. Es ist vielmehr von einer Kompliziertheit, durch die sich fast alles auszeichnet, was mühelos aussieht: Wenn man es allzu ehrgeizig versucht, wird es wahrscheinlich nicht gelingen.

Dazu, wie es gelingt, gibt es, so klingt das bei Morgenstrahl, eine Kombination aus einer komplizierten und einer überraschend einfachen Technik. Kompliziert hört sich das an, was die Psychologin dazu zu sagen hat, welcher Voraussetzungen es bedarf, sich selbst in einen intuitionsfreundlichen Zustand zu versetzen. Man müsse, sagt Morgenstrahl, Klarheit und Ruhe auf drei Ebenen schaffen: im Denken, in den Gefühlen und beim Willen. Dem Verstand müsse man erklären, dass er jetzt mal kurz nichts zu melden habe, dass man später auf ihn zurückkomme. Persönliche Gefühle müsse man herausfiltern und abstellen – Dinge wie Angst oder Euphorie seien oft leichter zu spüren als die Intuition und überlagerten diese. Und drittens müsse der Wille gebändigt werden, denn bei allzu viel Strebsamkeit ziehe sich die Intuition in den nicht hörbaren Bereich zurück.

Wenn einem das erst einmal gelungen sei, dann könne der Prozess des intuitiven Denkens beginnen – am allerbesten, und das wirkt gegenüber der Gedanken-Gefühls-Willens-Akrobatik im ersten Schritt regelrecht simpel, mit einer Was-Frage. „Das funktioniert immer“, sagt Morgenstrahl: „Die Was-Frage ist eine offene Frage. Viele Menschen haben eine Aha-Erlebnis, wenn sie sich über eine solche Frage einem Problem nähern.“ Schlecht sei es dagegen, sein Denken mit einem „Warum?“ zu beginnen, denn da melde sich sofort der Verstand, ein „Warum“ kurbele Erklärungen an. Auch „Woher“ sei keine gute Gedankeneröffnung, denn damit befinde man sich schnell im Bereich der Erinnerung. Weiter sagt Morgenstrahl: „Die Intuition ist aber eine Intelligenz, die in der Gegenwart funktioniert.“

Wenn also Menschen zu ihr kommen, oft solche, die nach Lösungen für berufliche Sorgen suchen, schlägt Morgenstrahl ihnen folgende Fragen vor, um zur eigenen Intuition zu gelangen: Was ist meine Verantwortung? Was weiß ich über ein Projekt? Was lässt mich zweifeln, dass es gelingen könnte? Was schlummert an Potential in mir?

Wer das einmal ausprobiert, der wird schnell wieder vor dem Gedanken-am-See-Problem stehen: Zu jeder einzelnen dieser Fragen fällt einem, gern einander überlagernd, eine Menge ein, mischen sich viele verschiedene Stimmen. Wie gelingt es jetzt bloß, das alles auseinanderzuklamüsern, die innere Stimme herauszuhören? „Um die Unterscheidungsfähigkeit zu trainieren, braucht man den Verstand“, sagt Morgenstrahl. Es sei zwar wichtig, nicht sofort jeden in den Kopf schießenden Gedanken verstandesmäßig zu bewerten, weil sich dann niemals der neue, intuitive Gedanke durchsetzen könne. „Aber gerade weil intuitive Eingebungen individuell sind, bedarf es nach einer Weile des Nachdenkens einer Synthese-Arbeit zwischen Intuition und Verstand.“ Es sei nur wichtig, dass der Verstand die Intuition nicht abwerte, sondern seine Fähigkeiten dazu nutze, die innere Stimme herauszuhören.

An der Stelle hat Morgenstrahl, zum Aufatmen für alle, eine gute Nachricht: Die innere Stimme, sagt sie, habe klar abgrenzbare Eigenschaften. Sie sei die leiseste von allen, auffällig klar und prägnant, und sie überlasse einem selbst die Entscheidung, ihr zu folgen oder eben nicht. „Wenn man ein inneres Drängen spürt, dies oder jenes zu tun, ist das keinesfalls die Intuition“, sagt Morgenstrahl. Oft sei das Auftreten der inneren Stimme verbunden mit einem bestimmten Gefühl in der Herz- oder Bauchgegend. Dem Gefühl, es eben jetzt gerade einfach ganz genau zu wissen.

Morgenstrahl hat in den späten Achtzigern angefangen, sich mit der Intuition zu beschäftigen. Sie hat in Amerika bei Gail Ferguson gearbeitet und gelernt, einer bekannten Intuitionsforscherin. Und sie hat in der Südsee gesehen, wie es für die Menschen dort ganz selbstverständlich ist, die innere Stimme einzubeziehen. Als sie mit der Forschung zur Intuition anfing, so erzählt Morgenstrahl heute, bekam sie einen Drohbrief von mehreren österreichischen und deutschen Wissenschaftlern der Psychotherapie. „Wenn ich das studiere, hieß es, werde ich vom Lehrkörper ausgeschlossen“, sagt Morgenstrahl. „Sich mit Intuition zu beschäftigen war Scharlatanerie.“ Heute habe sich das zwar geändert – Morgenstrahls Wahrnehmung nach aber weniger in ihrer eigenen Disziplin, der Psychologie, sondern viel mehr in der Wirtschaft. „Die ersten Menschen, die zu mir gekommen sind und etwas über Intuition wissen wollten, waren Bauingenieure“, sagt Morgenstrahl. Deren Probleme seien besonders komplex, für ihre Lösung brauche man besonders häufig völlig neue Gedanken.

Christoph Seidl ist katholischer Pfarrer in Regensburg, und wenn er wandert, dann fällt ihm immer wieder auf, was eine der ärgerlichsten Eigenschaften der inneren Stimme ist: Sie sei so klar wie ein Wegweiser, aber schon wenn man um die nächste Ecke gebogen sei, frage man sich wieder: Ist das wirklich der richtige Weg? „Wenn wir uns gerade noch sicher gefühlt haben, sind wir beim nächstbesten Ratschlag der anderen wieder unsicher“, sagt Seidl.

Der Regensburger sagt auch, dass die Forscher schon recht haben könnten mit der Idee, dass an der Marginalisierung der Intuition nicht nur Aufklärung und Wissenschaft mitgearbeitet haben, sondern, etwas überraschend vielleicht, auch die Kirche, insbesondere die katholische. Für Seidl selbst, der vor allem Seelsorger ist für schwerkranke Menschen, ist die innere Stimme, die Intuition, ein enges Verbundensein mit Gott. „Vielen Bischöfen war das alles lange – und ist es manchmal heute noch – zu diffus: diese persönlichen Glaubenserfahrungen, alles Mystische. Für sie ist es einfacher, sich an ein Dogma zu halten“, sagt Seidl.

Peter Falkai ist zwar kein Kirchenmann, aber er beobachtet dasselbe Phänomen, nennt es nur anders: „Wir haben eine affektlose Welt“, sagt Falkai, der Direktor der Psychiatrischen Klinik ist an der Universitätsklinik in München und der Psychotherapeut, für den Intuition eine „Fokussierung der Gedanken“ ist. „Es ist Teil der Psychotherapie, den Menschen wieder ein Gefühl dafür zu geben, ihre Emotionen wahrzunehmen und sie in die Überlegungen mit einzubeziehen“, sagt er. Und manchmal, da muss Falkai den Patienten, die in seiner Praxis Hilfe suchen, auch erklären, dass sie nicht verrückt sind, wenn sie Stimmen hören. „Wenn ich definitiv Dinge höre – also Rufe, Schreie, Stimmen, Geräusche –, aber niemand ist da, dann ist das zwar keine innere Stimme mehr, sondern eine akustische Halluzination.“ Allerdings heiße das noch lange nicht, dass man eine Psychose oder Schizophrenie habe. Zwischen drei und zehn Prozent der Menschen, sagt Falkai, haben in ihrem Leben solche Halluzinationen, schizophren sei aber nur etwa ein Prozent.

Stimmen hören im halluzinatorischen Sinne könne durch Drogen ausgelöst werden, durch einen Unfall, durch einen kleinen Infarkt. Wenn Zellen in der Hörrinde des Gehirns sich nicht richtig miteinander verbinden, könne es etwa sein, dass man nach innen höre, dass Gedanken als Halluzinationen laut würden. Nur, wenn einen das stark einschränke, müsse man das behandeln lassen, sagt Falkai. „Es gibt aber auch Menschen, die sogar mit dieser Art inneren Stimmen gut umgehen lernen.“

Und es gibt einen Mann, der sich lange vor der Intuitionsforschung mit sehr komplexen Problemen beschäftigt hat und der schon damals der Ansicht war, dass der Intuition beim Nachdenken zu wenig Raum gegeben werde. Albert Einstein heißt der Mann, und überliefert ist von ihm folgendes Zitat:
„Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Geist ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.“ 
Vielleicht ist es an der Zeit, diese Relation zurechtzurücken.



© FAS - Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, S. 15 - Leib & Seele


ich habe auch hier im blog schon oft von meiner intuition geschrieben - wenigstens von dem, was ich dafür halte - und die ich immer gern mein inneres "navi" nenne, das mir den weg weist, mir orientierung gibt: es ist das "ding", mit dem ich in innerer kommunikation stehe, im dialog sozusagen - die stimme oder die gewissheit, die mir antwortet und mit mir im zwiegespräch ist ...

ich staune immer, dass es anscheinend solch langer abhandlungen wie hier in der f.a.s. bedarf, um davon zu berichten und diese innere stimme aufzuzeigen...


früher dachte ich, dass doch jeder mensch so "mit sich ins reine kommt" - bis ich dann allmählich lernte, dass da jeder mensch völlig anders tickt - und manche diese innere stimme wohl noch nie wahrghenommen haben - von meiner inneren stimme auf andere innere stimmen jedenfalls zu schließen haut oft nicht hin ...

es ist schwer, mit worten und begriffen die eigene intuition außenstehenden zu beschreiben und gar nahezubringen: da ist nicht etwa "ein kleiner mann im ohr", der auf fragen in artikulierten sätzen antwortet - wenigstens nicht in mir - da ist keine "halluzinatorische stimme", die mir etwas zuraunt... - das ist eher, wie oben beschrieben: ein plötzlich aufkommendes stereo-gefühl in brust und magen - "im herzen" und als "bauchgefühl", was mir "sagt"- das und das liegt jetzt an - "mach et" ...

das ist - ich habe das hier schon beschrieben - wenn ich hier für meine blogs schreibe, wenn ich dichte oder "ver-dichte", wenn ich beispiele suche oder nach begriffen sinniere, wenn ich meine "kunstwerke" und illustrationen zusammenpuzzle ... - ich muss immer "anfangen" - und dann geht es weiter - immer weiter: ganz nach meinem sinnspruch: "der weg dorthin - ist der weg dadurch" ...

ich kann gut hier oben im artikel dem katholischen pfarrer christoph seidl folgen, der meint: die innere stimme, die intuition, sei ein enges verbundensein mit gott - und ich meine sogar, das ist die "seele", die mich vom ersten tag an führt und begleitet - und vielleicht bis in den tod und darüber hinaus - um dann mit anderer stimme, mit neuer dynamik - ganz neu - und ohne persönliche erinnerung ans jetzt und hier - aber immer im ahnen - das da schon was war und wieder sein wird - immer als diffuse wispernd wissende persönliche glaubenserfahrung - oft auch im "mystischen" ...

mit den dogmen der kirche hat das alles nicht allzuviel zu tun - da kann nichts festgeschrieben werden - das innere "navi" zeigt mir meinen weg, immer wieder neu ...